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"Beitragsservice" (vormals GEZ) => Widerspruchs-/Klagebegründungen => Thema gestartet von: Viktor7 am 19. Februar 2015, 22:58

Titel: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Viktor7 am 19. Februar 2015, 22:58
Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile

Nachdem wir bei diesem Thema "Besondere Gegenleistung oder doch nur eine Nötigung? Teil2" (http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,12906.0.html) folgende Themen:

- Differenzierung - Nutzer und Nichtnutzer der ö.-r. Programme,
- Die Auflösung des Sondervorteils in Luft,
- Unsinn der künstlich zurechenbaren Möglichkeit der Nutzung,
- Fehlende konkrete Gegenleistung, bzw. kein konkretes Gegenleistungsverhältnis,
- Nicht vorhandener faktischer und willentlicher Austausch,
- Grundrechtsprüfung zum Verhältnismäßigkeitsprinzip, Erforderlichkeit, Angemessenheit und die Diskriminierung der Nichtnutzer bei der Prüfung der Gruppen,
- Das zweite Rundfunk-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Tätigkeit der Rundfunkanstalten und deren Schlussfolgerung von keinem Leistungsaustausch und keiner Gegenleistung

behandelt haben, wollen wir uns nun der willkürlichen/unzulässigen Typisierung bei den Rundfunk-urteilen widmen.

Was wird typisiert?
Multifunktionsgeräte?
Nutzung?
Möglichkeit der Nutzung einer mehrfach redundanten Option für Information und Unterhaltung? 
Ist eine konkrete (tatsächliche) Gegenleistung gegeben?

Der Bayerischer Verfassungsgerichtshof behauptet im Urteil:
Zitat
http://www.bayern.verfassungsgerichtshof.de/8-VII-12;%2024-VII-12.htm
Dass der Gesetzgeber sich mit dieser Ausgestaltung des Beitragstatbestands im Rahmen einer zulässigen Typisierung gehalten habe, werde durch die Lebenswirklichkeit belegt. Es dürfte statistisch gesichert sein, dass nur in einer verschwindend geringen Zahl von Wohnungen und nicht ausschließlich privat genutzten Kraftfahrzeugen kein Rundfunkkonsum stattfinde. Für Betriebsstätten sei davon auszugehen, dass Umfang und Intensität des Rundfunkkonsums tendenziell geringer seien als in Privatwohnungen. Diesem Umstand habe der Gesetzgeber in einer dem Verhältnismäßigkeitsgebot genügenden Weise durch Staffelung der Beitragssätze Rechnung getragen.

Es wird folglich nach Konsum/Nutzung geschaut sowie nach der Nutzungsintensivität unterschieden, um die Typisierung zu rechtfertigen. Auch die Tatsache, dass es Befreiungsmöglichkeiten für taubblinde, blinde, hörgeschädigte, behinderte Menschen und Staffelung der Beitragssätze für Betriebe gibt, berücksichtigt und betont die relevante Nutzung und Nutzungsintensivität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, um darüber dessen Finanzierung den Menschen aufzuerlegen.

Das ist deswegen von Bedeutung, weil bei der Nutzung verschiedene Gruppen verwickelt sind, die Viel- und Wenig-Nutzer und die Nichtnutzer. Nur sie kommen als potenzielle Kostenträger in Frage. Nur sie können gleichbehandelt oder diskriminiert werden. Deshalb müssen diese Gruppen verglichen, müssen ihre besonderen Vorteile geprüft und festgestellt werden. Der "besondere Vorteil" ist mit einem Maßstab (Differenzierungskriterium) zu ermitteln, der sich aus der Sache ergibt, um die es geht. Vor allem muss die Gruppe der NICHTNUTZER des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bestimmt werden, denn durch willkürliche Typisierung würde diese diskriminiert.

Weiter heißt es im gleichen Urteil
Zitat
http://www.bayern.verfassungsgerichtshof.de/8-VII-12;%2024-VII-12.htm
... Der tatbestandlichen Anknüpfung liegt die sachgerechte Erwägung zugrunde, dass die einzelnen Personen als Adressaten des Programmangebots den Rundfunk vornehmlich in einer der beitragspflichtigen Raumeinheiten nutzen oder nutzen können und dass deshalb das Innehaben einer solchen Raumeinheit ausreichende Rückschlüsse auf den abzugeltenden Vorteil zulässt.

Diese Aussage trifft auf die Viel- und Wenig-Nutzer als Adressaten des Programmangebots der öffentlich-rechtlichen Programme. Sie trifft NICHT auf die Nichtnutzer der öffentlich-rechtlichen Programme zu.

Genauso wie die Viel- und Wenig-Nutzer den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen können, genauso können die Nichtnutzer diese mehrfach redundante ö.-r. Quelle/Medienform für Information und Unterhaltung nicht nutzen. Sie können ihre moderne Multifunktionsgeräte auf vielfältige Weise nutzen, ohne mit den Anstaltsprogrammen in Berührung zu kommen. Die Multifunktionsgeräte bieten den Zugriff auf das Internet mit weltweiten Möglichkeiten des Internetradio, YouTube, Filmdienste, Online-Zeitungen und sie bieten Anschluss an Player, Recorder, Konsolen, USB, Speicherkarten, WLAN, Fotokameras, ... um sich zu informieren und zu unterhalten. Darüberhinaus bevorzugen viele die tiefergehenden Artikel in den Zeitungen, Zeitschriften und den Büchern.

Die Nutzung eines bestimmten Anbieters, einer Quelle oder Quellenform mit der Unterstellung der konkreten Gegenleistung durch diese, ohne eine willentliche und konkrete Nutzung, bedeutet schlichtweg eine Nötigung zur Erlangung wirtschaftlichen Vorteils und dem besessenen Willen des Einflusses auf die Bürgermeinungen unter dem Mantel der besonderen Information.

Wenn die Gerichte schon Typisierungen anstellen wollen, dann müssen ALLE relevanten Lebenssachverhalte typisiert werden, um keine Verdrehungen willkürlich zu konstruieren. Das tut hier der Bayerische Verfassungsgerichtshof:
Zitat
http://www.bayern.verfassungsgerichtshof.de/8-VII-12;%2024-VII-12.htm
Durch den Wohnungsbegriff (§ 3 RBStV) werden verschiedene Lebenssachverhalte – von dem allein lebenden „Medienverweigerer“ über die „typische“ Familie bis hin zur „medienaffinen“ Wohngemeinschaft – normativ zusammengefasst und einer einheitlichen Beitragspflicht unterworfen, die sämtliche Möglichkeiten der Rundfunknutzung einschließlich der mobilen und derjenigen in einem privaten Kraftfahrzeug abdeckt und die vorbehaltlich der Befreiungs- und Ermäßigungsregelungen des § 4 RBStV unausweichlich ist. Diese Typisierung für den privaten Bereich beruht auf einleuchtenden, sachlich vertretbaren Gründen und ist auch unter dem Gesichtspunkt der Abgabengerechtigkeit nicht zu beanstanden. …

Bei der typisierenden Betrachtung der Nutzer-, Nichtnutzer-Gruppen:  „Medienverweigerer“ über die „typische“ Familie bis hin zur „medienaffinen“ Wohngemeinschaft wird EINE Gruppe willkürlich nicht betrachtet.

Die Gruppe der Menschen, die einfach den ö.-r. nicht nutzt, sich dafür über privates Stadtradio, Zeitungen, Zeitschriften, Bücher/Hörbücher, Kauf- und Leihfilme, Filme auf Abruf, priv. TV, Auslandssender, Internetradio, das ganze Internet, Internet Blogs, Spielkonsolen- und Softwarehersteller, Kinos, Theater, Varieté, Konzerte, ... informiert, bildet und unterhält und keinen ("besonderen") Vorteil von den ö.-r. Programmen hat - wird gar nicht betrachtet. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof tut so, als ob es die Gruppe, die ö.-r. Programme nicht nutzt, neben den Medienverweigerern, nicht geben würde. Dazu kommt noch, dass die Umstellung nicht erforderlich war und daher die Angemessenheit nicht mehr geprüft werden darf (Grundrechtsprüfung zum Verhältnismäßigkeitsprinzip, Erforderlichkeit, Angemessenheit).

Mit dieser falschen Logik manipuliert das Gericht die grundrechtlichen Ansprüche der Verfassung willkürlich. Der Vorteilsbegriff, der im Äquivalenzprinzip verwendet wird, ist der umgangssprachliche; er ist der Vorteil, der dem normalen Verständnis von Vorteilen entspricht. Die besondere Leistung oder der besondere Vorteil ist eine Voraussetzung für eine Abgabe, die als "Beitrag" bezeichnet wird.

Eine konkrete Gegenleistung ist keine bloße Möglichkeit. Eine Möglichkeit ist eine Option von vielen. Es ist möglich diese oder eine andere Option oder gar keine zu wählen. Konkrete Gegenleistung entsteht erst durch die tatsächliche willentliche Inanspruchnahme der Leistung. Fehlt der Handlungswille des Nichtnutzers der redundanten und für viele nicht vertrauenswürdigen öffentlich-rechtlichen Pay-TV Programme, wird gewaltsam die Hand zur Zwangszahlung für eine Option geführt. Es ist das Gegenteil der konkreten Gegenleistung. Es es Nötigung.

Würde bei anderen Lebensbereichen so verfahren wie beim Rundfunk, könnten alle ohne willentliche konkrete Gegenleistung von anderen Bürgern Geld für Leistungen verlangen, weil sie die Möglichkeit haben sie zu nutzen. Niemand kommt auf die absurde Idee zu typisieren und den Strom einem einzigen Anbieter zuzurechnen, weil er in der Wohnung typischer Weise verbraucht werden könnte. Wir alle können jedoch den Anbieter und die Bedingungen wählen und wir können bestimmen, ob wir den Strom überhaupt nutzen wollen. Sei es auf Grund der finanziellen Lage.

An diesem Beispiel wird deutlich, dass die Typisierung im Fall von ö.-r. Rundfunk unverhältnismäßig in die persönliche Handlungsfreiheit eingreift und dazu nicht erforderlich ist, denn es gibt ein Überangebot an Informations- und Unterhaltungsmöglichkeiten. Die Multifunktionsgeräte werden dazu noch für alles Mögliche verwendet. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk leidet zunehmend an dem Akzeptanzproblem und es wird mit Gewalt (Urteile, Pfändungen) versucht über die Typisierung einen Zahlzwang herbei zu deuten.


Die Abgabe hat mangels eines konkreten Gegenleistungsverhältnisses (http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,12906.msg87017.html#msg87017) (BVerfG: 2. Rundfunkentscheidung / Tätigkeit der Rundfunkanstalten) keine die herkömmlichen Vorzugslasten (Gebühren und Beiträge) prägende Ausgleichsfunktion. Soweit auch die Allgemeinheit einen Vorteil habe, gibt es dann auch keinen individuell zurechenbaren Vorteil gegenüber der Allgemeinheit. Eine Gegenleistung kann nur als konkrete willentliche Leistungsinanspruchnahme gegen andere Leistung (z.B. Geld) erfolgen. Will jemand die Leistung des anderen nicht und es ist keine Steuer, wird eine unausweichliche Zahlung unter Gewaltandrohung zur Nötigung.


Wann fängt die Willkür bei den Typisierungen an?

Aufgrund der Tatsache, dass die Nutzung/Nutzungsintensivität wie gezeigt berücksichtigt wird, jedoch die willentliche Nichtnutzung der öffentlich-rechtlichen Anstaltsprogramme keine Berücksichtigung findet, ist nicht nur der allgemeine Gleichheitssatz (Belastungsgleichheit) und das  Verhältnismäßigkeitsgebot verletzt. Dadurch wurde die Typisierung zur Willkür und zur Diskriminierung der Nichtnutzer.

Wenn grundsätzlich durch die Typisierungen plötzlich alle Einwohner in das Raster fallen, mit Ausnahme von wenigen Befreiungsmöglichkeiten für Härtefälle, stimmt etwas mit der Typisierung nicht, weil dann das Raster für die Lebenssachverhalte typische Familie, medienaffine Wohngemeinschaft, Medienverweigerer und der NICHTNUTZER der öffentlich-rechtlichen Anstaltsprogramme willkürlich zu grob gewählt wurde.

Wenn das Typisierungsraster nicht mal in der Lage ist ZWEI Hauptgruppen: Nutzer und Nichtnutzer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die für die Finanzierung nur in Frage kommen, voneinander zu trennen, dann handelt es sich bei der Typisierung um eine Mogelpackung. Die Typisierung hat sich in Luft aufgelöst.

Das Verfassungsgericht und andere Gerichte können den ö.-r. Anbieter, die Privaten und sonst noch was für Medien als zusammenhängend sehen. Bei der Typisierung müssen sie jedoch die vielfachen Verwendungsoptionen der Multifunktionsgeräte und die willentliche Entscheidung für oder gegen eine Option berücksichtigen damit die Belastungsgleichheit (Gleichheitssatz) und das Verhältnismäßigkeitsgebot gewahrt bleiben und die Typisierung nicht zur Willkür und zur Diskriminierung der Nichtnutzer der öffentlich-rechtlichen Programme wird.

Nachtrag am 8. Mai 2015:
Wenden wir uns dem Hammerurteil bezüglich der Typisierung/Pauschalierung zu.

Das BUNDESVERFASSUNGSGERICHT stellt im Urteil 1 BvR 665/10 die folgenden Kriterien auf:

Zitat
http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2011/11/rk20111109_1bvr066510.html

Die ungleiche Behandlung des Beschwerdeführers gegenüber Empfängern von Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII findet ihre sachliche Rechtfertigung ebenfalls nicht in der Möglichkeit, aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zu generalisieren, zu typisieren und zu pauschalieren (vgl. BVerfGE 100, 138 <174>; 103, 310 <319>; 112, 268 <280>). Die Auslegung und Anwendung der § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 6 Abs. 3 RGebStV durch das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht, insbesondere die restriktive Anwendung der Härtefallregelung in § 6 Abs. 3 RGebStV wird den vom Bundesverfassungsgericht formulierten Voraussetzungen einer zulässigen Typisierung nicht gerecht. Hierzu ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich, dass die mit ihr verbundenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, sie lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (vgl. BVerfGE 100, 138 <174>; 103, 310 <319> ; stRspr). Die Verwaltungsvereinfachung bei der Prüfung, ob eine Befreiung von Rundfunkgebühren zu gewähren ist, vermag hiernach die Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers gegenüber Empfängern von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII nicht zu rechtfertigen, da keine kleine Anzahl von Personen betroffen ist und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz intensiv ist.

Für die Intensität des Gleichheitsverstoßes ist insbesondere die Beitragsbelastung maßgeblich (vgl. BVerfGE 63, 119 <128>; 84, 348 <360>). Diese besteht höchstens in Höhe der Rundfunkgebühr, wird aber je nach Höhe des die Regelsätze übersteigenden Einkommens entsprechend geringer sein. Zwar ist dieser Betrag absolut nicht sehr hoch, er stellt aber eine intensive und wiederkehrende Belastung des Beschwerdeführers dar. Im Verhältnis zum Einkommen führt schon die Belastung mit den verhältnismäßig geringen Beträgen bis zur Höhe der Rundfunkgebühr zu einer Verringerung des Einkommens von bis zu 5 %.

Das BUNDESVERFASSUNGSGERICHT sagt also:

Eine Verringerung des Einkommens von knapp unter 5 % und mehr durch den Rundfunkbeitrag ist intensiv und verstößt gegen den Gleichheitssatz.

Eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen ist entscheidend für die Voraussetzung einer zulässigen Typisierung. Die kleine Zahl von Personen lässt sich statistisch berechnen, wenn wir die Betroffenen mit Einkommen "SGB II oder SGB XII + Rundfunkbeitrag" gegenüber Empfängern von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII betrachten.

Damit können wir endlich konkret die alles entscheidende kleine Zahl von Personen als Grenze für die zulässige Typisierung annähernd ermitteln. Nach meinem aktuellen Verständnis:

(Personen mit Einkommen "SGB II oder SGB XII + Rundfunkbeitrag") - (Empfänger von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII)

Bitte hilft mit, diese Zahl nach statistischen Daten zu ermitteln.

Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Viktor7 am 20. Februar 2015, 07:39
Weitere Meinungen? Argumente? Ideen? Beispiele?
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Viktor7 am 20. Februar 2015, 13:02
Beispiel 2:

Wenn die Gerichte schon Typisierungen anstellen wollen, dann müssen ALLE relevanten Lebenssachverhalte typisiert werden, um keine Verdrehungen willkürlich zu konstruieren.

Das tut hier der Bayerische Verfassungsgerichtshof:
Zitat
http://www.bayern.verfassungsgerichtshof.de/8-VII-12;%2024-VII-12.htm
Durch den Wohnungsbegriff (§ 3 RBStV) werden verschiedene Lebenssachverhalte – von dem allein lebenden „Medienverweigerer“ über die „typische“ Familie bis hin zur „medienaffinen“ Wohngemeinschaft – normativ zusammengefasst und einer einheitlichen Beitragspflicht unterworfen, die sämtliche Möglichkeiten der Rundfunknutzung einschließlich der mobilen und derjenigen in einem privaten Kraftfahrzeug abdeckt und die vorbehaltlich der Befreiungs- und Ermäßigungsregelungen des § 4 RBStV unausweichlich ist. Diese Typisierung für den privaten Bereich beruht auf einleuchtenden, sachlich vertretbaren Gründen und ist auch unter dem Gesichtspunkt der Abgabengerechtigkeit nicht zu beanstanden. …

Bei der typisierenden Betrachtung der Nutzer-, Nichtnutzer-Gruppen:  „Medienverweigerer“ über die „typische“ Familie bis hin zur „medienaffinen“ Wohngemeinschaft wird EINE Gruppe willkürlich nicht betrachtet.

Die Gruppe der Menschen, die einfach den ö.-r. nicht nutzt, sich dafür über privates Stadtradio, Zeitungen, Zeitschriften, Bücher/Hörbücher, Kauf- und Leihfilme, Filme auf Abruf, priv. TV, Auslandssender, Internetradio, das ganze Internet, Internet Blogs, Spielkonsolen- und Softwarehersteller, Kinos, Theater, Varieté, Konzerte, ...
informiert, bildet und unterhält und keinen ("besonderen") Vorteil von den ö.-r. Programmen hat - wird gar nicht betrachtet. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof tut so, als ob es die Gruppe, die ö.-r. Programme nicht Nutzt, neben den Medienverweigerern, nicht geben würde. Dazu kommt noch, dass die Umstellung nicht erforderlich war und daher die Angemessenheit nicht mehr geprüft werden darf (Grundrechtsprüfung zum Verhältnismäßigkeitsprinzip, Erforderlichkeit, Angemessenheit).

Mit dieser falschen Logik manipuliert das Gericht die grundrechtlichen Ansprüche der Verfassung willkürlich. Der Vorteilsbegriff, der im Äquivalenzprinzip verwendet wird, ist der umgangssprachliche; er ist der Vorteil, der dem normalen Verständnis von Vorteilen entspricht. Die besondere Leistung oder der besondere Vorteil ist eine Voraussetzung für eine Abgabe, die als "Beitrag" bezeichnet wird.

Aufgrund der Tatsache, dass die Nutzung wie gezeigt berücksichtigt wird, jedoch die willentliche Nichtnutzung der öffentlich-rechtlichen Anstaltsprogramme keine  Berücksichtigung findet, ist nicht nur der allgemeine Gleichheitssatz (Belastungsgleichheit) und das  Verhältnismäßigkeitsgebot verletzt. Dadurch wurde die Typisierung zur Willkür und zur Diskriminierung der Nichtnutzer.
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Carina am 20. Februar 2015, 13:56
Für mich ist das auch eine ethische Frage. Ich sag´s mal mit einfachen, unjuristischen Worten. Der Verzicht auf TV-Konsum ist eine bewußte Entscheidung, die einen großen Einfluß auf mein Leben hat. Leider finded diese Lebensführung beim Gesetzgeber keine Berücksichtigung, ich soll trotzdem zahlen. Das kommt einer Strafe gleich. Ich habe die Möglichkeit mich zu entscheiden und ich habe mich gegen TV entschieden. So wie ich das sehe ist es für viele zur Gewohnheit (Sucht) geworden, abends den Fernseher einzuschalten. Das heißt aber nicht, daß es gut ist. 
Der Fernseher nimmt Einfluß auf meine Freizeit und ich habe es geschafft mich von der Gewohnheit mich jeden Abend berieseln zu lassen zu befreien. Für den Gesetzgeber wird diese Lebensweise nachrangig behandelt, denn mit der Typisierung werde ich als Nichtkonsument diskriminiert, weil ich gezwungen werde den Fernsehkonsum von anderen Menschen zu finanzieren. Warum müssen die TV-Konsumenten nicht meinen Freizeitaufwand mittragen, indem ich z.B. jeden Monat einen Kinogutschein für 2 Personen bekomme? Ist Fernsehen wirklich wichtiger?
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Viktor7 am 20. Februar 2015, 15:09
Bin bei Dir Carina.

Diese Ignoranz der Gerichte bezüglich der Lebenssachverhältnisse und der willentlichen Entscheidungen der Menschen zeugen eindeutig von Willkür.

Natürlich ist TV nicht so wichtig und hat bei der statistischen Nutzungsdauer der Vielnutzer recht schnell seine volle negative Wirkung auf die Gesundheit, die Konzentration und den allgemeinen geistigen Zustand entwickelt. Das ist den Verantwortlichen nicht wichtig, sie wollen  auf die Beeinflussungsmöglichkeit dennoch nicht verzichten. Wer glaubt denn, das es hier um sachgerechte Informationen geht?
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Viktor7 am 20. Februar 2015, 17:17
Lass uns dennoch weitere gute Begründungen finden. Nur das bringt uns alle zum Ziel.
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Roggi am 20. Februar 2015, 17:20
Nur mal so als weiterer Gedanke:
Wenn die Möglichkeit besteht, das Angebot zu nutzen, besteht genauso die Möglichkeit, das Angebot nicht zu nutzen. Wenn das Angebot der öffentlich rechtlichen Rundfunks angeblich Vorteile bietet, sind jedoch genauso bewiesenermaßen Nachteile vorhanden. Hier wurde willkürlich zu Gunsten des örR entschieden, gegen jede Lebenserfahrung, dass jeder die Vorteile des örR nutzt und die Nachteile in kauf nimmt. Dass aber jeder wegen der erheblichen Nachteile auf das Angebot verzichten könnte wird willkürlich ausgeschlossen, dass man das nicht finanzieren will, wird quasi willkürlich per Gesetz verboten.
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Viktor7 am 20. Februar 2015, 17:29
Sehr gute Überlegung Roggi. Das bringt uns wieder auf neue Argumente mit Untermauerung durch höhere Gerichtsurteile.
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Bürger am 20. Februar 2015, 18:04
Ich werfe noch mal ein Eigenzitat in die Runde... ;)

Klagepunkte Typisierung
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,12227.msg82247.html#msg82247

...vielleicht können meine bescheidenen Gedanken zur
Typisierung der Typisierung der Typisierung
noch ein paar inhaltliche Ansätze liefern - zu finden unter:

Schweden Urteil in Widerspruch/Klage einbinden
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,11171.msg76132.html#msg76132

Typisierung der Typisierung der Typisierung

Zitat
Der "Tatbestand" des Gerätebesitzes als Auslöser für eine "Rundfunkabgabe" ist seit Einführung der Videotechnik völliger Mumpitz.
Die Ausweitung des "Tatbestandes" auf Alltagsgeräte wie Handys und PC hat schon orwellschen Charakter.
War die bisherige "Typisierung"
Gerätebesitzer = (Teil-)Nutzer
trotz ansatzweiser Trennung zwischen Hörfunk und Fernsehfunk schon höchst fragwürdig,
so schießt die rundfunkbeitrags- und "konvergenz"-verklumpte "Typisierung" der "Typisierung"
Wohnungsinhaber = "konvergenter" Gerätebesitzer...
..."konvergenter" Gerätebesitzer = (Voll-)Nutzer

ergo
Wohnungsinhaber = 99,99% "konvergente" (Voll-)Nutzer
komplett den Vogel ab.
Hiermit ist jegliche Glaubwürdigkeit des Gesetzgebers und der Nutznießer ARD-ZDF-GEZ ad absurdum geführt.
Gute Nacht. Und gutes Erwachen...
...ich habe mir den Wecker schon gestellt ;)

Ich werde es jedenfalls nicht zulassen, dass das irgendwann auf die Spitze getrieben wird mit der Anknüpfung einer "Beitragspflicht" für das ledigliche Angebot von z.B. Zeitungen an die ledigliche Eignung oder Nutzung eines "Gegenstandes" fürs Sitzen oder Stehen, weil "man ja *typischerweise* auf *Gegenständen* sitzend oder stehend Zeitungen liest"...

https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/EinkommenKonsumLebensbedingungen/AusstattungGebrauchsguetern/Tabellen/Unterhaltungselektronik_D.html

Die Typisierungs-Aspekte aus dem Aufsatz von Degenhart sind mit berücksichtigt?
Degenhart, Christoph (Prof. Dr.)
[...]
Aufsatz im Humboldt Forum Recht [ergänzt]
komprimierte Essenz - überschaubar und "gut verdaulich" :)
www.humboldt-forum-recht.de/english/publications/deckblatt.html&artikelid=279
www.humboldt-forum-recht.de/druckansicht/druckansicht.php?artikelid=279

Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Bürger am 20. Februar 2015, 18:09
...sowie auch die Diskussion unter
Typisierung 10 % - Unheilbar widersprüchlich - Verbreitungsgrad mobiler Geräte
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,8870.msg62228.html#msg62228

Unter
Gutachten zum Rundfunkbeitrag/ Rundfunkbeitragsstaatsvertrag [gesammelte Werke]
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,5817.0.html

findet sich bei
Degenhart, Christoph (Prof. Dr.)
Inhaber des Lehrstuhls für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Medienrecht an der Universität Leipzig,
Direktor des Instituts für Rundfunkrecht an der Juristenfakultät der Universität Leipzig,
Mitglied des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs
http://www.verfassungsgerichtshof.sachsen.de/content/742.htm

der sehr interessante

Aufsatz im Humboldt Forum Recht [ergänzt]
komprimierte Essenz - überschaubar und "gut verdaulich" :)
www.humboldt-forum-recht.de/english/publications/deckblatt.html&artikelid=279
www.humboldt-forum-recht.de/english/7-2013/beitrag.html


demgemäß meinem Verständnis nach "Typisierung" und "Pauschalierung" einigen (im Falle des sog. "Rundfunkbeitrags" ignorierten bzw. z.T. sogar grob verletzten) Grundregeln unterworfen ist:

"Typisierung"/ "Pauschalierung"
(weitestgehend auf das Steuer- und Abgabenrecht beschränkt)
darf
1) nur das "wie" d.h. den Belastungsmaßstab,
   nicht jedoch das "ob", d.h. den Belastungsgrund "typisieren"/ "pauschalieren"
2) kein zu grobes Typisierungs-Raster aufweisen, d.h. sie darf nur eine
   "verhältnismäßig kleine Anzahl untypischer Fälle" erfassen


::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
zu 1) unzulässige Typisierung des "ob", d.h. des Belastungsgrundes

In Degenhardts Aufsatz heißt es hierzu sehr aufschlussreich:

Zitat
III. Verfassungswidrige Beitragsbelastung von „Raumeinheiten“, insbesondere im nicht-privaten Bereich

...........................................................................
1. Zur Grundkonzeption des Rundfunkbeitrags - Verfassungswidrigkeit der unwiderleglichen Vermutung

a) Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers
[...]
Auf Gesichtspunkte gesetzgeberischer Typisierung wird ja vor allem für die Beitragspflicht für Inhaber von Wohnungen und Betriebsstätten unabhängig von ihrer Rundfunkteilnahme verwiesen.
Typisierung bedeutet: Der Gesetzgeber darf, insbesondere in Massenverfahren, Sachverhalte generalisierend und pauschalierend regeln, um den Gesetzesvollzug zu vereinfachen.
Hauptanwendungsfeld ist Recht der öffentlichen Abgaben. [...]

b) Keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung dem Grunde nach
[...]
In ihrem hauptsächlichen und, soweit es um Eingriffsgesetze geht, auch alleinigen Anwendungsfeld in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dem Steuer- und Abgabenrecht, wird die Befugnis des Gesetzgebers zur Typisierung und Pauschalierung durchweg auf die nähere Ausgestaltung der Belastung, das „wie“ der Besteuerung, nicht das „ob“ der Abgabepflicht bezogen.
Nichts anderes galt für die gerätebezogene Rundfunkgebühr, wo jedenfalls die Eigenschaft als Rundfunkteilnehmer gegeben sein musste und, falls sie nicht bestand, dies nicht in typisierender Weise übergangen werden durfte.
Dabei wurde dem typischerweise deutlich geringeren Nutzungsvorteil bei Radioempfängern und internetfähigen PCs durch die geringere Grundgebühr Rechnung getragen.

Die gesetzgeberische Typisierung betraf also den Abgabenmaßstab, nicht den Abgabengrund – wie ja auch das Bundesverwaltungsgericht den von ihm so bezeichneten Grundsatz der Typgerechtigkeit bei der Gestaltung von Abgabensatzungen allein auf die Abgabenmaßstäbe bezieht.
Demgegenüber wird mit dem voraussetzungslos auf Raumeinheiten erhobenen Rundfunkbeitrag nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag die Typisierung und Pauschalierung durch den Gesetzgeber auf den Belastungsgrund erstreckt.
Dieser Eingriff ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.

Es fehlt an einem legitimierenden Vorteil, wie er durch die Nutzungsmöglichkeit selbst eines „neuartigen“ Empfangsgeräts noch begründet werden mochte.

Dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk generell Leistungen im Interesse des Gemeinwohls erbringt, kann, wie ausgeführt, nicht als verfassungskonformes Äquivalent für die Beitragspflicht gelten, da hierdurch kein individualisierbarer Vorteil begründet wird. [...]

Meine vereinfachte/ verkürzte Zusammenfassung:

- "Leistungen im Sinne des Gemeinwohls" widerspricht der Begründung eines "individualisierbaren Vorteils"
- Allein durch das Innehaben einer "Raumeinheit" ergibt sich ebenfalls kein "individualisierbarer Vorteil".
- Ohne "individualisierbaren Vorteil" ist eine Typisierung und Pauschalierung nicht legitimiert.
- Eine Typisierung und Pauschalierung des Abgabengrundes ("alle sind potenzielle ör-Rundfunk-Nutzer"?) ist nicht zulässig, weil nur das "wie", d.h. der Abgabenmaßstab, nicht jedoch das "ob", d.h. der Abgabengrund typisiert und pauschaliert werden dürfen.


::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
zu 2) unzulässig grobes Typisierungs-Raster

Zitat
...........................................................................
2. Hilfserwägung: verfassungswidrig grobes Typisierungsraster

Doch selbst dann, wenn man die grundsätzliche Befugnis des Gesetzgebers zu einem pauschalierenden und typisierenden Vorgehen in der Bestimmung eines Abgabengrundes konzedieren [= "zugestehen"] wollte, wären doch die Grenzen einer derartigen Vorgehensweise überschritten. Der Gesetzgeber hat ein zu grobes Typisierungsraster gewählt.

a) Privater Bereich – zur Frage der zulässigen Abweichungsquote

Gesetzgeberische Typisierung ist nur verfassungsmäßig, wenn sie eine verhältnismäßig kleine Anzahl untypischer Fälle erfasst. Selbst wenn statistische Angaben zutreffen sollten, wonach 97% der Haushalte über ein Fernsehgerät verfügen, dürfen einige Millionen verbleibender Nicht-Fernseher nicht als atypische, zu vernachlässigende Sonderfälle behandelt werden, zumal die Entscheidung, bewusst auf Fernsehen zu verzichten, in einer freiheitlichen Kommunikationsverfassung von der Rechtsordnung zu akzeptieren ist.
Keinesfalls kann in der Frage des Belastungsgrundes dem Gesetzgeber die Befugnis zuerkannt werden, bis zu 10% nicht typgerechte Fälle undifferenziert der Geltung der pauschalierenden Regelung zu unterwerfen.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. August 1986 zur Bemessung von Wassergebühren, die hierfür als einziger Beleg genannt wird, kann nicht auf die Beitragspflicht für den Rundfunkbeitrag übertragen werden.
Denn es ging in dem zugrundeliegenden Sachverhalt einer kommunalen Wasserabgabensatzung nicht um die Begründung einer Abgabenpflicht, sondern lediglich um die Gebührenmaßstäbe im Verhältnis von Grundgebühr und Verbrauchsgebühr.
Es ging also um das „wie“ und nicht das „ob“ der Abgabenpflicht.

Das in faktisch allen Widerspruchsbescheiden zur Rechtfertigung der Typisierung
unzulässigerweise herangezogene BVerwG-Urteil bzgl. der "Wassergebühren":


Zitat
BVerwG, Urt. v. 01.08.1986 - BVerwG 8 C 112.84
www.dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Text=8%20C%20112.84
www.jurion.de/Urteile/BVerwG/1986-08-01/BVerwG-8-C-11284

Kommunalabgaben; Wassergebühren; Vorhaltekosten

Amtlicher Leitsatz:
Bei einer verbrauchsabhängigen Bemessung von Wassergebühren läßt sich die zu einer Gleichbehandlung von mehr und weniger intensiv benutzten Wohnungen führende Erhebung einer Mindestgebühr nicht mit den anfallenden Vorhaltekosten rechtfertigen.

Meine vereinfachte/ verkürzte Zusammenfassung:

- Das in den Widerspruchsbescheiden regelmäßig zur Begründung der Beitragspflicht herangezogene BVerwG, Urt. v. 01.08.1986 - BVerwG 8 C 112.84 dient nur der Augenwischerei und Einschüchterung, denn es behandelte nicht die Begründung einer Abgabenpflicht/ Beitragspflicht, sondern behandelte lediglich die Abgabenmaßstäbe.
- Ungeachtet der %-Frage (angeblich statistisch 97% der Haushalte mit Fernsehgerät ausgestattet) ist insbesondere die Gesamtzahl der Betroffenen zu betrachten, denn typisiert werden dürfe allenfalls eine nur "verhältnismäßig kleine Anzahl untypischer Fälle".
Mehrere Millionen Betroffene hingegen dürfen "nicht als atypische, zu vernachlässigende Sonderfälle behandelt" und typisiert werden.
- In keinem Falle jedoch dürfe für die Typisierung eines Belastungsgrundes nach diesen Grundsätzen erfolgen.
- Darüberhinaus ist der bewusste Verzicht auf große Teile des "Angebots" (z.B. Fernsehen) "in einer freiheitlichen Kommunikationsverfassung von der Rechtsordnung zu akzeptieren". ("allgemeine Entscheidungs- und Handlungsfreiheit"?)
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: pinguin am 20. Februar 2015, 18:57
Wenn die Möglichkeit besteht, das Angebot zu nutzen,
Und damit sind wir wieder beim europäischen Wettbewerbsrecht. Rundfunkanstalten, (der Begriff "Anstalt" läßt hier eine doppeldeutige Aussage zu), unterbreiten nicht nur gemäß Europarecht, sondern auch gemäß Rundfunkstaatsvertrag Angebote; (RStV § 11a). Kein EU-Bürger aber hat die Pflicht, Angebote anzunehmen.

Es ist in höchstem Maße befremdlich, wenn ein EU-Bürger, (kraft EU-Gesetzgebung sind alle Bürger der EU-Mitgliedsstaaten gleichzeitig EU-Bürger), national dazu "verdonnert" wird, ein dem EU-Wettbewerbsrecht unterliegendes Angebot bezahlen zu müssen, welches weder angenommen noch überhaupt in Auftrag gegeben worden ist.
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: 907 am 20. Februar 2015, 21:17
Überkompensation:Der öffentlich-rechtliche Rundfunk erhalte mehr Geld, als er für die Erfüllung seiner Aufgaben benötigte, insoweit handele es sich um eine unzulässige Beihilfefinanzierung.

Das Angebot gebührenfinanzierter Spartenprogramme im Free TV wird kritisch gesehen, weil es die Chancen für entsprechende Pay-TV-Angebote beeinträchtige.

Meinung der Rundfunkanstalten:
Zitat
Maßnahmen, die zwar vom Staat veranlasst, aber von Privaten finanziert werden, sind nicht als Beihilfe zu qualifizieren. Dies muss auch für die deutsche Rundfunkgebühr gelten, die nicht vom Staat, sondern von den Rundfunkteilnehmern direkt aufgebracht wird und die mangels ihrer Herkunft aus staatlichen Haushalten auch keine Beihilfe darstellt.
quelle: internet

Es könnte auch "verdeckte Beihilfe" sein. Rundfunkbeitrag hat denselben Anknüpfungspunkt(Wohnung) wie die persönliche Einkommenssteuerpflicht § 1 Abs. 1 S. 1 EStG.
Statt aus Steuermitteln erfolgt die Beihilfe über Umwege. Es gibt keine Ausstiegsoption für die Bürger. Es wurde insofern ohne einen öffentlich-rechtlichen Gründungsakt(aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung) eine Pflichtmitgliedschaft geschaffen.
Das Heranziehen des Einzelnen zur Finanzierung von Gemeinlasten ist allein im Wege der Steuer zulässig.
Man kann es nicht als Gemeinlast betrachten aber es wird die Allgemeinheit belastet.

Zitat
Ein Verstoß gegen das Willkürverbot liegt vor, wenn die den angegriffenen Entscheidungen zugrunde liegende Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht. Dabei enthält die Feststellung von Willkür keinen subjektiven Vorwurf. Willkürlich im objektiven Sinne ist eine Maßnahme, welche im Verhältnis zu der Situation, der sie Herr werden will, tatsächlich und eindeutig unangemessen ist (vgl. BVerfGE 80, 48 <51>; 83, 82 <84>; 86, 59 <63>; stRspr).
quelle: internet
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: 907 am 20. Februar 2015, 22:02
In ihrem Beschluss vom November 2014 hatte die Europäische Kommission in einem Beihilfeprüfverfahren das (alte) EEG 2012 als Beihilfe eingeordnet.

Stromrechnung(Wohnung) = Rundfunkbeitrag(Wohnung)

"Vor allem liegt aber nach der PreussenElektra-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs [9] in der EEG-Umlage keine Beihilfe, da unmittelbar keine staatlichen Mittel zum Einsatz kommen.

Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs ist zwar im Ergebnis wenig überzeugend, weil sie nationalstaatlichen Umgehungsstrategien für das Beihilfenverbot Tür und Tor öffnet [10]."

http://et-energie-online.de/Zukunftsfragen/tabid/63/NewsId/378/Die-Zukunft-der-EEGUmlage--weiter-auf-verfassungswidrigen-Wegen.aspx

"Denn eine teilweise Verschonung von einer möglicherweise neu erhobenen oder erhöhten Steuer wäre eine Beihilfe, die die EU-Kommission mit kritischen Augen betrachten würde. Dies lässt nur ein Fazit zu: Die Zukunft der EEG-Umlage muss ihre Abschaffung sein."
http://et-energie-online.de/Zukunftsfragen/tabid/63/NewsId/378/Die-Zukunft-der-EEGUmlage--weiter-auf-verfassungswidrigen-Wegen.aspx
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: pinguin am 20. Februar 2015, 23:22
Meinung der Rundfunkanstalten:
Zitat
Maßnahmen, die zwar vom Staat veranlasst, aber von Privaten finanziert werden, sind nicht als Beihilfe zu qualifizieren. Dies muss auch für die deutsche Rundfunkgebühr gelten, die nicht vom Staat, sondern von den Rundfunkteilnehmern direkt aufgebracht wird und die mangels ihrer Herkunft aus staatlichen Haushalten auch keine Beihilfe darstellt.
Gilt aber nicht, weil es lt. EuGH C-337/06, ab Rz. 41, nicht darauf ankommt, ob Finanzmittel von den "Rundfunkteilnehmern" direkt aufgebracht werden oder diese Finanzmittel den Umweg über den Staat nehmen, wenn die Zahlung dieser Mittel auf keiner Vereinbarung zwischen "Rundfunkteilnehmer" und Rundfunkanstalt beruht.

Daß die dt. Rundfunkgebühr, die ja jetzt ein Rundfunkbeitrag ist, eine staatliche Beihilfe darstellt, siehe EU-Kommission -> Europathema.

@907
Warum bemühst Du ein sachfremdes Verfahren, wo es doch auf EU-Seite in Bezug auf den dt. örR genug Material gibt? Die EU-Kommission sagt eindeutig, daß die dt. Rundfunkgebühr eine staatliche Beihilfe ist.

Es ist doch viel zielführender, sich dazu erst einmal alles durchzulesen? Und der EuGH bestätigt das in C-337/06. Hat man diese Dokumente gesichtet, kann man sich all denen zu wenden, die in diesen Dokumenten mit Aktenzeichen genannt werden, denn nur die haben einen Sachbezug zum Thema, da auf diese von den letztlich entscheidungsbefugten Stellen verwiesen wird.
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Viktor7 am 21. Februar 2015, 09:35
Das Thema ist "Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile"

Bitte, das wichtige Thema der Beihilfe an entsprechender Stelle fortführen.


Zurück zum Thema.

Eure Gedanken bringen mich auf den  folgenden Vergleich und zu einer Schlussfolgerung:

Rundfunk ist in vielerlei Hinsicht wie Strom, wobei der Strom natürlich noch viel Lebesnswichtiger ist.

Einige Anbieter produzieren den Strom und speisen es in das allgemeine Stromnetz. Es ist kaum möglich zu bestimmen, wer wessen Strom verbraucht hat. Er fließt dort, wo er gebraucht wird. Ob ECO, Atom, Gas, Kohle Strom spielt es keine Rolle.

Wir alle können jedoch den Anbieter und die Bedingungen wählen und wir können bestimmen, ob wir den Strom überhaupt nutzen wollen. Sei es auf Grund der finanziellen Lage.

Niemand kommt auf die absurde Idee zu typisieren und den Strom einem einzigen Anbieter zuzurechnen, weil er in der Wohnung typischer Weise verbraucht werden könnte.

An diesem Beispiel wird deutlich, dass die Typisierung im Fall von ö.-r. Rundfunk unverhältnismäßig in die persönliche Handlungsfreiheit eingreift und dazu nicht erforderlich ist, denn es gibt ein Überangebot an Informations- und Unterhaltungsmöglichkeiten. Die Multifunktionsgeräte werden dazu noch für alles Mögliche verwendet. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk leidet zunehmend an dem Akzeptanzproblem und es wird mit Gewalt (Urteile, Pfändungen) versucht über die Typisierung einen Zahlzwang herbei zu deuten.

Das fehlen der Verhältnismäßigkeit und  Erforderlichkeit zusammen mit der  Beschneidung der persönlichen Handlungsfreiheit und dem Absprechen der willentlichen Entscheidung bei der Entgegennahme und Zahlung für eine Option unter vielen macht die Typisierung verfassungswidrig.


Was meint ihr dazu?
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: 907 am 21. Februar 2015, 09:55
@Viktor
aber dann müsste es so sein Stromzähler = TV/Receiver mit smartcard(Verschlüsselung der Sender)
man müsste aber sowohl die privaten als auch ÖRR verschlüsseln(gemeinsame Beitrag). Denn die Privaten und ÖRR sind nach Rechtsauffassung des BVerfGE unzertrennlich.

Man könnte aber auch beweisen, dass die Grenzen der zulässigen Typisierung überschritten sind.
Ich denke es muss Unterschiede geben zwischen Typisierung(Steuerrecht) und Typisierung(Beitragsrecht)

Zitat
Darüber hinaus ist vom BVerfG die generelle Freistellung von der Mindestlohnsumme als Voraussetzung
der Verschonung bei Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten beanstandet worden. Die
Grenzen einer zulässigen Typisierung seien überschritten, wenn die Begünstigung über 90 v.H.
aller Betriebe betreffe und zu einer fast flächendeckenden steuerlichen Bevorzugung führe. Das
Regel-Ausnahme-Verhältnis werde auf diese Weise in sein Gegenteil verkehrt.
Für eine verfassungsrechtlich
einwandfreie Verschonung werde es künftig erforderlich sein, die Freistellung
von der Lohnsummenpflicht auf Betriebe mit einigen wenigen Beschäftigten zu begrenzen.
https://www.bundestag.de/blob/358556/a5c22185d6d89209cfeebbc41f59b3d9/urteil-des-bundesverfassungsgerichts-zur-erbschaftsteuer-data.pdf

Kann das jemand vielleicht übersetzen? Könnte vielleicht nützlich sein
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Viktor7 am 21. Februar 2015, 10:41
Ein "Zähler" (Karte) wäre bei der genauen Abrechnung nötig. Er ist jedoch nicht nötig, wenn sich der Bürger für oder gegen eine Quelle entscheidet. Dann spielt die Nutzungsintensivität keine Rolle.

Das Verfassungsgericht kann den ö.-r. Anbieter, die Privaten und sonst noch was für Medien als zusammenhängend sehen. Es muss jedoch bei der Typisierung die Optionen der Multifunktionsgeräte und die willentliche Entscheidung für eine Option berücksichtigen.
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Viktor7 am 22. Februar 2015, 11:38
Der Hauptbeitrag (http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,13166.0.html) wurde nun überarbeitet.

Unter anderem neu im Hauptbeitrag:

Zitat
...
Wann fängt die Willkür bei den Typisierungen an?

Aufgrund der Tatsache, dass die Nutzung/Nutzungsintensivität wie gezeigt berücksichtigt wird, jedoch die willentliche Nichtnutzung der öffentlich-rechtlichen Anstaltsprogramme keine Berücksichtigung findet, ist nicht nur der allgemeine Gleichheitssatz (Belastungsgleichheit) und das  Verhältnismäßigkeitsgebot verletzt. Dadurch wurde die Typisierung zur Willkür und zur Diskriminierung der Nichtnutzer.

Wenn grundsätzlich durch die Typisierungen plötzlich alle Einwohner in das Raster fallen, mit Ausnahme von wenigen Befreiungsmöglichkeiten für Härtefälle, stimmt etwas mit der Typisierung nicht, weil dann das Raster für die Lebenssachverhalte typische Familie, medienaffine Wohngemeinschaft, Medienverweigerer und der NICHTNUTZER der öffentlich-rechtlichen Anstaltsprogramme willkürlich zu grob gewählt wurde.

Das Verfassungsgericht und andere Gerichte können den ö.-r. Anbieter, die Privaten und sonst noch was für Medien als zusammenhängend sehen. Bei der Typisierung müssen sie jedoch die vielfachen Verwendungsoptionen der Multifunktionsgeräte und die willentliche Entscheidung für oder gegen eine Option berücksichtigen damit die Belastungsgleichheit (Gleichheitssatz) und das Verhältnismäßigkeitsgebot gewahrt bleiben und die Typisierung nicht zur Willkür und zur Diskriminierung der Nichtnutzer der öffentlich-rechtlichen Programme wird.


Falls ihr konkrete und zum Thema passende Formulierungen (Einschübe) für den Hauptbeitrag (http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,13166.0.html) habt, baue ich diese gerne dort ein. Bitte jedoch um konkreten Text mit dem Hinweis auf die Platzierung im Hauptbeitrag.
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: pipmen am 22. Februar 2015, 23:10
Edit "Bürger":
...umfangreich auch schon erwähnt in Antwort #9 unter
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,13166.msg88616.html#msg88616


Hallo Viktor7,

Ich habe mir den Aufsatz von Christoh Degenhart reingezogen und folgender Abschnitt beschreibt eigentlich exakt das was du auch zu Wort bringst:
http://www.humboldt-forum-recht.de/deutsch/7-2013/index.html (http://www.humboldt-forum-recht.de/deutsch/7-2013/index.html)


Zitat
"Typisierendes und pauschalierendes Vorgehen des Gesetzgebers bewirkt, dass die nicht dem Leitbild des Gesetzgebers entsprechenden und insofern "atypischen" Fälle mit den vom Gesetzgeber als typisch eingestuften Fällen gleichbehandelt werden. Erfasst die typisierende Betrachtungsweise, wie im Fall des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags,83 nicht nur den Maßstab der gesetzlichen Belastung, sondern auch den Belastungsgrund, also das "ob" der Beitragspflicht und nicht nur das "wie", so bedeutet dies, dass ein Eingriff auch für solche atypischen Fälle angeordnet wird, in denen die Eingriffsvoraussetzungen nicht vorliegen. Die Befugnis zu gesetzgeberischer Typisierung trägt jedoch nicht über fehlende Eingriffsvoraussetzungen hinweg.
 
In ihrem hauptsächlichen und, soweit es um Eingriffsgesetze geht, auch alleinigen Anwendungsfeld in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dem Steuer- und Abgabenrecht, wird die Befugnis des Gesetzgebers zur Typisierung und Pauschalierung durchweg auf die nähere Ausgestaltung der Belastung,84 das "wie" der Besteuerung, nicht das "ob" der Abgabepflicht bezogen. Nichts anderes galt für die gerätebezogene Rundfunkgebühr, wo jedenfalls die Eigenschaft als Rundfunkteilnehmer gegeben sein musste und, falls sie nicht bestand, dies nicht in typisierender Weise übergangen werden durfte. Dabei wurde dem typischerweise deutlich geringeren Nutzungsvorteil bei Radioempfängern und internetfähigen PCs durch die geringere Grundgebühr Rechnung getragen.
 
Die gesetzgeberische Typisierung betraf also den Abgabenmaßstab, nicht den Abgabengrund - wie ja auch das Bundesverwaltungsgericht den von ihm so bezeichneten Grundsatz der Typgerechtigkeit bei der Gestaltung von Abgabensatzungen allein auf die Abgabenmaßstäbe bezieht.85. Demgegenüber wird mit dem voraussetzungslos auf Raumeinheiten erhobenen Rundfunkbeitrag nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag die Typisierung und Pauschalierung durch den Gesetzgeber auf den Belastungsgrund erstreckt. Dieser Eingriff ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Es fehlt an einem legitimierenden Vorteil, wie er durch die Nutzungsmöglichkeit selbst eines "neuartigen" Empfangsgeräts noch begründet werden mochte.86

Dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk generell Leistungen im Interesse des Gemeinwohls erbringt, kann, wie ausgeführt, nicht als verfassungskonformes Äquivalent für die Beitragspflicht gelten, da hierdurch kein individualisierbarer Vorteil begründet wird. Dass der Rundfunkteilnehmer die Möglichkeit hat, sein Informationsbedürfnis individuell zu befriedigen,87 besagt nichts über die zulässige Belastung desjenigen, der nicht Rundfunkteilnehmer ist. Allein die Begünstigung durch eine "medienbedingte oder mediengestützte Informationskultur"88 kann den für eine Vorzugslast erforderlichen individualisierbaren Vorteil, sei es auch als Gruppenvorteil, nicht begründen,89 ungeachtet der - hier keineswegs in Zweifel zu ziehenden - konstitutionellen Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die freiheitlich-demokratische Ordnung.90
 

2. Hilfserwägung: verfassungswidrig grobes Typisierungsraster

Doch selbst dann, wenn man die grundsätzliche Befugnis des Gesetzgebers zu einem pauschalierenden und typisierenden Vorgehen in der Bestimmung eines Abgabengrundes konzedieren wollte, wären doch die Grenzen einer derartigen Vorgehensweise überschritten. Der Gesetzgeber hat ein zu grobes Typisierungsraster gewählt.
 
a) Privater Bereich - zur Frage der zulässigen Abweichungsquote

Gesetzgeberische Typisierung ist nur verfassungsmäßig, wenn sie eine verhältnismäßig kleine Anzahl untypischer Fälle erfasst.91 Selbst wenn statistische Angaben zutreffen sollten, wonach 97% der Haushalte über ein Fernsehgerät verfügen,92 dürfen einige Millionen verbleibender Nicht-Fernseher nicht als atypische, zu vernachlässigende Sonderfälle behandelt werden, zumal die Entscheidung, bewusst auf Fernsehen zu verzichten, in einer freiheitlichen Kommunikationsverfassung von der Rechtsordnung zu akzeptieren ist. Keinesfalls kann in der Frage des Belastungsgrundes dem Gesetzgeber die Befugnis zuerkannt werden, bis zu 10% nicht typgerechte Fälle undifferenziert der Geltung der pauschalierenden Regelung zu unterwerfen.93

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. August 198694 zur Bemessung von Wassergebühren, die hierfür als einziger Beleg genannt wird, kann nicht auf die Beitragspflicht für den Rundfunkbeitrag übertragen werden. Denn es ging in dem zugrundeliegenden Sachverhalt einer kommunalen Wasserabgabensatzung nicht um die Begründung einer Abgabenpflicht, sondern lediglich um die Gebührenmaßstäbe im Verhältnis von Grundgebühr und Verbrauchsgebühr. Es ging also um das "wie" und nicht das "ob" der Abgabenpflicht.
"
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Viktor7 am 23. Februar 2015, 11:37
Ja die Argumente überschneiden sich in der tat. Ich habe den Eindruck, dass die Argumente von hier

http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,13166.msg88748.html#msg88748

für uns Nichtjuristen viel verständlicher sind. Vielleicht hilft uns das, noch weitere einfache Erklärungen zu finden.
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Viktor7 am 23. Februar 2015, 12:46
Noch eine Idee:

Wenn das Typisierungsraster nicht mal in der Lage ist ZWEI Hauptgruppen: Nutzer und Nichtnutzer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks,   
die für die Finanzierung nur in Frage kommen, voneinander zu trennen, dann handelt es sich bei der Typisierung um eine Mogelpackung. Die Typisierung hat sich in Luft aufgelöst.



Der Hauptbeitrag (http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,13166.0.html) wurde nun überarbeitet.

Unter anderem neu im Hauptbeitrag:

Zitat
...
Wann fängt die Willkür bei den Typisierungen an?

Aufgrund der Tatsache, dass die Nutzung/Nutzungsintensivität wie gezeigt berücksichtigt wird, jedoch die willentliche Nichtnutzung der öffentlich-rechtlichen Anstaltsprogramme keine Berücksichtigung findet, ist nicht nur der allgemeine Gleichheitssatz (Belastungsgleichheit) und das  Verhältnismäßigkeitsgebot verletzt. Dadurch wurde die Typisierung zur Willkür und zur Diskriminierung der Nichtnutzer.

Wenn grundsätzlich durch die Typisierungen plötzlich alle Einwohner in das Raster fallen, mit Ausnahme von wenigen Befreiungsmöglichkeiten für Härtefälle, stimmt etwas mit der Typisierung nicht, weil dann das Raster für die Lebenssachverhalte typische Familie, medienaffine Wohngemeinschaft, Medienverweigerer und der NICHTNUTZER der öffentlich-rechtlichen Anstaltsprogramme willkürlich zu grob gewählt wurde.

Das Verfassungsgericht und andere Gerichte können den ö.-r. Anbieter, die Privaten und sonst noch was für Medien als zusammenhängend sehen. Bei der Typisierung müssen sie jedoch die vielfachen Verwendungsoptionen der Multifunktionsgeräte und die willentliche Entscheidung für oder gegen eine Option berücksichtigen damit die Belastungsgleichheit (Gleichheitssatz) und das Verhältnismäßigkeitsgebot gewahrt bleiben und die Typisierung nicht zur Willkür und zur Diskriminierung der Nichtnutzer der öffentlich-rechtlichen Programme wird.


Falls ihr konkrete und zum Thema passende Formulierungen (Einschübe) für den Hauptbeitrag (http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,13166.0.html) habt, baue ich diese gerne dort ein. Bitte jedoch um konkreten Text mit dem Hinweis auf die Platzierung im Hauptbeitrag.
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Viktor7 am 24. Februar 2015, 10:19
Soeben beim Stöbern entdeckt.

Eine hervorragende und umfangreiche Quelle zur Pauschalierung und Typisierung:

"Die Zulässigkeit gesetzlicher Pauschalierungen im Einkommensteuerrecht
am Beispiel der Entfernungspauschale" (https://www.google.de/url?sa=t&source=web&rct=j&ei=FSzsVNW9Lsa-PeebgagK&url=http://www.jurawelt.com/sunrise/media/mediafiles/13828/tenea_juraweltbd9.pdf&ved=0CB0QFjAA&usg=AFQjCNHzFOeoqqAO--X6JNNhM1E-jTpFbw)
von ULF STEENKEN

Anm.:
Link scheint nur am PC zu funktionieren.
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: 907 am 25. Februar 2015, 17:12
 “nur” eine Theorie

Typisierungsgrenzen
Steuer = 0 bis 100 erlaubt
Nicht-steuerliche Abgaben = 0 bis 90 erlaubt (nicht mehr als 90 von 100)
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Viktor7 am 25. Februar 2015, 18:15
Das vorhin genannte Dokument hat dazu viele erläuternde Angaben.  ;)
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Kunibert am 26. Februar 2015, 13:10
Mein Ausgangspunkt der Überlegung:

Jedes Gericht hat bisher hervorgehoben, dass der durch den Rundfunkbeitrag abzugeltende Vorteil allein schon darin bestehen würde, überhaupt die Möglichkeit zu haben, Rundfunk empfangen zu können. Auf die tatsächliche Nutzung komme es nicht an.

Daraus folgt:

Es spielt überhaupt keine Rolle, ob ein Rundfunkgerät existiert.

Daraus folgt:

Es spielt überhaupt keine Rolle, wo sich das Rundfunkgerät befindet, wenn es denn existieren sollte..

Daraus folgt:

Die Typisierung, dass Rundfunk angeblich überwiegend in Wohnungen und Betrieben konsumiert wird, ist damit sachlich nicht mehr begründbar, weil diese Annahme für eine Gebührenpflicht unerheblich ist. Wenn das wesentliche Merkmal einer Typisierung wegfällt, ist sie ungeeignet, um einen Sachverhalt zu beschreiben.

Daraus folgt:

Es gibt keinen begründeten Sachbezug zwischen einer Wohnung / Betriebsstätte und den abzugeltenden (angeblichen) Vorteilen.

Daraus folgt:

Weil es keinen Sachbezug zwischen einer Wohnung / Betriebsstätte gibt, kann es auch keinen individuellen Vorteil geben, der damit begründet werden kann.

Daraus folgt:

Weil es keinen individuellen Vorteil gibt, der sich aus einer Wohnung / Betriebsstätte ableiten lässt, kann der Rundfunkbeitrag nur eine Steuer sein.

--------
Drüber hinaus ist die vorliegende Typisierung auch deshalb unzulässig, weil sie nicht dazu dient, Kriterien für eine Beitragsschuld bereitzustellen, sondern die Beitragsschuld rechtswidrig umzuverteilen und auszuweiten.

Wenn der ÖRR einen angeblich  abzugeltenden Vorteil bietet, dann hat ihn jeder abzugelten.

Weil der ÖRR/GEZ über die Einwohnermeldeämter direkten Zugriff auf die Meldedaten aller möglichen Beitragsschuldner haben, ist eine Typisierung nicht erforderlich und damit rechtswidrig.

Niemand hindert den Gesetzgeber, beispielsweise Ehegatten, Kinder und Geringverdiener von einer Beitragspflicht auszunehmen. Dafür braucht man keine Typisierung.

Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: PersonX am 26. Februar 2015, 15:14
JA, aber dann hätte sich doch der Beitrag in der Höhe geändert. Das sollte doch vermieden werden, damit alle die zahlen einfach nicht darüber nachdenken.
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Viktor7 am 26. Februar 2015, 23:30
Noch ein wenig Futter und Anregung:

"Die Zulässigkeit gesetzlicher Pauschalierungen im Einkommensteuerrecht
am Beispiel der Entfernungspauschale" (https://www.google.de/url?sa=t&source=web&rct=j&ei=FSzsVNW9Lsa-PeebgagK&url=http://www.jurawelt.com/sunrise/media/mediafiles/13828/tenea_juraweltbd9.pdf&ved=0CB0QFjAA&usg=AFQjCNHzFOeoqqAO--X6JNNhM1E-jTpFbw)
von ULF STEENKEN

Zitat
Diese äußere Grenze im Rahmen der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Typisierung an Art. 3 Abs. 1 GG ist nach früherer Rechtsprechung im Willkürverbot zu sehen. Nach neuerer Rechtsprechung ist die äußere Grenze gemäß der „neuen Formel“ dann überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen Gruppe von Normadressaten ungleich behandelt wird, ohne dass zwischen beiden Gruppen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen56.

56 Vgl. dazu BVerfG v. 10.5.1972 - 1 BvR 286, 293, 295/65, BVerfGE 33, 171 (189); BVerfG v. 26.4.1978 - 1 BvL 29/76, BVerfGE 48, 227 (235); BVerfG v. 6.12.1983 - 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325 (354); BVerfG v. 29.11.1989 - 1 BvR 1402, 1528/87, BVerfGE 81, 108 (118); BVerfG v. 23.1.1990 - 1 BvL 4,5,6, 7/87, BVerfGE 81, 228 (236) = BStBl II 1990, 483; BVerfG v. 8.6.1993 - 1 BvL 20/85, BVerfGE 89, 15 (22f.). Entsprechendes gilt, wenn vergleichbare Gruppen von Normadressaten gleich behandelt werden, obwohl zwischen beiden Gruppen gewichtige Unterschiede bestehen, die einer Gleichbehandlung entgegenstehen.

Der Unterschied vom Gewicht ist in der Nutzung und Nichtnutzung der ö.-r. Programme unverkennbar. Diese Unterschiede rechtfertigen problemlose Berücksichtigung.

Zitat
Der Bundesfinanzhof und die Finanzgerichte untersuchen die Rechtmäßigkeit von Typisierungen des Gesetzgebers entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zunächst darauf, ob nur eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Personen von den durch die Typisierung verursachten Härten und Ungerechtigkeiten betroffen ist oder ob der Verstoß gegen den Gleichheitssatz von geringer Intensität ist und ob keine realitätsfremden Grenzen (Pauschbeträge) vom Gesetzgeber gezogen wurden. Ist dies nicht der Fall, wird geprüft, ob die steuerlichen Vorteile in einem „rechten Verhältnis“ zu den verursachten Härten und Ungerechtigkeiten stehen, also gemäß der „neuen Formel“ ein gewichtiger Grund für die (Un-)Gleichbehandlung verschiedener (nicht) vergleichbarer Gruppen von Normadressaten besteht69. Allein aus Praktikabilitätsgründen soll eine Typisierung nur dann gerechtfertigt sein, wenn keine einfachere und weniger belastende Regelung möglich sei70.

69 BFH v. 26.11.1985 - IX R 1/81, BStBl II 1986, 353 (355) = BFHE 145, 383; BFH v. 29.4.1992 - VI B 152/91, BStBl II 1992, 752 (753) = BFHE 167, 152; BFH v. 19.02.1993 - VI R 74/91, BStBl II 1993, 551 (555) = BFHE 170, 410; BFH v. 20.12.1995 - I R 118/94, BStBl II 1996, 199 (200) = BFHE 179, 396; BFH v. 27.9.1996 - VI R 47/96, BStBl II 1997, 68 (69) = BFHE 181, 305; BFH v. 24.02.2000 - III 59/98, DStR 2000, 765 (766f.) = BStBl II 2000, 273 = BFHE 191, 286; BFH v. 15.03.2000 - X R 130/97, BFH/NV 2000, 1032 (1035) = BFHE 191, 360; BFH v. 16.04.2000 - X R 111/98 - nv - Juris, II 2 a; BFH
v. 3.8.2000 - III R 2/00, BFH/NV 2001. 100 (101); FG Münster v. 22.7.1992 - 4 K 1460/92 L, EFG 1992, 611 (612); Niedersächsisches FG v. 19.10.1995 - II 497/93, EFG 1996, 664
(664); FG Baden-Württemberg v. 19.11.1996 - 6 K 238/95, EFG 1997, 728 (731).

70 Vgl. BFH v. 29.4.1992 - VI B 152/91, BStBl II 1992, 752 (753) = BFHE 167, 152. Vgl. auch Jarass, in Jarass/Pieroth, GG3, Art. 3, Rn. 20 m.w.N.

Eine einfachere und weniger belastende Regelung ist die mit der Code Karte für ca. 10 EUR für die Freischaltung der öffentlich-rechtlichen Anstalts-Programme. Ohne die kostspieligen Multifunktionsgeräte, SAT-Anlagen/monatlichen Kabelgebühren ist ein Empfang ohnehin nicht frei verfügbar. Die Menschen können die Rundfunksignale direkt nicht hören und sehen. Die Code Karte ist im Vergleich der Kosten und Preisunterschiede der anderen Hilfsmittel und laufender Kosten unbedeutend und für Interessierte kein Hindernis. Wenn Online Banking als sicher gilt, dürfte dies auch für den unbedeutenden ö.-r. Pay-TV Quatsch genauso gelten.


Zitat
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv063119.html#128
Eine noch hinzunehmende Typisierung setzt vielmehr voraus, daß die durch sie eintretenden Härten oder Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und daß der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (BVerfGE 26, 265 [275 f.]). Wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist ebenfalls, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (BVerfGE 45, 376 [390]). Hierfür sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht (BVerfGE 9, 20 [31 ff.]).

Die Ungerechtigkeit der Typisierung ist einfach mit der vorhin erwähnten Code Karte vermeidbar.

Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: pipmen am 19. April 2015, 13:17
Hi,

ich habe versucht mir Gedanken darüber zu machen wie man die herangezogenen Zahlen bei der Typisierung "angreifen" kann. Was haltet Ihr davon bzw. ist der Gedankengang überhaupt richtig?

Die Typisierung berücksichtigt die prozentuale Anzahl der Haushalte mit Rundfunkempfangsgeräten (97% TV und 96% Radio) und folgert unmittelbar daraus, dass ein Konsum der öffentlich-rechtliche Rundfunkprogramme stattfindet. Was stimmen oder auch nicht stimmen mag. Idealerweise hätte der Konsum des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sehr einfach über eine repräsentative Umfrage ermittelt werden können, welche sicherlich aufzeigen würde, dass dem nicht so ist.

Dass dem nicht so ist, ist mit Hausmitteln annäherungsweise relativ einfach nachvollziehbar anhand der vorliegenden Statistiken von der ARD über das Durchschnittsalter der Zuschauer der öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme und den Altersgruppen der Haushalte. Im ARD-Jahrbuch von 2008 ist ab Seite 23 eine Arbeit aufzufinden unter der Überschrift „Nur noch ein seltenes Paar“ welches aufgezeigt, dass jüngere Menschen kaum die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme nutzen.

http://www.ard.de/download/119600/Ein_nur_noch_seltenes_Paar__Oeffentlich_rechtlicher_Rundfunk_und_Jugend___Strategien_gegen_den_Generationenabriss.pdf

Das Durchschnittsalter der ARD- und ZDF-Zuschauer lag im Jahre 2008 bei 60 Jahren und für die Dritten sogar bei 61 Jahren, mit Tendenz steigend! Das Durchschnittsalter der Zuschauer stieg in den 15 Jahren zuvor um 11 Jahre! Man kommt zu dem Beschluss, dass das Durchschnittsalter des ARD- und ZDF-Fernsehpublikums dreimal so schnell altert wie das Durchschnittsalter des gesamten Fernsehpublikums. Im Vergleich dazu liegt das Durchschnittsalter der Zuschauer der Privatsender bei 45 Jahren und stieg nur um 3,5 Jahre.

Laut Bundesamt für Statistik lag das Durchschnittsalter 2011 in Deutschland bei 43,9 Jahren:
https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Bevoelkerung.html

Allein dieser Vergleich (60Jahre vs. 44 Jahre) zeigt schon auf, dass nicht jeder Rundfunkteilnehmer die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme nutzt.

Die Altersverteilung bei den Haushalten lag im Jahre 2009 laut Bundesamt für Statistik wie folgt:
https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Bevoelkerung/HaushalteMikrozensus/EntwicklungPrivathaushalte5124001109004.pdf?__blob=publicationFile

•   0-19 Jährige: 19%
•   20-39 Jährige: 25%
•   40-59 Jährige: 31%
•   60 und ältere: 26%

Anstatt pauschal alle Haushalte mit Rundfunkempfangsgeräten als Konsumenten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme festzulegen hätten die oben aufgezeigten Zahlen für eine bessere Annäherung herangezogen werden können. Somit reduziert sich die Anzahl der konsumierenden Haushalte erheblich auf 26% bzw. 26%+31%=57%. Die restlichen 43% der Haushalte, die statistisch gesehen keinen Konsum der öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme haben werden schlichtweg unterschlagen.

Grüße,
pipmen


P.S: Dass bei einem Durchschnittsalter von 60 Jahren auch Personen mit einberechnet werden, die jünger sind ist selbstverständlich,was automatisch zu einer Abweichung des "Modells" führt. Aber der Hauptanteil muss sich statistisch gesehen um die 60 bewegen, daher zähle ich die Altergruppe 40-59 auch dazu.
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: pipmen am 19. April 2015, 15:46
und noch ein weiterer Gedankengang:

Sollte tatsächlich ein Nicht-Nutzer, der eine Wohnung innehat, einen Vorteil aus der Bereitstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ziehen wie es der Bayerische Verfassungsgerichtshof darstellt…

„[…]dass von einem funktionierenden öffentlich-rechtlichen Rundfunk alle profitierten, auch dann, wenn das Angebot nicht unmittelbar genutzt werde. In jedem Fall sei der Einzelne durch die medienbedingte und -gestützte Informationskultur begünstigt.[…]“

…stellt sich die Frage, welcher medienbedingte und –gestützte Vorteil aus der Informationskultur dem Nicht-Nutzer als Vorteil mehr/zusätzlich zukommt, was einem aktiven blinden Konsumenten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht zukommt, so dass es die Ermäßigung für den blinden bzw. die Zahlung in voller Höhe für den Nicht-Nutzer gerechtfertigt? Der Nicht-Nutzer kann höchstens durch Kontakt mit der konsumierenden Umgebung an Informationen herankommen bzw. einen Nutzen daraus ziehen, die ein blinder Konsument ebenfalls durch aktive Nutzung des Rundfunks erhalten kann. Somit wird der Nicht-Nutzer benachteiligt/ diskriminiert gegenüber aktiven blinden Rundfunkteilnehmern indem der volle Beitrag zu leisten ist.

Die obige Frage stellt sich im Übrigen (vom Nicht-Nutzer ausgehend) auch gegenüber  folgenden kerngesunden Personen, die in der gleichen Wohnung von einer Befreiung/ Ermäßigung profitieren gemäß RBStV §4 Absatz 3:
-   Ehegatten
-   Eingetragene Lebenspartner
-   Wohnungsinhaber, die bei der Gewährung einer Sozialleistung nach Absatz 1 als Teil einer Einsatzgemeinschaft im Sinne des § 19 des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches berücksichtigt worden sind

Des Weiteren werden Nicht-Nutzer gegenüber Obdachlosen benachteiligt, da diese Personen ebenfalls die Möglichkeit der Nutzung haben (über mobile Gerätschaften), da der Rundfunk nicht nur in Wohnungen bereitgestellt wird. Die ungehinderte Nutzungsmöglichkeit und die angeblichen Vorteile, die die Informationskultur bereitstellt sind stets die Begründung bisheriger Gerichtsurteile gegenüber Nicht-Nutzern, was in diesem Zusammenhang keinen Bestand hat bzw. eine Benachteiligung/ Diskriminierung der Nicht-Nutzer darstellt.
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: vmp am 19. April 2015, 21:42
Habe das jetzt nur überflogen pipmen, aber Person V hat diesen Ansatz unter
Klagepunkte Typisierung
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,12227.msg82241.html#msg82241
(in der runterzuladenen PDF) auch schon für Person Vs Klage ausgerechnet.

Keine Ahnung mehr wie gut das formuliert ist, evtl. lohnt sich ja ein Blick für dich.
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: pipmen am 20. April 2015, 22:43
Hi VMP,

danke für den Hinweis, hatte ich zuvor nicht gesehen! Somit kann mein Beitrag durch die Admins gelöscht werden, wenn es keinen Mehrwert.
Sehr interessant, dass die Ergebnisse nicht mal um 1% voneinander abweichen, obwohl die Berechnungsansätze und die betrachteten Zeitpunkte unterschiedlich sind. Eventuell ein Beleg dafür, dass der Gedankengang garnicht so verkehrt ist?

Grüße,
pipmen
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Viktor7 am 08. Mai 2015, 23:29
Wenden wir uns dem Hammerurteil bezüglich der Typisierung/Pauschalierung zu.

Das BUNDESVERFASSUNGSGERICHT stellt im Urteil 1 BvR 665/10 die folgenden Kriterien auf:

Zitat
http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2011/11/rk20111109_1bvr066510.html

Die ungleiche Behandlung des Beschwerdeführers gegenüber Empfängern von Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII findet ihre sachliche Rechtfertigung ebenfalls nicht in der Möglichkeit, aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zu generalisieren, zu typisieren und zu pauschalieren (vgl. BVerfGE 100, 138 <174>; 103, 310 <319>; 112, 268 <280>). Die Auslegung und Anwendung der § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 6 Abs. 3 RGebStV durch das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht, insbesondere die restriktive Anwendung der Härtefallregelung in § 6 Abs. 3 RGebStV wird den vom Bundesverfassungsgericht formulierten Voraussetzungen einer zulässigen Typisierung nicht gerecht. Hierzu ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich, dass die mit ihr verbundenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, sie lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (vgl. BVerfGE 100, 138 <174>; 103, 310 <319> ; stRspr). Die Verwaltungsvereinfachung bei der Prüfung, ob eine Befreiung von Rundfunkgebühren zu gewähren ist, vermag hiernach die Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers gegenüber Empfängern von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII nicht zu rechtfertigen, da keine kleine Anzahl von Personen betroffen ist und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz intensiv ist.

Für die Intensität des Gleichheitsverstoßes ist insbesondere die Beitragsbelastung maßgeblich (vgl. BVerfGE 63, 119 <128>; 84, 348 <360>). Diese besteht höchstens in Höhe der Rundfunkgebühr, wird aber je nach Höhe des die Regelsätze übersteigenden Einkommens entsprechend geringer sein. Zwar ist dieser Betrag absolut nicht sehr hoch, er stellt aber eine intensive und wiederkehrende Belastung des Beschwerdeführers dar. Im Verhältnis zum Einkommen führt schon die Belastung mit den verhältnismäßig geringen Beträgen bis zur Höhe der Rundfunkgebühr zu einer Verringerung des Einkommens von bis zu 5 %.

Das BUNDESVERFASSUNGSGERICHT sagt also:

Eine Verringerung des Einkommens von knapp unter 5 % und mehr durch den Rundfunkbeitrag ist intensiv und verstößt gegen den Gleichheitssatz.

Eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen ist entscheidend für die Voraussetzung einer zulässigen Typisierung. Die kleine Zahl von Personen lässt sich statistisch berechnen, wenn wir die Betroffenen mit Einkommen "SGB II oder SGB XII + Rundfunkbeitrag" gegenüber Empfängern von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII betrachten.

Damit können wir endlich konkret die alles entscheidende kleine Zahl von Personen als Grenze für die zulässige Typisierung annähernd ermitteln. Nach meinem aktuellen Verständnis:

(Personen mit Einkommen "SGB II oder SGB XII + Rundfunkbeitrag") - (Empfänger von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII)

Bitte hilft mit, diese Zahl nach statistischen Daten zu ermitteln.

Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Viktor7 am 10. Mai 2015, 10:11
Wer kann uns hier mit seinen Kenntnissen unter die Arme greifen und den Grenzwert für die Typisierung der kleinen Anzahl von Personen statistisch belegbar ermitten?

Damit hätten wir ein handfestes Argument, welches wir jedem Gericht um die Ohren hauen könnten.
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Pepe am 14. Mai 2015, 12:03
@Viktor7

Ich zerbreche mir grad den Kopf, wie man jetzt am besten vorgeht:

Personen auftreiben die SGBII / SGBXII beziehen...
Die Daten sammeln ( wenn die Personen sie rausrücken)
Und das bundesweit....

Oder wie seht ihr das?
Das ist echt ein Angriffspunkt, oder?

Gruß Pepe
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: vmp am 14. Mai 2015, 12:41
Um mal erste konkrete Zahlen in den Raum zu werfen:
Die Bundesregierung legt das gegenüberzustellende Entgelt auf 1084€ Brutto fest:
Zitat
Bei Zugrundelegen dieser Voraussetzungen hätte ein Arbeitslosengeld-II-Empfänger einen Gesamtbetrag von ca. 830 Euro netto zur Verfügung. Ein vergleichbares Nettoeinkommen sowie die entsprechenden Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung werden bei einem Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1 084 Euro (LStKl. I, Lohnsteuer: 27 Euro) erzielt.
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/16/024/1602448.pdf  S.11

Und gemäß http://www.bpb.de/nachschlagen/datenreport-2013/gesundheit-und-soziale-sicherung/173718/mindestsicherungssysteme?p=all sind es insgesamt 7.257.779 Empfänger von SGBII und SGB XII.

Die Personen die dem gegenüberzustellen sind, werden schwieriger herauszufinden sein.
Das einzige was ich dazu finden konnte steht hier: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/einkommen-und-gehalt-wo-sie-im-vergleich-liegen-a-920777.html
Geht man dort auf die Spanne 500-900€, dann erhält man:

Zitat
78 Prozent der Erwerbstätigen haben mehr als Sie.
Das sind ungefähr 27,9 Mio. Menschen.
Das bedeutet, wenn 78% 27,9 Mio. Menschen darstellen, dann sind die 22%, die <900€ besitzen = 7,87 Mio. Menschen (Man muss hier die Empfänger nicht abziehen, weil die in dieser Statistik eigentlich schon unberücksichtigt sind, das heißt hier hätte man eine geschätzte Zahl der Menschen, die aktuell betrogen werden (unter Berücksichtigung einiger Probleme)):

27,9 Mio. / 78 = x / 22
x = 27,9 Mio. / 78 * 22 = 7,87 Mio.

Eventuell findet aber jemand aussagekräftigere Statistiken, denn mit dem Spiegelrechner gibt es ein paar Probleme:

Eventuell lohnt sich ein Blick in die Statistik vom Bundesamt/Mikrozensus von 2011, den der Spiegel hier als Quelle genutzt hat.
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: vmp am 14. Mai 2015, 13:56
Oh, ich sehe gerade, dass die 1084€ Brutto im oberen Post noch vom Jahr 2006 waren. Damals war der Regelsatz noch bei 345€ während er heute bei 399€ ist. Die anderen Beträge (Wie Wohngeld, Rundfunkgebühren, etc) haben sich seitdem bestimmt auch erhöht. Entsprechend müsste man wohl auch hier eine aktualisierte Version verwenden, die sich aber genauso errechnet wie 2006. Dafür habe ich gerade keine Zeit, das werde ich noch nachholen, wenn es niemand anderes tut.
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: six2seven am 14. Mai 2015, 15:35
Ztitat Viktor7:
Bitte hilft mit, diese Zahl nach statistischen Daten zu ermitteln.

Hallo,
….wo sind die zuverlässigen Quellen?
Die Kommunen stöhnen bundesweit unter dem dramatischen Anstieg
der Sozialausgaben, gleichzeitig sinkt in "offiziellen Statistiken "
seit 2006  (…. Beginn der Machtübernahme ) die Zahl der Bedürftigen.
Wie passt das, wer lügt hier.
Inzwischen kappen Online Portale direkt den Zugang,
wenn bei " Umfragen " andere Werte als " erwünscht " eingefahren werden.
Wie verhält es sich außerdem, wenn die BA beständig positive Zahlen
vorlegt, während Nachforschungen, die Aussagen betreffend, kaum möglich,
bzw. erst über die Klage gegeben sind.

Fazit :  die " statistische Datenermittlung "  lässt die Branche fürstlich leben,
ist genauso intransparent, sich selbst überlassen und ohne wirkliche Kontrolle,
wie der ÖRR.
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Viktor7 am 14. Mai 2015, 22:34
Das Problem sind weniger die Quellen, als die Ermittlung der 17,50 € entsprechende Anzahl der Menschen, die zwar mehr als SGB II Bezieher, jedoch durch den ö.-r. Rundfunkbeitrag weniger als die SGB II Bezieher in der Tasche haben und deswegen unverhältnismäßig ungleich behandelt werden.


Die erste Zahl dürften wir noch leicht errechnen können:

Zitat
Armuts und Reichtumsbericht der Bundesregierung (http://de.wikipedia.org/wiki/Armuts-_und_Reichtumsbericht_der_Bundesregierung)

Im gleichen Zeitraum sank die Zahl der Empfänger nach dem fünften bis neunten Kapitel SGB II (Hilfe in besonderen Lebenslagen) von 1.103.000 auf 846.000 Personen. Im Betrachtungszeitraum wurden die Leistungen der früheren Arbeitslosenhilfe (2004: 2,3 Mio. Personen) und der Sozialhilfe (2004: 2,9 Mio. Personen) zusammengefasst zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (2005: 5,3 Mio. Empfänger von Arbeitslosengeld II). Insgesamt bezogen rund 9 % der Bevölkerung Leistungen nach dem SGB II. Dieser Personenkreis definiert die Mindestzahl der Armutsquote nach der Definition der Europäischen Union.

Die Quote von ca. 9 % der Bevölkerung wird auch hier ersichtlich:
http://www.amtliche-sozialberichterstattung.de/Tabellen_Excel/tabelleB21.xls

Wichtig: Die SGB II-Quote gibt die Empfänger/-innen von Arbeitslosengeld II beziehungsweise Sozialgeld nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) als Anteil an der Bevölkerung im Alter bis zur Altersgrenze nach § 7a SGB II wider. Diese liegt für die vor 1947 Geborenen bei 65 Jahren.

https://partner.vde.com/bmbf-aal/Publikationen/studien/extern/Pages/2011-06_DESTATIS.aspx
"82 Millionen Menschen, von denen rund 17 Millionen 65 Jahre oder älter waren"
82-17=65 Mio.

65 Mio. entsprechen in etwa den 100% für die Bezugsgröße.

(x Mio. / 65Mio.) * 100  = 9 % -> x = ca. 5,85 Mio. SGB II Bezieher
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: vmp am 14. Mai 2015, 22:45
Was spricht denn dagegen (wie oben bei mir) die Daten von der Bundeszentrale für politische Bildung (http://www.bpb.de/nachschlagen/datenreport-2013/gesundheit-und-soziale-sicherung/173718/mindestsicherungssysteme?p=all) zu nehmen?

Da ist doch direkt in der ersten Graphik aufgeschlüsselt:
SGB II Empfänger -> 6.119.846
SGB XII Empfänger -> 952.245
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Viktor7 am 15. Mai 2015, 07:37
Was spricht denn dagegen (wie oben bei mir) die Daten von der Bundeszentrale für politische Bildung (http://www.bpb.de/nachschlagen/datenreport-2013/gesundheit-und-soziale-sicherung/173718/mindestsicherungssysteme?p=all) zu nehmen?

Da ist doch direkt in der ersten Graphik aufgeschlüsselt:
SGB II Empfänger -> 6.119.846
SGB XII Empfänger -> 952.245

Perfekt. Die Daten stammen sogar aus dem Jahr des Urteils 2011.

Mit der Lorenzkurve der Einkommensverteilung für D und den echten Zahlen der Bezugsgrößen könnten wir annähernd die kleine Zahl der unverhältnismäßig ungleich behandelten Personen entsprechend der 17,5 € errechnen.
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: kosmos am 06. September 2015, 13:31
Zitat
    http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2011/11/rk20111109_1bvr066510.html

    Die ungleiche Behandlung des Beschwerdeführers gegenüber Empfängern von Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII findet ihre sachliche Rechtfertigung ebenfalls nicht in der Möglichkeit, aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zu generalisieren, zu typisieren und zu pauschalieren (vgl. BVerfGE 100, 138 <174>; 103, 310 <319>; 112, 268 <280>). Die Auslegung und Anwendung der § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 6 Abs. 3 RGebStV durch das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht, insbesondere die restriktive Anwendung der Härtefallregelung in § 6 Abs. 3 RGebStV wird den vom Bundesverfassungsgericht formulierten Voraussetzungen einer zulässigen Typisierung nicht gerecht. Hierzu ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich, dass die mit ihr verbundenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, sie lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (vgl. BVerfGE 100, 138 <174>; 103, 310 <319> ; stRspr). Die Verwaltungsvereinfachung bei der Prüfung, ob eine Befreiung von Rundfunkgebühren zu gewähren ist, vermag hiernach die Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers gegenüber Empfängern von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII nicht zu rechtfertigen, da keine kleine Anzahl von Personen betroffen ist und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz intensiv ist.

    Für die Intensität des Gleichheitsverstoßes ist insbesondere die Beitragsbelastung maßgeblich (vgl. BVerfGE 63, 119 <128>; 84, 348 <360>). Diese besteht höchstens in Höhe der Rundfunkgebühr, wird aber je nach Höhe des die Regelsätze übersteigenden Einkommens entsprechend geringer sein. Zwar ist dieser Betrag absolut nicht sehr hoch, er stellt aber eine intensive und wiederkehrende Belastung des Beschwerdeführers dar. Im Verhältnis zum Einkommen führt schon die Belastung mit den verhältnismäßig geringen Beträgen bis zur Höhe der Rundfunkgebühr zu einer Verringerung des Einkommens von bis zu 5 %.


Das BUNDESVERFASSUNGSGERICHT sagt also:

Eine Verringerung des Einkommens von knapp unter 5 % und mehr durch den Rundfunkbeitrag ist intensiv und verstößt gegen den Gleichheitssatz.

Kann es sein das aus diesem Grund eher die Männer als die Frauen angeschrieben werden? Da in der Regel der Mann das höhere Einkommen hat. Könnte man vielleicht eine Umfrage im Forum starten wo jeder anklickt ob der Mann oder die Frau den Bescheid, Rechnung... bekommen hat.

z.B. Mann und Frau im Haushalt ja /nein bei ja weitere Abfrage wer wird von der GEZ oder von der Landesrundfunkanstalt angeschrieben Mann / Frau. Damit ein hoher Männeranteil im Forum nicht zu verfälschten Ergebnissen führt.

Das wäre evtl. auch ein weiterer Diskriminierungsgrund aufgrund des Geschlechtes. Oder die Frau läßt sich als Inhaberin melden und hat dann etwas höhere Chancen aufgrund des geringeren Einkommens.
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Knax am 06. September 2015, 17:57
Kann es sein das aus diesem Grund eher die Männer als die Frauen angeschrieben werden? Da in der Regel der Mann das höhere Einkommen hat.

Möglich ist das. Es ist ohnehin ein großes Rätsel, nach welchen Kriterien die Auswahl erfolgt, wenn mehrere in einer Wohnung zusammenwohnen. Ob dies so rechtens ist, ist die Frage.
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Bürger am 06. September 2015, 18:56
...es wurde an anderer Stelle im Forum aber schon gemutmaßt, dass genau das Gegenteil der Fall sei, nämlich dass eher Frauen als "Beitragsschuldner" angeschrieben werden - in der Annahme, dass diese sich weniger wehren würden.

Es scheint daher müßig, sich damit weitergehender zu beschäftigen...
Titel: Re: Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter Urteile
Beitrag von: Philosoph am 10. September 2015, 18:19
Vorweg die ganz dumme Frage: gelten die oben angegebenen "1084€ Brutto" (ich weiß, die Zahlen sind veraltet) pro Monat?
Wenn ja, dann müssen zu den Sozialhilfeempfängern auch noch die Rentner und Geringverdiener gezählt werden, die bzgl. des Geldes ja "wesentlich gleich" zu den Sozialhilfeempfängern sind, aber natürlich nicht in den entsprechenden Statistiken auftauchen.

Interessant ist hierbei vielleicht die Statistik zur Armutsgefährdung:
https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/EinkommenKonsumLebensbedingungen/LebensbedingungenArmutsgefaehrdung/Tabellen/EUArmutsschwelleGefaehrdung_SILC.html

https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/EinkommenKonsumLebensbedingungen/LebensbedingungenArmutsgefaehrdung/Tabellen/ArmutsgefQuoteTyp_SILC.html

https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/EinkommenKonsumLebensbedingungen/LebensbedingungenArmutsgefaehrdung/Tabellen/FinanzielleKapazitaeten_SILC.html