gez-boykott.de::Forum
"Beitragsservice" (vormals GEZ) => Widerspruchs-/Klagebegründungen => Thema gestartet von: Rochus am 08. März 2016, 08:46
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Ist mittlerweile geklärt, wie mit dem Thema Säumniszuschlag umgegangen werden soll? Ich kann anhand der Entscheidung des BGH, den Beschluss des LG Tübingen vom 19.05.2014 aufzuheben, nicht erkennen, dass damit auch die gängige Praxis des ÖRR, Säumniszuschläge zu erheben, anerkannt worden wäre. Zumal ja auch nicht abschließend geklärt wurde, wie sich der Abgabeschuldner denn nun zu verhalten hat, um den Klageweg beschreiten zu können.
Wer zahlt, bekommt keinen Bescheid.
Wer keinen Bescheid bekommt, kann nicht klagen.
Wer nicht klagt, kann sich nicht auflehnen.
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Im "gesamten deutschen Verwaltungsrecht" ist ein primärer VA/ Leistungsbescheid erforderlich und daher einforderbare Praxis - nur die LRA meinen sie bräuchten soetwas lästiges nicht, und erheben sich damit gleichfalls über das Gebot des effektiven Rechtschutzes.
Aufgrund dieses Umstandes sah sich das LG Tübingen wiederholt gezwungen, sowohl dem BGH wie auch den LRAn erneut eine schallende Ohrfeige zu verpassen:
Neuestes vom LG Tübingen - Angriffsfläche BGH, LRA, Beitragsservice (3.2.16)
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,17804.0.html
Beschluss 5 T 311/15 vom 03.02.2016 obwohl vieles dafür spricht, dass bei Rundfunkbeiträgen - wie bei allen anderen gesetzlichen Abgaben (Steuern, Gebühren, Beiträge) - unabhängig von gesetzlicher Fälligkeit ein anfänglicher (originärer, primärer, die Abgabenhöhe mit Gründen und Rechtsmittelbelehrung festsetzender) Leistungsbescheid/Verwaltungsakt erforderlich ist . Schon das Gebot effektiven Rechtsschutzes würde es gebieten - im Übrigen kostenneutral - statt der formlosen Zahlungsaufforderung einen Leistungsbescheid zu versenden, der zur Klärung der den Schuldner interessierenden Frage der materiellen Rechtsmäßigkeit die (einmalige) Anfechtungsklage ermöglichen würde. Unter anderem durch Fehlen dieses Bescheids kommt es dazu, dass schuldnerseits regelmäßig materiellrechtliche Einwände im Vollstreckungsverfahren (unzulässig) vorgebracht werden. Das gesamte deutsche Verwaltungsrecht geht selbstredend von der Notwendigkeit eines Leistungsbescheids aus, vgl. z. B. Bundesgebührengesetz, Bundesverwaltungsvollstreckungsgesetz, Systematik von §§ 13, 14 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz. Die Handlungsform einer hoheitlich handelnden, den Bürger belastenden Verwaltung ist der Verwaltungsakt, nicht die Rechnung oder Zahlungsaufforderung, wenn es wie hier um die einseitige, außenverbindliche Anordnung geht (vgl. z. B. Püttner, Allg. Verwaltungsrecht, Kap. 4). Keine öffentlich-rechtliche Geldleistung wird ohne Bescheid zahlungsfällig; der Verweis auf § 38 AO hilft nicht. Die Steuerschuld entsteht kraft Gesetzes, wie der Rundfunkbeitrag. Die Festsetzung erfolgt aber nicht mittels Zahlungsbitte, sondern durch den Verwaltungsakt „Steuerbescheid“ (§ 155 AO). Auch das Lohnsteuerrecht verzichtet nicht auf Bescheide bzw. Festsetzungen (§ 168 AO). Der Beitragsbescheid müsste dem konkreten Schuldner auch die Höhe, den Gläubiger und den Fälligkeitstag benennen, der sich - vom BGH übergangen - auch nicht aus dem Staatsvertrag ergibt („Dreimonatszeitraum, Mitte“).
(Leistungsbescheid bedeutet damit, dass keine Säumniszuschläge im ERSTEN von der LRA überhaupt erhaltenen Bescheid möglich bzw. durchsetzbar sind)
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Das ist keine schallende Ohrfeige, das ist ein Mike Tyson Uppercut Knockout oder eine Leberhaken.
Die Logik ist auch unbestechlich:
Eine Zahlungsschuld mag bestehen, auch bevor ein Bescheid erstellt wurde, aber die Faelligkeit und die Hoehe wird erst im Bescheid festgelegt.
Eine Saeumnis kann nicht vorliegen, solange kein Bescheid zugestellt wurde.
Der aber wird ja nur zugestellt wenn man nicht zahlt.
Insofern kann es da eigentlich auch keine zwei Meinungen geben.
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Für Vollstreckungsersuchen von Bedeutung: Gegen den Festsetzungsbescheid der LRA hat ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO. Dies gilt jedoch nicht für Säumniszuschläge.
Laut
Sächsisches Oberverwaltungsgericht Bautzen Beschluss 3 B 111/15 vom 05.05.2015
https://www.justiz.sachsen.de/ovgentschweb/document.phtml?id=3969
Bei Säumniszuschlägen handelt es sich nicht um ein Finanzierungsinstrument des Staats, sondern in erster Linie um ein abgabenrechtliches Druckmittel eigener Art. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO ist hierauf nicht anwendbar.
und
VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 4.2.2015, 2 S 2436/14
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&nr=19076
3. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht auf Säumniszuschläge anzuwenden, denn hierbei handelt es sich nicht um ein Finanzierungsinstrument des Staates, sondern in erster Linie um ein Druckmittel.
D.h. die Zwangsvollstreckung von Säumniszuschlägen ohne zugestellten Widerspruchsbescheid ist nicht zulässig.
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Auch nochmal im
Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt 3. Senat am 24.06.2011, 3 M 488/10
http://www.landesrecht.sachsen-anhalt.de/jportal/portal/t/buq/page/bssahprod.psml?doc.hl=1&doc.id=MWRE110002301&showdoccase=1&doc.part=L¶mfromHL=true
Die im Rundfunkgebührenrecht erhobenen Säumniszuschläge sind keine Abgaben und Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO.
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meines Kenntnisstandes wird dies von den Gerichten immer noch unterschiedlich bewertet - das VG München hält die Zuschläge für berechtigt.
ich hänge drei Seiten eines Urteils vom September 15 an, damit die Argumentation des Gerichts nachvollziehbar wird - afaik hat sich @VG München daran auch nichts geändert.
die ersten Zeilen sind abgeschnitten - es heißt dort:
Die Frage ob Säumniszuschläge zu den "öffentlichen Abgaben und Kosten" im Sinne des § 80 Abs2 Satz1 Nr1 VwGO zu rechnen sind, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten ..
darauf folgen die Ausführungen auf zweieinhalb Seiten
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Ich hoffe, dass die Argumentation der OVGs oder VGHs Vorrang vor der Argumentation der einfachen Verwaltungsgerichte hat. Beim Bundesverwaltungsgericht habe ich nur eine Entscheidung (BVerwG 9 C 1.15 - Urteil vom 20. Januar 2016) zu Säumniszuschlägen von Straßenausbaubeitragsbescheiden gefunden, bei denen ein Antrag auf aufschiebende Wirkung (=Eilrechtsschutz) angenommen wurde. Diese müssen dann logischerweise erstattet werden, sollten diese schon gezahlt worden sein. Passt aber nicht so wirklich zum Thema.
Hier ist der link zur Pressemitteilung, in der auch das vollständige Urteil verlinkt ist.
http://www.bverwg.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.php?jahr=2016&nr=2