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"Beitragsservice" (vormals GEZ) => Widerspruchs-/Klagebegründungen => Thema gestartet von: 907 am 29. Oktober 2015, 18:27

Titel: Gesetzesauslegung – Fälle zur Methodenlehre
Beitrag von: 907 am 29. Oktober 2015, 18:27
Die Historische Auslegung

 Wie die Bezeichnung schon verrät: Hier spielen die Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Entstehung der Norm eine Rolle.
Bei der Historischen Auslegung sind zwei Fragen von Relevanz:
Wie ist die Norm entstanden?
Die Entstehung einer Norm ist das Ergebnis eines Weiterbildungsprozesses innerhalb der Gesellschaft. Hierbei sollte betrachtet werden welche Zwecke der Gesetzgeber mit der jeweiligen Norm verfolgt hat und welche möglichen Probleme er damit regeln wollte.


Ganz wichtig: Verfassungskonforme Auslegung

 Sind mehrere Interpretationsmöglichkeiten gegeben, so soll das Gesetz verfassungskonform ausgelegt werden.


Quelle: http://www.juristischer-gedankensalat.de/2009/06/08/die-verfassungsinterpretation/

Grammatikalische Auslegung

Die grammatikalische Auslegung setzt am Wortlaut des Gesetzes an. Es wird folglich eine Interpretation des Rechtssatzes vorgenommen, um den Wortsinn des einzelnen Gesetzes zu ermitteln. Der Bearbeiter muss eine Analyse vornehmen, welche Bedeutung dem Gesetzestext beziehungsweise einzelnen Wörtern der zu prüfenden Norm im Alltags- oder Fachsprachengebrauch zukommt.

Bsp.: Bei der Auslegung von Gesetzen werden sehr häufig die Wörter „kann“, „soll“ und „muss“ verwendet. Bei dem Wort „kann“ ist es möglich, dass nach den Vorschriften gehandelt wird, es muss aber auch nicht danach gehandelt werden (Bsp.: § 48 I 1 VwVfG). Bei den „soll“ Vorschriften wird zwar etwas verbindlich verlangt, wenn es aber nicht danach vorgenommen wird, führt es nicht gleichzeitig zur Nichtigkeit der vorgenommenen Maßnahme (§ 25 I VwVfG). Die Rechtssätze mit dem Wort „muss“ haben grundsätzlich erfüllt zu werden, wenn diese Vorschriften nicht erfüllt werden, hat dies die Nichtigkeit der erlassenen Maßnahme  zur Folge (Bsp.: § 4 I 1 StVO).


Quelle: http://www.juraindividuell.de/blog/gesetzesauslegung-faelle-zur-methodenlehre/

Zitat
§2 Rundfunkbeitrag im privaten Bereich
(1) Im privaten Bereich ist für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten.

Wie soll man es verstehen? Als „kann“, „soll“ oder „muss“?
Titel: Re: Gesetzesauslegung – Fälle zur Methodenlehre
Beitrag von: Sophia.Orthoi am 29. Oktober 2015, 18:37
Sicher nicht als "muss", sonst steht im Widerspruch zu den anerkannten Befreiungstatbeständen.

"kann" ist aber wahrscheinlich auch nicht: sie versuchen, aber können trotz den vielen Vollstreckungen das Geld nicht eintreiben.
Titel: Re: Gesetzesauslegung – Fälle zur Methodenlehre
Beitrag von: PersonX am 29. Oktober 2015, 19:09
Zitat
ist

natürlich im Sinne von
http://www.duden.de/rechtschreibung/ist

--->
http://www.duden.de/rechtschreibung/sein_Verb_Vollverb#Bedeutung4
Zitat
a     entspricht einem mit »können« verbundenen Passiv; … werden können
    Grammatik
    mit Infinitiv mit »zu« als Hilfsverb
    Beispiele
        sie ist durch niemanden zu ersetzen (kann durch niemanden ersetzt werden)
        die Schmerzen waren nicht zu ertragen (waren unerträglich)
    b   entspricht einem mit »müssen« verbundenen Passiv; … werden müssen
    Grammatik
    mit Infinitiv mit »zu« als Hilfsverb
    Beispiel
    der Ausweis ist unaufgefordert vorzuzeigen

also folgt daraus -> Es ist ein  Infinitiv mit »zu« als Hilfsverb, somit in Auslegung
nach a oder b

§2 Rundfunkbeitrag im privaten Bereich
(1) Im privaten Bereich ist für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten.

nach a --> … werden können

§2 Rundfunkbeitrag im privaten Bereich
(1) Im privaten Bereich kann (können) für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag entrichtet werden.

oder nach b  --> werden müssen

§2 Rundfunkbeitrag im privaten Bereich
(1) Im privaten Bereich muss (müssen) für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag entrichtet werden.

Somit ist das Gesetz ungenau, weil beide Auslegungen möglich sind.
Titel: Re: Gesetzesauslegung – Fälle zur Methodenlehre
Beitrag von: pinguin am 30. Oktober 2015, 14:26
Wie soll man es verstehen? Als „kann“, „soll“ oder „muss“?
Komm darauf an. ?

Es wird vermutet, daß es sich hierbei um eine bewusste Gummiformulierung handelt; weil -> Rundfunkrecht, -> Europarecht, -> Wettbewerbsrecht, -> ein "Muß" nicht damit vereinbar ist, wenn ein Bürger weder beauftragt, noch bestellt hat, noch nutzt.
Titel: Re: Gesetzesauslegung – Fälle zur Methodenlehre
Beitrag von: LeckGEZ am 30. Oktober 2015, 18:25
Der parlamentarische Rat hat als das verfassungsgebende Organ dem einfachen Gesetzgeber hinsichtlich der einfachgesetzlichen Zitierpflicht gemäß Art. 19 Abs. 1 GG keinerlei Ermessenspielraum gegeben, Art. 19 Abs. 1 GG ist ein Rechtsbefehl, der zwei Mal das Befehlswort “muss” enthält. Art. 19 Abs. 1 GG lautet seit dem Inkrafttreten des GG wie folgt:

Zitat
Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

Mehr? http://grundrechteforum.de/243