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Widerspruchs-/Klagebegründungen / Re: Verf.-Beschw. BE; Meldedatenabgleich § 11 Abs. 5 RBStV; Az. VerfGH 66/21
« Letzter Beitrag von Profät Di Abolo am 23. März 2024, 20:28 »Zitat
B.3.1.3. Erforderlichkeit der Maßnahme
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof führte diesbezüglich in seiner Entscheidung vom 15. Mai 2014, Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 in RdNr. 161 aus.Zitat161Der damalige Meldedatenabgleich konnte vielleicht noch für erforderlich gehalten werden, für die hier angegriffene Nachfolgeregelung § 11 Abs. 5 RBStV gilt dies jedoch nicht. Im Anhörungsverfahren des Ausschusses für Wissenschaft, Hochschule, Medien, Kultur und Tourismus am 2. März 2020 zum „Gesetz zum Dreiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag“ hat sich dies auch durch Herrn Prof. Dr. Armin Herb, Rundfunkbeauftragter für den Datenschutz beim SWR, gezeigt. Zur Erinnerung er führte aus:
c) Der Gesetzgeber durfte die Vorschrift für erforderlich halten. Auch wenn der einmalige Meldedatenabgleich alle volljährigen Personen betrifft und damit einen äußerst großen Kreis an Betroffenen erfasst, sind weniger beeinträchtigende Mittel, die ebenso weitreichende Aufklärung ermöglichen, nicht zu erkennen.
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Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag stellt zwar zur Ermittlung der potenziellen Beitragsschuldner neben dem Meldedatenabgleich eine Reihe anderer Instrumente bereit: die allgemeine Anzeigepflicht nach § 8 RBStV und das sie ergänzende Auskunftsrecht nach § 9 RBStV, weiter die Erhebung personenbezogener Daten bei öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen ohne Kenntnis des Betroffenen nach § 11 Abs. 4 RBStV, ferner speziell als Übergangsregelung zur Umstellung des Finanzierungssystems die Anzeigepflicht der bereits bislang als private Rundfunkteilnehmer gemeldeten Personen (§ 14 Abs. 1 RBStV) und die Weiterverwendung der bereits unter Geltung des Rundfunkgebührenstaatsvertrags gespeicherten Daten (§ 14 Abs. 6 RBStV). Diese Erhebungsmethoden sind allerdings teils von vornherein untauglich, teils nur bedingt geeignet, solche Personen zu ermitteln, die den Rundfunkanstalten unbekannt sind, sei es weil sie vorhandene Empfangsgeräte in Widerspruch zur früheren Rechtslage nicht angemeldet hatten („Schwarzseher“), sei es weil sie mangels vorhandener Geräte nicht gebührenpflichtig waren und nun ihrer Anzeigepflicht nach § 8 RBStV nicht nachkommen. Vor allem solche Wohnungsinhaber werden durch den einmaligen Meldedatenabgleich nach § 14 Abs. 9 RBStV in einfacher Weise erfasst. Alternativ bedürfte es der Nachforschung vor Ort, die mit einem weitaus stärkeren Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen verbunden wäre.ZitatHerr Nowak, Sie fragten, warum es keine Einzelabfragen, sondern diesen Meldedatenabgleich gebe. Dazu gibt es zwei einfache Antworten: Einmal ist es das Geld, und zum anderen die Arbeitszeit. Das Geld deshalb: Eine Einzelabfrage kostet je nach Gemeinde zwischen fünf und zwölf Euro. Nehmen Sie einmal tausend Einzelanfragen, dann ist das ein enormer Batzen, der letztlich mehr oder minder zur Erhöhung der Gebühr führen wird, während, wenn alle fünf Jahr das Einwohnermeldeamt nicht Einzelabfragen macht, sondern einfach die Festplatte dem zentralen Beitragsservice gibt und dieser abgleicht, dann kostet das, glaube ich, pro Adresse zehn Cent. Legen Sie mich auf die Zahlen bitte nicht fest, es sind auf jeden Fall signifikante Unterschiede. Denken Sie bitte auch an die Gemeinden.Meldeanfragen öffentlicher Stellen und Behörden bei den Meldeämtern sind kostenfrei. Weshalb dies beim ZBS wohl, jedenfalls nach den Ausführungen des Rundfunkbeauftragten für den Datenschutz beim SWR, nicht der Fall sein soll, braucht hier nicht erörtert werden. Offensichtlich jedenfalls ist, dass der ZBS Einzelabfragen ablehnt, da sie zu personalaufwändig und damit zu teuer sind. Die Erforderlichkeit eines Eingriffes in das RiS ist nicht am „Kostenaufwand“ eines zentralen Rechenzentrums verfassungsrechtlich zu messen, sondern daran, ob mildere Mittel gleicher Eignung vorhanden sind. Dies ist zweifelsfrei der Fall. Im Rahmen des Ersten und des Zweiten bundesweiten Meldedatenabgleichs hatte der ZBS genügend Zeit festzustellen, wie viele Teilnehmerkonten im privaten Bereich zu einer Anschrift gespeichert waren. Verschwinden nun unter einer Anschrift, zur der 100 Teilnehmerkonten gespeichert sind, schlagartig 100 Teilnehmerkonten, so kann der ZBS tatsächlich von einem „Verlust von Wohnungen“ durch den Abriss eines Wohnhauses ausgehen. Das folgt logischen Denkgesetzen. Am Beispiel der gebündelten Zuordnung der Teilnehmerkonten zu Anschriften wird auch folgendes ersichtlich: der Meldedatenabgleich ist bundesweit überhaupt nicht erforderlich. Er ist eine „Kanone“ die bundesweit auf alle „gemeldeten Spatzen“ zielt. Es hätte nämlich durchaus die Möglichkeit bestanden, regionale Unterschiede zu berücksichtigen. Das heißt der, „Verlust von Wohnungen“ hätte dem Datenbestand der einzelnen Landesrundfunkanstalten zugeordnet werden müssen. Dementsprechend wäre, bei Erreichen einer kritischen Grenze „des Verlustes von Wohnungen“ auch nur ein Meldedatenabgleich für einzelne Bundesländer oder im Falle der Mehrländeranstalten in mehreren Bundesländern - aber nicht in allen - erforderlich. Die bundesweite Datenübermittlung aller volljährigen (Ausnahme § 51 BMG) im Rahmen des Meldeabgleichs kann vom Gesetzgeber so schon nicht verfassungsrechtlich begründet werden. Er gleicht bundesweit ins Blaue hinein Meldedaten ab und will so eine „aktuelle Datengrundlage zur Beitragserhebung“ gewährleisten. Die Aktualität ist schon am Tage 1 nach dem Stichtag nicht mehr gewährleistet. Wie der Beschwerdeführer dargelegt hat, finden nämlich „Bewegungen“ der Bundesbürger während der Abgleichsphase in beträchtlicher Größenordnung (2019: 19,7 Millionen) statt. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb nun der ZBS, der in der Lage ist über 46 Millionen Beitragskonten hinsichtlich der Zahlungseingänge zu überwachen, an einer Anschriften- bzw. regionalen Überwachung scheitern soll.
Bei tausend Einzelanfragen im Jahr muss der Sachbearbeiter bei jeder einzelnen etwas tun. Diese einmalige Abfrage mit der Festplatte erledigt ein Mitarbeiter im Rechenzentrum innerhalb kürzester Zeit. Deshalb sind die Einzelanfragen einfach zu teuer und auch zu ineffektiv.
Der Jahresbericht 2015 des ZBS, Seite 28 weist folgende Wohnungszahlen aus für die Jahre 2013 - 2015 aus:
2013 36.385.345
2014 39.346.878
2015 39.002.073
Der Jahresbericht 2018 des ZBS, Seite 28 weist folgende Wohnungszahlen aus für die Jahre 2016 - 2018 aus:
2016 39.100.722
2017 39.138.750
2018 39.519.326
Der Jahresbericht 2019 des ZBS, Seite 26 für das Jahr 2019 folgende Wohnungszahl:
2019 39.872.110
Der sprunghafte Anstieg der Wohnungen 2014 die gleichzeitig Teilnehmerkonten darstellen, ist auf den ersten Meldedatenabgleich 2013- 2014 zurückzuführen. Der Wohnungsbestand ist seit 2015 kontinuierlich gestiegen.
Von 2014 bis 2015 beläuft sich der Verlust von Wohnungen auf 344805. Im Zuge des ersten bundesweiten Meldedatenabgleich wurden 1,4 Millionen Direktanmeldungen vorgenommen. Der signifikante Verlust von 344805 Wohnungen dürfte daher auch auf der Abmeldung der direktangemeldeten Betroffenen zurückzuführen sein. Damit ist belegt, dass es der bundesweite Meldedatenabgleich selbst ist, der im Wege der Direktanmeldung und Wiederabmeldung zu einem Verlust von Wohnungen führt. Der jeweils nachfolgende bundesweite Meldedatenabgleich wird durch den vorhergehenden herbeigeführt, da durch die Direktanmeldungen mit anschließender Abmeldung (55 %) der Verlust von Wohnungen ja erst eintritt. Die unendliche Reihe von beabsichtigten bundesweiten Meldedatenabgleichen rechtfertigt sich sozusagen selbst.
Ein jährlicher Verlust von 200.00 Wohnungen ab 2015 lässt sich durch die Zahlen nicht belegen. Weshalb nun ein bundesweiter regelmäßiger Meldedatenabgleich erforderlich sein soll, lässt sich also am tatsächlichen Wohnungsdatenbestand nicht darstellen.
Legt man nun die Zahl zum „Verlust von Wohnungen“ in einer Größenordnung von jährlich 200.000 zu Grunde, so ergibt sich hieraus die Anzahl der erforderlichen Klärungen. Diese sich exakt auf die Anschrift beziehenden erforderlichen Klärungen durch Einzelabfragen lassen sich bewerkstelligen und vermeiden so einen offensichtlich nicht erforderlichen bundesweiten Meldedatenabgleich mit einer Streubreite von 72,9 Millionen Meldedaten. Die sicher unwohl anmutende Vorstellung der digitalen Überwachung von Anschriften und des Meldewesens durch Maschinen ist der zu zahlende Preis für die Finanzierung des öffentlichen rechtlichen Rundfunks durch einen Beitrag, der an das Bewohnen einer Hauptwohnung geknüpft ist. Einzelabfragen oder Haus- / Gebäudeauskünfte im Melderegister zu konkreten Anschriften sind die erforderliche und insbesondere schonendere Alternative zur Aktualisierung aller erfassten Wohnungsinhaber. Die Einzelabfragen können ferner durch die (jetzt gestrichenen) „Vermieter-“ bzw. „Verwalterauskunft“ ergänzt werden.
Nachforschungen vor Ort sind durch Melderegisterabfragen nicht erforderlich.
Die mit Verfassungsbeschwerde angegriffene Norm § 11 Abs. 5 RBStV ist somit - insbesondere wegen ihrer bundesweiten Streubreite - nicht erforderlich. Ohne jeden Zweifel ist sind weniger beeinträchtigende Mittel, in Gestalt der Einzelabfragen die ebenso weitreichende Aufklärung - insbesondere auch tagesaktuell - bieten, vorhanden.
B.3.1.3.1. Erforderlichkeit einzelner Daten / Nebenwohnung
Im Jahr 2018 kam es neben dem - nicht belegbarem - „Verlust von 200.000 Wohnungen“ am 18. Juli 2018 zu einem schlagartig Verlust aller Nebenwohnungen auf Grund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, Urteil des Ersten Senats - 1 BvR 1675/16, 1 BvR 981/17, 1 BvR 836/17, 1 BvR 745/17 - Leitsatz 4:
Ein Beitragsschuldner darf zur Abschöpfung desselben Vorteils nicht mehrfach herangezogen werden. Inhaber mehrerer Wohnungen dürfen für die Möglichkeit privater Rundfunknutzung nicht mit insgesamt mehr als einem vollen Rundfunkbeitrag belastet werden.
Das BVerfG führte hierzu aus (RdNr. 106 - 111)Zitat106Der Rundfunkbeitrag ist nur für eine Wohnung zu entrichten. An der Erforderlichkeit fehlt es somit bei der Übermittlung einzelner Daten zu Nebenwohnungen.
d) Hingegen verstößt die Bemessung des Beitrags bei Zweitwohnungen gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsatz der Belastungsgleichheit. Soweit Wohnungsinhaber nach der derzeitigen Regelung für eine Wohnung bereits zur Leistung eines Rundfunkbeitrags herangezogen worden sind, ist der Vorteil bereits abgegolten; Zweitwohnungsinhaber würden für den gleichen Vorteil mehrfach herangezogen (aa). Gründe der Verwaltungsvereinfachung tragen die Regelung nicht (bb). Auch Missbrauchs- und Umgehungsmöglichkeiten sind nicht erkennbar (cc). Allerdings dürfen die Gesetzgeber Vorkehrungen treffen, um den Verwaltungsaufwand für die Erfassung von Zweitwohnungen im Rahmen zu halten. Dabei darf dieselbe Person jedoch für die Möglichkeit der privaten Rundfunknutzung nicht zu insgesamt mehr als einem vollen Beitrag herangezogen werden (dd).
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aa) Nach der derzeit geltenden Rechtslage wird der Zweitwohnungsinhaber für denselben Vorteil doppelt herangezogen. Der Vorteil ist personenbezogen in dem Sinne, dass es auf denjenigen Vorteil aus dem Rundfunkempfang ankommt, den die Beitragspflichtigen selbst und unmittelbar ziehen können (siehe oben Rn. 100). Das Rundfunkangebot kann aber von einer Person auch in mehreren Wohnungen zur gleichen Zeit nur einmal genutzt werden. Das Innehaben weiterer Wohnungen erhöht den Vorteil der Möglichkeit zur privaten Rundfunknutzung nicht, und zwar unabhängig davon, wie viele Personen in den jeweiligen Wohnungen zusammenwohnen. Die Inhaberschaft einer Wohnung ist lediglich der gesetzliche Anknüpfungspunkt zur typisierenden Erfassung der dem Individuum grundsätzlich flächendeckend bereitgestellten Möglichkeit des privaten Rundfunkempfangs. Da der durch den Beitrag abgeschöpfte Vorteil nicht in einer Wertsteigerung der Wohnung liegt (siehe oben Rn. 100), erhöht sich der Vorteil der Möglichkeit des Rundfunkempfangs durch die Nutzung einer weiteren Wohnung nicht. Nach der derzeitigen Regelung ist mit der Heranziehung einer Person in der Erstwohnung der Vorteil abgeschöpft, und kommt insoweit eine erneute Heranziehung einer Zweitwohnung nicht in Betracht.
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bb) Gründe der Verwaltungsvereinfachung tragen die Regelung gleichfalls nicht. Unter diesem Gesichtspunkt wäre eine Beitragspflicht für Zweitwohnungen nur in Betracht gekommen, wenn es erhebliche, die Beitragserhebung beeinträchtigende Schwierigkeiten bereitete, die Eigenschaft einer Wohnung als Zweitwohnung zu ermitteln.
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Den Rundfunkanstalten wurden gemäß § 14 Abs. 9 Satz 1 Nr. 7, Abs. 9a RBStV im Rahmen zweier bundesweiter Meldeabgleiche in den Jahren 2013 und 2018 die Daten zur gegenwärtigen und letzten Anschrift von Haupt- und Nebenwohnungen übermittelt, einschließlich aller vorhandenen Angaben zur Lage der Wohnung. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 12, § 21 Abs. 4 Satz 1 und 2 Bundesmeldegesetz (BMG) werden Haupt und Nebenwohnungen melderechtlich erfasst. Im Rahmen des Verfahrens der regelmäßigen Datenübermittlung durch die Meldebehörden werden zudem den Rundfunkanstalten die Daten der An- und Abmeldung von Wohnungen gemeldet (vgl. § 11 Abs. 4 Satz 8 RBStV in Verbindung mit landesrechtlichen Regelungen, etwa Baden-Württemberg: § 17 der Verordnung des Innenministeriums zur Durchführung des baden-württembergischen Ausführungsgesetzes zum Bundesmeldegesetz vom 28. September 2015 <GBl S. 853>; Bayern: § 35 der Verordnung zur Übermittlung von Meldedaten vom 15. September 2015 <GVBl S. 357>, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Mai 2018 <GVBl S. 260>; Nordrhein-Westfalen: § 7 der Verordnung über die Zulassung der Datenübermittlung von Meldebehörden an andere Behörden oder sonstige öffentliche Stellen des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20. Oktober 2015 <GV.NW S. 707>). Anhand dieser Daten können die Rundfunkanstalten die Inhaberschaft von mehreren Wohnungen einer Person feststellen. Die Anzeigepflicht nach § 8 Abs. 4 RBStV könnte zudem um die Angabe der Eigenschaft als Erst- oder Zweitwohnung ergänzt werden. Probleme bei der Zuordnung bestimmter Personen zu Wohnungen hingegen weisen keinen spezifischen Zusammenhang mit der Beitragspflicht für Zweitwohnungen auf, sondern sind durch die gesetzgeberische Entscheidung bedingt, die Beitragspflicht wohnungs- und nicht personenbezogen zu erheben. Im Übrigen ergibt sich auch bei Erstwohnungsinhabern die Notwendigkeit, Änderungen, die zwischen den Zeitpunkten der Meldeabgleiche auftreten, zu erfassen. Der Mehraufwand für Zweitwohnungen ist daher nicht wesentlich höher als für die bisherige Wohnungserfassung, da jeweils festgestellt werden muss, wer unter der gemeldeten Adresse welche Wohnung innehat und für sie beitragspflichtig ist.
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cc) Die Beitragsbelastung für eine Zweitwohnung ist bei der derzeitigen Regelung auch nicht aus Gründen einer Missbrauchs- und Umgehungsgefahr gerechtfertigt. Denn in dem Moment, in dem Beitragspflichtige eine Wohnung als Erstwohnung innehaben, bleiben sie unabhängig von der zusätzlichen Präsenz von Zweitwohnungsinhabern gemäß § 2 RBStV zur Zahlung des Rundfunkbeitrags verpflichtet. Durch einen Meldeverstoß können auch Inhaber von Erstwohnungen der Beitragszahlung rechtswidrig entgehen; in diesem Fall können jedoch bewusst falsche Angaben als Ordnungswidrigkeit (§ 54 Abs. 2 Nr. 1 BMG) oder gar als Straftat (§ 263 Abs. 1 StGB) verfolgt werden. Zudem ist der Rundfunkbeitrag nicht so hoch, dass er Anreiz für das missbräuchliche Halten einer Zweitwohnung bieten könnte.
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dd) Bei einer Neuregelung können die Gesetzgeber die Befreiung von dem Rundfunkbeitrag für Zweitwohnungen von einem Antrag sowie einem Nachweis der Anmeldung von Erst- und Zweitwohnung als solche abhängig machen, um Verwaltungsschwierigkeiten zu vermeiden. Dabei können sie auch für solche Zweitwohnungsinhaber von einer Befreiung absehen, die die Entrichtung eines vollen Rundfunkbeitrags für die Erstwohnung durch sie selbst nicht nachweisen. Auf keinen Fall dürfen die Gesetzgeber aber von derselben Person Beiträge für die Möglichkeit der Rundfunknutzung über die Erhebung eines insgesamt vollen Beitrags hinaus verlangen.
Im Meldewesen wird zum Status der Wohnung zwischen der alleinigen Wohnung, Hauptwohnung und Nebenwohnung unterschieden. Dies ergibt sich aus dem Datensatz für das Meldewesen (DSMeld); Einheitlicher Bundes-/Länderteil (DSMeld), Herausgegeben von der Koordinierungsstelle für IT-Standards (KoSIT), Blatt 1213.
Blatt 1213 führt hierzu aus:ZitatEs ist anzugeben, um welche Wohnung es sich bei der angegebenen Wohnung handelt. Es ist zu unterscheiden, ob es sich um die alleinige bzw. die Haupt- oder eine Nebenwohnung handelt; dabei ist folgender Schlüssel zu verwenden:Den Begriff Zweitwohnung kennt das Meldewesen nicht. Die Unterzeichner des Staatsvertrages hatten ausreichend Zeit sich mit dem Urteil des Ersten Senats - 1 BvR 1675/16, 1 BvR 981/17, 1 BvR 836/17, 1 BvR 745/17 - auseinanderzusetzen und eine verfassungsrechtliche Lösung zu finden, die dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gerecht wird.
0 = alleinige Wohnung
1 = Hauptwohnung
2 = Nebenwohnung
Bei Angaben zu Ehegatten und Lebenspartnern außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Meldebehörde sowie generell zu Kindern sind nur die Schlüssel 0 und 1 zu verwenden.
§ 11 Abs. 5 Nr. 7 RBStV hätte daher lauten müssen:Zitatgegenwärtige und letzte Anschrift von alleiniger Wohnung oder Hauptwohnung, einschließlich aller vorhandenen Angaben zur Lage der Wohnung, und
B.3.1.4. Angemessenheit / Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn
Dem Gebot der Angemessenheit ist Rechnung getragen, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht (vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 -, juris Rn. 88 m. w. N.).
Der VerfGH Berlin führte in seinem Beschluss, vom 19. Juni 2020, Az. VerfGH 185/17 aus:Zitat(4) Die Regelung des § 14 Abs. 9a RBStV erweist sich auch als angemessen.Im Rahmen des Meldedatenabgleichs § 14 Abs. 9 a RBStV betrug die Streubreite 72,9 Millionen Meldedatensätze. Zum 31.12.2017 hatte der ZBS 39.138.750 Wohnungen (aktive private Teilnehmerkonten) im Bestand. Damit waren 39.138.750 Personen doppelt betroffen, obwohl sie für die Maßnahme keinen Anlass gaben. 33,7 Millionen Personen waren Ziel der Maßnahme, da sich unter ihnen vermutlich einige Personen befanden (Zielpersonen) die ihrer Anzeigepflicht nicht nachgekommen waren.
Dem Gebot der Angemessenheit ist Rechnung getragen, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht (vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 -, juris Rn. 88 m. w. N.).
Mit Blick auf die geringe Eingriffsintensität für die Betroffenen darf der Gesetzgeber den Gemeinwohlbelang einer möglichst gleichmäßigen Beitragserhebung - hier in Form der Ergänzung der Beitragsehrlichkeit durch Kontrollmöglichkeiten - höher gewichten als die Schwere des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (so auch: BayVerfGH, Entscheidung vom 20. November 2018 - Vf. 1-Vll-18 -, juris Rn. 16). Zum einen hat der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, der mit der Datenübermittlung und anschließenden Verarbeitung der Daten einhergeht, nur geringes Gewicht. Die Daten betreffen zu einem großen Teil Informationen, die gemeldete Personen der zuständigen Landesrundfunkanstalt ohnehin aufgrund der Anzeigepflicht nach § 8 RBStV mitteilen müssen. Zum anderen handelt es sich bei den Betroffenen im Regelfall um Beitragsschuldner, die bereits - insbesondere durch den ersten Meldedatenabgleich - als Rundfunkteilnehmer erfasst sind oder ihrer Anzeigepflicht genügt haben, sodass der Empfänger der Daten durch den Meldedatenabgleich nichts wesentlich Neues erfährt. Soweit Beitragsschuldner ihrer Anzeigepflicht noch nicht nachgekommen sind, verdient ihr Interesse, ihre Daten nicht offenbaren und den Rundfunkbeitrag nicht zahlen zu müssen, keinen besonderen Schutz. Sie sollen gerade im Interesse einer gleichmäßigen Beitragserhebung ermittelt werden (Beschluss vom 16. Mai 2018 - VerfGH 185 A/17 - Rn. 17).
Sind Personen vom Meldedatenabgleich betroffen, die nicht der Beitragspflicht unterliegen oder später nicht als Beitragsschuldner herangezogen werden, so hat der Eingriff ihnen gegenüber ebenfalls kein erhebliches Gewicht. Die zu übermittelnden Daten beschränken sich auf Informationen zur Identifizierung einer Person und ihrer Zuordnung zu einer bestimmten Wohnung und lassen keinen tieferen Einblick in die Privatsphäre zu. Die Daten sind zudem durch eine strikte Zweckbindung und strenge Löschungspflichten (§ 14 Abs. 9a Satz 3 RBStV in Verbindung mit Abs. 9 Satz 2 und § 11 Abs. 6 Sätze 2 und 3 RBSTV) abgesichert. Dadurch ist sichergestellt, dass die Landesrundfunkanstalten von den durch den Meldedatenabgleich gewonnenen Daten nur diejenigen speichern, die nicht ohnehin schon vorhanden und übergeleitet und die darüber hinaus aktuell für den Zweck des Beitragseinzugs erforderlich sind. Eine Speicherung weiterer Daten für eine künftige Beitragserhebung, etwa für den Fall, dass der gefundene und zunächst in Anspruch genommene Beitragsschuldner später ausfallen sollte, ist nicht zulässig (vgl. Beschluss vom 16. Mai 2018 - VerfGH 185 A/17 - Rn. 17; BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Mai 2014 - Vf. 8-Vil-12, Vf. 24-Vll-12 -, juris Rn. 165, 167; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. September 2017 - 2 A 2286/15 -, juris Rn. 192).
Der Jahresbericht 2019 des ZBS führte auf Seite 21 aus:ZitatAuf Basis des bundesweiten Meldedatenabgleichs konnte der Beitragsservice von dessen Start im Mai 2018 bis Ende 2019 knapp 1,1 Mio. Wohnungen neu zum Rundfunkbeitrag anmelden. Zieht man die Wohnungen ab, die aufgrund von Rückmeldungen der Angemeldeten wieder abgemeldet wurden bzw. nach abschließender Klärung noch abgemeldet werden, verbleiben voraussichtlich rund 0,5 Mio. Wohnungen im Bestand des Beitragsservice. Ohne den bundesweiten Meldedatenabgleich würde für diese zu Unrecht kein Rundfunkbeitrag entrichtet werden.Konkret bedeutet dies, dass die Summe der vermutlichen Zielpersonen 1,1 Millionen betrug.
71,8 Millionen Personen gerieten also in den Wirkungskreis der Maßnahme, die keinen Anlass gegeben haben. Von den 1,1 Millionen vermutlichen Zielpersonen wurden alle vollautomatisch maschinell angemeldet, also im Datenverarbeitungssystem ZBS erfasst. 55 % dieser Gruppe der Zielpersonen müssen, auf Grund der Erfahrungen der Landesrundfunkanstalten wieder abgemeldet werden, da für diese Wohnung der Rundfunkbeitrag bezahlt wird. Das ist in Anbetracht der Folgen, die eine solche vollautomatische Anmeldung auslöst, verfassungsrechtlich völlig inakzeptabel. Selbst wenn der Einwand erfolgt, die Personen hätten auf die „Klärungsschreiben“ reagieren können, so ist auf folgendes hinzuweisen: ein Auskunftsschreiben zur Wohnungsinhaberschaft stellt einen angreifbaren Verwaltungsakt dar; die vollautomatische Anmeldung Direktanmeldung entfaltet ohne Zweifel eine rechtliche Wirkung gegenüber der Person (Zahlung der Rundfunkbeiträge) und beeinträchtigt sie unter Umständen in anderer Weise erheblich. Die Zahlungsüberwachung der Teilnehmerkonten erfolgt vollautomatisch. Werden jetzt keine Zahlungen geleistet, rutscht das Konto in den Mahnpfad des ZBS-Programmablaufs. Es wird vollautomatisch die Zahlungsaufforderung, Mahnung, vollautomatische Bescheidung (jetzt § 10 a RBStV) und ggf. ein vollautomatisches Vollstreckungsersuchen ausgelöst. Diese durchgängig vollautomatische Datenverarbeitung stellt sich als Verstoß gegen Art. 22 Abs. 1 DSGVO dar, da eine automatische Anmeldung, Zahlungsaufforderung, Mahnung und Einleitung eines Verwaltungsvollstreckungsverfahrens durch Vollstreckungsersuchen im RBStV nicht gesetzlich (Rechtsvorschrift Art. 22 Abs. 2 lit. b)) geregelt ist und der ZBS diese Schreiben auch nicht als Bescheide i.S.d. jetzigen § 10 a RBStV versendet. An dieser Stelle kann festgehalten werden, dass der ZBS in den Jahren 2018 - 2019 in nicht unerheblichem Umfang gegen Art. 22 Abs. 1 DSGVO verstieß und mit dem Programmablauf der vollautomatischen Anmeldung auch derzeit anhaltend Art. 22 Abs. 1 DSGVO missachtet.
Die Intensität des Eingriffs für den Grundrechtsträger wird davon beeinflusst, welche über die Informationserhebung hinausgehenden Nachteile, ihm aufgrund der Maßnahme drohen oder von ihm nicht ohne Grund befürchtet werden (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 - Rn. [80] m.w.N.). Es drohen somit für den 55 % Personenkreis über die Informationserhebung hinausgehende Nachteile, nämlich die nichtgerechtfertigte automatisierte Erfassung durch „Direktanmeldung“. Die Schwere des Eingriffs nimmt mit der Möglichkeit der Nutzung der Daten für Folgeeingriffe in Grundrechte der Betroffenen sowie mit der Möglichkeit der Verknüpfung mit anderen Daten, die wiederum andere Folgemaßnahmen auslösen können, zu. Nicht ohne Grund muss daher befürchtet werden, dass mit der nichtgerechtfertigten Nutzung der Daten des 55 % Personenkreises und der Verknüpfung mit anderen Daten, nämlich dem ebenfalls selbstgenerierten automatischen Sollstand zu einer Wohnung, für die Beiträge bereits gezahlt werden, Folgeeingriffe verbunden sind. Im Rahmen einer Normenkontrolle zur Satzung über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge, führte das OVG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 29.11.2017, Az. OVG 11 A 25.13 unter RdNr. 91 aus:ZitatRechtlich nicht zu beanstanden ist auch der in der Beitragssatzung 2016 erfolgte Wegfall der Regelung in § 16 Abs. 2 Satz 2 Beitragssatzung 2012, wonach Inkassounternehmen erst nach vorheriger erfolgloser hoheitlicher Vollstreckung beauftragt werden durften. Die Durchführung der Beitreibung rückständiger Rundfunkbeiträge im Verwaltungsvollstreckungsverfahren gem. § 10 Abs. 6 RBStV bleibt hiervon schon gem. § 16 Abs. 6 Beitragssatzung 2016 unberührt. Ausweislich der (vom Antragsgegner als Anlage zum Schriftsatz vom 10. Mai 2017 eingereichten) Beschlussvorlage für die 93. Sitzung des Rundfunkrats am 6. Oktober 2016 soll mit der Änderung keineswegs ein breiter, pauschaler Einsatz von Inkassounternehmen ermöglicht, sondern - mit Blick auf die Beitragsschuldner belastende Vollstreckungsmaßnahmen und die Entlastung der Vollstreckungsorgane angesichts massiv angestiegener Vollstreckungsmaßnahmen (Verdoppelung innerhalb von zwei Jahren) - der „Mahnpfad“ lediglich flexibler gestaltet werden. Dies betreffe - so die weitere Darstellung des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung - insbesondere die Gruppe der „Direktangemeldeten“, d.h. derjenigen Personen, die aufgrund von Meldedaten als mögliche Beitragsschuldner anzusehen seien, aber auf Anschreiben des öffentlich-rechtlichen Beitragsservices nicht reagierten. Vor Einleitung von - kostenintensiven und für die Betroffenen belastenden - hoheitlichen Vollstreckungsmaßnahmen wolle man hiermit zunächst lediglich den Versuch unternehmen festzustellen, ob diese Personen auf entsprechende Schreiben von beauftragten Inkassounternehmen reagierten, um auf diesem Wege zu klären, ob sie oder ggf. andere Personen tatsächlich als Beitragsschuldner anzusehen seien. Erfahrungen in anderen Bundesländern hätten bereits gezeigt, dass dieser Weg durchaus erfolgversprechend sei. Mit dieser Zielrichtung und so in der Praxis gehandhabt, bestehen gegen den Wegfall der Vorrangregelung der Verwaltungsvollstreckung vor der Einschaltung von Inkassounternehmen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.Damit ist belegt, dass befürchtet werden muss das Teile der 55 % der „Direktangemeldeten“, d.h. derjenigen Personen, die aufgrund von Meldedaten als mögliche Beitragsschuldner anzusehen seien, aber auf die vollautomatischen Anschreiben des ZBS nicht reagierten, mit belastenden Vollstreckungsverfahren bedroht sind, obwohl die Wohnung unter den Begriff der Beitragsehrlichkeit fällt.
Mit Blick auf die hohe Eingriffsintensität für den 55 % Kreis der Betroffenen und der Tatsache, dass der ZBS den Rechtssatz des Verbotes automatisierter Einzelfallentscheidungen durch automatische Anmeldung missachtet, überwiegen, die Gemeinwohlbelange: die verfassungsrechtliche gebotene Beachtung des RiS und der DSGVO. Das RiS ist höher zu Gewichten, als das Ziel der „Beitragsgerechtigkeit“ die § 11 Abs. 5 RBStV angeblich gewährleisten will, da Personen (2018 - 2019: 600 000 Personen) in den Wirkungskreis der Maßnahme gerieten, deren Wohnung sich durch Beitragsehrlichkeit auszeichnet. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu Rechnen, dass erneut bei der „Gruppe der Direktangemeldeten“ 55 % der Personen, in den Wirkungskreis der Maßnahme geraten, obwohl sich ihre Wohnung durch Beitragsehrlichkeit auszeichnet. Die Schwere des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dieses Personenkreises und die Erheblichkeit des Eingriffs sowie die beträchtliche Anzahl der Verstöße gegen den Rechtssatz des Verbotes automatisierter Einzelfallentscheidungen (Art. 22 Abs. 1 DSGVO) durch die Direktanmeldung, der sich auch aus Art. 33 VvB ableiten lässt, führen dazu, dass die Maßnahme offensichtlich und ohne jeden Zweifel im Hinblick auf den verfolgten Zweck und vor dem Hintergrund der bereits vorhandenen und wiedereinführbaren („Vermieter-“ bzw. „Verwalterauskunft“) milderen Alternativen unangemessen ist.
B.3.2. Normenklarheit und Normenbestimmtheit
Das Gebot der Normenklarheit steht - namentlich bei Eingriffen mit großer Streubreite - datenschutzrechtlichen Eingriffsgeneralklauseln entgegen und erfordert, dass der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und so eindeutig festgelegt werden, dass das Gesetz wirksame Handlungsmaßstäbe und -grenzen für die Verwaltung schafft und eine effektive gerichtliche Rechtskontrolle gewährleistet.
Das Bestimmtheitsgebot soll sicherstellen, dass der demokratisch legitimierte Parlamentsgesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen über Grundrechtseingriffe und deren Reichweite selbst trifft, dass Regierung und Verwaltung im Gesetz steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und dass die Gerichte eine wirksame Rechtskontrolle durchführen können. Ferner erlauben die Bestimmtheit und Klarheit der Norm, dass der betroffene Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen kann. Der Gesetzgeber hat Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs hinreichend bereichsspezifisch, präzise und normenklar festzulegen. Das Bestimmtheitsgebot steht in enger Beziehung zum Parlamentsvorbehalt. Dieser soll sicherstellen, dass Entscheidungen von solcher Tragweite aus einem Verfahren hervorgehen, das der Öffentlichkeit Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden und zu vertreten, und die Volksvertretung dazu anhält, Notwendigkeit und Ausmaß von Grundrechtseingriffen in öffentlicher Debatte zu klären.
Dass die Prüfung der Erforderlichkeit „durch Bericht KEF“ im „Fachrecht RBStV“ verankert wurde und der Landesgesetzgeber damit auch nicht mehr selbst in Zukunft eine gesetzliche Entscheidung über die Durchführung eines bundesweiten Meldedatenabgleichs trifft, sondern einen Automatismus entwickelt hat, die dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht ansatzweise genügen, macht eine verfassungskonforme Auslegung des § 11 Abs. 5 RBStV unmöglich.
Der Satz 6 des § 11 Abs. 5 RBStV:ZitatDiese Beurteilung nimmt die KEF unter Berücksichtigung der Entwicklung des Beitragsaufkommens und sonstiger Faktoren vor.
lässt § 11 Abs. 5 RBStV am Gebot der Normenklarheit und Bestimmtheit scheitern. Welche sonstigen Faktoren die KEF bei einer Maßnahme mit einer Streubreite von 72,9 Millionen Meldedatensätzen berücksichtigen wird, bleibt völlig im Unklaren.
Dass zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit zwischen Beitragsgerechtigkeit und Datenschutz die Prüfung der Verhältnismäßigkeit nicht dem demokratisch legitimierte Parlamentsgesetzgeber, der die wesentlichen Entscheidungen über Grundrechtseingriffe und deren Reichweite selbst zu treffen hat, sondern der KEF überlassen wird, unterläuft das Ziel des Bestimmtheitsgebotes.
Auch der Begriff an die jeweils zuständige Landesrundfunkanstalt ist als normenunklar zu bezeichnen und durch „zentralen Beitragsservice“ zu ersetzen. Es erstaunt doch sehr, dass die herangezogenen Materialien vom zentralen Beitragsservice (ZBS) sprechen, doch der RBStV einen Beitragsservice mit keinem Wort erwähnt. Ebenso wenig wie in den einheitlichen Satzungen über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge der Landesrundfunkanstalten. Erst die öffentlich nicht zugängliche Verwaltungsvereinbarung der Landesrundfunkanstalten weist einem Beitragsservice Aufgaben zu. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich hier um eine Maßnahme handelt, die von beträchtlicher Streubreite ist, war diese Normenunklarheit, die die Vorgängerregelungen schon auswiesen, zu beseitigen. Dass der Begriff Beitragsservice gesetzlich Verwendung findet beweist § 26 Abs. 4 Medienstaatsvertrag (MStV).
B.3.3. Begrenzung des Verwendungszweckes / Löschungspflicht
Die mit Verfassungsbeschwerde angegriffene Norm § 11 Abs. 5 RBStV begrenzt in den Sätzen 2 und 3 den Verwendungszweck der durch Meldedatenabgleich erhoben Meldedaten:ZitatHat die zuständige Landesrundfunkanstalt nach dem Abgleich für eine Wohnung einen Beitragsschuldner festgestellt, hat sie die Daten der übrigen dort wohnenden Personen unverzüglich zu löschen, sobald das Beitragskonto ausgeglichen ist. Im Übrigen darf sie die Daten zur Feststellung eines Beitragsschuldners für eine Wohnung nutzen, für die bislang kein Beitragsschuldner festgestellt wurde; Satz 2 gilt entsprechend.
Die Materialen die zur Gesetzesauslegung herangezogen wurden belegen, dass es sich bei der Gruppe der Direktangemeldeten um Fälle handelt, in denen es völlig unklar ist, ob die Betroffenen tatsächlich Beitragsschuldner sind. Die Mehrheit (55 %) der vollautomatisch eingerichteten Teilnehmerkonten muss wieder abgemeldet werden. Damit besteht die tatsächliche Gefahr, dass der ZBS eine zentrale Schattenmeldedatenbank aufbaut und diese mit jedem bundesweiten Meldedatenabgleich weiter ausbaut. Mit der zu Unrecht erfolgten Direktanmeldung des 55 % Personenkreises wird auch die Löschungspflicht dieser Daten umgegangen. Daneben wird diese Schattenmeldedatenbank der nach der Abmeldung ruhend gestellten - jedoch löschpflichtigen - Teilnehmerkonten auch bei jedem bundesweiten Meldedatenabgleich durch Satz 6 der angegriffen Norm § 11 Abs. 5 RBStV:ZitatDie zuständige Landesrundfunkanstalt darf die Daten auch zur Aktualisierung oder Ergänzung von bereits vorhandenen Teilnehmerdaten nutzen.
aktualisiert.
Mit Blick auf die Einschränkung der Auskunftsrechte nach § 11 Abs. 8 Satz 2 RBStV:ZitatDaten, die nur deshalb gespeichert sind, weil sie auf Grund gesetzlicher oder satzungsmäßiger Aufbewahrungsvorschriften nicht gelöscht werden dürfen oder ausschließlich Zwecken der Datensicherung oder der Datenschutzkontrolle dienen, sind vom datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht umfasst.
die mit dem Dreiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag eingefügt wurde, ist zu befürchten, dass das Ausmaß der tatsächlichen Schattenmeldedatenbank des ZBS, verschleiert werden soll. Die Errichtung einer zentralen Schattenmeldedatenbank, in der eine unbestimmte Anzahl „ruhender“ Teilnehmerkonten gespeichert ist und die stetig durch bundesweite Meldedatenübertragungen ausgeweitet und aktualisiert wird, vertieft den verfassungswidrigen Eingriff in das RiS und zwar in erheblicher und nicht abzuschätzender Streubreite.
Daneben besteht beim ZBS ein generelles Problem mit dem „Löschkonzept“. Der 14. Tätigkeitsbericht der Beauftragten für den Datenschutz des Rundfunk Berlin-Brandenburg, Berichtszeitraum: 01. April 2016 bis 31. März 2018 führt auf Seite 71 - 72 aus (abrufbar unter: https://www.rbb-online.de/unternehmen/der_rbb/struktur/datenschutz/datenschutz_im_rbb.html):Zitat5. Überarbeitung HistorielöschkonzeptDas nun erst Ostern 2018 „alle nicht mehr benötigten Daten aus der alten Rundfunkgebührenwelt (bis 2012)“ gelöscht werden sollten ist bemerkenswert. Der 15. Tätigkeitsbericht der Beauftragten für den Datenschutz des Rundfunk Berlin-Brandenburg, Berichtszeitraum: 01. April 2018 bis 31. März 2019 greift das Thema erneut auf und führt auf Seite 74 aus:
Vor dem Hintergrund der verschärften Gesetzesforderung nach Datenminimierung durch die DSGVO hat der ZBS endlich die von den Rundfunk-Datenschützern bereits seit einigen Jahren geforderte Überarbeitung des Historielöschkonzepts begonnen. Das seinerzeit mit dem AK DSB abgestimmte Historielöschkonzept ist seit März 2007 in Kraft. In Vorbereitung der Überarbeitung dieses Konzepts hat der ZBS zunächst externe Expertise zur Klärung der Aufbewahrungsfristen in Anspruch genommen. Aus datenschutzrechtlicher Sicht sind Daten grundsätzlich nur solange zu speichern, wie sie zur Erfüllung des Beitragseinzugs erforderlich sind. Andererseits bestehen nach den Regelungen des Handelsgesetzbuchs (HGB) Aufbewahrungspflichten, die einer Löschung entgegenstehen können. Angesichts der Komplexität wurde ein zweistufiges Vorgehen beschlossen. Bis Ostern 2018 werden zunächst alle nicht mehr benötigten Daten aus der alten Rundfunkgebührenwelt (bis 2012) gelöscht. Der ZBS hat angekündigt, dem AK DSB im Frühjahr 2018 einen Vorschlag für die zweite Löschstufe zu unterbreiten.ZitatIV. Neues Löschkonzept beim Zentralen BeitragsserviceDass nun von historisierten Datensätzen die Rede ist, die nicht mehr auffindbar sind lässt den Schluss zu, dass der ZBS nicht nur Wohnungen verliert sondern in seinem Dateisystem personenbezogene Daten verloren gehen. Diese sind zwar „nicht mehr auffindbar“ aber dennoch im System gespeichert. Besonders erwähnenswert ist, dass der Zeitraum des Berichtes März 2019 umfasst und der ZBS die Arbeit an einem „DSGVO-konformes Löschkonzept“ 2019 zurückstellt, da das Urteil des BVerfG eine „neue Priorisierung“ erforderlich machte. Auch der 16. Tätigkeitsbericht der Beauftragten für den Datenschutz des Rundfunk Berlin-Brandenburg, Berichtszeitraum: 01. April 2018 bis 31. März 2019 greift das Thema wieder auf und führt sodann auf Seite 79 - 80 aus:
Schon im 14. Tätigkeitsbericht (S. 71 ff.) habe ich berichtet, dass der ZBS in Abstimmung mit den Rundfunkdatenschutzbeauftragten ein neues, DSGVO-konformes Löschkonzept erarbeitet. Bis Ostern 2018 wurden in einer ersten Stufe alle nicht mehr benötigten Daten aus der alten Rundfunkgebührenwelt (bis 2012) gelöscht. Wie angekündigt, hat der ZBS den Mitgliedern der Unterarbeitsgruppe Beitragsdatenverarbeitung des AK DSB am 20.06.2018 erste Überlegungen für die zweite Löschstufe unterbreitet. Während es bislang nur ein Löschkonzept für die Historie zum Beitragskonto gibt, soll das neue Löschkonzept auch für die historisierten Datensätze gelten. Die historisierten Daten sind zwar im Archiv vorhanden, jedoch ohne Kenntnis einer Beitragsnummer nicht mehr auffindbar. Wegen der auf unterschiedlichste Weise ausgestalteten technischen Abhängigkeiten der Daten untereinander, stellt sich die Erstellung des Löschkonzepts als äußerst komplexes Thema dar. Durch die notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung des Urteils des BVerfG zur Befreiungsfähigkeit von Nebenwohnungen musste der ZBS eine neue Priorisierung der Ressourcen vornehmen und die weitere Arbeit am Löschkonzept zunächst zurückstellen. Der ZBS hat angekündigt, dass das Konzept zum Anfang der zweiten Jahreshälfte 2019 vorliegen wird.ZitatII. Neues Löschkonzept beim ZBSVom Löschen ist nun nicht mehr die Rede, es wird lediglich angekündigt, dass das „Projekt Löschkonzept“ voraussichtlich bis Mitte 2021 andauern wird.
Bereits in Ihren beiden früheren Berichten (zuletzt im 15. Tätigkeitsbericht, S. 74) hatte die Datenschutzbeauftragte über die Aktivitäten beim ZBS zur Erarbeitung eines neuen Löschkonzepts berichtet. Diese Aktivitäten, die im Rahmen des Projekts EUDAGO PRO stattfinden, bestanden im Berichtsjahr im Wesentlichen in der Erstellung des Grobkonzepts zur Datenhaltung und Datenlöschung im Beitragsdatenverarbeitungs-System RUBIN. Das Konzept wurde in Anlehnung an die DIN Norm 6639822016-05 „Leitlinie zur Entwicklung eines Löschkonzepts mit Ableitung von Löschfristen für personenbezogene Daten" erstellt. Es umfasst neben den regulatorischen Vorgaben zum Löschen auch ein Inventar sämtlicher relevanter Datenarten in RUBIN. identifiziert wurden also all diejenigen Datensätze, die personenbezogene Daten enthalten. Jede dieser Datenarten wurde einer Löschklasse zugeordnet. Aufgrund der Komplexität, der diversen Abhängigkeiten und der aus den verschiedensten Gebieten stammenden Anforderungen in Bezug auf die Aufbewahrung von Daten wurde dieses Grobkonzept - neben den Wirtschaftsprüfern und dem Autoren der DIN-Norm - auch mit der Unterarbeitsgruppe des AK DSB und anschließend auch dem gesamten AK DSB abgestimmt. In diesem Zusammenhang ist auf Folgendes hinzuweisen:
Das Datenschutzrecht gibt vor, dass Daten zu löschen sind, wenn der Zweck entfallen ist, es sei denn, einer Löschung stehen gesetzliche Pflichten, beispielsweise zur weiteren Aufbewahrung entgegen. Beiden Fragen, welche Daten einer gesetzlichen Aufbewahrungspflicht unterliegen und wie lange diese aufzubewahren sind, handelt es sich in erster Linie nicht um datenschutzrechtliche Fragestellungen. Diese sind vielmehr von den zuständigen Fachverantwortlichen zu klären. Deren Vorgaben werden von den Datenschutzbeauftragten nicht grundsätzlich hinterfragt, sondern lediglich auf Plausibilität geprüft. Das Projekt wird voraussichtlich noch bis Mitte 2021 andauern.
Bereits 1983 führte das BVerfG in seiner Entscheidung zur Volkszählung (BVerfGE 65, 1) aus, dass das RiS unter den heutigen und künftigen Bedingungen der automatischen Datenverarbeitung in besonderem Maße des Schutzes bedarf. Es ist vor allem deshalb gefährdet, weil bei Entscheidungsprozessen nicht mehr wie früher auf manuell zusammengetragene Karteien und Akten zurückgegriffen werden muss, vielmehr heute mit Hilfe der automatischen Datenverarbeitung Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person technisch gesehen unbegrenzt speicherbar und jederzeit ohne Rücksicht auf Entfernungen in Sekundenschnelle abrufbar sind. Sie können darüber hinaus - vor allem beim Aufbau integrierter Informationssysteme - mit anderen Datensammlungen zu einem teilweise oder weitgehend vollständigen Persönlichkeitsbild zusammengefügt werden, ohne dass der Betroffene dessen Richtigkeit und Verwendung zureichend kontrollieren kann. Damit haben sich in einer bisher unbekannten Weise die Möglichkeiten einer Einsichtnahme und Einflussnahme erweitert, welche auf das Verhalten des Einzelnen schon durch den psychischen Druck öffentlicher Anteilnahme einzuwirken vermögen. Individuelle Selbstbestimmung setzt aber - auch unter den Bedingungen moderner Informationsverarbeitungstechnologien - voraus, dass dem Einzelnen Entscheidungsfreiheit über vorzunehmende oder zu unterlassende Handlungen einschließlich der Möglichkeit gegeben ist, sich auch entsprechend dieser Entscheidung tatsächlich zu verhalten. Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffende Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden. Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Offensichtlich hatte das BVerfG die GEZ und den zukünftigen ZBS vor Augen.
Es stellt sich hier auch die verfassungsrechtliche Frage, ob der Landesgesetzgeber sich überhaupt hinreichend damit befasst hat, was er regeln wollte und wen er beauftragt hat (ZBS). Er hat sich offensichtlich völlig unzureichend mit dem ZBS befasst. Das ist verfassungsrechtlich zu beanstanden.
Mit § 11 Abs. 5 RBStV als Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hat der Gesetzgeber nicht nur den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, die Grundsätze der Normenklarheit und Bestimmtheit verletzt. Er hat auch offensichtlich nicht gewusst, wem er tatsächlich bundesweit nahezu alle Meldedaten regelmäßig übertragen hat und regelmäßig alle 4 Jahre in Zukunft übertragen will. Dem Wortlaut des Gesetzes nach wurden die „zuständigen Landesrundfunkanstalten“ „gesetzlich“ beauftragt. Tatsächlich aber verarbeitet ein zentrales Rechenzentrum über 39 Millionen „aktive“ Datensätze. Weder dem Evaluationsbericht, der Gesetzbegründung oder anderer hinzugezogener Materialien lässt sich entnehmen, wie viele personenbezogene Datensätze in diesem Schattenmelderegister tatsächlich gespeichert sind. Hier ist nur belegbar, dass eine „Löschung“ Probleme bereitet, weil wohl Datensätze nicht mehr auffindbar sind oder „Vorschriften nach dem HGB“ einer Löschung entgegenstehen.
Von einer Begrenzung des Verwendungszweckes und Einhaltung von Löschungspflichten kann hier nicht die Rede sein.