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"Beitragsservice" (vormals GEZ) => Widerspruchs-/Klagebegründungen => Thema gestartet von: pinguin am 16. Februar 2017, 21:31

Titel: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 16. Februar 2017, 21:31
'N Abend,

CASE OF AXEL SPRINGER AG v. GERMANY (No. 2) - [German Translation] by the German Federal Ministry of Justice and Consumer
48311/10   |   Judgment (Merits and Just Satisfaction)   |   Court (Fifth Section)   |   10/07/2014   
Document URL: http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-155336

Zitat
1. Dem Fall liegt eine gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Beschwerde (Nr. 48311/10) zugrunde, die eine juristische Person deutschen Rechts, die S. AG („die Beschwerdeführerin“) beim Gerichtshof aufgrund des Artikels 34 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten („die Konvention“) am 19. August 2010 erhoben hat.


Europäische Menschenrechtskonvention
https://www.menschenrechtskonvention.eu/
https://www.menschenrechtskonvention.eu/informationsfreiheit-9346/

Zitat
Die Informationsfreiheit umfasst auch als Recht auf Informationszugang und Informationstransparenz gegenüber der öffentlichen Verwaltung. Der Grundsatz des „Freedom of Information“ kann daher den Staat verpflichten, Akten und Verwaltungsvorgänge öffentlich und für den Bürger nach allgemeinen Standards zugänglich zu dokumentieren

Zitat
Artikel 10 – Freiheit der Meinungsäußerung

        Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt … die Freiheit ein, In­formationen und Ideen ohne behördliche Ein­griffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Die­ser Artikel hindert die Staaten nicht, für Hörfunk- , Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.

        Die Ausübung dieser Freiheiten ist mit Pflichten und Ver­antwortung verbunden; sie kann daher Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Straf­drohungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Ge­sell­schaft notwendig sind für die nationale Sicherheit, die territo­riale Unversehrtheit oder die öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Strafta­ten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhin­derung der Verbreitung vertraulicher Informationen oder zur Wahrung der Autorität und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung.

Zitat
Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert die Informationsfreiheit jedoch nicht unbegrenzt, sondern akzeptiert, dass dieses Recht auch mit Pflichten und Verantwortung verbunden und erlaubt seine Einschränkung aufgrund eines Gesetzes

    aus Gründen der nationalen Sicherheit,
    zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (einschließlich der Moral),
    zur Verhütung von Straftaten,
    aus Gründen des Ehrschutzes sowie zur Wahrung der Rechte Dritter,
    zur Verhindung der Verbreitung vertraulicher Informationen sowie
    zur Wahrung der Autorität und Unparteilichkeit der Rechtsprechung.

Da die in obiger Entscheidung genannte Beschwerdeführerin namens Axel Springer AG eine juristische Person darstellt, gilt die Europäische Menschenrechtskonvention  ohne Zweifel nicht nur für natürliche Personen, wie die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, sondern darüberhinaus auch für juristische Personen, wie es das genannte Verlagshaus als Unternehmen beispielsweise ist.

Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerde des Verlagshauses stattgegeben und die Bundesrepublik Deutschland beauflagt, der Beschwerdeführerin sämtliche Kosten und Auslagen zu ersetzen.

Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention bestimmt zur Meinungs- und Informationsfreiheit, daß es keine "behördlichen Eingriffe" auf Personen geben darf. Die in obiger Entscheidung benannte Beschwerdegegnerin namens Bundesrepublik Deutschland wäre bzw. ist kraft Definition damit Behörde.

Wenn nun die Bundesrepublik Deutschland kraft Definition als Behörde betrachtet wird, so gilt dieses um so mehr für Teile der Bundesrepublik Deutschland, wie das Land Brandenburg, wo zudem die Europäische Menschenrechtskonvention ein für alle Behörden und Gerichte unmittelbar gültiger Teil der Landesverfassung ist.

Der oben genannte Artikel 34 lautet folgendermaßen:

Zitat
Artikel 34 – Individualbeschwerden[?]

Der Gerichtshof kann von jeder natürlichen Person, nichtstaatlichen Organisation oder Personengruppe, die behauptet, durch eine der Hohen Vertragsparteien in einem der in dieser Konvention oder den Protokollen dazu anerkannten Rechte verletzt zu sein, mit einer Beschwerde befasst werden. Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, die wirksame Ausübung dieses Rechts nicht zu behindern.

Wichtig auch für Verfassungsbeschwerden im Land Brandenburg

Zitat
Artikel 13 – Recht auf wirksame Beschwerde[?]

Jede Person, die in ihren in dieser Konvention anerkannten Rech­ten oder Freiheiten verletzt worden ist, hat das Recht, bei einer innerstaatlichen Instanz eine wirksame Be­schwerde zu erheben, auch wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben.

Den speziellen Fall, um den es in diesem Verfahren ging, mag bitte jeder einzeln in der Entscheidung nachlesen.

mfg
Pinguin
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Viktor7 am 17. Februar 2017, 10:20
Zitat
vi. Schlussfolgerung

77. Vor diesem Hintergrund gelangt der Gerichtshof zu der Schlussfolgerung, dass die Beschwerdeführerin mit der Veröffentlichung der beanstandeten Stelle die Grenzen der journalistischen Freiheit nicht überschritten hat. Ihrerseits konnten die deutschen Gerichte und die deutsche Regierung nicht überzeugend nachweisen, dass ein dringendes soziales Bedürfnis bestand, den Schutz des guten Rufes des ehemaligen Bundeskanzler Schröder über das Recht der Beschwerdeführerin auf Freiheit der Meinungsäußerung und das allgemeine Interesse zu stellen, dieser Freiheit Vorrang einzuräumen, wenn Fragen von öffentlicher Bedeutung auf dem Spiel stehen. Daher war der in Rede stehende Eingriff nicht „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“.
78. Es liegt folglich eine Verletzung des Artikels 10 der Konvention vor.

Document URL: http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-155336
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 17. Februar 2017, 14:25
Und Du meinst nun, daß der Eingriff in die Meinungs- und Informationsfreiheit, wie sie mit diesem Rundfunkbeitrag erfolgt, zugunsten der Unterstützung eines Wirtschaftsunternehmens notwendig ist?

Ein Eingriff ist nur aus den bereits genannten Gründen zulässig.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Viktor7 am 17. Februar 2017, 16:11
Dem Zitat folgt keine persönliche Wertung. Der Sinn ergibt sich bereits aus der Schlussfolgerung.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 18. Februar 2017, 10:25
Beschluss vom 04. Mai 2015 - 2 BvR 2169/13
http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2015/05/rk20150504_2bvr216913.html

Rn 5
Zitat
[...]Da die Europäische Menschenrechtskonvention im innerstaatlichen Recht den Rang eines (einfachen) Bundesgesetzes hat (vgl. BVerfGE 111, 307 <317>; 128, 326 <367>), impliziert dieser Vortrag, dass die hier entscheidungserhebliche Vorschrift des § 28 Abs. 1 Nr. 1 des Polizeigesetzes des Landes Baden-Württemberg gemäß Art. 31 GG durch Art. 5 Abs. 1 EMRK gebrochen werde oder zumindest konventionsfreundlich auszulegen sei.

Mit obigem Beschluß wurde die Verfassungsbeschwerde zwar nicht zur Entscheidung angenommen, aber nur deswegen, weil der Rechtsweg nicht erschöpft war und keine Anhörungsrüge an das mit der Klage befasste Gericht erfolgt ist.

Die Beschwerde hätte Aussicht auf Erfolg, da sich das mit der Klage befasste Gericht nicht mit der in der Klage genannten Europäischen Menschenrechtskonvention befasste und gar nicht darauf einging.

Die Europäische Menschenrechtskonvention hat den innerstaatlichen Rang eines einfachen Bundesgesetzes, das kraft Art 31 GG Landesrecht bricht und muß beachtet werden.

Im Land Brandenburg hat die Europäischen Menschenrechtskonvention ja sogar Verfassungsrang, so daß sie, weil auf Bundesebene Bundesrecht, in jedem Falle von jeder Behörde, jedem Gericht, ja jedem auf die Landesverfassung vereidigten Beamten unmittelbar einzuhalten ist.

Es hat noch eine weitere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Menschenrechtskonvention

Beschluss vom 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04 http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2004/10/rs20041014_2bvr148104.html

Leitsatz 1
Zitat
Zur Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) gehört die Berücksichtigung der Gewährleistungen der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung. Sowohl die fehlende Auseinandersetzung mit einer Entscheidung des Gerichtshofs als auch deren gegen vorrangiges Recht verstoßende schematische "Vollstreckung" können gegen Grundrechte in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verstoßen.

Leitsatz 2
Zitat
Bei der Berücksichtigung von Entscheidungen des Gerichtshofs haben die staatlichen Organe die Auswirkungen auf die nationale Rechtsordnung in ihre Rechtsanwendung einzubeziehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich bei dem einschlägigen nationalen Recht um ein ausbalanciertes Teilsystem des innerstaatlichen Rechts handelt, das verschiedene Grundrechtspositionen miteinander zum Ausgleich bringen will.

Rn 30 obiger Entscheidung
Zitat
Die Europäische Menschenrechtskonvention gilt in der deutschen Rechtsordnung im Range eines Bundesgesetzes und ist bei der Interpretation des nationalen Rechts – auch der Grundrechte und rechtsstaatlichen Garantien – zu berücksichtigen (1.). Die Bindungswirkung einer Entscheidung des Gerichtshofs erstreckt sich auf alle staatlichen Organe und verpflichtet diese grundsätzlich, im Rahmen ihrer Zuständigkeit und ohne Verstoß gegen die Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) einen fortdauernden Konventionsverstoß zu beenden und einen konventionsgemäßen Zustand herzustellen (2.). Die Art und Weise der Bindungswirkung hängt von dem Zuständigkeitsbereich der staatlichen Organe ab und von dem Spielraum, den vorrangig anwendbares Recht lässt. Gerichte sind zur Berücksichtigung eines Urteils, das einen von ihnen bereits entschiedenen Fall betrifft, jedenfalls dann verpflichtet, wenn sie in verfahrensrechtlich zulässiger Weise erneut über den Gegenstand entscheiden und dem Urteil ohne materiellen Gesetzesverstoß Rechnung tragen können (3.). Ein Beschwerdeführer kann die Missachtung dieser Berücksichtigungspflicht als Verstoß gegen das in seinem Schutzbereich berührte Grundrecht in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip rügen (4.).

Rn 31
Zitat
1. a) Die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle sind völkerrechtliche Verträge. Die Konvention überlässt es den Vertragsparteien, in welcher Weise sie ihrer Pflicht zur Beachtung der Vertragsvorschriften genügen (EGMR, Urteil vom 6. Februar 1976, Series A No. 20, Ziffer 50 – Swedish Engine Drivers Union; EGMR, Urteil vom 21. Februar 1986, Series A No. 98, Ziffer 84 – James u.a.; vgl. Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 3. Aufl. 2002, S. 405; Ehlers, in: ders. <Hrsg.>, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2003, § 2 Rn. 2 f.). Der Bundesgesetzgeber hat den genannten Übereinkommen jeweils mit förmlichem Gesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 GG zugestimmt (Gesetz über die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 7. August 1952, BGBl II S. 685; die Konvention ist gemäß der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1953, BGBl 1954 II S. 14 am 3. September 1953 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten; Neubekanntmachung der Konvention in der Fassung des 11. Zusatzprotokolls in BGBl 2002 II S. 1054). Damit hat er sie in das deutsche Recht transformiert und einen entsprechenden Rechtsanwendungsbefehl erteilt. Innerhalb der deutschen Rechtsordnung stehen die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle - soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sind - im Range eines Bundesgesetzes (vgl. BVerfGE 74, 358 <370>; 82, 106 <120>).

Rn 48
Zitat
a) Die über das Zustimmungsgesetz ausgelöste Pflicht zur Berücksichtigung der Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Entscheidungen des Gerichtshofs erfordert zumindest, dass die entsprechenden Texte und Judikate zur Kenntnis genommen werden und in den Willensbildungsprozess des zu einer Entscheidung berufenen Gerichts, der zuständigen Behörde oder des Gesetzgebers einfließen. Das nationale Recht ist unabhängig von dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens nach Möglichkeit im Einklang mit dem Völkerrecht auszulegen (vgl. BVerfGE 74, 358 <370>).

Rn 51
Zitat
[...] Liegt der Konventionsverstoß in dem Erlass eines bestimmten Verwaltungsaktes, so hat die zuständige Behörde die Möglichkeit, diesen nach den Regelungen des Verwaltungsverfahrensrechts aufzuheben (vgl. § 48 VwVfG). Eine konventionswidrige Verwaltungspraxis kann geändert werden, die Pflicht dazu können Gerichte feststellen.

Rn 53
Zitat
[...]Da die Europäische Menschenrechtskonvention - in der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - im Range eines förmlichen Bundesgesetzes gilt, ist sie in den Vorrang des Gesetzes einbezogen und muss insoweit von der rechtsprechenden Gewalt beachtet werden.

Rn 62
Zitat
[...] Das Grundgesetz weist mit Art. 1 Abs. 2 GG dem Kernbestand an internationalen Menschenrechten einen besonderen Schutz zu. Dieser ist in Verbindung mit Art. 59 Abs. 2 GG die Grundlage für die verfassungsrechtliche Pflicht, auch bei der Anwendung der deutschen Grundrechte die Europäische Menschenrechtskonvention in ihrer konkreten Ausgestaltung als Auslegungshilfe heranzuziehen (vgl. BVerfGE 74, 358 <370>). Solange im Rahmen geltender methodischer Standards Auslegungs- und Abwägungsspielräume eröffnet sind, trifft deutsche Gerichte die Pflicht, der konventionsgemäßen Auslegung den Vorrang zu geben. [...]
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 19. Februar 2017, 12:46
Noch eine kleine Ergänzung:

Da die Europäische Menschenrechtskonvention, (EMRK), gemäß BVerfG innerstaatlich nach der Ratifizierung durch die Bundesrepublik Deutschland einfachem Bundesrecht entspricht, das kraft Art 31 GG Landesrecht bricht, braucht es freilich auch Bundesrecht, das es den Länder erlauben würde, sich über die in der Europäischen Menschenrechtskonvention genannten Ausnahmegründe, die einen behördlichen Eingriff in die Meinungs- und Informationsfreiheit erlauben würde, hinwegzusetzen. Die Rundfunkstaatsverträge als Landesrecht sind dazu jedenfalls nicht geeignet, die EMRK außer Kraft zu setzen.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 23. Februar 2017, 23:34
Nationale Gerichte müssen sich mit Art 10 EMRK auseinandersetzen!

BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juni 2015
- 2 BvR 433/15 - Rn. (1-15),

http://www.bverfg.de/e/rk20150630_2bvr043315.html

Rn 10
Zitat
b) Das Landgericht hat sich in den Gründen seines Beschlusses mit der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), insbesondere mit der vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde angeführten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und Art. 10 EMRK nicht weiter auseinandergesetzt, obwohl dies im Vorbringen des Beschwerdeführers zentral war und auch materiell eine Auseinandersetzung mit Art. 10 EMRK nahe lag. Es ist daher - ohne dass daraus folgt, dass das Landgericht der Beschwerde des Beschwerdeführers hätte stattgeben müssen - in der Sache von einer Nichtberücksichtigung des Vorbringens durch das Landgericht auszugehen.

Weiter heißt es in einer anderen Entscheidung:

BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 04. Mai 2011
- 2 BvR 2365/09 - Rn. (1-178),

http://www.bverfg.de/e/rs20110504_2bvr236509.html

Leitsatz 2
Zitat
a) Die Europäische Menschenrechtskonvention steht zwar innerstaatlich im Rang unter dem Grundgesetz. Die Bestimmungen des Grundgesetzes sind jedoch völkerrechtsfreundlich auszulegen. Der Konventionstext und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dienen auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes (BVerfGE 74, 358 <370>; stRspr).
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 24. Februar 2017, 10:19
Falls es jemanden interessiert; via der Webseite des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte kommt man auf diese Seite

Europäische Audiovisuelle Informationsstelle
http://www.obs.coe.int/de/legal/broadcasting/eulegalframework

Da hat es einige Publikationen, meist als PDF, auch zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seine Finanzierung im europäischen Rahmenrecht.

Eine PDF nachstehend verlinkt:

Öffentlich-rechtliche Medien: Geld für Inhalte
http://www.obs.coe.int/documents/205595/264635/Iris_plus_2010-4_DE_FullText.pdf/17570bcb-df1a-43c4-a486-5f1215e40b35

(Keine Zitate aus dem Werk, weil noch keinen Einblick genommen).

Der nächste Link führt zu einer weiteren PDF, die es evtl. in sich hat?

IRIS Themes - Vol. III - Freie Meinungsäußerung, Medien und Journalisten: Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Edition 2015) http://www.obs.coe.int/documents/205595/2667238/IRIS+Themes+-+Vol+III+-+Ed+2015+DE.pdf/6505fcc6-4425-41ef-9e95-a48f75860c32

Gesammelte Werke der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte mit 463 Seiten.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Maverick am 24. Februar 2017, 10:40
Nationale Gerichte müssen sich mit Art 10 EMRK auseinandersetzen!


"Auseinandersetzen" ist aber (leider) wieder so ein schwammiger Begriff. Da braucht das VG bestimmt nur in einem kleinen Nebensatz Art. 10 EMRK erwähnen und erzählen, warum der für die Entscheidung keine Rolle spielt, bspw. GG ist höherrangig und BVerwG hat Verfassungsgemäßheit festgestellt und schon sind die Vorgaben erfüllt.  :-\
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 24. Februar 2017, 10:44
Da braucht das VG bestimmt nur in einem kleinen Nebensatz Art. 10 EMRK erwähnen und erzählen, warum der für die Entscheidung keine Rolle spielt, bspw. GG ist höherrangig
Nö, nicht so einfach; nationale Bestimmungen sind so auszulegen bzw. anzuwenden, daß die EMRK erfüllt wird.

Die EMRK geht als völkerrechtlicher Vertrag dem Bundesrecht vor, steht im GG so drin.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: mistersh am 24. Februar 2017, 10:47
Öffentlich-rechtliche Medien: Geld für Inhalte
http://www.obs.coe.int/documents/205595/264635/Iris_plus_2010-4_DE_FullText.pdf/17570bcb-df1a-43c4-a486-5f1215e40b35

Hier mal ein kleines Zitat, da ich gerade am durchlesen bin was den deutschen ÖRR angeht.

Zitat
Nicht verwandte Mittel
der  Rundfunkanstalten  sind  von  der  KEF  bedarfsmindernd  bei  der  Ermittlung  des  (künftigen) 
Finanzbedarfs  anzusetzen.79

Fußnote 79:
Die  öffentlich-rechtlichen  Rundfunkanstalten  können  jedoch  einen  Teil  der  Rücklagen  behalten.  Die  Europäische 
Kommission  sieht  es  in  der  Rundfunkmitteilung  2009  als  möglich  an,  „einen  Betrag  von  bis  zu  10  Prozent  der  im 
Rahmen  des  öffentlich-rechtlichen  Auftrags  veranschlagten  jährlichen  Ausgaben  einzubehalten,  um  Kosten-  und 
Einnahmenschwankungen auffangen
zu können“, vgl. Rn. 73 der Rundfunkmitteilung 2009, a. a. O. (Fn. 7).

Das ganze ist zu lesen auf Seite 23 des Dokumentes.

Schon interessant, sie dürfen zwar Geld einbehalten, jedoch nur um Schwankungen abfangen zu können und nicht um ihre horrenden Pensionskassen zu füllen.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 24. Februar 2017, 15:32
In den Entscheidungen des EGMR werden zu Art 10 betreffs der Meinungs- und Informationsfreiheit überwiegend Fälle behandelt, in denen es um Journalisten der Printpresse geht, die Informationen über öffentliche Bereiche publiziert haben, die ihrem Staat nicht passen; der Staat muß sich aber eine derartige Veröffentlichung gefallen lassen, wenn das Thema von allgemeinem Interesse ist.

Fundstelle: Seite 65 - Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
http://www.obs.coe.int/documents/205595/2667238/IRIS+Themes+-+Vol+III+-+Ed+2015+DE.pdf/6505fcc6-4425-41ef-9e95-a48f75860c32
Zitat
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bekräftigte in allen Fällen die Prinzipien, die derbisherigen Rechtsprechung zu Art.10 zugrunde lagen und wonach das Recht auf freie Meinungsäußerung zu den Grundfesten einer demokratischen Gesellschaft gehört (siehe auch IRIS1999-6:  3,  IRIS1999-2:  4,  IRIS1998-10:  4,  IRIS1998-9:  3,  IRIS1998-7:  4 und  IRIS1998-4:  3)
-----------------
Gemäß eines weiteren Fundstückes muß der Eingriff bspw. in die Meinungsäußerungsfreiheit "gesetzlich vorgeschrieben sein". Das Gericht vertrat in diesem Fall die Auffassung, daß diese gesetzliche Vorschrift präzise und eindeutig formuliert werden müsse, also keinesfalles mehrdeutige Verwendung finden könne, um mit den Bestimmungen der EMRK übereinstimmend angesehen werden zu können.

Fundstelle: Seite 104 - obiges Dokument - RIS2002-5/2

Wenn man jetzt berücksichtigt, daß die EMRK Bundesrecht darstellt, benötigt es ein Gesetz des Bundes, daß explizit und ausführlich, präzise wie eindeutig dem Land die Befugnis erteilt, einen derartigen behördlichen Eingriff in die Informations- und Meinungsfreiheit vornehmen zu lassen, wie sie die den Personen eines Landes auferlegte Pflicht darstellt, ein vom Land präferiertes Medium individuell-konkret finanziell zwangszuunterstützen.
-------------

Sind alle Vermutungen betreffes des Wechsels von der Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag ganz anders?

Für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist bereits die Rundfunkgebühr eine Steuer!

Zitat
Einzelpersonen davon abzuhalten, eine Steuer nicht zu zahlen, mit anderen Worten, sie davon abzuhalten, ihr Abonnement des öffentlich-rechtlichen Fernsehdienstes zu beenden. Die Rundfunkgebühr stellt eine Steuer dar, die zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verwendet wird. Nach Ansicht des EGMR verpflichtet der bloße Besitz eines Fernsehgeräts zur  Zahlung der fraglichen Steuer, ob Faccio nun Sendungen auf öffentlich-rechtlichen Kanälen sehen wolle oder nicht. Vielmehr würde ein System, welches es den Zuschauern ermöglicht,  nur Privatkanäle ohne Zahlung der Rundfunkgebühren zu sehen, vorausgesetzt; dies wäre zwar  technisch möglich, würde der Steuer aber ihren eigentlichen Sinn nehmen, da sie einen Beitrag  zu einem Gemeinschaftsdienst darstelle und nicht einen Preis, der von einer Einzelperson für den Empfang eines bestimmten Kanals zu bezahlen sei.

Fundstelle: Seite 228 - obiges Dokument - IRIS2009-6/1

Insofern scheint es wenig ausichtsreich, um diese Zwangsabzocke drumherum zu kommen, sofern jemand ein Fernsehgerät hat; ein PC ist kein Fernsehgerät. Da diese Gebühr vom EGMR als Steuer angesehen wird, ist sie auch national als Steuer zu handhaben und unterliegt damit sämtlichen steuerrechtlichen Bestimmungen a la Abgabenordnung, wäre es doch keine kommunale Steuer, sondern eines des Landes?

Die Länder der Bundesrepublik mussten handeln, ist Steuerrecht doch Bundesrecht. Wenn aber die Gebühr schon eine Steuer war, dürfte die Einschätzung für den Beitrag nicht anders lauten.

Dennoch bleibt die Frage zu klären, ob es mit den Werten der Europäischen Union vereinbar sein kann, den Bürger bzw. Personen staatlich zu verpflichten, ein ihm/ihr vom Staat vorgesetztes und nicht selbst präferiertes Medium zwangszufinanzieren.

Wo bliebe hier der gemeinsamen Binnenmarkt, in dem niemand diskriminiert werden darf? Entweder sind alle EU-Bürger vom Staat zu verpflichten, ihren öffentlich-rechtlichen Rundfunk zwangszufinanzieren, oder diese Verpflichtung kann keinem EU-Bürger auferlegt werden.

Obige Entscheidung des EGMR ist aus 2009; der Binnenmarkt hat sich seither weiterentwickelt, auch die technischen Möglichkeiten, so daß die damalige Entscheidungen u. U. auf die heutige Zeit schon nicht mehr sachlich gerechtfertigt ist.

@mistersh
Die 10% sind dem EU-Beihilferecht zu entnehmen.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: mistersh am 24. Februar 2017, 16:06
@pinguin: Ich sag ja nichts gegen die 10% wenn sie eben nur entsprechend eingesetzt werden um auch Beiträge zu senken und nicht trotzdem weiter die eigenen Taschen damit füllen zu wollen. Sollen sich doch einfach mal an die Empfehlungen der KEF halten und eigene versprechen der Sparsamkeit einhalten.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 18. Juni 2017, 21:37
Es hat eine uralte Entscheidung des EuGH, aus 1991; (http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1497812690879&uri=CELEX:61989CJ0260)

Zitat
Zu Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention

41 Was den in der neunten und in der zehnten Frage genannten Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention angeht, ist vorab darauf hinzuweisen, daß die Grundrechte nach ständiger Rechtsprechung zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehören, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat. Dabei geht der Gerichtshof von den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten sowie von den Hinweisen aus, die die völkerrechtlichen Verträge über den Schutz der Menschenrechte geben, an deren Abschluß die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind (siehe insbesondere Urteil vom 14. Mai 1974 in der Rechtssache 4/73, Nold, Slg. 1974, 491, Randnr. 13). Hierbei hat die Europäische Menschenrechtskonvention eine besondere Bedeutung (siehe insbesondere Urteil vom 15. Mai 1986 in der Rechtssache 222/84, Johnston, Slg. 1986, 1651, Randnr. 18). Wie der Gerichtshof im Urteil vom 13. Juli 1989 in der Rechtssache 5/88 (Wachauf, Slg. 1989, 2609, Randnr. 19) bekräftigt hat, ergibt sich daraus, daß in der Gemeinschaft keine Maßnahmen als Rechtens anerkannt werden können, die mit der Beachtung der so anerkannten und gewährleisteten Menschenrechte unvereinbar sind.
Nunmehr haben wir ja die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und auch eine Entscheidung des EGMR, wonach eine Rundfunkgebühr eine Steuer ist. (http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22224.0.html)
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 31. August 2017, 00:24
Anbei eine PDF des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages bezüglich der EMRK:

Zur innerstaatlichen Umsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sowie zur Durchsetzung und Wirkung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Deutschland, Frankreich, Italien und Russland, im Vereinigten Königreich und in der Türkei
https://www.bundestag.de/blob/482672/f9ace5e6e53fc37be870a3bbccbb85ed/wd-2-104-16-pdf-data.pdf

Auszug:
Zitat
Völkerrechtliche Verträge, die die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 59 GG ratifiziert hat, nehmen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) – entsprechend des Ratifikationsgesetzes (Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG) – grundsätzlich den Rang eines einfachen Bundesgesetzes ein. Über das Ratifikationsgesetz werden die völkerrechtlichen Normen in die nationale Rechtsordnung inkorporiert und erhalten damit innerstaatliche Geltung.

Das BVerfG spricht dabei von einem Rechtsanwendungsbefehl, der sich an alle staatlichen Stellen richtet.

Dazu auch ein EuGH-Zitat aus dem Vorpost:

Zitat
Wie der Gerichtshof im Urteil vom 13. Juli 1989 in der Rechtssache 5/88 (Wachauf, Slg. 1989, 2609, Randnr. 19) bekräftigt hat, ergibt sich daraus, daß in der Gemeinschaft keine Maßnahmen als Rechtens anerkannt werden können, die mit der Beachtung der so anerkannten und gewährleisteten Menschenrechte unvereinbar sind.

Und, im Übrigen, ist die EMRK gemäß BVerfG, siehe PDF, Seite 17,  Abschnitt 3.1.2.3 Berücksichtigungspflichten, von allen staatlichen Organen einzuhalten.

Wir haben hier also seit 2013 gleich mehrfachen Rechtsbruch;
- wir haben die Missachtung des Bundesverfassungsgerichtes durch LRA, BS und Co.;
- wir haben die Missachtung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch LRA, BS und Co.;
- wir haben damit die Missachtung von Bundesrecht durch LRA, BS und Co.;
- wir haben die Missachtung der Rechtsprechung des EuGH durch LRA, BS und Co.;
- wir haben damit die Missachtung des Rechtes der Europäischen Union durch LRA, BS und Co.;

Hinweis:
Als "Co." sind alle weiteren staatlichen Stellen zu verstehen, die an dieser Rechtsmißachtung mitgewirkt haben oder noch mitwirken.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 04. Dezember 2017, 16:32
Das Thread hat als Ausgangsthema die Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit des Art. 10 EMRK zum Gegenstand, womit wir im Bereich des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg sind. Da selbst erfahrene Juristen diesen Gerichtshof mit dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg verwechseln, sollte man auch die unterschiedlichen Fassungen der Gesetzestexte beachten, auch wenn sie sehr ähnlich sind. Seit der Ratifizierung der Lissabonner Verträgen haben wir natürlich auch die Situation, dass viele Gesetze aus den Konventionen für Menschenrechte direktes Recht in Deutschland über die EU-Gesetzgebung geworden sind, wie der Art. 11 der EU-Charta, der sich ebenfalls mit der Meinungsfreiheit und der Informationsfreiheit beschäftigt. Dennoch haben wir es mit zwei verschiedenen Verfahrenswegen zu tun, die ich hier mal versuchen möchte, kurz zu skizzieren.


I. Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR, Straßburg):

Hier kann jeder Bürger der 47 Mitgliedsstaaten (wozu auch nicht EU-Länder wie Russland, Türkei und die Schweiz gehören) in der Form einer Individualbeschwerde nach Ausschöpfung des inländischen Rechtsweges klagen. Der hierzu passende Gesetzesartikel Art. 10 EMRK lautet:
Art. 10 EMRK
Freiheit der Meinungsäußerung


(1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung.
Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein,
Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne
Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben.
Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Hörfunk-, Fernseh-
oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.

Die Freiheit der Information, dies ist wohl mittlerweile unstrittig, schließt natürlich auch die Freiheit mitein, eine bestimmte Informationen nicht haben zu wollen, auch wenn bestimmte Behörden und Parteien diese Informationen den Bürgern aufdrängen wollen, wie dies nun einmal bei den Staatssendern von Landesregierungsgnaden der Fall ist.

Sehr nützliche Informationen für eine erfolgreiche Klage vor dem EGMR findet man auf den folgenden Seiten:
     
https://anwalt-gericht-menschenrechte.de/index.php/egmr/122-wie-wende-ich-mich-an-den-europaeischen-gerichtshof-fuer-menschenrechte

http://www.echr.coe.int/Pages/home.aspx?p=applicants/ger&c=

Ein Beispiel für eine erfolgreiche Klage vor dem EGMR, nach einer nicht begründeten Nicht-Annahmeentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes findet man übrigens hier (Individualbeschwerde Nr. 22028/04):   

http://www.bmjv.de/SharedDocs/EGMR/DE/20091203_22028-04.html;jsessionid=FE1147429FFFA559724A2F89297CD03D.2_cid324?nn=6966392
 
Dies ist also der eine Verfahrensweg, den ich zumindest sehr nachvollziehbar finde, was ich bei den Verfahren vor dem EuGH in Luxemburg nicht so empfinde.


II. Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH, Luxemburg):

Hier gilt also die EU-Charta und die anderen Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft. Der dem Art aus den EMRK entsprechende Artikel der EU-Charta ist der Art. 11. Er lautet:

Art. 11 EU-Charta
Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit


(1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt
die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche
Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben.
(2) Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet.

Auch wenn Absatz 1 hier scheinbar identisch mit Absatz 1 aus dem EMRK ist, habe ich hier den Eindruck, dass EU-Charta in Absatz 2 sogar weiter geht, als die Konventionen, da man mit Abs. (2) in der Tat argumentieren kann, dass die Pluralität der Medien durch die Überfinanzierung und die Subventionierung der öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten eben nicht mehr geachtet wird.
Dies ist natürlich interessant, wenn der Verfahrensweg nicht so kompliziert wäre, da ich hier nur die Möglichkeit sehe, die Richter am Amtsgerichten, Landgerichten und Oberlandgerichten zu überzeugen, ein Vorabentscheidungsersuchen in der nach 267 AEUV (ex-Art. 234 EG) beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg mit Bezug auf Art. 11 der EU-Charta einzulegen. Diese Richter kann man von der Rechtswidrigkeit des Rundfunkbeitrages in einigen Bundesländern jedoch erst dann überzeugen, wenn man mit einem halben Bein bereits im Gefängnis steht, weil man eine Vermögensauskunft während eines Vollstreckungsverfahrens verweigert hat.

https://dejure.org/gesetze/AEUV/267.html

https://dejure.org/gesetze/EG/234.html

http://curia.europa.eu/juris/liste.jsf?language=de&num=C-337/06

http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=197111&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1

Das Landgericht Tübingen hat es in der Rechtssache C-492/17 meiner Ansicht nach vergessen, auch die Frage nach der Diskriminierung (Art. 21 der Charta) der Nicht-Nutzer von Rundfunk und Fernsehen vorzulegen, da diese durch die Reform des RBStV entgegen ihrer weltanschaulichen Überzeugungen zu einem Beitrag herangezogen werden, während die tatsächlichen Nutzer von Rundfunk und Fernsehen durch die Reform entlastet wurden. Diese Frage finde ich persönlich genauso wichtig, wie die Frage nach der Freiheit der Informationen.
Auch wenn die Möglichkeit, seine Richter davon zu überzeugen, erst einmal die EU zu fragen, ob der Rundfunkbeitrag nicht gegen EU-Recht verstößt, sicherlich ein interessanter Verfahrensweg ist, bin ich mir nicht sicher, ob man als einzelner Bürger mit Bezug auf die EU-Charta vor den Richtern in Luxemburg nach einer gescheiterten Verfassungsbeschwerde klagen kann.

Gibt es für den EuGH eigentlich auch so etwas wie ein Merkblatt?
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 04. Dezember 2017, 17:03
@art18GG
Hast Du hier schon nachgelesen?

Für EGMR wie EuGH ist eine Rundfunkgebühr eine Steuer
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22224.msg159866.html#msg159866

Auch aus diesem Thema ist ersichtlich, dass EMRK/EGMR und Charta/EuGH zwar zwei völlig verschiedene Rechtskreise sind, der eine, (Charta/EuGH), aber auf dem anderen, (EMRK/EGMR), aufbaut.

Es ist auch korrekt erkannt, daß die in der Charta verankerten Grundrechte noch ein Stück weit über jene der EMRK hinausreichen.

Die EMRK ist aber Bundesrecht, die Charta höherrangiges EU-Recht und nur bei Umsetzung/Anwendung von EU-Recht einzuhalten.

Mich wundert hier auch, dass nahezu keine der Klagen auf Art. 10 EMRK abstellt, denn dadurch, dass das Bundesrecht ist, und Bundesrecht kraft Art. 31 GG jedes Landesrecht bricht, ist es hier schon ausgeschlossen, dass das Land seine Bürger zwingen kann, ein vom Land präferiertes Informationsmedium unterstützen zu müssen.

Das Problem ist aber, wie so oft: Viele wollen offenbar die gebratenen Tauben à la Schlaraffenland, die hier im Forum aber gerade keiner geliefert bekommen wird.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 06. Dezember 2017, 19:16
Querverweis aus dem neuen Thema:

Europäische Agentur für Grundrechte -> EU-Recht
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,25510.msg161112.html#msg161112

Zitat
Konsolidierte Fassungen des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - Vertrag über die Europäische Union (konsolidierte Fassung) - Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (konsolidierte Fassung) - Protokolle - Anhänge - Erklärungen zur Schlussakte der Regierungskonferenz, die den am 13. Dezember 2007 unterzeichneten Vertrag von Lissabon angenommen hat - Übereinstimmungstabellen
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/TXT/?uri=CELEX%3A12012M%2FTXT

Zitat
Artikel 6 Absatz 2
[...]
(2) Die Union tritt der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei. Dieser Beitritt ändert nicht die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten der Union.

Damit hat also auch die Europäische Union die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert und kann folglich auch vor dem EGMR bei Nichteinhaltung der ERMK verklagt werden.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Winston Smith am 28. Dezember 2017, 10:06
Ich habe gemerkt, dass sehr viel in diesem Forum diskutiert wird, ob etwas eine "Behörde" ist oder nicht, und warum das in Deutschland wichtig ist.

Unter EU-Gesetz sind aber nur die englische und französische Fassungen der Europäischen Menschenrechtskonvention verbindlich. Das steht sogar auf der dritten Seite (unten links):

http://www.echr.coe.int/Documents/Convention_DEU.pdf
http://www.echr.coe.int/Documents/Convention_ENG.pdf

Unter der englischen Fassung steht unter Art. 10 "public authority", was als "behördlich" ins Deutsch übersetzt wurde. Das ist nicht falsch, aber das, was auf Englisch als "public authority" gemeint wird, ist nicht unbedingt das, was dem deutschen Begriff "Behörde" entspricht. Auf Englisch, und vermutlich Französisch, werden die Landesrundfunkanstalten sowie der Beitragservice sehr wohl als "public authorities" erkannt. Alle "Behörden" sind "public authorites" aber nicht jede "public authority" muss unbedingt eine "Behörde" sein.

Die zwei Begriffe werden anders definiert . Zum Beispiel;
public authority - [INSPIRE glossary]
http://inspire.ec.europa.eu/glossary/PublicAuthority
Zitat
means:(a) any government or other public administration, including public advisory bodies, at national, regional or local level;(b) any natural or legal person performing public administrative functions under national law, including specific duties, activities or services in relation to the environment; and(c) any natural or legal person having public responsibilities or functions, or providing public services relating to the environment under the control of a body or person falling within (a) or (b).Member States may provide that when bodies or institutions are acting in a judicial or legislative capacity, they are not to be regarded as a public authority for the purposes of this Directive;required

Behörde - [INSPIRE Codelisten-Register]
http://inspire.ec.europa.eu/codelist/RelatedPartyRoleValue/authority
Zitat
Eine für die Überwachung einer Ressource und/oder der an einer Ressource beteiligten Stellen gesetzlich zuständige Stelle.

Ein bisschen weiter kann man auf Englisch googeln und findet noch weitere Beschreibungen wie:
https://www.wardhadaway.com/updates/what-defines-a-public-authority-and-why-it-matters/

Zitat
What is and what is not a "public authority" is an important question for many organisations.

Only organisations deemed to be “public authorities” under the Human Rights Act 1998 are held accountable for any infringements of the responsibilities contained with the Act.

Whilst “core” public authorities are easily distinguished due to their obvious public function (examples include the army, police force and local government), “hybrid” authorities require more consideration as they are often privately owned with a private nature to their business.


10 factors which suggest a body could be a “public authority”
1. Its role is closely assimilated to or takes the place of the local authority;
2. It is linked to the Government or its function could be described as governmental;
3. It provides a public service;
4. The state regulates, supervises and inspects its performance;
5. It is subject to judicial review or is publicly accountable for its actions;
6. It has charitable objectives;
7. It has enhanced statutory powers, particularly where such powers are enforceable against the public;
8. Its rights and responsibilities are found in public law rather than private law;
9. It is likely that Parliament intended the Act to cover its actions; or
10. Parliament would not have intended to afford it protection under the Act.
[...]


Zitat
ARTICLE 10

Freedom of expression


1. Everyone has the right to freedom of expression. This right shall include freedom to hold opinions and to receive and impart information and ideas without interference by public authority and regardless of frontiers. This Article shall not prevent States from requiring the licensing of broadcasting, television or cinema enterprises.

2. The exercise of these freedoms, since it carries with it duties and responsibilities, may be subject to such formalities, conditions, restrictions or penalties as are prescribed by law and are necessary in a democratic society, in the interests of national security, territorial integrity or public safety, for the prevention of disorder or crime, for the protection of health or morals, for the protection of the reputation or rights of others, for preventing the disclosure of information received in confidence, or for maintaining the authority and impartiality of the judiciary.
Quelle: https://dejure.org/gesetze/MRK/10.html
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 28. Dezember 2017, 13:57
Die 10. Punkte treffen eigentlich alle nicht zu? Der Staat hat keine Einflussmöglichkeiten hinsichtlich der Rundfunkanstalten; er darf sie lediglich neu organisieren.

Die Rundfunkanstalten sind keiner Verwaltung des Staates angeschlossen und sind zumeist von mehreren Gebietskörperschaften begründet, die jeweils nur in ihrem eigenen Gebiet hoheitliche Befugnisse haben.

Behörde - [INSPIRE Codelisten-Register]
http://inspire.ec.europa.eu/codelist/RelatedPartyRoleValue/authority
Zitat
Eine für die Überwachung einer Ressource und/oder der an einer Ressource beteiligten Stellen gesetzlich zuständige Stelle.
Eben, deswegen entschied der EuGH ja auch, daß die Medienanstalt eine Behörde ist, denn die hat Kontrollfunktion.

Eine Medienanstalt ist eine Behörde, sagt der EuGH
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22235.0.html

Die dt. Rundfunkanstalt ist aber keine Medienanstalt und hat keine Kontrollfunktion, sondern produziert und verbreitet Rundfunk, weswegen sie von EU und EuGH als Unternehmen behandelt wird.

Strukturelle Trennung hoheitlicher und betrieblicher Funktionen -> EU-Recht
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,23124.0.html

Ich darf wiederholt an die damalige Beihilfesache erinnern, die explizit die dt. Rundfunkanstalten betraf.

Auswertung Stellungnahmen EU-Kommission Beihilfeverfahren ORF und dt. ÖRR
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22432.0.html
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 28. Dezember 2017, 19:46
Dieses
public authority
greift doch eigentlich sogar noch weiter, wenn
Alle "Behörden"  sind "public authorites" aber nicht jede "public authority" muss unbedingt eine "Behörde" sein.
der englische Sprachgebrauch hier anzusetzen ist?

Wenn alle öffentlichen Stellen "public authorites" sind, zählt dazu ja dann nicht nur bspw. die lokal handelnde Behörde, sondern die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt ebenfalls, ob sie nun "Behörde" ist oder nicht?

Wir hätten also schon mal mindestens einen Grundrechtseingriff hinsichtlich Art. 10 EMRK, denn es ist nicht ersichtlich, dass der vorgenommene Eingriff des Staates zur Finanzierung einer im Wettbewerb befindlichen Dienstleistung gemäß den in der EMRK definierten Ausnahmen, unter denen ein Eingriff gerechtfertigt sein könnte, gerechtfertigt ist.

BVerfGE 92, 203 - EG-Fernsehrichtlinie
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv092203.html

Rn. 29
Zitat
Nach der eindeutigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften [...] hat die Bundesregierung der Tatsache Rechnung zu tragen, daß Rundfunksendungen Dienstleistungen im Sinne des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art. 59 ff. EWG-Vertrag sind.

Rn. 135
Zitat
[...]Dabei haben freilich auch die Länder die Bindung der Bundesrepublik Deutschland an das europäische Recht, das durch den Europäischen Gerichtshof verbindlich ausgelegt wird (vgl. BVerfGE 75, 223 [242 f.]), zu beachten.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: maikl_nait am 29. Dezember 2017, 11:47
Hallo!

@Winston Smith

Unter EU-Gesetz sind aber nur die englische und französische Fassungen der Europäischen Menschenrechtskonvention verbindlich.

Unter der englischen Fassung steht unter Art. 10  "pubic authority", was als "behördlich" ins Deutsch übersetzt wurde.  Das ist nicht falsch, aber das, was auf Englisch als "public authority" gemeint wird, ist nicht unbedingt das, was dem deutschen Begriff "Behörde" entspricht.

Gut, dass Du darauf hinweist. Es ist tatsächlich so, dass das EU-Recht andere Rechtsbegrifflichkeiten verwendet, als das nationale deutsche Recht.

Eine "Behörde"(="public authority") im Sinne von EMRK / Charta kann durchaus von der Behörde des deutschen Verwaltungsrechts abweichen.

Zunächst sind im dualen Rf-System Deutschlands, aber auch nach "Audio-visuellen Mediendienstleistungen" der EU, die LRAen als im Wettbewerb tätig und damit als (staatliche) Unternehmen zu fassen. Die Landesgesetze "RBStV" sehen nun vor, dass die LRAen die "Beiträge" selber erheben (vollstrecken sollen dann nach "Verwaltungsvollstreckungsverfahren" die Vollstreckungsbehörden). Insofern sieht das nach einer Beleihung mit hoheitlicher Tätigkeit aus.

Also könnte sich die Frage stellen, ob die LRAen EU-rechtlich noch Unternehmen sind, oder schon (durch Beleihung) "Behörden" (lies: "public authorities" im EU-Recht).

Aber sieht man sich die erlaubten "behördlichen" Eingriffe an, stellt man fest, dass keine wirtschaftlichen Eingriffe aufgeführt sind. Sodann wäre die Erhebung von Beiträgen in eigener Sache im Wettbewerb ein unzulässiger wirtschaftlicher Eingriff einer "public authority", oder aber ein unzulässiger Eingriff eines (staatlichen) Unternehmens. Es könnte daher argumentiert werden, dass der tatsächliche Status der LRAen egal ist, da deren Eingriff jedenfalls unzulässig wäre.

MfG
Michael
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Winston Smith am 11. Januar 2018, 19:15
Es ist tatsächlich so, dass das EU-Recht andere Rechtsbegrifflichkeiten verwendet, als das nationale deutsche Recht.

Eine "Behörde"(="public authority") im Sinne von EMRK / Charta kann durchaus von der Behörde des deutschen Verwaltungsrechts abweichen.

...

Also könnte sich die Frage stellen, ob die LRAen EU-rechtlich noch Unternehmen sind, oder schon (durch Beleihung) "Behörden" (lies: "public authorities" im EU-Recht).



Hallo maikl_nait

Der Satz  im Artikel 10 lautet:

"This right shall include freedom to hold opinions and to receive and impart information and ideas without interference by public authority and regardless of frontiers"

Hier ist die Rede nicht von "by a public authority", was eine Behörde oder government agency/department wäre, sondern von der Gewalt (authority) überhaupt.  Eventuell wäre eine bessere Übersetzung "ohne Eingriff der öffentlichen Gewalt" gewesen, dann hätte es diese Probelm gar nicht gegeben? So wie es auf Englisch steht, ist die ganze öffentliche Hand betroffen.  In dem Moment, dass ein Gerichtsvollzier eingesetzt wird, oder eine Kontopfändung durchgeführt wird, oder Zwang irgendwie sonst eingesezt wird, weil man nicht bezahlen will, ist öffentliche Gewalt (public authority) schon im Einsatz.





Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 19. Januar 2018, 20:54
Leitsatz 7
Zitat
7 Die Meinungsfreiheit sowie das Recht, sich friedlich zu versammeln, und die Vereinigungsfreiheit, die u. a. in den Artikeln 10 und 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert sind, gehören zu den Grundrechten, die nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes, die im übrigen durch die Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte und durch Artikel F Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union (nach Änderung jetzt Artikel 6 Absatz 2 EU) erneut bekräftigt wurde, in der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützt werden.

Rechtssache C-235/92 P
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1516379832388&uri=CELEX:61992CJ0235
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 07. Juni 2018, 12:37
Das Bundsverfassungsgericht äußerte sich bereits im

Beschluß    
des Ersten Senats vom 3. Oktober 1969    
- 1 BvR 46/65 -

http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv027071.html

auch zu den internationalen wie europäischen Grundrechten in Sachen Informations- und Meinungsfreiheit.

Zitat
1. Das in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten (Informationsfreiheit), steht als selbständiges Grundrecht gleichwertig neben der Meinungs- und Pressefreiheit.

Rn. 29
Zitat
Die besondere Bedeutung, die der Informationsfreiheit auch im internationalen Bereich zugemessen wird, zeigt sich in den zwischenstaatlichen Bestrebungen seit 1945, diese Freiheit als eigenständiges Recht zu sichern. Nachdem schon die Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 14. Dezember 1946 die Informationsfreiheit in einem umfassenden Sinn verstanden hatte, der sogar die Äußerungsfreiheit miteinschloß, hat die Generalversammlung der UNO in Art. 19 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 den Grundsatz niederlegt:

Rn. 30
Zitat
Jeder hat das Recht der Meinungs- und Äußerungsfreiheit, insbesondere das Recht, wegen seiner Überzeugung nicht beunruhigt zu werden und Nachrichten und Gedanken durch jedes Ausdrucksmittel und unabhängig von Grenzen einzuholen, zu empfangen und zu verbreiten.

Die nächsten beiden Rn. beziehen sich dann auf die EMRK, geben die dt. Übersetzung des relevanten Art. 10 aber ebenfalls in einer unpassenden Übersetzung wieder.

In jedem Falle aber ist ein aktives Handeln zur Informationsbeschaffung geschützt, wie Rn. 33 aussagt:

Zitat
b) Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG schützt nicht nur ein aktives Handeln zur Informationsverschaffung, sondern ebenso die schlichte Entgegennahme von Informationen. [...]

Rn. 36
Zitat
[...] Da die Informationsfreiheit infolge ihrer Verbindung mit dem demokratischen Prinzip gerade auch dazu bestimmt ist, ein Urteil über die Politik der eigenen Staatsorgane vorzubereiten, muß das Grundrecht vor Einschränkungen durch diese Staatsorgane weitgehend bewahrt werden.

Rn. 38
Zitat
Auch die Gesetzessystematik des Art. 5 GG führt zu demselben Ergebnis. Die Schranke der "allgemeinen Gesetze" in Art. 5 Abs. 2 GG bezieht sich auf alle in Abs. 1 normierten Grundrechte. Für die Informationsfreiheit wäre die Schranke des Abs. 2 aber weitgehend gegenstandslos, wenn der Staat die Allgemeinzugänglichkeit bestimmen und auf diesem Wege den Umfang des Grundrechts beliebig begrenzen könnte.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Lev am 07. Juni 2018, 20:08
@ art18GG,             #15
Zitat
Das Thread hat als Ausgangsthema die Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit des Art. 10 EMRK zum Gegenstand, womit wir im Bereich des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg sind. Da selbst erfahrene Juristen diesen Gerichtshof mit dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg verwechseln, sollte man auch die unterschiedlichen Fassungen der Gesetzestexte beachten, auch wenn sie sehr ähnlich sind. Seit der Ratifizierung der Lissabonner Verträgen haben wir natürlich auch die Situation, dass viele Gesetze aus den Konventionen für Menschenrechte direktes Recht in Deutschland über die EU-Gesetzgebung geworden sind, wie der Art. 11 der EU-Charta, der sich ebenfalls mit der Meinungsfreiheit und der Informationsfreiheit beschäftigt. Dennoch haben wir es mit zwei verschiedenen Verfahrenswegen zu tun, die ich hier mal versuchen möchte, kurz zu skizzieren.


Lieber a,

ich bin wahrscheinlich nicht so ein erfahrener Jurist wie die, die du hier aufführst. Allerdings möchte ich dennoch darauf hinweisen, dass der Passus der hier in Blau aufgeführt ist, so leider im zweideutigen Kontext steht und folglich nicht so weiter zu führen wäre. 
Zitat
... Seit der Ratifizierung der Lissabonner Verträgen haben wir natürlich auch die Situation, dass viele Gesetze aus den Konventionen für Menschenrechte direktes Recht in Deutschland über die EU-Gesetzgebung geworden sind, wie der Art. 11 der EU-Charta,
Dem ist nicht so, aber das ist nicht wirklich mein Ansatz.

D.h. wer sich an den Rechtsweg orientiert, dem stellt sich diese Frage nicht wirklich.  Die Frage, die sich a. demnach stellt, ist i.d.R. belanglos.
Das Urteil des letzten Rechtszugs, am dafür hier zuständigen BVerwG, aus dem Jahr 2018, macht dies auch deutlich. https://www.bverwg.de/de/250118B6B38.18.0
In diesem Satz des Urteils (Zitat hier drunter), wurde das Problem, das  a. hier dennoch sieht, schlussendlich abgehandelt. Dieser Satz wurde, weil das Problem nicht wirklich existiert, im konjunktiv geschrieben.
Zitat
...Selbst wenn aber ein Eingriff in den Schutzbereich der negativen Informationsfreiheit unterstellt wird, wäre dieser - nicht anders als der Eingriff in die positive Informationsfreiheit - zur Gewährleistung des durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Bestands des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und dessen Entwicklung gerechtfertigt.   https://www.bverwg.de/de/250118B6B38.18.0
Mit anderen Worten: "Die Frage, die sich für  a. dennoch stellt, stellt sich eben nicht!"

Warum?

Kommen wir zu meinem eigentlichen Ansatz und nehmen mal an, deine Analyse über den Art 10 wäre nicht belanglos und lassen den Rechtsweg mal außen vor. (Passiert hier im Forum sowieso häufiger :'( )
Dann steht dort folgendes Gesetz:

Zitat
Art. 10 EMRK
Freiheit der Meinungsäußerung

(1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung.
Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben.
Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Hörfunk-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.
Nun meine Fragen im Bezug zum Art. 10, du kannst sie sogar in den Bezug zum Art 5 Abs. 1 u. 2 des GG nehmen, wie das Gericht es vorzieht. https://dejure.org/gesetze/GG/5.html

Frage¹:    Ist deine Meinungsäußerung eingeschränkt oder die von anderen?
Frage²:    Wirst du oder andere daran gehindert, zu empfangen oder deine Meinung weiterzugeben?
Frage³:    Ist es Möglich, das  a. in dieses Gesetz etwas mehr hineininterpretierst als dort verfasst wurde?

Und bitte nicht vergessen, der Art. 10 des EMRK hat darüber hinaus noch einen Abs. 2
https://dejure.org/gesetze/MRK/10.html

Zitat
(2) Die Ausübung dieser Freiheiten ist mit Pflichten und Verantwortung verbunden; sie kann daher Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit oder die öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen oder zur Wahrung der Autorität und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung.
Mit Fragen dazu halte ich mich mal zurück.  ;)


Allerdings, stellen sich diese Fragen normalerweise nur, wenn der Rechtsweg keine Rolle spielt.  :)

Lev


Meine Rechtschreibung bitte ich zu entschuldigen (LRS)
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Roggi am 07. Juni 2018, 22:56
Wenn ich den Textteil nehme, den ich für meine Zwecke brauche, lese ich folgendes:
Zitat
Dieses Recht schließt die Freiheit ein, Informationen ohne behördliche Eingriffe zu empfangen.
Der behördliche Eingriff findet statt, wenn ich gezwungen werde, Rundfunkteilnehmer zu sein. Denn das passiert, wenn ich den Rundfunkbeitrag bezahle: Ich bezahle dann als Rundfunkteilnehmer diejenigen, die eine Meinung und Ideologie verbreiten, die ich teilweise ablehne.
Zusätzlich werden die Informationen durch behördliche Eingriffe weitergegeben (gesendet). Ohne mein zwangsweise abgepresstes Geld würde genau derjenige nicht finanziert, der diesen Quatsch verbreiten will (naja, etwas übertrieben, aber ohne Zwangsfinanzierung gäbe es weniger Quatsch)
Sicherlich wäre aber dieser Artikel 10 so auszulegen, dass die Behörden sich aus dem Rundfunk und dessen Finanzierung rauszuhalten haben. Sie müssten sich sogar dafür einsetzen, dass der Rundfunkveranstalter uns nicht behelligt. Ein selbsternannter Journalist kann doch einem selbsternannten Politiker kein Mikrofon unter die Nase halten und von mir mit Androhung von Gefängnis verlangen, dass ich diesen Quatsch finanzieren soll. Ein Richter müsste so viel Grips haben und feststellen, dass es genügt, wenn diejenigen das bezahlen, die das haben wollen: "Lieber Journalist, wenn du überzeugt bist, dass es genügend Leute gibt, die deinen Quatsch haben wollen, dann hole dir bei denen dein Geld und lass die anderen sich woanders informieren, wenn sie für andere Informationsquellen bezahlen wollen."
Ein Richter war zumindest schon mal so Weise und sagte: "Diesen Quatsch seh ich mir nicht an."

Im zweiten Absatz wird ohnehin bestimmt, dass die Rechte anderer geschützt werden müssen. Meine Rechte werden missachtet, wenn Zwang ausgeübt wird.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 08. Juni 2018, 09:13
Sicherlich wäre aber dieser Artikel 10 so auszulegen, dass die Behörden sich aus dem Rundfunk und dessen Finanzierung rauszuhalten haben.
Freilich, aber eben nicht nur Behörden, sondern jede "public authority", wie wir ja der verbindlichen englischsprachigen Ausgabe entnehmen können.

Zitat
Sie müssten sich sogar dafür einsetzen, dass der Rundfunkveranstalter uns nicht behelligt.
Dieses gilt dann wiederum für Behörden, die ja verpflichtet sind, die Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte gegenüber dem Bürger zu gewährleisten.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: drboe am 08. Juni 2018, 10:48
Ich bezahle dann als Rundfunkteilnehmer diejenigen, die eine Meinung und Ideologie verbreiten, die ich teilweise ablehne.

So einfach ist das u. U. nicht. Nehmen wir doch einfach einmal an, der ÖR-Rundfunk wäre als Rundfunkbehörde in jedem Bundesland etabliert und würde aus Steuermitteln bezahlt. Das wäre dann eine Behörde wie die Schulbehörde, die Baubehörde, das Denkmalschutzamt, die Wirtschaftsbehörde, das Strassenverkehrsamt, die Polizei. Und man würde die dann natürlich ebenfalls bezahlen müssen, obwohl sie genau das Gleiche machen wie jetzt.

Ich wette, man findet mit leichter Mühe in seiner näheren Umgebung von Behörden geplante oder durchgeführte Aktivitäten, die einem ganz und gar nicht in den Kram passen. Man muss die dennoch bezahlen, über Steuern nämlich. Zwar ist dein Argument nicht falsch, aber es gibt eine Lösung für dieses Problem, die vermutlich wenig befriedigend ist; die oben skizzierte Umwidmung in eine echte Rundfunkbehörde. Zudem kann man dir durchaus entgegenhalten, dass alle Mitglieder der Gesellschaft andere Meinungen aushalten müssen. Es ist dir so gesehen also zuzumuten, dass du diejenigen mit finanzierst, die dir nicht nach dem Mund reden. Das entwertet nicht den dahinter stehenden Wunsch nach fairer, wahrheitsgemäßer Berichterstattung und den Verzicht auf Manipulation, wie das z. B. bei der Betrachtung von Kriegen, Krisen, Parteien oder dem durchsichtigen Versuch eine Zwangszahlung für den Rundfunk zum Solidarbeitrag umzudeuten deutlich wird. Aber in einer öffentlichen Diskussion kann der angegriffene Gegner (Politiker, Vertreter des ÖR-Rundfunks) solche Äußerungen ohne große Mühe kontern.
Wenn man also rüberbringen will, dass man den ÖRR nicht bezahlen will, weil er so (schlecht) ist, wie er ist, dann könnte man das tun, indem man ihm das vorwirft, was er vor allem ist: einseitig. Er ist ohne Not pro Regierung, pro EU und vor allem pro USA. Man bezeichnet Al Khaida Mörder als "gemässigte Rebellen", behauptet ständig eine Annexion der Krim (was juristisch betrachtet nicht zutrifft, politisch kann man da anders sehen), benennt Staatschefs als "Machthaber" - merkwürdiger Weise nie bei den USA, Frankreich, GB usw. - reiche Leute anderswo als Oligarchen, - Frau Klatten ist keine Oligarchin? - und tut so, als ob die meisten Kriege in der Welt "Friedensmissionen" und nicht Angriffskriege seien und nicht vor allem wirtschaftlichen wie geopolitischen Zwecken dienen. Die Freiheit in der BRD wird aber sicher nicht am Hindukush verteidigt, nicht in Syrien oder Mali, Senegal, Irak, Kosovo und anderswo.

Kurz: konkrete Kritikpunkte nennen, sich womöglich sogar für einen ÖR-Rundfunk aussprechen, nur eben nicht für diesen ÖR-Rundfunk. 

Ende der Taktikkurzvorlesung! 8)

M. Boettcher
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Roggi am 08. Juni 2018, 12:54
Ok, das kommt dabei raus, wenn ich aus dem Stehgreif antworte. Ein Aspekt wurde von mir beispielhaft aus unzähligen Argumenten herausgegriffen und dann nur unzulänglich erläutert. Da so etwas ständig auch bei anderen Klägern in mündlichen Gerichtsverhandlungen passiert, ist es gut und wichtig, wenn jemand davor warnt, wie schnell  der Gegner dieses und andere schlecht ausformulierte Argument entkräften kann.
Vermutlich war mein Beispiel auch ungeeignet für dem EMRK, sondern gehört eher zu dem Grundrecht, nicht gegen sein Gewissen handeln zu müssen.
Welche Argument sich ergeben, wenn man Artikel 10 EMRK heranziehen will, muss wohl erst noch ausdiskutiert werden. Bisher haben wir nur den Text als solchen genommen, aber um gerichtsfest zu werden, braucht es schon handfeste Paragraphen statt bloße Behauptungen. Niemand kann zum EGMR ziehen und behaupten, eine Behörde mischt sich in seine Informationsfreiheit ein. Da muss dann das Gesetz, der Paragraph und der Verwaltungsakt genau bezeichnet werden. Sollte es schon frühere Urteile zu dem Thema geben, können Zitate daraus hilfreich sein.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Spark am 08. Juni 2018, 13:51
Niemand kann zum EGMR ziehen und behaupten, eine Behörde mischt sich in seine Informationsfreiheit ein.
Eine staatliche, zwangsweise Lenkung der Mittel ist ein Eingriff in die Informationsfreiheit und unvereinbar mit Artikel 5 GG.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 08. Juni 2018, 16:11
Wenn ich das richtig einschätze, ist das Thema der negativen Informationsfreiheit auch beim Bundesverfassungsgericht noch lange nicht durch, da es nach meinem Kenntnisstand zu den Verfahren gegen die PC-Internet-Gebühr kein Urteil gab, sondern nur Nichtannahmebeschlüsse.
http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2012/08/rk20120822_1bvr019911.html
Auch wenn diese teilweise begründet wurden, kann man meiner Ansicht nach nicht von einer echten Auseinandersetzung mit dem Thema durch das Bundesverfassungsgericht sprechen. Es wäre also durchaus sinnvoll eine Ausschöpfung des Rechtsweges mit diesem Themenschwerpunkt anzusteuern, da die vorherigen Klagen vielleicht nicht wirklich gut waren. Man sollte sich auch mit den Argumenten der Gegenseite auseinandersetzen, so denn dass diese überhaupt vorgetragen werden.
Woher hat das Bundesverfassungsgericht eigentlich den Unsinn von der Flucht aus der Gebühr hergenommen, der im obigen Beschluss mehrfach auftaucht?
Es gibt in Deutschland offensichtlich eine Verleumdung von Minderheiten (Nicht-Nutzer von Rundfunk und Fernsehen) und Opposition (Gegner von jeglicher Form des Staatsfernsehens), durch die sich die Gerichte beeinflusst lassen. Dagegen muss man sich auch argumentativ zur Wehr setzen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind mit ihren verleumderischen Kampagnen unseriös und nicht wir.   

@lev: zu den unterschiedlichen Verfahrenswegen von EGMR und EuGH verweise ich nach:
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=26894.0
Mit dem, was in Blau markiert ist, wollte ich nur sagen, dass die Artikel der EU-Charta in der Formulierung den Artikeln aus den EMRK sehr ähnlich sind. Es kann natürlich zu divergierenden Auslegungen kommen, wo bei die Europäische Union scheinbar dem EGMR beigetreten ist, wenn ich den folgende Webseite zum Ratifizierungstand des 15. Protokolls richtig verstanden habe (siehe dort ganz unten):
 https://www.coe.int/de/web/conventions/full-list/-/conventions/treaty/213/signatures?p_auth=rBNqDo11
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 08. Juni 2018, 18:38
@art17GG

Der Europarat hat prioritär nichts mit der Europäischen Union zu tun; richtig wäre lediglich, daß die Länder der Europäischen Union auch Länder des Europarates sind, derzeit jedenfalls.

Die von Dir erwähnte Thematik wird nicht mit dem 15. Protokoll abgehandelt.

Daß die Europäische Menschenrechtskonvention auch Recht der Europäischen Union ist, ist dem Vertrag über die Europäische Union zu entnehmen; diese Thematik wurde zudem im Forum bereits angesprochen.

Zitat
Protokoll (Nr. 8 )
   zu Artikel 6 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union über den Beitritt der Union zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten

Zitat
Artikel 6

(ex-Artikel 6 EUV)

(1)   Die Union erkennt die Rechte, Freiheiten und Grundsätze an, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7. Dezember 2000 in der am 12. Dezember 2007 in Straßburg angepassten Fassung niedergelegt sind; die Charta der Grundrechte und die Verträge sind rechtlich gleichrangig.

Durch die Bestimmungen der Charta werden die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten der Union in keiner Weise erweitert.

Die in der Charta niedergelegten Rechte, Freiheiten und Grundsätze werden gemäß den allgemeinen Bestimmungen des Titels VII der Charta, der ihre Auslegung und Anwendung regelt, und unter gebührender Berücksichtigung der in der Charta angeführten Erläuterungen, in denen die Quellen dieser Bestimmungen angegeben sind, ausgelegt.

(2)   Die Union tritt der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei. Dieser Beitritt ändert nicht die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten der Union.

Zitat
PROTOKOLL (Nr. 8 )

ZU ARTIKEL 6 ABSATZ 2 DES VERTRAGS ÜBER DIE EUROPÄISCHE UNION ÜBER DEN BEITRITT DER UNION ZUR EUROPÄISCHEN KONVENTION ZUM SCHUTZ DER MENSCHENRECHTE UND GRUNDFREIHEITEN

DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN

SIND über folgende Bestimmungen ÜBEREINGEKOMMEN, die dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügt sind:

Artikel 1

In der Übereinkunft über den Beitritt der Union zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden "Europäische Konvention") nach Artikel 6 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union wird dafür Sorge getragen, dass die besonderen Merkmale der Union und des Unionsrechts erhalten bleiben, insbesondere in Bezug auf

a)
die besondere Regelung für eine etwaige Beteiligung der Union an den Kontrollgremien der Europäischen Konvention;

b)
die nötigen Mechanismen, um sicherzustellen, dass Beschwerden von Nichtmitgliedstaaten und Individualbeschwerden den Mitgliedstaaten und/oder gegebenenfalls der Union ordnungsgemäß übermittelt werden.

Artikel 2

In der Übereinkunft nach Artikel 1 wird sichergestellt, dass der Beitritt der Union die Zuständigkeiten der Union und die Befugnisse ihrer Organe unberührt lässt. Es wird sichergestellt, dass die Bestimmungen der Übereinkunft die besondere Situation der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Europäische Konvention unberührt lassen, insbesondere in Bezug auf ihre Protokolle, auf Maßnahmen, die von den Mitgliedstaaten in Abweichung von der Europäischen Konvention nach deren Artikel 15 getroffen werden, und auf Vorbehalte, die die Mitgliedstaaten gegen die Europäische Konvention nach deren Artikel 57 anbringen.

Artikel 3

Keine der Bestimmungen der Übereinkunft nach Artikel 1 berührt Artikel 344 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

Zitat
Artikel 344

(ex-Artikel 292 EGV)

Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung der Verträge nicht anders als hierin vorgesehen zu regeln.

KONSOLIDIERTE FASSUNGEN

DES VERTRAGS ÜBER DIE EUROPÄISCHE UNION UND DES VERTRAGS ÜBER DIE ARBEITSWEISE DER EUROPÄISCHEN UNION

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=uriserv:OJ.C_.2016.202.01.0001.01.DEU&toc=OJ:C:2016:202:TOC
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 13. Juni 2018, 14:28
Damit sind wir wieder im Bereich des Art. 11 der EU-Charta und dem Verfahrensweges zum EuGH in Luxemburg. Nachdem ich das Protokoll 29 aus den erwähnten Arbeitsweisen der Europäischen Union gelesen habe, bin ich jedoch eher skeptisch, ob ein Verfahren in Luxemburg überhaupt möglich ist.

Daher sehe ich eher die Möglichkeit vor dem EGMR wegen Art. 10 EMRK zu klagen, wobei es dort eben nicht um die Frage des Abgabenrechtes gehen kann, sondern vielmehr um die Frage der Trennung zwischen Staat und Medien. Die Frage der Informationsfreiheit betrifft natürlich auch die Frage, inwieweit es möglich ist, sich in einem Land entgegen der vorherrschenden Meinung des Staates zu informieren, was in einem totalitären Staat eben nur schwer möglich ist.
Hier muss man sich dann wirklich mal Gedanken über die Doktrin der staatlichen Pressefreiheit machen, wie sie von den Medien, Gerichten und Regierungen in Deutschland vertreten wird. In dieser Doktrin vertreten diese Institutionen offensichtlich die Auffassung, dass Pressefreiheit nur dann möglich sei, wenn der Staat die Finanzierung von Medien (insbesondere Rundfunk und Fernsehen) sicherstellt. Es wäre also durchaus hilfreich, wenn wir zum Bereich der Informationsfreiheit ein Gutachten hätten, wie es zum Bereich des Abgabenrechtes mehrere gab. Ein solches Gutachten sollte dann natürlich nicht aus dem Bereich der Medien kommen, sondern aus dem Bereich der Rechtsphilosophie oder des Staatsrechtes kommen. Denn es sollte um Demokratie und grundlegende Werte, wie sie durch Grundrechte und Menschenrechte bestimmt werden, gehen, und nicht darum, ob die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gute oder schlechte Medienvertreter sind.         
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: marga am 13. Juni 2018, 18:01

In dieser Doktrin vertreten diese Institutionen offensichtlich die Auffassung, dass Pressefreiheit nur dann möglich sei, wenn der Staat die Finanzierung von Medien (insbesondere Rundfunk und Fernsehen) sicherstellt.
   

Auch der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes hat im Jahre 2009 schon dazu seinen "Senf" abgegeben:

Guggst du Ausschnitt aus:

Wendt/Rixecker, Verfassung des Saarlandes
Kommentar
Herausgegeben von den Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes
Verlag Alma Mater, Saarbrücken
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Veröffentlichung in der Deutschen Nationalbibliographie. Die bibliographischen Daten im Detail finden Sie im Internet unter http:/ /dnb.ddb.de
©Verlag Alma Mater, Saarbrücken. 2009
www.verlag-alma-mater.de
Druck: PRISMA Druck GmbH, Saarbrücken
ISBN 978-3-935009-37-9

Quelle: https://www.verfassungsgerichtshof-saarland.de/Kommentar%20SVerf%20(Endfassung%2022-06-09).pdf (https://www.verfassungsgerichtshof-saarland.de/Kommentar%20SVerf%20(Endfassung%2022-06-09).pdf)

Zitat
(…)
3. Die Pressefreiheit. Art. 5 Abs.1 verbrieft das Individualrecht auf freie Meinungsäußerung.
Im Gegensatz zu Art. 5 GG sind die Rundfunk- und die Pressefreiheit nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht explizit gewährleistet.
Eine ähnliche Ausgangslage findet sich auch in Art. 10 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK).
Hier wird neben der individuellen Meinungsfreiheit nur die Informationsfreiheit ausdrücklich genannt
.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sieht aber die Rundfunk- und Pressefreiheit als Teil der durch Art. 10 EMRK umfassend gewährleisteten Meinungsfreiheit an.
Sowohl die Presse- als auch die Rundfunkfreiheit sind damit als Ausprägungen der Meinungsfreiheit innerhalb der EMRK anerkannt (vgl. Heer-Reißmann in: Dörr/Kreile/Cole, Handbuch Medienrecht, S. 24 ff.).
Das Recht auf freie Meinungsäußerung wird deshalb teilweise auch als „Mutterrecht“ aller kommunikativen Grundrechte bezeichnet, welches auch andere Freiheitsrechte wie die Presse- und die Medienfreiheit gewährleiste (Sólýom in: Tin-nefeld/Phillips/Heil, Informationsgesellschaft und Rechtskultur in Europa, S. 72 ff.).
In diesem Sinne muss auch der Art. 5 Abs.1 verstanden werden.
Er enthält die Gewährleistung, dass jedermann das Recht hat, seine Meinung durch Schrift, Druck, Bild oder in sonstiger Weise zu äußern.
Durch Auslegung kann man daher ohne weiteres zu dem Schluss gelangen, dass auch die Rundfunk- und Pressefreiheit in die aktive Meinungsfreiheit eingeschlossen sind.

Artikel 5 [Kommunikationsfreiheiten; Kunst- und Wissenschaftsfreiheit] S. 95 Dörr die Funktionsfähigkeit der Demokratie.
Aus dieser dienenden Funktion der Rundfunkfreiheit folgt nach Ansicht des BVerfG ein einfachgesetzlicher Ausgestaltungsvorbehalt, mit dem sichergestellt werden soll, dass ein freier, d.h. umfassend und ausgewogen informierender Rundfunk gewährleistet wird.
(...)
Hervorhebung durch user @marg
Zitat
(...)
Nimmt man die neuere Rechtsprechung des EGMR zu Art. 10 EMRK in den Blick, so wird deutlich, dass der Straßburger Gerichtshof zwar die Rundfunkfreiheit – wie hier an anderer Stelle bereits erläutert – als Teil der Meinungsäußerungsfreiheit in Art. 10 EMRK individualrechtlich versteht.
Er hat aber den Gedanken der „dienenden Funktion“ der Medien für die Demokratie und die Informationsfreiheit an anderer Stelle, nämlich bei Art. 10 Abs.2 EMRK aufgegriffen und nutzbar gemacht.
Er betonte die Notwendigkeit, den Medienpluralismus zu sichern.
Der EGMR berücksichtigt somit die gesellschaftlich-kulturelle und politisch-demokratische Dimension der Medien, wenn auch im Rahmen der Schrankenbestimmung (vgl. Heer-Reißmann in: Dörr/Kreile/Cole, Handbuch Medien-recht, S. 26 f.).
Auch nach der Rechtsprechung des EuGH stellt die Aufrechterhaltung eines pluralistischen Rundfunk- und Fernsehwesens im Hinblick auf Art. 10 Abs. 2 EMRK ein zwingendes Allgemeininteresse dar, das Beschränkungen der Grundfreiheiten zu rechtfertigen vermag (vgl. EuGH, Slg. 1991, I-4007, Rdn. 22; Slg 1997, I-3689, Rn 18, 26; Dörr in: Dörr/Kreile/Cole, Handbuch Medienrecht, S. 36.).

b) Ausgestaltung nach der Konzeption der saarländischen Landesverfassung.
Nach der Konzeption der saarländischen Landesverfassung ist es angesichts deren Ähnlichkeit mit Art. 10 EMRK naheliegend, den Gedanken der Sicherung der Medienvielfalt nicht mittels der Ausgestaltungsdogmatik, sondern ebenfalls erst bei den Schranken aufzugreifen.
Damit wird nicht etwa der Grundrechtsschutz im Vergleich zum Grundgesetz notwendig verkürzt, was im Hinblick auf Art. 142 GG nicht hingenommen werden könnte.
Es geht nicht um ein mehr oder weniger an Grundrechtsschutz, sondern um einen anderen Weg, also ein aliud.
Die Ablehnung der Figur der „dienenden Freiheit“ und der daraus folgenden „Ausgestaltungsdogmatik“ führt nicht automatisch dazu, dass rundfunkrechtliche Sonderregelungen oder gar die Bestimmungen zur Sicherung der Meinungsvielfalt aufgehoben werden müssen (Hain, in Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2007/I, S. 31 ff.).
Vielmehr gilt nach wie vor, dass für den freiheitlich demokratischen Staat und die private Selbstentfaltung wie die demokratische Partizipation seiner Bürger die Freiheitlichkeit des Prozesses der Meinungs- und Willensbildung von essentieller Bedeutung ist.
Daher muss die Ordnung des Mediensektors wie sonstiger meinungsrelevanter Bereiche so strukturiert sein, dass sie dem unaufgebbaren Ziel der Freiheitlichkeit der Meinungsbildung entspricht.
(...)

Hervorhebung durch user @marga
Und weiter …
Zitat
(...)
Das Grundgesetz definiert nicht, was Rundfunk ist, sondern setzt ihn voraus.
In Art. 5 ist der Rundfunk wie gezeigt noch nicht einmal ausdrücklich genannt, es muss jedoch trotzdem ermittelt werden, was verfassungsrechtlich dem Rundfunk unterfällt.
Dabei ist der besonderen Rolle des Rundfunks und seiner Bedeutung für die Demokratie Rechnung zu tragen.
Er ist Medium und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung.
Daraus leitet das BVerfG ab, dass es eine erschöpfende Definition dessen, was Rundfunk im verfassungsrechtlichen Sinne bedeutet, nicht gibt (BVerfGE 74, 297, 350).
Der Gehalt des Rundfunkbegriffs kann sich vielmehr wandeln (BVerfGE 73, 118, 154 f.; 74, 297, 350).
Von solch einem dynamischen Rundfunkbegriff ist auch im Rahmen des Art. 5 auszugehen, um eine Entwicklungsoffenheit zu gewährleisten.
Folgende Elemente sind – Anhaltspunkte dafür bietet der in § 2 RStV verwendete Rundfunkbegriff, der allerdings im Hinblick auf seine einfachgesetzliche Herkunft nicht ohne weiteres auf die verfassungsrechtliche Ebene übernommen werden kann – für den verfassungsrechtlichen Rundfunk von Relevanz:
Die Bestimmung an die Allgemeinheit, die fernmeldetechnische Verbreitung und die Darbietung.
Für die Allgemeinheit bestimmt ist eine Sendung oder Darbietung dann, wenn sie sich an einen unbestimmten Personenkreis, also an eine beliebige Öffentlichkeit richtet (Hoffmann-Riem, AfP 96, 10).
Das Merkmal der fernmeldetechnischen Verbreitung stellt auf die technische Seite ab, es muss die Technik des Funks verwendet werden, also unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen längs oder mittels eines Leiters oder ohne Verbindungsleitung ausgestrahlt werden (Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 2 RStV, Rdn. 7).
Darbietungen sind nur solche Kommunikationsangebote, die zur öffentlichen Meinungsbildung bestimmt oder wenigstens geeignet sind (Dörr in: Ditt-mann/Fechner/Sander, S. 125).
(…)
Hervorhebung durch user @marga
Bild dir deine Meinung!
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 13. Juni 2018, 22:28
In Relation des Bürgers zum ÖRR geht es primär aber nicht um die Meinungs-, sondern um die Informationsfreiheit, also die Freiheit der Informationsbeschaffung ohne jede staatliche Einflußnahme, also ->

"without interference by public authority" - "Ohne Einflußnahme durch öffentliche Authorität"

Der ÖRR hat das Recht, keine Einflußnahme des Staates in seine Meinungs- und Informationsfreiheit zu dulden, der Bürger aber auch, und zwar völlig gleichrangig.

Zitat
Beschluß   
des Ersten Senats vom 3. Oktober 1969   
- 1 BvR 46/65 -

http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv027071.html

auch zu den internationalen wie europäischen Grundrechten in Sachen Informations- und Meinungsfreiheit.

Zitat

    1. Das in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten (Informationsfreiheit), steht als selbständiges Grundrecht gleichwertig neben der Meinungs- und Pressefreiheit.
[...]

Das Grundgesetz/Grundrecht schützt den Einzelnen vor übermäßigen Eingriffen durch den Staat in seine Privatautonomie?

Gemäß BVerfG dürfen sich juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht in eigener Sache auf die Art. 1 bis 17 GG stützen, (siehe Thema dazu im Forum), sondern haben vielmehr diese Grundrechte gegenüber anderen Personen zu gewährleisten.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 09. Juli 2018, 14:13
Die Doktrin der staatlichen Pressefreiheit steht durchaus in einem kontradiktorischen Verhältnis zur Idee der Informationsfreiheit. Da der Begriff „Information“, vor allem wegen seine Vieldeutigkeit, immer noch als ungeklärter Terminus gilt, kann und sollte man die fehlende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema der Informationsfreiheit bemängeln.

Auch wenn ich einige Konklusionen aus dem Artikel nicht teile, kann ich die folgende Arbeit zum Thema empfehlen: Heesen, Jessica: Individuelle Freiheitsrechte als Grundlage einer Ethik des Internet. In (Hausmanninger, Th.; Capurro, R. Hrsg.): Netzethik – Grundlegungsfragen der Internetethik. München, Fink, 2002; S. 163-177.

Im abstract des Artikels findet man folgende durchaus nützliche Feststellung (hervorgehoben von mir), die als Ansatz für weitere Arbeiten verwendet werden kann:
Zitat
Die Informations- und Medienethik ist ein Forschungszweig mit emanzipatorischem Anspruch. Normative Grundlage ihrer Praxis ist das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und freie Informationsbeschaffung. Die Interpretation und Umsetzung dieser Grundrechte ist geleitet durch eine allgemeine Idee von Freiheit, die gemäß der unterschiedlichen Weltanschauungen variiert und auch in verschiedenen Medientechniken und ihren Nutzungsweisen zum Ausdruck kommt.
Der Rundfunk einerseits und das Internet andererseits spiegeln ideologische Brüche im Kontext des Freiheitsverständnisses besonders deutlich wider.
Der folgende Beitrag soll zeigen, welche Differenzen Rundfunk und Internet in Bezug auf den zugrundeliegenden Freiheitsbegriff und den daraus hervorgehenden Kommunikationszielen aufweisen. Es wird der These nachgegangen, dass die Informations- und Kommunikationstechnik einem Verständnis entspricht, das Freiheit als Unabhängigkeit von allen Beschränkungen in normativer und materieller Perspektive interpretiert, wogegen die Rundfunktechnik auf einen normgeprägten und kontextuell relativierten Autonomiebegriff zurückgeht. Es wird gezeigt, dass der negative Freiheitsbegriff vieler Netzaktivisten jedoch nur die Funktion einer regulativen Idee hat. Die Verfolgung dieser Idee hat das Ziel, das praktische Interesse der Internetnutzer an einer Selbststeuerung durch die individualisierte Massenkommunikation voranzubringen. Aus diesem Umstand ergeben sich neue Anforderungen an einen demokratisch verantworteten Begriff von Medienfreiheit, der in den interaktiven Medien individuell - statt wie bislang institutionell - verwirklicht werden soll. Eine Kritik der Gleichsetzung von Individualisierung und Freiheit in Bezug auf die Internetkommunikation verdeutlicht, dass Pluralität und Unabhängigkeit der Medien insgesamt nur dann gewahrt werden, wenn diese Werte nicht nur individuell, sondern auch durch allgemeine rechtliche Normen etabliert werden.


Die Einschränkung der Informationsfreiheit durch die Auferlegung einer Rundfunkgebühr auf die Nutzung des Internets ist dabei nur einer der Schritte gewesen, um die Nutzung von Information aus dem Netz zu steuern. Eine Steuerung, von der wir mittlerweile wissen, dass sie mehr Schaden anrichtet, als dass sie Missstände beseitigt. Diese beabsichtigte Steuerung der Informationsfreiheit durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wird häufig als Argument für die Forderung nach einer Stärkung dieser Rundfunkanstalten ins Feld geführt, ohne dass dies tatsächlich einen sachlichen Hintergrund hätte. Es wird hier lediglich sehr allgemein darauf hingewiesen, dass es sehr viel Hetze im Netz gäben würde und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dem entgegenwirken würden, ohne dass dabei aufgezeigt wird, wie dies eigentlich geschieht.
Im Artikel „Böhmermanns Schmähkritik im Wortlaut“ zeigt die Rheinische Post in ihrer Ausgabe vom 16. April 2016 vielmehr auf, dass Hetze gegen Personen nicht etwas eigentümliches ist, was man nur im Internet findet, sondern durchaus etwas ist, was man auch bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten findet. Die Sendung, um die es dabei geht, werden wahrscheinlich nicht viele Menschen im Fernsehen gesehen haben, so dass man davon ausgehen muss, dass der hohe Bekanntheitsgrad besagter Schmähkritik erst dadurch zustande gekommen ist, dass die Sendung auf den Webseiten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten veröffentlicht wurde. Das Internet wurde also dazu missbraucht, um dieses Machwerk überhaupt erst bekannt zu machen.
Dieses Beispiel zeigt einen nicht unerheblichen Unterschied zwischen Rundfunk und Internet auf, der in der wiederholbaren Abrufbarkeit von Information durch das Internet besteht. Eine solche Abrufbarkeit im positiven und im negativen Sinne führt dazu, dass Informationen länger und damit sachlicher überprüft werden können, als wie dies in Rahmen einer flüchtigen Fernsehsendung möglich ist.
Rundfunk und Internet sind unterschiedliche Medien, die ihren eigenen Regel unterliegen, wie der Artikel von Jessica Heesen sehr schön darlegt. Die Unterordnung des Internet unter dem Diktamen der Rundfunkanstalten führt in diesem Zusammenhang jedoch zu einer Einschränkung der Informationsfreiheit, da diese beiden Medien eben nicht miteinander kompatibel sind, auch wenn die Inhalte des einen Mediums im anderen Medium technisch übertragen werden können. Ein nicht unwichtiger Unterschied besteht auch darin, dass der Rundfunk über eine traditionell gewachsene Lobby verfügt, die dem neuen Medium natürlich kritisch, wenn nicht sogar feindselig, gegenüber steht. Eine Schwäche des Internets ist daher der Umstand, dass es selbst über keine Institution verfügt, die sich für die Emanzipation dieses Mediums einsetzt.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 09. Juli 2018, 21:01
Eine Schwäche des Internets ist daher der Umstand, dass es selbst über keine Institution verfügt, die sich für die Emanzipation dieses Mediums einsetzt.
Es könnte allenfalls unter Regie der UNO stehen, gehört doch das Internet grundsätzlich erst einmal keiner natürlichen oder juristischen Person; das Internet ist ein im Grunde selbst neutrales Medium, das jedem zur Verfügung steht, seine eigenen Auffassungen der Welt kundzutun und/oder die Meinungen der Welt zur Kenntnis zu nehmen; beides freilich jeweils inklusive der Negationsform.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: ope23 am 09. Juli 2018, 22:57
Auch wenn ich "verstehe", was mit dieser "Schwäche des Internets" gemeint ist/sein könnte, halte ich diese Schwäche für gar nicht gegeben.

Das "Internet" ist genauso ohne Eigentümer und ohne Besitzer wie die Gesamtheit der Druckmedien. Bücher und Zeitungen sind genauso frei oder unfrei - je nach Land und Weltgegend - wie das "Internet". Schriftsteller und Journalisten handeln selbständig so wie Blogger und andere Webbastler. Ich weiß nicht, ob man "Internet" eher als eine Art Allmende ansehen müsste. Der Zugang ist kostenpflichtig, die eigentliche Benutzung jedoch nicht.

So wie Schriftsteller und Journalisten Meinungs- und Pressefreiheit zu verteidigen wissen, sind es Internetaktivisten, die sich für die Nutzungsfreiheit des "Internets" einsetzen.

Der öR braucht gar nicht anzufangen, den deutschen "Kontinent" des "Internets" lizenzpflichtig zu machen. Dann bricht die deutsche Wirtschaft innerhalb weniger Minuten zusammen. Würde mich bei der Gier des öR aber nicht wundern, dass er es in Kauf nähme...


(Warum "Internet" in Gänsefüßchen? Weil man meistens nur das WWW meint. Falls der öR seinen "Telemedienauftrag" auf Mails ausdehnen will, wird's finster: Dann ist jeder Mailverteiler mit mehr als 500 Adressaten plötzlich "Rundfunk"  >:( )

Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 08. August 2018, 18:27
Nachstehend 2 englischsprachige PDF-Dokumente zum Nachlesen:

PUBLIC SERVICE MEDIA UNDER ARTICLE 10 OF THE EUROPEAN CONVENTION ON HUMAN RIGHTS
https://www.ebu.ch/files/live/sites/ebu/files/Publications/Art%2010%20Study_final.pdf

A Guide to the Interpretation and Meaning of Article 10 of the European Convention on Human Rights
https://rm.coe.int/16806f5bb3

Wer sich mit beidem näher befassen möchte, darf dieses tun.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: marga am 09. August 2018, 12:15
Wer sich mit beidem näher befassen möchte, darf dieses tun.
Hier ein kurzer "Klartextauszug" von den Prof´s:

Prof. Dr. Walter Berka
, Full Professor for
Constitutional and Administrative Law, University
Salzburg (Austria); Full Member of the Austrian
Academy of Science

Prof. Dr. Hannes Tretter
, Associate Professor for
Human and Fundamental Rights Law, University
of Vienna (Austria); Director of the Ludwig
Boltzmann Institute of Human Rights, Vienna

Zitat
Seite 15
Medien des öffentlichen Dienstes gemäß Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention

Sie verfügen nicht über ausreichende Mittel und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in einigen Mitgliedstaaten sind mit großen Problemen konfrontiert, die ihre politische Unabhängigkeit gefährden.

Die Lebensfähigkeit und sogar ihre finanzielle Grundlage, stellt eine direkte Bedrohung für die Existenz des Dualen Systems dar.

Folglich erinnert das Parlament die Mitgliedstaaten an ihr Engagement für  Europäische Normen – es empfiehlt in Ziffer 18 der Entschließung, dass sie angemessene, eine verhältnismäßige und stabile Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Medien, damit sie ihren Aufgaben gerecht werden können.

Gewährleistung politischer und wirtschaftlicher Unabhängigkeit und Beitrag zu einer integrativen Information und Wissensgesellschaft mit repräsentativen, qualitativ hochwertigen Medien für alle.

In ähnlicher Weise, aber noch weiter geht es mit der Empfehlung CM / Rec (2012) 1 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten im Bereich der öffentlichen Verwaltung von Medien fordert in Ziffer 15, das Funktionieren des Governance-Systems im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Auftrags, die Vision und die Gesamtsicht zu definieren.

Zweck des öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalters ist es  sicherzustellen, dass er für die Erfüllung seiner Aufgaben am besten gerüstet ist.

Um dieses Ziel zu erreichen, betont die Empfehlung in Ziffer 26 die Verantwortung des Staates, um die Methode und die Höhe der Finanzierung sowie die zwingende Notwendigkeit für das System festzulegen.

"Die öffentlich-rechtlichen Medien werden zu der für die Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlichen Finanzierung konsultiert und ihre Ziele werden bei der Festlegung der Höhe der Finanzierung berücksichtigt;
- die bereitgestellten Finanzmittel sind angemessen, um die vereinbarte Rolle und den Auftrag der öffentlich-rechtlichen Medien zu erfüllen, einschließlich der Bereitstellung ausreichender Sicherheit für die Zukunft, um eine vernünftige Planung für die Zukunft zu ermöglichen."

Die Erklärung des Ministerkomitees über die Unabhängigkeit und Aufgaben der Regulierungsbehörden.

Die Behörden für den Rundfunksektor vom 26. März 2008 legen die Finanzierungsmodalitäten fest, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter sollten nach einem klar definierten Plan gesetzlich festgelegt werden sowie in Bezug auf die geschätzten Kosten der Aktivitäten der Regulierungsbehörden, um sie zu ermöglichen und um ihre Funktionen vollständig und unabhängig auszuführen.

Die Art und Weise, wie die Mitgliedstaaten sicherstellen, die rechtlichen, finanziellen, technischen und sonstigen angemessenen Bedingungen, die erforderlich sind, um den öffentlichen Dienst zu ermöglichen.
  :o ??? ::)
Quelle: https://www.ebu.ch/files/live/sites/ebu/files/Publications/Art%2010%20Study_final.pdf (https://www.ebu.ch/files/live/sites/ebu/files/Publications/Art%2010%20Study_final.pdf)

Eine freie Textübersetzung aus dem englischen Text ohne Gewähr der Exaktheit.

Bild dir deine Meinung!
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 09. August 2018, 13:38
@marga

Es ist keine Aussage, daß es rechtens wäre, die Bürger zwangsabzuzocken.

Zitat
Hier ein kurzer "Klartextauszug" von den Prof´s:
Die im Zweifelsfalle befangen wären, weil für die EBU tätig? Dann darf man schon auch die PDF des EGMR studieren.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 10. August 2018, 14:48
Wer sich mit beidem näher befassen möchte, darf dieses tun.
Derartige Berichte beziehen sich nach meiner Einschätzung vor allem auf die vorherige Rechtsprechung zum Art. 10 EMRK, die uns nicht wirklich weiterhilft, da in der Regel der Bezug zum Rundfunkbeitrag hierüber nicht herstellbar ist. Daher habe ich einen neuen Ansatz in einem separaten Thread zur Diskussion ausgelagert:
 Die Doktrin der staatlichen Pressefreiheit in der deutschen Rechtsprechung
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,28411.msg178838.html#msg178838
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 10. August 2018, 18:42
da in der Regel der Bezug zum Rundfunkbeitrag hierüber nicht herstellbar ist
Diesen konkreten Bezug braucht es doch auch nicht, weil Art. 10 EMRK eine allgemeingültige Aussage enthält.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Frühlingserwachen am 12. August 2018, 09:54
PUBLIC SERVICE MEDIA UNDER ARTICLE 10 OF THE EUROPEAN CONVENTION
ON HUMAN RIGHTS
Übersetzt in Deutsch
Die ersten 7 Seiten in Bezug auf Artikel 10 EMRK sind sehr interessant.

Zitat
S.3

Vielmehr wird diese Rechtsgrundlage einen Ausgangspunkt für die Prüfung einiger grundlegender Fragen bieten, die in den Kontext von Artikel 10 in Bezug auf öffentlich-rechtliche Medien. Auf der Grundlage dieser Überlegungen werden wir feststellen, dass der rechtliche Status des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und anderer öffentlich-rechtlicher Medien nach Artikel 10 nicht eindeutig ist.

Zitat
S.3

Artikel 10 stellt eine Garantie für Menschenrechte dar, die nach dem traditionellen Konzept eines individuellen Rechts gestaltet und formuliert wurde, das jeder staatlichen oder juristischen Person Freiheit von staatlichen Eingriffen gewährt.

Zitat
S.4

das Bundesverfassungsgericht, wonach die Rundfunkfreiheit in erster Linie eine "objektive Funktion" und eine "dienende Freiheit" darstellt. Dieses Verständnis der Rundfunkfreiheit hat zu einer Garantie für die Existenz und Entwicklung von öffentlich-rechtlichen Medien geführt. Es ist jedoch schwierig, wenn nicht gar unmöglich, zu diesem Ergebnis nach Artikel 10 Absatz 2 zu kommen.


Zitat
S. 6/7

In der Entschließung Nr. 1 über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks" (1994) 23 verpflichteten sich die Teilnehmerstaaten, "die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vor politischen und wirtschaftlichen Einflüssen zu gewährleisten".

Danke an User Pinguin

https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22126.msg178865.html#msg178865

https://www.ebu.ch/files/live/sites/ebu/files/Publications/Art%2010%20Study_final.pdf


Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Frühlingserwachen am 13. August 2018, 13:29
Auch zur Frage, ob eine Einzelperson eine Vorlage am EuGH einreichen kann

https://www.echr.coe.int/Documents/Speech_20130409_Spielmann_Karlsruhe_DEU.pdf

Zitat
Dies funktioniert so nicht bei dem Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH. Denn Einzelpersonen können selbst das Verfahren nicht in Gang setzen. Sie können vor einem innerstaatlichen Gericht lediglich anregen, dass dieses eine Frage betreffend die Auslegung oder die Wirksamkeit einer EU-Rechtsbestimmung dem EuGH vorlegt, was dann erfolgen kann oder auch nicht. Folglich könnte auch eine Beschwerde, welche die Vereinbarkeit von EU-Recht mit der Konvention in Frage stellt, von der innerstaatlichen Ebene nach Straßburg gelangen, ohne dass der Gerichtshof mit der Frage befasst war. Der EuGH hat zu dieser Streitfrage in einem kurzen Diskussionspapier, das im Mai 2010 veröffentlicht wurde, Stellung genommen. Darin betonte er die Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips innerhalb des Konventionssystems, d.h. dass es primär Sache der Vertragsstaaten, einschließlich natürlich ihrer Gerichte, sei, die Menschenrechte zu achten. Der Europäische Schutzmechanismus sei subsidiär hierzu. 

Herr Kirchof kannte diesen Vortrag ganz genau. Er war zu dem Vortragszeitpunkt schon drei Jahre in seinem Amt.

http://www.europarl.europa.eu/factsheets/de/sheet/7/subsidiaritatsprinzip

Herr Kirchhof hätte spätestens nach Eingang der Klageflut an das BVerfG 2016/17 eine Vorlage an den EuGH richten müssen.
So musste Richter Sprißler vom Landgericht Tübingen im August 2017 Herrn Kirchhofs Job übernehmen.

Es scheint so, dass Herr Kirchhof niemals die Absicht gehabt hat, eine wesentliche Änderung des RBSTV anzugehen.
Herr Kirchhof scheidet aus und hinterlässt einen Scherbenhaufen. Wirklich kein rühmlicher Abgang.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 13. August 2018, 15:07
Auch zur Frage, ob eine Einzelperson eine Vorlage am EuGH einreichen kann

Diese Frage ist hier in diesem Thread auch nicht relevant, da wir immer noch beim Art. 10 EMRK und nicht bei Art. 11 EU-Charta sind. An den EGMR kann man sich nach Ausschöpfung des inländischen Rechtsweges auch ohne Anwalt erst einmal selbst wenden.

Klage vor EGMR gegen Direktanmeldung wegen Verstoß gegen Art. 6 und 13 EMRK
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=27528.0
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Frühlingserwachen am 13. August 2018, 15:14
@art18GG
guckst Du hier

EGMR Menschenrechtskonvention - nach Entscheid BVerfG Juli 2018
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,28352.msg178423.html#msg178423
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 12. September 2018, 18:50
Der EGMR sagt, dass alle in Abs. 2 des Art 10 EMRK benannten Konditionen erfüllt sein müssen, um Einschränkungen des Art. 10 EMRK zu rechtfertigen.

Individualbeschwerde Nr. 51405/12
http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-183432
https://hudoc.echr.coe.int/eng#{%22itemid%22:%5B%22001-183432%22%5D}

Zitat
33. Der Gerichtshof stellt fest – und die Parteien stimmten dem zu –, dass die in dem vorliegenden Fall erlassene richterliche Anordnung einen Eingriff in das durch Artikel 10 der Konvention garantierte Recht der Beschwerdeführerinnen auf freie Meinungsäußerung darstellte.
34. Ein solcher Eingriff verletzt die Konvention, wenn er nicht die Erfordernisse aus Artikel 10 Abs. 2 erfüllt. Daher ist darüber zu entscheiden, ob der Eingriff „gesetzlich vorgesehen“ war, eines oder mehrere der in diesem Absatz genannten rechtmäßigen Ziele verfolgte und „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ war, um das oder die genannten Ziele zu erreichen.

Zitat
39. Der Gerichtshof verweist auf auf die in seiner Rechtsprechung niedergelegten allgemeinen Grundsätze zur Beurteilung der Notwendigkeit eines Eingriffs in die freie Meinungsäußerung, die in den Rechtssachen Bédat ./. Schweiz [GK], Individualbeschwerde Nr. 56925/08 (http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-180214), Rdnrn. 48 bis 54, ECHR 2016, und Couderc und Hachette Filipacchi Associés ./. Frankreich [GK], Individualbeschwerde Nr. 40454/07 (https://hudoc.echr.coe.int/eng#{%22languageisocode%22:%5B%22GER%22%5D,%22appno%22:%5B%2240454/07%22%5D}), Rdnrn. 88 bis 93, 10. November 2015, unlängst zusammengefasst worden sind. [...]

Zitat
42. Bei der Abwägung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und des Rechts auf Achtung des Privatlebens sind die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs niedergelegten Kriterien zu berücksichtigen (Couderc und Hachette Filipacchi Associés, a.a.O., Rdnr. 93; S. AG ./. Deutschland, a.a.O., Rdnrn. 89 bis 95). [...]


Edit "Bürger":
Danke @noGez99 für den Hinweis und dessen daraufhin oben eingepflegte klickbare Linkversion.
bzw. auf der jeweiligen Seite den im Kopf unter "Document URL: [...]" angegebenen Link verwendet.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Profät Di Abolo am 12. September 2018, 22:51
RECHTSSACHE A. UND R. ./. DEUTSCHLAND
(Individualbeschwerde Nr. 51405/12)
https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=EGMR&Datum=21.09.2017&Aktenzeichen=51405%2F12

Zum Absatz 2 Art. 10 EMRK, EGMR vom 26.04.1979 - 6538/74
Sunday Times / UK
https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Text=6538/74

Auch nicht schlecht ist
EGMR, 10.07.2014 - V 48311/10 (G.azprom Schröder)
https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=EGMR&Datum=10.07.2014&Aktenzeichen=48311/10

Zitat
... Russen-Gehalt – Verdient Schröder mehr als eine Million Dollar im Jahr?“ in dem Artikel wie folgt:

„Ex-Kanzler [...] und das russische Gas: Die Empörung schlägt in allen Parteien hohe Wellen. Denn Schröder wird Aufsichtsrats-Chef einer Firma, die für vier Milliarden Euro eine Gas-Pipeline von Rußland nach Deutschland durch die Ostsee bauen will. Als Kanzler hatte er das Projekt gegen viele Widerstände durchgesetzt.

...

77. Vor diesem Hintergrund gelangt der Gerichtshof zu der Schlussfolgerung, dass die Beschwerdeführerin mit der Veröffentlichung der beanstandeten Stelle die Grenzen der journalistischen Freiheit nicht überschritten hat. Ihrerseits konnten die deutschen Gerichte und die deutsche Regierung nicht überzeugend nachweisen, dass ein dringendes soziales Bedürfnis bestand, den Schutz des guten Rufes des ehemaligen Bundeskanzler Schröder über das Recht der Beschwerdeführerin auf Freiheit der Meinungsäußerung und das allgemeine Interesse zu stellen, dieser Freiheit Vorrang einzuräumen, wenn Fragen von öffentlicher Bedeutung auf dem Spiel stehen. Daher war der in Rede stehende Eingriff nicht „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“.

78. Es liegt folglich eine Verletzung des Artikels 10 der Konvention vor.

...

AUS DIESEN GRÜNDEN ENTSCHEIDET DER GERICHTSHOF EINSTIMMIG:

1. Er erklärt die Beschwerde einstimmig für zulässig.

2. Er entscheidet, dass Artikel 10 der Konvention verletzt ist.

3. Er entscheidet,

a) dass der beschwerdegegnerische Staat der Beschwerdeführerin innerhalb von drei Monaten, nachdem das Urteil gemäß Artikel 44 Absatz 2 der Konvention endgültig geworden ist, für Kosten und Auslagen den Betrag in Höhe von 36 338,25 EUR (sechsunddreißigtausenddreihundertachtundreißig Euro und fünfundzwanzig Cent), zuzüglich der Beträge, die als Steuer möglicherweise bei der Beschwerdeführerin angefallen sind, zu zahlen hat;

b) dass dieser Betrag nach Ablauf der genannten Frist bis zur Zahlung einfach zu verzinsen ist, und zwar zu einem Satz, der demjenigen der Spitzenrefinanzierungsfazilität der Europäischen Zentralbank entspricht, der in dieser Zeit Gültigkeit hat, zuzüglich drei Prozentpunkten.
 
4. Er weist im Übrigen den Antrag auf gerechte Entschädigung zurück.

Fiktive Personen G.(azprom) S, C, H, R, Ö, D, E, R: 37 000 Glocken? Peanuts! Eure Armut "Hartz"t mich an!

 :o
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: letus am 13. September 2018, 17:41
Wie stehen die Forenteilnehmer eigentlich der Idee gegenüber, eine Klage vor dem EGMR als Personenvereinigung zu erheben?

Nach meiner Einschätzung könnte man dadurch Risiken eliminieren, die Erfolgsaussichten steigern und gleich von Beginn an die Ausarbeitung einem kompetenten Anwalt überlassen, da eine Gruppe die finanziellen Mittel leichter aufzubringen vermag, als der Einzelkämpfer.
https://www.menschenrechtskonvention.eu/verfahren-vor-dem-europaeischen-gerichtshof-fuer-menschenrechte-9451/ (https://www.menschenrechtskonvention.eu/verfahren-vor-dem-europaeischen-gerichtshof-fuer-menschenrechte-9451/)

Die Voraussetzungen bestehen doch spätestens seit dem Urteil des BVerfG für die unterlegenen Kläger und überdies für alle, deren Beschwerden abgewiesen und/oder noch nicht verhandelt wurden.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 14. September 2018, 13:53
Auf das Thema der Informationsfreiheit als Bestandteil des Art. 10 EMRK wird in den Urteilen der Verwaltungsgerichte in der Regel nicht wirklich eingegangen. Man findet höchstens irgendwelche Behauptungen vom Typ, dass der öffentlich-rechtlich Rundfunk keine speziellen Informationen verbreiten würde und man deren Rundfunkangebot auch nicht nutzen müsste.
Zur Informationsfreiheit selbst schreibt das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 18. Juli so denn auch nur folgendes (siehe dort Rn. 135): 
BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018
- 1 BvR 1675/16 - Rn. (1-157),
http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.html
Zitat
135 [...] Ob das Grundrecht der Informationsfreiheit darüber hinaus auch gleichrangig im Sinne einer negativen Komponente davor schützt, sich gegen den eigenen Willen Informationen aufdrängen zu lassen (in diese Richtung BVerfGE 44, 197 <203 f.>), oder ob insoweit der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG einschlägig ist (vgl. zusammenfassend Fikentscher/Möllers, NJW 1998, S. 1337 <1340> m.w.N.), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn die Rundfunkbeitragspflicht begründet keinen Zwang zur Konfrontation mit den über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbreiteten Informationen, so dass es jedenfalls an einem Eingriff fehlt. Es wird weder unmittelbar noch mittelbar Zwang ausgeübt, die Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten anzusehen oder anzuhören (vgl. zur Rundfunkgebühr auch BVerwGE 108, 108 <117>).

Es ist natürlich nett, dass das Bundesverfassungsgericht uns noch nicht dazu zwingen will, die Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten tatsächlich nutzen zu müssen, dennoch werden wir dazu gezwungen, sie in direkter (unmittelbarer) Weise zu fördern, weil es keine Alternativen zur Verweigerung der Beitragspflicht gibt, um seine ablehnende Meinung gegenüber dieser auferlegten Förderungspflicht Ausdruck zu verleihen. Es sollte jedoch in einer pluralistischen Gesellschaft grundsätzlich möglich sein, die Förderung und den Konsum von Rundfunk und Fernsehen aus was für Gründen auch immer ablehnen zu können. Eine finanzielle Förderungspflicht der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unterstützt natürlich in manipulierender Weise die Informationen, die aus dieser Quelle kommen, wodurch wir gezwungen sind, diese Informationen auf indirekte (mittelbarer) Weise mit Geldmitteln zu fördern.
Damit haben wir im Förderungszwang sowohl eine unmittelbare als auch eine mittelbare Einschränkung der Informationsfreiheit. Hinzu kommt, dass viele Menschen diese Informationen aus der Zwangsförderung gar nicht nutzen wollen und können, weil sie nicht über die hierfür notwendigen Geräte verfügen, um den Empfang der Programme zu bewerkstelligen. Denn selbst bei der sehr gewagten Annahme des Bundesverfassungsgerichts, dass viele Menschen das Programmangebot mutmaßlicherweise über das Internet nutzen würden, wird nicht berücksichtigt, dass hierzu nicht nur die Anschaffung eines internetfähigen Gerätes, sondern auch die Installierung bestimmter Software notwendig ist. Damit kann nicht wirklich behauptet werden, dass ein flächendeckender Empfang bestehen würde, da es immer Menschen geben wird, die die Konsumgüter der Mediengesellschaft oder auch nur die Programme aus Rundfunk und Fernsehen ablehnen werden, da sich diese Menschen nicht die Mühe machen werden, solche Geräte und Software zu beschaffen.

Der Rest ist dann noch Diskriminierung auf Grund der Doktrin der staatlichen Pressefreiheit, wozu ich auf andere Threads verweise:
Die Doktrin der staatlichen Pressefreiheit in der deutschen Rechtsprechung
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,28411.msg178838.html 
Diskriminierung -> EU-Recht
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=23478.15
Beschwerden bei Menschenrechtsorganisationen zum Rundfunkbeitrag
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=28412.0
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 14. September 2018, 18:00
@art18GG

Es wäre tatsächlich wohl sogar noch vor dem EGMR zu klären, ob Rundfunknichtnutzer zur Finanzierung eines im Wettbewerb stehenden öffentlichen Rundfunkunternehmens überhaupt herangezogen werden können/dürfen.

Bei Rundfunknutzern schaut das schon anders aus, wie man der Entscheidung des EGMR in Sachen der ital. Rundfunksteuer entnehmen kann, die ja auch im Forum bereits "abgehandelt" worden ist:

Für EGMR wie EuGH ist eine Rundfunkgebühr eine Steuer
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22224.0.html (http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22224.0.html)

Es ist also auch seitens des EGMR, (nicht: EuGH), geklärt, dass auch rein private Rundfunksender konsummierende Rundfunknutzer zur Finanzierung des öffentlichen Rundfunks herangezogen werden können.

Geklärt ist dieses für den Bereich der Mitgliedsstaaten des Europarates, die nicht zeitgleich Mitglied der Europäischen Union sind, weil dessen höchstes Gericht, der EuGH, hier noch Verschärfungen vornehmen kann und vermutlich auch wird.

Zu prüfen wäre evtl. ebenfalls, ob es auch seitens des Europarates Verträge hat, die die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied des Europarates ratifizierte, somit ins Bundesrecht übernahm, und die unlautere Geschäftspraktiken zum Inhalt haben; dann griffe national mindestens BVerfG 2 BvN 1/95 zur Geltung von Art. 31 GG, obschon auch der EuGH dann noch eine Verschärfung draufsetzen könnte.

Es wird an dieser Stelle bedauert, dass der EGMR alleine für die EMRK zuständig ist und nicht für alle Verträge des Europarates, aber evtl. ist die EMRK der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die 47 Mitglieder des Europarates als "gerichtlich klärbar" einigen konnten?

Was diese Rn. 135 betrifft:
Bereits die Pflicht zur Finanzierung eines Informationsmediums, das man nicht nutzen möchte, ist für eine dieses Informationsmedium nicht nutzen wollende Person eine unzulässige Einflussnahme gemäß Art. 10 EMRK.

Jene Personen, die Rundfunk nutzen, aber lediglich "ihren" ÖRR infolge ihrer Art der Rundfunknutzung nicht finanzieren wollen, werden von Art. 10 EMRK nicht geschützt.

Geschützt werden alleine jene Personen, die Rundfunk als Informationsmedium insgesamt nicht nutzen.

Aber, wie geschrieben, der EuGH darf hier für den Bereich der Europäischen Union mit Bindungswirkung für alle Mitglieder der Europäischen Union, also auch für die Bundesrepublik Deutschland, jederzeit ob des vom EU-Parlament gesetzten Rechtes noch was draufsetzen.

Und dieses tut er damit, dass jede Person innerhalb der Europäischen Union die absolut freie Entscheidung darüber haben muss, welche Waren und Dienstleistungen sie konsummieren möchte, folglich bestellt und alleine zu finanzieren hat.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Spark am 14. September 2018, 19:32
Zitat BVerfG 18.07.2018 Rn. 135:
BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018
- 1 BvR 1675/16 - Rn. (1-157),
http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.html
Zitat
Denn die Rundfunkbeitragspflicht begründet keinen Zwang zur Konfrontation mit den über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbreiteten Informationen, so dass es jedenfalls an einem Eingriff fehlt. Es wird weder unmittelbar noch mittelbar Zwang ausgeübt, die Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten anzusehen oder anzuhören.
Was die Richter hier anscheinend übersehen (wollen), ist die Tatsache, dass die Konfrontation alleine schon darin besteht, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zwangsweise finanzieren zu müssen.
Wenn ich dazu genötigt werde, eine Religion, der ich nicht angehöre, zwangsweise mitzufinanzieren, ist das sehr wohl ein direkter Eingriff. Es bleibt nicht einmal die Möglichkeit der Wahl, ob man die Ideologie dieser Religion nun unterstützen will oder nicht.
Und der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist eine Staatsreligion, auch wenn das so manch einer nicht wahrhaben will. Eine Staatsreligion, der sich sogar die weltlichen Religionen bedingungslos untergeordnet haben.

Dieser ganze Rundfunkwahnsinn in der heutigen Zeit hat schon etwas Mittelalterliches. Dort war es nicht wesentlich anders. Was die Kirche vorgab, war unumstößliches Gesetz. Alles Abweichende wurde gnadenlos verfolgt.

Dazu noch ein nicht ganz unpassendes Zitat:
Zitat
„Die vollkommene Anpassung des Bewusstseins und seine objektive Unfähigkeit, sich Alternativen zum Bestehenden auch nur vorzustellen, ist die Ideologie der Gegenwart.“
Herbert Schnädelbach
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 17. September 2018, 15:14
Da die Ansichten der Menschen aus dem Medienbereich letztendlich auch eine Form der Weltanschauung darstellen, sehe ich hier auch durchaus einen Verstoß gegen die negative Religionsfreiheit aus Art. 9 EMRK im Bereich des Möglichen, wobei ich denke, dass der Art. 10 in Verbindung mit  Art. 14 EMRK eigentlich denselben Schutz vor der Verfolgung durch eine menschenverachtenden Ideologie gewähren sollte. Eine solche Ideologie liegt für mich jedenfalls immer dann vor, wenn mit Mittel der Gewalt versucht wird, andersdenkende Menschen zu überzeugen. Die Verfolgung von Minderheiten (Nicht-Nutzer von Rundfunk und Fernsehen) und Opposition (Gegner von Staatsfunk und ähnlichem) durch Vollstreckungsmaßnahmen und andere repressive Maßnahmen muss man als solch ein Mittel betrachten. 
Aus den seltsamen Nicht-Annahmeentscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes zur Gebühr für internetfähige PCs geht sogar hervor, dass das Bundesverfassungsgericht in der Abgabenpflicht für Rundfunk eine geringfügige Beeinträchtigung der Informationsfreiheit sieht:

BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2012
- 1 BvR 199/11 - Rn. (1-23)
http://www.bverfg.de/e/rk20120822_1bvr019911.html
Zitat
     
Die Beeinträchtigung der Informationsfreiheit ist nur gering, weil der Beschwerdeführer nicht unmittelbar daran gehindert wird, sich aus dem sonstigen Angebot des Internets zu informieren, sondern hierfür lediglich mit einer verhältnismäßig niedrigen Zahlungsverpflichtung in Höhe der Grundgebühr belastet wird (vgl. ebenda, Rn. 18).

Das Bundesverfassungsgericht hat sich jedoch dort bereits nicht mit dem eigentlichen Problem der Aufzwingung von unerwünschter Information und einer abgelehnten Weltanschauung beschäftigt, weshalb ich die ganze Thematik noch nicht für erledigt halte.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 12. November 2018, 19:01
Noch ein wichtiger Hinweis zur EMRK, wenn auch nicht zum Art. 10.
Zitat
Artikel 13 – Recht auf wirksame Beschwerde
Jede Person, die in ihren in dieser Konvention anerkannten Rechten oder Freiheiten verletzt worden ist, hat das Recht, bei einer innerstaatlichen Instanz eine wirksame Beschwerde zu erheben, auch wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben.


Über jede Handlung eines Amtsträgers darf Beschwerde erfolgen, der sich über die EMRK hinwegsetzt.

Für Bürger des Landes Brandenburg:
Somit ist insbesondere im Land Brandenburg, in dem die EMRK den Rang der Landesverfassung innehat, (Art. 2, Abs. 3 in Verbindung zu Art. 5, Abs. 1), unmittelbar Beschwerde beim Landesverfassungsgericht möglich, wenn auch nur eine Bestimmung der EMRK von einem Amtsträger verletzt wird. Dieses übrigens auch gemäß Art. 6, Abs. 2, unserer Landesverfassung.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 29. November 2018, 23:16
Hab' da mal noch was gefunden; für alle jene, die sich gegenwärtig und künftig auf diese Konvention stützen möchten.

Im

Bundesgesetzblatt Jahrgang 2010 Teil II Nr. 30, ausgegeben zu Bonn am 29. Oktober 2010
- Inhaltsverzeichnis -
https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl210s1196.pdf%27%5D#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27II_2010_30_inhaltsverz%27%5D__1544193425154 (https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl210s1196.pdf%27%5D#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27II_2010_30_inhaltsverz%27%5D__1544193425154)

wurde sie in den Sprachen Englisch, Französisch und der nicht amtlichen Übersetzung auf Deutsch als Bundesgesetz veröffentlicht.
Ab Seite 1198 wird man da fündig:

Bekanntmachung der Neufassung der Konvention vom 4. November 1950
zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten Vom 22. Oktober 2010
(PDF, 31 Seiten, ~600kB)
https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl210s1196.pdf%27%5D#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl210s1198.pdf%27%5D__1544193502295 (https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl210s1196.pdf%27%5D#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl210s1198.pdf%27%5D__1544193502295)


Edit "Bürger": Links korrigiert/ ergänzt.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: scottel am 30. November 2018, 13:31
Mal eine Frage bezgl. "Nichtamtlichen Personen":

Angenommen eine Lohnbuchhalterin in einer Firma im Land Brandenburg soll für einen Mitarbeiter Lohn/Gehalt abführen ( aufgrund einer Pfändungsverfügung ), müsste diese Angestellte hinsichtlich des Artl. 10 EMRK etwas befüchten?

Ich weiss, das ist sehr hypothetisch, interessiert mich aber trotzdem  ;D

Gruss

Thomas
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 30. November 2018, 15:45
@scottel

Du weiß doch, daß im Forum keine Rechtsberatung erteilt wird?

Diese Mitarbeiterin wird u. U. sicherlich berücksichtigen, daß bspw. Erschwerniszulagen, wie bspw. Nachtarbeitszuschläge, und Aufwandsentschädigungen gemäß Bundesarbeitsgericht, siehe verlinktes Thema, nicht der Pfändbarkeit unterliegen, also herauszurechnen sind und vom Rest nichts pfändbar ist, wenn die bundesgesetzliche Pfändungsfreigrenze auf Basis dieses Restes nicht überschritten wird.

Dieses Thema mit der dort auch verlinkten BAG-Leitsatz-Entscheidung:

Pfändungsschutz für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszulagen
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,24164.msg153373.html#msg153373

Übrigens;

Zitat
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. Juli 2016 - 20 Sa 639/16, 20 Sa 975/16 - aufgehoben ...
Diese BAG-Entscheidung hat somit direkte Bindungsgwirkung für das Land Brandenburg.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: scottel am 30. November 2018, 17:17
@ Pinguin

Ich hatte keine Rechtsberatung erwartet  ;)

Rein interessehalber


Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 30. November 2018, 23:26
Ich hatte keine Rechtsberatung erwartet  ;) Rein interessehalber
Schon klar, nur hilft es in diesem Falle, sich selbst einzulesen und andere Teile des Landesrechtes zu beachten, (es reicht nicht, stur auf dem Verwaltungsrecht des Landes herumzureiten); meinerseits wird nur auf gesetzliche Quellen verwiesen, incl. etwaig thematisch passender Entscheidungen der höheren Gerichte. Die für einen konkreten Fall legalen Rechtsquellen zusammenzusetzen, quasi als Puzzle, obliegt dem/der geneigten Leser/in selbst. Und da haben wir eben Arbeitsrecht zu beachten, Zivilrecht, durchaus auch Verwaltungsrecht und vor allem die Verfassung des Landes mitsamt all ihren eingeschlossenen Dokumenten, und das alles für nur 1 Fallkonstellation.

Nochmals auch in diesem Thema:
Die materielle Verantwortung, damit auch die Haftung, für die konsequente Einhaltung der Vollstreckungsvoraussetzungen gegenüber dem Vollstreckungsschuldner hat die ersuchte Stelle, von Amts wegen und dieses in jedem Stadium der Vollstreckung.

Und bitte überlege nun selbst, ob einer nichtstaatlichen Organisation Amtshilfe zu leisten wäre, denn das ist überhaupt der erste zu klärende Part einer jeden Vollstreckungshandlung, immer mit der Berücksichtigung, daß die EMRK mit Art. 10 und dem Art. 34 unmittelbarer Teil der Verfassung des Landes ist und der EGMR hier deswegen nicht unbeachtet bleiben kann und der öffentlich-rechtliche Rundfunk danach eben eine nichtstaatliche Organisation ist.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: gez-negativ am 30. November 2018, 23:42
Und bitte überlege nun selbst, ob einer nichtstaatlichen Organisation Amtshilfe zu leisten wäre, denn das ist überhaupt der erste zu klärende Part einer jeden Vollstreckungshandlung, immer mit der Berücksichtigung, daß die EMRK mit Art. 10 und dem Art. 34 unmittelbarer Teil der Verfassung des Landes ist und der EGMR hier deswegen nicht unbeachtet bleiben kann und
der öffentlich-rechtliche Rundfunk danach eben eine nichtstaatliche Organisation ist.

Mal so als kleine Einlage gedacht:
Es liegt der Verdacht nahe, dass u.a. von einem Justitiar stammen könnte.
Hierbei ist jedoch die Rede von staatlichen Leistungsangebot und staatliche Leistung.


Im Urteil des BVerfG vom 18.07.2018 ist unter Rn32 zu lesen:
Zitat
1. Der Südwestrundfunk hält den Rundfunkbeitrag für formell und materiell verfassungsmäßig.
[...]
Die Qualifizierung einer Abgabe als Entgelt scheitere zudem nicht an der Größe des Adressatenkreises des staatlichen Leistungsangebots. Entscheidend sei allein, dass die Abgabe als Gegenleistung für eine staatliche Leistung und nicht voraussetzungslos erhoben werde.
Quelle: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/07/rs20180718_1bvr167516.html;jsessionid=F18E501B05CB97058C69B0314F0F975F.2_cid394

Mit Südwestrundfunk dürfte wohl der Justitiar gemeint sein?
AHA, der Justitiar ist gleichzusetzen mit Südwestrundfunk? Der SWR hat meines Wissens einen Intendanten als rechtlichen Vertreter.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 01. Dezember 2018, 00:14
@gez-negativ
Es würde vom Thema abgewichen, täte dieses hier diskutiert werden.

Maßgeblich für den Rundfunk Berlin-Brandenburg ist das Recht des Landes Berlin, maßgeblich für den Bürger des Landes Brandenburg ist das Recht des Landes Brandenburg; jeweils freilich neben Bundes- und Europarecht.

Was für den SWR und andere vom RBB abweichende Rundfunkanstalten gilt, ist hier insoweit gegenstandslos.

Und selbst dann, wenn es sich um eine staatliche Leistung handeln würde, ist sie nicht hoheitlich, weil diese Leistung in Wettbewerb zu gleichartigen Leistungen der privaten Hand steht.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 05. Mai 2019, 18:32
Bin mir nicht sicher, ob das Dokument hier schon verlinkt worden ist, ist vom Wissenschaftlichen Dienst.

Zitat
3.1.2.2 - Orientierungswirkung
[...]Um Verurteilungen oder Vertragsverstöße zu vermeiden, berücksichtigen Staaten die Rechtsprechung des EGMR von sich aus; ihre Organe passen ihre Praxis oder ihre Rechtsordnung (z. B. durch Auslegung oder Änderung von Rechtsgrundlagen) – in Übereinstimmung mit Art. 1 EMRK – hieran an.[...]

Zur innerstaatlichen Umsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sowie zur Durchsetzung und Wirkung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Deutschland, Frankreich, Italien und Russland, im Vereinigten Königreich und in der Türkei
https://www.bundestag.de/resource/blob/482672/f9ace5e6e53fc37be870a3bbccbb85ed/WD-2-104-16-pdf-data.pdf

Zur Erinnerung:

Zitat
53. [...]Consequently, the Austrian Broadcasting qualifies as a “non-governmental organisation” within the meaning of Article 34 of the Convention [...]
CASE OF ÖSTERREICHISCHER RUNDFUNK v. AUSTRIA

http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-78381
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 28. Dezember 2019, 13:37
Es ist schon sehr seltsam, dass der EGMR sich bisher noch nicht eingehend mit der Frage der staatlichen
Kontrolle von Rundfunkanstalten auseinandergesetzt hat, obwohl es eigentlich
evident ist, dass es hier einen grundsätzlichen Konflikt zwischen der Meinungsfreiheit und der
Pressfreiheit aus Artikel 10 der Konventionen einerseits und der staatlichen Steuerung der freien
Meinungsäußerung anderseits gibt. Die Recherchen zu diesem Thema führen immer wieder zu dem
dürftigen Verfahren des Herrn Bruno Antonio Faccio gegen Italien aus dem Jahre 2004, in dem es
um die Frage ging, ob ein Rundfunkteilnehmer, der nur Sendungen des Privatfernsehens sehen
wollte, die Zahlung einer Rundfunkgebühr für die RAI (öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Italien)
verweigern darf. Daher schlage ich vor, dieses Verfahren in einem eigenen Thema zu diskutieren:

Artikel 10 EMRK: Bruno Antonio Faccio gegen Italien, Beschwerde 33/04
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,32853.0.html
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 28. Dezember 2019, 22:49
Die Frage ist aber auch, ob das Beispiel aus 2004 heute so noch entschieden würde?
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 28. Februar 2020, 13:57
Zur Klärung der Frage des Selbstbestimmungsrechtes (Art. 2 Abs. 1 GG) der Auswahl der Medien, die einen manipulieren dürfen (Art. 5 Abs. 1 GG = Art. 10 EMRK), könnte vielleicht die Auseinandersetzung mit der folgenden Entscheidung der Bundesverfassungsgerichtes hilfreich sein, in der es um die Frage des Selbstbestimmungsrechts auf Leben geht:

BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 26. Februar 2020
- 2 BvR 2347/15 -, Rn. (1-343),
http://www.bverfg.de/e/rs20200226_2bvr234715.html
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 28. Februar 2020, 21:26
@art18GG
Zu Art. 2 GG steht ja ein wenig drin, aber wohl eher weniger zum Art. 5 GG? Natürlich darf und sollte diese Entscheidung gesichtet werden; aber solange das BVerfG nicht von seiner Linie abrückt, daß man sich nicht auf Art. 2 GG berufen kann, wenn es für einen Bereich einen eigenen Artikel im Grundgesetz hat, was mit Art. 5 GG zur Informations- und Meinungsfreiheit ja geschehen ist, wird es nicht viel bringen, einen derartigen Wissensdurst zu stillen. 

Was neben Art. 5 GG immer geht, ist Art. 23 GG zur Realisierung Europas, denn da die EU der EMRK beigetreten ist, ist die Mißachtung von Art. 10 EMRK ebenfalls eine Mißachtung von Art. 23 GG.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 02. März 2020, 14:36
@pinguin
Es geht eher um Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 GG, da diese Kombination nach meiner Ansicht für das Selbstbestimmungsrecht der freien Informationsauswahl stehen dürfte. In dem Urteil wird gezeigt, dass es möglich ist, Grundrechte auf diese Weise zu kombinieren (dort Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Da es sich bei dem Urteil um ein neues Grundsatzurteil zum Selbstbestimmungsrecht handelt, könnte dies auch neue Perspektiven für die gegenständlichen Fragen der Verletzungen der Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit durch den RBStV eröffnen. Dies müsste natürlich im Einzelnen genauer geprüft werden.
Das Selbstbestimmungsrecht der Bürger wird durch dieses Urteil jedenfalls gestärkt. Hierzu verweise ich nur auf den folgenden Leitsatz, in dem höhere Anforderungen an die Eingriffsmöglichkeiten des Gesetzgebers festgelegt werden:
Zitat
Auch staatliche Maßnahmen, die eine mittelbare oder faktische Wirkung entfalten, können Grundrechte beeinträchtigen und müssen daher von Verfassungs wegen hinreichend gerechtfertigt sein. Das in § 217 Abs. 1 StGB strafbewehrte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung macht es Suizidwilligen faktisch unmöglich, die von ihnen gewählte, geschäftsmäßig angebotene Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen.

Siehe hierzu auch die Begründung des Beschwerdeführers zu I. 1. und I. 2:
Zitat
Die Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts finde in den vom Gesetzgeber verfolgten Zielen keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Zwar stehe dem Gesetzgeber bei Gefährdungslagen für das Rechtsgut des Lebens angesichts dessen herausragender Bedeutung eine weite Einschätzungsprärogative zu. Der vom Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung ausgehende Eingriff sei aber von besonderer Intensität, weil er den Kernbereich der Selbstbestimmung betreffe. Bereits die gesetzgeberische Gefahrenprognose unterliege daher gesteigerten Anforderungen (Rn.38).
Die Begründung der Entscheidung (ab Rn. 202) liefert also viele neue Aspekte zum Selbstbestimmungsrecht und zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 8 EMRK), die sich beide mit dem Art. 10 EMRK verbinden lassen. 
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 02. März 2020, 20:29
@art18GG

Art. 5 GG läßt sich mit Art. 10 EMRK verbinden, damit auch mit Art. 23 GG und Art. 25 GG;
Art. 2 GG läßt sich nicht direkt mit Art. 5 GG verbinden, das BVerfG schloß diese Möglichkeit bereits aus; hierzu bitte mal die Forensuche betätigen;

Als verbindendes Element zwischen Art. 2 GG und Art. 5 GG wäre Art. 1 GG möglich, denn dieser Artikel ist mit all jenen Artikel des GG quasi verbunden, die dem Bürger Rechte/Grundrechte verleihen.

Mit Art. 1 GG sind auch EMRK wie GrCh verbunden, nämlich via den o.g. Art. 23 GG, Art. 25 GG und, kraft BVerfG, Art. 20 Abs. 3 GG.

Die Mißachtung von Recht und Gesetz, (Art. 20 Abs 3 GG), ist bei Mißachtung von Art. 1 GG, Art. 5 GG, Art. 23 GG und auch Art. 25 GG immer gegeben, damit auch bei Mißachtung von Art. 10 EMRK und Art. 11 GrCh. Siehe hierfür die Entscheidung des BVerfG zur Einhaltepflicht der EMRK, bzw., der völkerrechtlichen Verträge des Bundes, (BVerfG -1. Rundfunkentscheidung, Rn. 169).

In den Geltungsbereich des Art. 23 GG zählt auch die vom BVerfG bestätigte Einhaltepflicht der Entscheidungen des EuGH, (bspw. Rn. 143 der aktuellen BVerfG-Rundfunkentscheidung).

In der Uralt-Rundfunkentscheidung des EuGH, (C-260/89, Rn. 41), heißt es ja, daß in der "Gemeinschaft" keine Maßnahme rechtens ist, die sich über Art. 10 EMRK hinwegsetzt.

Dieses erschließt sich aber nur dem, der nicht die Mühe des Sicheinlesens scheut; denn das ist durchaus harter Stoff.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 03. März 2020, 17:16
Art. 2 GG läßt sich nicht direkt mit Art. 5 GG verbinden, das BVerfG schloß diese Möglichkeit bereits aus; hierzu bitte mal die Forensuche betätigen;
So wie das hier geschrieben wird, ist das Blödsinn. Zeig doch mal bitte, wo das behauptet werden soll.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 03. März 2020, 23:09
Art. 2 GG läßt sich nicht direkt mit Art. 5 GG verbinden, das BVerfG schloß diese Möglichkeit bereits aus; hierzu bitte mal die Forensuche betätigen;
So wie das hier geschrieben wird, ist das Blödsinn. Zeig doch mal bitte, wo das behauptet werden soll.

Siehe u.a. unter

"Hail Mary"- Eingriff zur Unterwerfung untergräbt den Schutzbereich
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,29265.msg187433.html#msg187433
BVerfGE 11, 234 - Jugendgefährdende Schriften
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv011234.html
Rn. 13
Zitat
[...] Der Einzelne kann sich gegenüber Eingriffen der öffentlichen Gewalt in seine Freiheit auf Art. 2 Abs. 1 GG nur insoweit berufen, als diese sich nicht auf einen Lebensbereich bezieht, der durch besondere Grundrechtsbestimmungen geschützt ist (BVerfGE 6, 32 [37 (http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv006032.html#037)]). [...]

BVerfGE 6, 32 - Elfes
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv006032.html
Rn. 16
Zitat
[...] Soweit nicht solche besonderen Lebensbereiche grundrechtlich geschützt sind, kann sich der Einzelne bei Eingriffen der öffentlichen Gewalt in seine Freiheit auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen. [...]

Wichtig aber auch (gleicher Thread):
BVerfGE 27, 71 - Leipziger Volkszeitung
Beschluß des Ersten Senats vom 3. Oktober 1969 - 1 BvR 46/65 -
***
https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv027071.html
Rn. 28
Zitat
Für die in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Informationsfreiheit sind danach zwei Komponenten wesensbestimmend. Einmal ist es der Bezug zum demokratischen Prinzip des Art. 20 Abs. 1 GG: Ein demokratischer Staat kann nicht ohne freie und möglichst gut informierte öffentliche Meinung bestehen. Daneben weist die Informationsfreiheit eine individualrechtliche, aus Art. 1, Art. 2 Abs. 1 GG hergeleitete Komponente auf. [...]


Weiterhin wichtig:
Schutzbereich des Art. 2 GG eröffnet, wenn Art. 10 EMRK missachtet wird?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,29764.msg187485.html#msg187485
Rn. 65 - BVerfGE 141, 1 - Völkerrechtsdurchbrechung
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv141001.html
Zitat
aa) Der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit hat Verfassungsrang. [...]Das Grundgesetz hat die deutsche öffentliche Gewalt auf die internationale Zusammenarbeit (Art.  24 GG) und die europäische Integration (Art.  23 GG) festgelegt.[...]Die Bestimmungen enthalten eine Verfassungsentscheidung für eine auf die Achtung und Stärkung des Völkerrechts aufbauende zwischenstaatliche Zusammenarbeit (vgl. BVerfGE 111, 307 [317 f.]; 112, 1 [25]; Mosler, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 175 Rn. 1 ff.; Payandeh, JöR 57 [2009], S. 465 [481]) und verpflichten daher die gesamte öffentliche Gewalt dazu, einem Auseinanderfallen von völkerrechtlicher und innerstaatlicher Rechtslage entgegenzuwirken und im Außenverhältnis eine mit einer Verletzung des Völkerrechts verbundene Haftung Deutschlands zu vermeiden (vgl. BVerfGE 58, 1 [34]; 59, 63 [89]; 109, 13 [23  f.]; 109, 38 [49 f.]; 111, 307 [316, 318, 328]; 112, 1 [25]; 128, 326 [368 f.]).


***Edit "Bürger": Der Wichtigkeit und mehrfachen Erwähnung im Forum wegen, wurde zur Leipziger-Volkszeitung-Entscheidung des BVerfG ein eigenständiger Thread eröffnet - siehe und diskutiere unter
BVerfG, Leipziger-Volkszeitung-Entscheid.: Informations-/Rezipientenfreiheit
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=36695.0
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 04. März 2020, 15:22
@pinguin
Aus dem Angeführten ist für mich nicht ersichtlich, dass man das Selbstbestimmungsrecht der freien Informationsauswahl nicht als Verstoß von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 GG bezeichnen kann. Darüber zu streiten, halte ich jedoch auch nicht für sinnvoll.

Es geht mir vielmehr darum, auf das erwähnte Urteil zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) hinzuweisen, da es sehr viele erkenntnisreiche Aspekte für ein Klagevorhaben zum Art. 10 EMRK enthält. In der Urteilsbegründung wird beispielsweise sehr ausführlich auf die Rechtsprechung des EGMR zum Art. 8 EMRK eingegangen, was ich sehr interessant fand. Es ist natürlich richtig, dass wir uns bei der Informationsfreiheit nicht in derselben Form auf die Rechtsprechung des EGMR berufen können, wie es in dem erwähnten Verfahren der Fall war, da es hierzu einfach noch keine Urteile gab. Diese Rechtsprechung müssen wir uns erst noch erarbeiten.       

Denn in den Urteilen vom 18. Juli 2018 des 1. Senates des Bundesverfassungsgerichtes gibt es keine tatsächlich Auseinandersetzung mit der Informationsfreiheit, die wir als Ausgangspunkt verwenden könnten. Diese Frage wird einfach mit der Bemerkung weggewischt, dass weder ein direkter noch indirekter Eingriff in dieses Recht bei den Klägern vorläge. Dies ist nicht wirklich einleuchtend. Der Eingriff in die Informationsfreiheit wird auch nur in der erfolgreichen Verfassungsbeschwerde zur Zweitwohnung begründet. Aus VG Stuttgart, Urteil vom 1. Juli 2015,  3 K 4017/14, geht hervor, dass der Kläger die Verletzung folgendermaßen begründet:
Zitat
Der Kläger wiederholt sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend trägt er vor, dass sich Menschen keine Informationen aufdrängen lassen müssten und daher das Recht hätten, den Rundfunk nicht zu nutzen. Indem er durch seinen Rundfunkbeitrag den Rundfunk mitfinanzieren müsste, sei er in der negativen Informationsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG verletzt.
Die Richter des VG Stuttgart deuten den Einwand des Klägers dann in der folgenden Form um:
Zitat
Das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG gibt jedermann das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Dies umfasst auch das korrespondierende negative Recht, sich aus den genannten Quellen nicht zu unterrichten (negative Informationsfreiheit). Diese negative Informationsfreiheit ist im vorliegenden Fall nicht verletzt. Mit der Zahlung des wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrages ist nicht der Zwang verbunden, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk überhaupt zu nutzen. Insofern überzeugt die Argumentation des Klägers, er sei als Mitglied der Gesellschaft von einer etwaigen schädigenden Wirkung des Fernsehkonsums betroffen, nicht.
Hier, wie im übrigen Verfahrensverlauf, wird der eigentliche Punkt der Frage nach der informellen Selbstbestimmung einfach umgangen, in dem die Richter auf eine allgemeine Informationsmöglichkeit verweisen, die nicht genutzt werden muss. Darum geht es bei der Informationsfreiheit jedoch nicht, sondern vielmehr um die Frage, ob der Gesetzgeber per Gesetz (dem RBStV) festlegen darf, welche Informationen er für förderungswürdiger hält und welche nicht. Es geht also um die Autonomie des Bürgers selbst entscheiden zu können, welche Informationsquellen er durch seine Finanzierungsmöglichkeiten fördern möchte und welche nicht. In dieses Selbstbestimmungsrecht hat der Staat gerade wegen der Pressefreiheit nicht einzugreifen, da es nicht die Aufgabe des Staates ist, die Meinungsbildung durch die Medien zu steuern. Genau darum geht es letztendlich bei der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Konsum von Rundfunk und Fernsehen schädlich ist, oder nicht. Die schädliche Wirkung liegt mehr in der Steuerungsabsicht des Staates, die Medien lenken zu wollen. Davor sollte uns der Art. 10 EMRK dann auch schützen.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 04. März 2020, 18:38
@art18GG

Wie in diesem Thema dargelegt, lassen sich Art. 1 GG, Art. 5 GG, Art. 20 GG und Art. 23 GG sinnvoll mit Art. 10 EMRK verbinden, nur muß man es auch tun wollen und den europäischen Rahmen nicht länger ignorieren.

Seitens des BVerfG zu Art. 5 GG umfasst die Informationsfreiheit nicht nur den Inhalt der Information, sondern den gesamten Weg von der Informationsbeschaffung bis zur Informationsverbreitung; was hier für die Printmedien gilt, muß auch für den Bürger gelten, handelt es sich doch um den gleichen Art. 5 GG. Hierzu vertiefend siehe:

Rundfunkbeitrag - Mittelbarer Eingriff in die Pressefreiheit der Printmedien?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,32843.msg201287.html#msg201287

Es wird kaum jemand wirksam bestreiten können, daß die Finanzierung einer Information jeweils untrennbarer Teil von Informationsbeschaffung, Informationsverarbeitung und Informationsverbreitung darstellt.

Insofern findet freilich ein Eingriff in die Informationsbeschaffung statt, wenn der Staat den Bürger nötigt, eine vom Bürger nicht beschaffte Information trotzdem zu finanzieren.

Mir erschließt sich nicht, wieso nicht erkannt wird, daß Art. 2 GG und Art. 5 GG einander ausschließen?

Was ist daran nicht klar?

"Hail Mary"- Eingriff zur Unterwerfung untergräbt den Schutzbereich
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,29265.msg187433.html#msg187433
BVerfGE 11, 234 - Jugendgefährdende Schriften
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv011234.html
Rn. 13
Zitat
[...] Der Einzelne kann sich gegenüber Eingriffen der öffentlichen Gewalt in seine Freiheit auf Art. 2 Abs. 1 GG nur insoweit berufen, als diese sich nicht auf einen Lebensbereich bezieht, der durch besondere Grundrechtsbestimmungen geschützt ist (BVerfGE 6, 32 [37 (http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv006032.html#037)]). [...]
Art. 5 GG enthält eine "besondere Grundrechtsbestimmung".
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 09. März 2020, 14:43
@pinguin
Bei der angeführten Rechtsprechung geht es nicht um die Kombinierbarkeit von Grundrechten, sondern um die Frage des Gegenstandsbereiches. Der Kläger, ein Verbreiter von jugendgefährdenden Schriften, hatte sich auf den Gegenstandsbereich des Art. 2 Abs. 1 GG berufen. Dieser Bereich war jedoch nicht betroffen, da es in seinem Fall (eine volljährige Person) lediglich um den Gegenstandsbereich des Art. 5 Abs. 1 GG gehen konnte. Auch bei einer Verfassungsbeschwerde muss man von der Grundrechtsverletzung selbst betroffen sein. Die fehlende Selbstbetroffenheit ist ein häufiger Fehler, der bei Klagen gegen den Rundfunkbeitrag gemacht wurde. Hierzu verweise ich nur auf das Vorabentscheidungsverfahren des Landgerichtes Tübingen beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg, wo die Selbstbetroffenheit zur Verletzung von Art. 10 EMRK / Art. 11 EU-Charta (nicht 4) in der Frage 4 offensichtlich nicht dargelegt wurde. Siehe hierzu weiter:

Gerichtshof der Europäischen Union: Liste der Ergebnisse Aktenzeichen = C-492/17
Kurzlink: https://kurzelinks.de/jn0t
EuGH Luxembourg, Urteil C-492/17, 13.12.2018
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,29309.msg185377.html#msg185377
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 09. März 2020, 19:07
@art18GG

Das mit der fehlenden Herausarbeitung der Selbstbetroffenheit im Falle der EuGH-Entscheidung C-492/17 ist offensichtlich, weil es der EuGH selbst so zum Ausdruck brachte; darüber braucht es sicherlich keine Diskussion?

Was in Punkto Art. 10 EMRK fehlt, ist die wirksame Beschäftigung mit der auch bereits im Forum zur Genüge benannten EuGH-Rundfunkentscheidung C-260/89, Rn. 41, wonach eben nichts rechtens ist, was sich über diesen Art. 10 EMRK hinwegsetzt.

Warum diese durchaus mächtige Entscheidung auch von den Klägern offenbar mißachtet wird, weil nicht in ihre Klagen eingebracht, bleibt immer ein Rätsel. Auch deswegen, weil Rn. 143 der aktuellen BVerfG-Rundfunkentscheidung hier eine deutliche Aussage zur Orientierungspflicht, die aber defaktisch eine Einhaltepflicht beinhaltet, der nationalen Gerichte an den Entscheidungen des EuGH trifft.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 11. März 2020, 14:05
@pinguin
Ich glaube, dass die Fixierung auf die Rechtsprechung der Europäischen Union nicht wirklich zielführend ist, da ich bei der Frage des Schutzbereiches des Art. 10 EMRK mit Selbstbestimmungsrecht (Individualbeschwerde) eher eine Zuständigkeit des EGMR (Straßburg) oder des UN-Zivilpakt (Genf) sehe. Aus meiner eigenen Korrespondenz mit der EU-Kommission weiß ich, dass die zugeordneten Stellen in Brüssel bei Beschwerden mit Bezug auf EU-Recht eher auf wirtschaftliche Begründungen reagieren, als auf Begründungen mit Verweisen auf die „Allgemeinen Erklärungen der Menschenrechte“ (siehe dort auch Art. 19 AEMR). Sofern dennoch jemand den Beschwerdeweg über die Kommission im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahren wählen möchte, dann sollte diese Person den Sachbearbeiter daran erinnern, dass sich alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union über Artikel 2 EUV zur „Wahrung der Menschenrechte“ verpflichtet habe. Siehe hierzu auch:
KLAGE nach Europarecht - Ende der ARD-ZDF-GEZ Belästigung?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,15317.msg195403.html#msg195403
Beschwerdeformular zur Meldung eines Verstoßes gegen das EU-Recht
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,33451.0.html

Es ist mir vielmehr mit Bezug auf Art. 10 EMRK wichtiger, die Frage weiter zu verfolgen, ob wir einen Staatsfunks in Deutschland überhaupt benötigen. In diesem Zusammenhang macht es schon Sinn sich mit der Historie der Rundfunkbehörde seines Bundeslandes zu beschäftigen. Hierbei wird man feststellen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in einer direkten Nachfolgerschaft zu den Reichssendern des NS-Propaganda steht, womit diese Rundfunkanstalten an sich schon keine demokratische Legitimierung haben. In der Nachkriegszeit wurden die Rundfunksender von den Besatzungsmächten zur Entnazifizierung der Bevölkerung verwendet. Eine solche Umerziehung haben wir heute in Deutschland nicht mehr nötig, weshalb eine staatliche Kontrolle der Rundfunkanstalten aus dieser Sicht heraus überflüssig wäre. Wofür brauchen wir dann also einen Staatsfunk?
Volksbegehren in Nordrhein-Westfalen zum Demokratieförderungsgesetz
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,30210.msg203314.html#msg203314
Artikel 10 EMRK: Bruno Antonio Faccio gegen Italien, Beschwerde 33/04
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,32853.msg201695.html#msg201695

Anders als die BBC in Großbritannien ist der öffentlich-rechtlich Rundfunk in Deutschland zudem nicht per Gesetz vor der politischen Einflussnahme geschützt, weshalb uns das System der politischen Steuerung durch Rundfunkräte nicht davor schützt, dass die politischen Parteien in Deutschland die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für ihre eigenen Zwecke missbrauchen.
In diesem Zusammenhang war ein Gesetz, das Rundfunkanstalten in Großbritannien untersagt, Werbung mit politischen Inhalten auszustrahlen, selbst mal Gegenstand einer Beschwerde vor dem EGMR. Es ging dabei darum, dass ein Tierschutzverein in dem generellen Verbot der politischen Werbung einen Verstoß gegen Art. 10 EMRK sah. Siehe hierzu weiter:

CASE OF ANIMAL DEFENDERS INTERNATIONAL v. THE UNITED KINGDOM
(Application no. 48876/08, Urteil der Großen Kammer vom 22. April 2013)
http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-119244
http://hudoc.echr.coe.int/fre?i=001-111190
Texte in deutscher Sprache:
http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-153872
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 06. Mai 2020, 15:30
Aus historischer Sicht können wir feststellen, dass sowohl der Art. 10 EMRK als auch der Art. 11 EU-Charta in ihren Formulierungen auf den Art. 19 „Allgemeinen Erklärungen der Menschenrechte“ (AEMR) zurückgehen, der da lautet:
Zitat
Artikel 19 (Version 1948)
Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.

Quelle: https://www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf

Zitat

Artikel 19 (UN-Zivilpakt)
(1) Jedermann hat das Recht auf unbehinderte Meinungsfreiheit.
(2) Jedermann hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut jeder Art in Wort, Schrift oder Druck, durch Kunstwerke oder andere Mittel eigener Wahl sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben.
(3) Die Ausübung der in Absatz 2 vorgesehenen Rechte ist mit besonderen Pflichten und einer besonderen Verantwortung verbunden. Sie kann daher bestimmten, gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden, die erforderlich sind
a. für die Achtung der Rechte oder des Rufs anderer;
b. für den Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung (ordre public), der Volksgesundheit oder der öffentlichen Sittlichkeit.

Quelle: https://www.zivilpakt.de/meinungsfreiheit-3359/

Damit ist auch der Verfahrensweg zum UN-Zivilpakt beim United Nations Office in Geneva (Genf) eröffnet. Einzelheiten zur Eröffnung eines Beschwerdeverfahrens nach dem Fakultativprotokoll findet man in dem folgenden Handbuch:
Die Individualbeschwerde nach dem Fakultativprotokoll zum Zivilpakt.
Ein Handbuch für die Praxis von Bernhard Schäfer:

https://publishup.uni-potsdam.de/opus4-ubp/frontdoor/deliver/index/docId/529/file/schaefer_b.pdf
https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/uploads/tx_commerce/handbuch_die_individualbeschwerde_nach_dem_fakultativprotokoll_z_zivilpakt.pdf
https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/32831

Hintergrund der „Allgemeinen Erklärungen der Menschenrechte“ (AEMR), die in ihrer ersten Fassung bereits 1948 verkündet wurden, ist die Aufarbeitung der Gräueltaten aus dem zweiten Weltkrieg, wobei der Art. 19 AEMR offensichtlich für die Aufarbeitung der staatlichen Manipulation der öffentlichen Meinung durch die Steuerung von Informationsquellen steht. Hierzu stellt Bernhard Schäfer in seinem Handbuch zum Zivilpakt beispielsweise das Folgende fest:
Zitat
Die Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 18) wird ebenso wie die Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 19) gewährleistet. Diese Freiheiten können gewissen gesetzlich bestimmten Einschränkungen unterworfen werden, die z.B. zum Schutz der öffentlichen Ordnung (ordre public) erforderlich sind (Art. 18 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 3). Zudem sind nach Art. 20 Kriegspropaganda und gewisse Formen der „Volksverhetzung“ durch Gesetz zu verbieten (vgl. a. a. O., S. 16).
Es fällt auf, dass in allen Gesetzestexten zu den Menschenrechte von der Freiheit der Information die Rede ist, während das Grundgesetz in Art. 5 Abs. 1 lediglich von der Gewährleistung der Pressefreiheit und der Freiheit der Berichterstattung handelt. Vielleicht ergibt sich hieraus der Konflikt der deutschen Rechtsprechung mit den genannten Menschenrechtsartikeln, weil das Grundgesetz lediglich im positiven Sinne den Zugang zu allgemein zugänglichen Quellen regelt, aber nicht festlegt, ob die über diese Quellen vermittelten Informationen frei von einer staatlichen Einflussnahme sein dürfen. Die Freiheit der Information muss jedoch auch darin bestehen, dass man selbst bestimmen darf, welche Informationsquellen man verwenden will und welche nicht. Zugespitzt formuliert, ist es in unserem Rechtssystem möglicherweise nicht wirklich geregelt, ob die Menschen, die während des zweiten Weltkrieges so genannte Feindsender gehört haben, weil sie den einheimischen Senden nicht trauten, nicht auch in unserem Rechtssystem bestraft werden dürfen (teilweise wurden Menschen in dieser Zeit sogar erschossen). Unser Rechtssystem hat sich hier scheinbar nicht verändert, wenn man die Mittel betrachtet, wie der Rundfunkbeitrag durchgesetzt wurde. Informationsfreiheit muss jedoch auch bedeuten, dass man das Recht hat, seine Informationsquellen selbst auswählen zu dürfen und kann nicht nur in dem Recht bestehen, den Zugang zu irgendwelchen staatlich erwünschten Informationsquellen zu haben, weshalb dieser Punkt aus meiner Sicht verfassungsrechtliche geklärt werden muss, bevor wir die internationalen Gericht damit beschäftigen.         

Eine der entscheidenden Frage, die dabei zu klären wären, ist die Frage, ob der Gesetzgeber einen PC mit Internet oder ein Smartphon mit Internet als Empfangsgerät für Rundfunk und Fernsehen betrachten kann, obwohl das Internet von seiner Natur (seinem Wesen) nicht dazu geschaffen wurde, um damit Rundfunk und Fernsehen zu konsumieren.
In der Tat kenne ich jemanden, der einen eingeschränkten Zugang zu Informationsquellen hat, weil er durch die wohnungsbezogenen Abgabeform des Rundfunkbeitrages kein Internet in seinen eigenen vier Wänden haben darf. Diese Person traut seit Jahren der deutschen Presse nicht mehr, weshalb sie lieber französische, spanische, italienische und britische Zeitungen ließt. Die Rechtsprechung zum Rundfunkbeitrag verbietet dieser Person jedoch, sich diese Zeitungen über ein Internet-Abonnent zu besorgen. Zur Zeit kann diese Person diese Zeitungen lediglich an einem Bahnhofskiosk mit einem erheblichen Aufpreis erwerben, wobei die bevorzugte Zeitung häufig ausverkauft ist. Damit wird der Zugang zu dieser Formen der Presseerzeugnisse durch die nationale Rechtsprechung in erheblichen Maße eingeschränkt, da das indirekte Verbot einen eigenen Internet-Zugang zu nutzen, dazu führt, dass der Zugang zu den Internet-Abonnents der internationalen Informationsquellen verhindert wird.

Damit wären wir wieder bei dem Thema der Doktrin der staatlichen Pressefreiheit in der deutschen Rechtsprechung, wozu ich auf ein anderes Thread verweise:
Die Doktrin der staatlichen Pressefreiheit in der deutschen Rechtsprechung
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=28411.0
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 06. Mai 2020, 18:56
Teile des EU-Rechts bauen direkt auf UN-Recht auf; dieses nur am Rande.

Die Art. 10 EMRK wie auch Art. 11 GrCh enthalten doch nicht ohne Grund jeweils den identischen Passus des "without interference by public authority"; der Staat und seine Behörden haben sich aus der individuellen Meinungsbildung des einzelnen Bürgers vollständig herauszuhalten.

Die Einflußnahme beginnt dort, wo der Staat den Bürger nötigt, ein vom Staat preferiertes Informationsmedium zu finanzieren, das bei freier Wahl des Bürgers nicht durch diesen finanziert werden würde.

Wir müssen dieses nicht stets erneut durchkauen.

Bereits gemäß BVerfG schützt Art 5 GG den vollständigen Weg einer Information; die legale Finanzierung dieser Information entlang des ganzen Weges dieser Information kann nicht unberücksichtigt bleiben, denn der Staat muß von der Rechtschaffenheit seiner Bürger erst einmal ausgehen.

Und damit gelangt eine Information auf legalem Wege erst dann zum Bürger, wenn dieser diese Information legal finanzieren kann, was nicht praktikabel scheint, wenn der Staat diesem Bürger zuvor einen Teil seiner Finanzen zur Förderung der vom Staat preferierten Information raubt.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 06. Mai 2020, 19:19
Wir müssen dieses nicht stets erneut durchkauen.

Bereits gemäß BVerfG schützt Art 5 GG den vollständigen Weg einer Information; die legale Finanzierung dieser Information entlang des ganzen Weges dieser Information kann nicht unberücksichtigt bleiben, denn der Staat muß von der Rechtschaffenheit seiner Bürger erst einmal ausgehen.
Wir müssen diese nicht nur immer wieder durchkauen, sondern immer wieder vortragen und weiter auf eine Auseinandersetzung mit dem Thema bestehen, damit endlich verstanden wird, dass dies so nicht weitergeht. Es wird hier von Vertretern der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten offensichtlich bewusst darauf gesetzt, dass die Durchsetzung von Menschenrechten in der Regel auf einem sehr langen Weg basiert. Es geht aus meiner Sicht auch nicht nur um die freie Wahl der Finanzierung, sondern um wesentlich grundsätzlicherere Fragen, die vor 2013 (eigentlich 2007) keine Bedeutung hatten.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Spark am 06. Mai 2020, 23:54
Wir müssen dieses nicht stets erneut durchkauen.

Der Staat bestimmt, welche Brotsorte ein Bürger beim Bäcker zu kaufen hat. Es besteht kein Zwang, dieses Brot auch zu essen und es interessiert den Staat auch nicht, ob der Bürger dieses Brot überhaupt mag. Und es interessiert ihn auch nicht, ob der Bürger sich das Brot, was er eigentlich haben möchte, noch leisten kann.
Und es wird ständig wiederholt, wie gesund und lecker dieses Brot doch ist.

Doch, das muss immer und immer wieder durchgekaut werden, sonst wird es eines Tages in Vergessenheit geraten. Geschichte ist dazu da, um aus ihr für die Zukunft zu lernen.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 07. Mai 2020, 00:37
Der Staat bestimmt, welche Brotsorte ein Bürger beim Bäcker zu kaufen hat.
Den Bäcker nenne mir, ich kenne jedenfalls keinen; zu DDR-Zeiten mag das so gewesen sein.

Vorgaben hat es doch nur bei den Rohstoffen, wenn bspw. Bioqualität einzuhalten ist, weil der Bäcker einem entsprechenden Verband angehört?


Edit "Bürger":
Der von "spark" angeführte Vergleich dürfte sich auf das "Brot" namens "ö.r. Rundfunk" und dessen derzeitiger per RBStV manifestierter privilegierter Finanzierung durch den "Rundfunkbeitrag" beziehen - und sollte wohl nicht wörtlich verstanden und konkret auf hiesige Bäcker bezogen sein.
Bitte keine Vertiefung von Nebenbemerkungen, sondern bitte beim eigentlichen Kern-Thema dieses Threads bleiben, welches da lautet
Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Danke für allerseitiges Verständnis und die Berücksichtigung.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Besucher am 07. Mai 2020, 13:19
Besieht man sich beide Beiträge,,,

Teile des EU-Rechts bauen direkt auf UN-Recht auf; dieses nur am Rande.

Die Art. 10 EMRK wie auch Art. 11 GrCh enthalten doch nicht ohne Grund jeweils den identischen Passus des "without interference by public authority"; der Staat und seine Behörden haben sich aus der individuellen Meinungsbildung des einzelnen Bürgers vollständig herauszuhalten.

Die Einflußnahme beginnt dort, wo der Staat den Bürger nötigt, ein vom Staat preferiertes Informationsmedium zu finanzieren, das bei freier Wahl des Bürgers nicht durch diesen finanziert werden würde.

Wir müssen dieses nicht stets erneut durchkauen.

Bereits gemäß BVerfG schützt Art 5 GG ...

...
Wir müssen diese nicht nur immer wieder durchkauen, sondern immer wieder vortragen und weiter auf eine Auseinandersetzung mit dem Thema bestehen, damit endlich verstanden wird, dass dies so nicht weitergeht.
...

...wird nicht nur ein fiktiver Besucher letztlich dem Standpunkt von art188GG zustimmen. Schlimmstenfalls - dann vllt. sogar im Paket mit den letztlich im neuen dt. »Medienstaatsvertrag« verpackten Zensurmassnahmen (-> in D künftig »Rundfunklizenz« für die einzige, für einfache Bürger überhaupt erschwingliche, & dadurch zugängliche selbstbestimmte breitenwirksame Kommunikationsplattform WWW) - kommen die Bürger überhaupt nur auf der genannten oder noch weitergehenden übergeordneten Ebene noch zu ihrem Recht.

Der Normalbürger hat doch in der großen Mehrheit - so traurig das auch ist - allgemein nicht mal einen Fingernagel breit Ahnung von dem, was ihn / sie in diesem Land (dito auf EU-Ebene etc. ) politisch-institutionell & strukturell umgibt, und von den rechtlichen Grundlagen schon gar nicht. Der Normalbürger kennt doch schon seine elementaren Rechte hierzulande nicht - will er / sie auch gar nicht, vor lauter Dankbarkeit für den schönen Laufstall, den ihm seine Eliten im Laufe der Jahre gezimmert haben und seine bequeme Existenz in der Matrix. Anfangen zu denken - wozu ersparen der Staat & dessen Eliten ihm / ihr das denn?!

So schön sich das vom pinguin Gesagte also auch lesen mag, dass im betr. Zusammenhang schon unter Zugrundelegung der dt. Verfassung, spätestens aber aufgrund der einschlägigen EMRK-Bestimmungen doch sozusagen alles klar sei: Die wesentlich statussichernde Rolle der dt. Gerichtsbarkeit für den ÖRR dürfte jedem klargeworden sein, und auf EU-Ebene ist nur zu sagen, dass Deutschland immer noch der größte Nettozahler der EU ist...... (drei Pünktchen mehr, damit wirklich jeder versteht, was gemeint ist).

Insofern kann die aktuelle Thematik hier eben auch mit dem UN-Zivilpaktbezug (also zumal da das Gutsherrenrecht der medialen Hilfselite dieses Landes in verschiedenster Hinsicht offensichtlich selbst über der Verfassung steht oder diesem meistenteils von den dt. Gerichten dazu verholfen wird) gar nicht oft genug auf's Tapet gebracht werden.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Besucher am 07. Mai 2020, 14:06
...
Informationsfreiheit muss jedoch auch bedeuten, dass man das Recht hat, seine Informationsquellen selbst auswählen zu dürfen und kann nicht nur in dem Recht bestehen, den Zugang zu irgendwelchen staatlich erwünschten Informationsquellen zu haben, weshalb dieser Punkt aus meiner Sicht verfassungsrechtliche geklärt werden muss, bevor wir die internationalen Gericht damit beschäftigen.         
...

Aber wie sähe denn die besagte (weitergehende) verfassungsrechliche Klärung überhaupt aus, die Du voraussetzen willst? Dies zumal auf dem Hintergrund der Schaffung des § 93 BVerfGG ab 1995, speziell mit § 93b Satz 1, demzufolge die Beschwerde nicht entschieden zu werden braucht, sondern auch die Annahme rundweg abgelehnt werden kann, gem. § 93d Abs. 1 S. 3 sogar ohne jede Begründung (vgl. https://dejure.org/gesetze/BVerfGG/93d.html). (Dazu vgl. nur das Thema »Berufsverbotsprozesse« & deren Aufarbeitung vor dem BVerfG in den ersten 2000er Jahren. Nach der Annahme der ersten Verfassungsbeschwerde dazu & deren Entscheidung (mit einer Schadensersatzverpflichtung des dt. Staates auf dem damaligen Vernehmen nach € 250.000.- ggü. der ~ 20 Jahre vorher Geschädigten Person), konnten folgende »Probleme« dieser Art bequem auf dem genannten Weg »gelöst« werden - und wurden auch so »gelöst«).

Im Angesicht derartiger evtl. »Not-Fallschirme« oder »Notbremsen« könnte man also auch genau andersherum argumentieren: Nämlich dem BVerfG durch frühzeitige Thematisierung aufzeigen, dass man sehr wohl weiss, auf welchen Fundamenten dieser Rechtsstaat zu fußen beansprucht, und worauf er bzw. seine Funktionäre die Rechtfertigung seines Bestehens stützen. Genau das sind die hier in Rede stehenden UN-Dokumente und -Grundsätze verschiedenster Art.

PS: Man überlege auch weiter, dass bzw. weshalb in späteren auf EU-Recht gestützten Verfahren vor europ. Rechtsinstitutionen regelmäßig vorausgesetzt wird, dass man sich bereits auf dem inländischen Rechtsweg auf die dann in Bezug genommenen einschlägigen Bestimmungen & Schutzbereiche des entspr. Gesetzeskorpus der EU bezogen haben muss.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 07. Mai 2020, 23:47
...wird nicht nur ein fiktiver Besucher letztlich dem Standpunkt von art188GG zustimmen.
Daß User/in art18GG letztlich hinsichtlich der penetrant nötigen Hinweise auf diese globalen wie europäischen Grundrechte wohl doch zuzustimmen ist, ist doch eigentlich traurig ob der mentalen Verharrung der Menschheit im Zustand zwischen Mittelalter und vorindustriellem Zeitalter.


Edit "Bürger" @alle:
Bitte keine weiteren allgemeinen Bekundungen, sondern bitte wieder zurück und eng/ konzentriert/ zielgerichtet zum eigentlichen Kern-Thema dieses Threads, welches da lautet
Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Danke für allerseitiges Verständnis und die Berücksichtigung.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 12. Mai 2020, 17:51
@Besucher
Zur wissenschaftlichen Substanziierung von Klagebegründungen kann man im Allgemeinen entweder den empirischen oder den historischen Ansatz wählen. Da mir die finanziellen Möglichkeit für empirische Studien fehlen, bleibt mir persönlich nur der historische Ansatz.

Die Kernfrage der Rechtsauseinandersetzung im Rahmen einer Klage im Sinne des Art. 10 EMRK ist und bleibt die historische Frage, wie es in Deutschland zu der absurden Gleichsetzung des Internet-Empfanges mit der Empfangsmöglichkeit von Rundfunk und Fernsehen kommen konnte. Dieser Unsinn muss in irgendeinem Gesetzestext, den ich noch nicht gefunden habe, irgendwann einmal festgelegt worden sein. Jeder, der ein wenig gelernt hat, wissenschaftlich zu arbeiten, sollte in der Lage sein, selbst auszuarbeiten, dass das Internet nicht dazu geschaffen worden ist, um damit Rundfunk und Fernsehen zu empfangen, weshalb es nicht notwendig ist, einen Rechtsanwalt mit dieser Fragestellung zu beauftragen, der dies wahrscheinlich nur für ein Honorar mit einem Stundensatz von 250 Euro machen würde. Es gibt hier wohl auch genug IT-Experten im Forum, die eine solche Ausarbeitung sachgerecht vornehmen könnten.

Sapere aude (Habe Mut, dich deines eigenen Wissens zu bedienen) !

Für meine nächste Anfechtungsklage arbeite ich zur Zeit selbst an einer Ausarbeitung, in der ich den § 2 RBStV mit den Nürnbergern Gesetzen von 1935 (Unterteilung von Menschen in Bürger erster und zweiter Klasse) vergleiche, wobei ich natürlich immer noch hoffe, dass die Konsequenzen aus der Durchsetzung des RBStV nicht so gravierend enden werden. In diesem Kontext kann man beispielsweise die Auskunftspflicht über Einkommen und Vermögen im Rahmen von Vollstreckungsmaßnahmen mit der „Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden“ aus dem Jahre 1938 vergleichen. Im Kern werde ich mich dabei wahrscheinlich auf eine Studie von Aly Götz beziehen, die auch Gegenstand der folgenden Ausarbeitung bei Wikipedia ist:
https://de.wikipedia.org/wiki/Verordnung_%C3%BCber_die_Anmeldung_des_Verm%C3%B6gens_von_Juden
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: drboe am 19. Mai 2020, 11:05
@art18GG: nur zur Ergänzung

Die Behauptung, dass Computer (und Mobilfunkgeräte) zum Rundfunkempfang geeignet wären und damit "neuartige Rundfunkempfangsgeräte" darstellen würden, wurde 2004 in den Rundfunkgebührenstaatsvertrag eingepflegt. Die Formulierung war ziemlich kurios. Nachdem in § 1 Rundfunkempfangsgeräte und Rundfunkteilnehmer definiert wurden, PC tauchten dort nicht auf, findet sich in §5, der sich mit der Befreiung für Zweitgeräte befasste, folgender Satz:

Zitat
(3) Für neuartige Rundfunkempfangsgeräte (insbesondere Rechner, die Rundfunkprogramme ausschließlich über Angebote aus dem Internet wiedergeben können) im nicht ausschließlich privaten Bereich ist keine Rundfunkgebühr zu entrichten, wenn

1. die Geräte ein und demselben Grundstück oder zusammenhängenden Grundstücken zuzuordnen sind und
2. andere Rundfunkempfangsgeräte dort zum Empfang bereitgehalten werden.

Werden ausschließlich neuartige Rundfunkempfangsgeräte, die ein und demselben Grundstück oder zusammenhängenden Grundstücken zuzuordnen sind, zum Empfang bereitgehalten, ist für die Gesamtheit dieser Geräte eine Rundfunkgebühr zu entrichten.
Quelle: Rundfunkgebührenstaatsvertrag i.d.F. des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 8./15. Oktober 2004
https://www.die-medienanstalten.de/fileadmin/user_upload/Rechtsgrundlagen/Archiv/RUNDFUNKGEBU__HRENSTAATSVERTRAG_8._15._Oktober_2004.pdf

Damit wurde einerseits eine "Rundfunkgebührenpflicht" für PC bei gewerblicher Nutzung etabliert, zum anderen musste man auch privat zahlen, wenn man zwar kein Rundfunkempfangsgerät aber ein "neuartiges Rundfunkempfangsgerät", also einen PC oder ein Mobiltelefon, besaß. Diese Pflicht galt unabhängig davon, ob der PC über Multimediafunktionen verfügte oder nicht. Selbst für den Mietserver beim ISP sollte man löhnen. Natürlich gab es dagegen Proteste und die Regel wurde zunächst nicht angewendet. Schließlich aber musste sich das BVerfG mit einem Fall beschäftigen. Der Kläger, ein Anwalt, konnte sich nicht durchsetzen, die Klage wurde nicht angenommen. Seitdem ist höchstgerichtlich festgestellt, dass über Internet Rundfunk möglich ist. - Wenn man richtigen Unsinn hören will, muss man einfach nur einen Juristen fragen! - Die Bedingungen für diesen "Rundfunk" waren sehr kurios. So begrenzte der BR seinerzeit zum Beispiel eine Hörfunk-Session auf 30 Minuten.

Bericht in der FAZ zum Urteil in Sachen "neuartige Rundfunkempfangsgeräte":
Der Computer ist ein Rundfunkgerät - FAZ vom 02.10.2012 - Michael Hanfeld
Quelle: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/gez-gebuehr-der-computer-ist-ein-rundfunkgeraet-11911642.html

M. Boettcher


Edit "Bürger" @alle:
Vorsorgliche Bitte, dieses eigenständige Thema der Definition von "Rundfunk"/ "Rundfunkempfangsgeräten" hier nicht weiter zu vertiefen - siehe und diskutiere dazu bitte u.a. unter
Definition "Rundfunk" > technisch/ politisch/ juristisch
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=28744.0
Hier bitte wieder zurückfinden zum eigentlichen Kern-Thema dieses Threads, welches da lautet
Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Danke für allerseitiges Verständnis und die Berücksichtigung.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 23. Mai 2020, 12:06
Der nachstehende Sachverhalt wird mal hier mit eingefügt, da es auch die EMRK betrifft.

Das Dokument beinhaltet die Stellungnahme der europäischen Generalanwaltschaft zum Beitritt der EU zur EMRK.

Stellungnahme der Generalanwältin J. Kokott vom 13. Juni 2014.
Gutachten nach Art. 218 Abs. 11 AEUV.
Gutachten nach Art. 218 Abs. 11 AEUV – Entwurf eines internationalen Übereinkommens – Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten – Vereinbarkeit des Entwurfs mit dem EU?Vertrag und dem AEU?Vertrag.
Gutachten 2/13.

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1590167368109&uri=CELEX:62013CP0002

Nachstehend interessante Aspekte werden daraus zitiert:

Zitat
3.
Seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon steht mit Art. 6 Abs. 2 EUV ( 4 ) fest, dass die Union nicht nur über die Befugnis verfügt, der EMRK beizutreten, sondern auch, dass ihr die Mitgliedstaaten die Pflicht auferlegt haben, diesen Weg zu beschreiten. Das Ziel, der EMRK beizutreten, hat seither im Unionsrecht Verfassungsrang.

Zitat
11.
Der rechtliche Rahmen für den Beitritt der Union zur EMRK ergibt sich aus Art. 6 EUV, dem Protokoll Nr. 8 zum EUV und zum AEUV ( Protokoll Nr. 8 ) ( 9 ), sowie aus einer Erklärung zu Art. 6 Abs. 2 EUV ( 10 ) (Erklärung Nr. 2).

Zitat
25. [...] Dies hat zur Folge, dass fortan in unionsrechtlich geregelten Bereichen nicht nur nationale und unionale Gerichte, sondern auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) aufgerufen sein werden, über die Einhaltung von Grundrechten zu wachen.

Ultra-Vires:
Zitat
36. [...] Eine stillschweigende Durchbrechung des Unionsprimärrechts („treaty override“) ist den Unionsorganen keinesfalls gestattet ( 27 ), selbst wenn die Mitgliedstaaten der Union dazu im Rahmen der Verhandlungen und der Ratifizierung der internationalen Übereinkunft die Hand reichen sollten.

Zitat
40. [...] als eine von der Union geschlossene internationale Übereinkunft entfaltet die EMRK mit dem Vollzug des Beitritts Bindungswirkung für die Organe der Union (Art. 216 Abs. 2 AEUV).

Ultra-Vires:
Zitat
45.
Letztlich ist das Verbot einer Ausweitung der Kompetenzen der Union, wie es in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 EUV angelegt ist, zur Wahrung des Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung bestimmt. Dieser Grundsatz besagt bekanntlich, dass die Union nur innerhalb der Grenzen der Zuständigkeiten tätig wird, die ihr die Mitgliedstaaten in den Verträgen zur Verwirklichung der darin niedergelegten Ziele übertragen haben (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 EUV), und dass alle der Union nicht in den Verträgen übertragenen Zuständigkeiten bei den Mitgliedstaaten verbleiben (Art. 4 Abs. 1 EUV und Art. 5 Abs. 2 Satz 2 EUV).

Zitat
203.
Zu bedenken ist nämlich, dass die Pflicht zur Beachtung der aus der EMRK fließenden Maßstäbe für den Grundrechtsschutz in der Union Verfassungsrang hat. Zum einen ergibt sich dies aus Art. 6 Abs. 3 EUV, wonach die Grundrechte, wie sie in der EMRK gewährleistet sind, als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts sind. Zum anderen gilt für die Auslegung und Anwendung der Charta der Grundrechte, die ihrerseits den Rang von verbindlichem Primärrecht hat (Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 zweiter Halbsatz EUV), dass die EMRK aufgrund des Homogenitätsgebots in Art. 52 Abs. 3 Satz 1 der Charta als Mindeststandard für den Grundrechtsschutz auf Unionsebene anzusehen ist.

Zitat
266.
Unzweifelhaft ist darüber hinaus, dass der Beitritt der Union zur EMRK auch unionsintern im Vergleich zur gegenwärtigen Rechtslage eine stärkere Bindung der Mitgliedstaaten an die EMRK bewirken wird. Denn wie schon mehrfach erwähnt, wird die EMRK mit dem Beitritt der Union integrierender Bestandteil der Unionsrechtsordnung sein und gemäß Art. 216 Abs. 2 AEUV am Vorrang des Unionsrechts vor dem nationalen Recht partizipieren ( 157 ).

Wir haben durch den Beitritt der EU zur EMRK die besondere Situation, daß die EMRK das für alle EU-Mitgliedsländer verbindliche Mindestgrundrecht darstellt, das nicht unterschritten werden darf, da es als Teil des Unionsrechtes Vorrang vor dem nationalen Recht hat.

Wenn sich nationales und europäisches Recht entgegenstehen, tritt das nationale Recht in den Hintergrund.

Art. 10 EMRK hat kraft Beitritt der EU zur EMRK Vorrang vor Art. 5 GG.
Daß Art. 10 EMRK darüberhinaus als völkerrechtlicher Vertrag des Bundes nationales Recht darstellt, steht dem eu-rechtlichen Sachverhalt nicht entgegen.

Jede natürliche Person kann sich in eigener Sache auch in D auf die Bestimmungen der EMRK als vorrangig einzuhaltendes Unionsrecht stützen, ohne daß es auf die Umsetzung/Anwendung von Unionsrecht ankommt, wie es für die GrCH definiert worden ist.

Da der Beitritt der EU zur EMRK seitens der Mitglieder der EU zu ratifizieren war, ist es also auch seitens des EU-Mitgliedslandes "Bundesrepublik Deutschland" bestimmt, daß die EMRK national noch über über dem Grundgesetz steht.

Es bleibt Aufgabe, die entsprechenden Verträge und Ratifizierungsdokumente zu ermitteln, die den Beitritt  der EU zur EMRK sowie die Zustimmung Deutschlands dazu belegen.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 01. Juni 2020, 12:23
Aus einem älteren europäischen Dokument, wohl des Obersten Gerichtshofes der Republik Österreich(?), zu einer Rechtssache, an der auch Deutschland, (Kammergericht Berlin), beteiligt war und zu Art. 10 EMRK eine Aussage enthält:

Oberster Gerichtshof, Entscheidung vom 15/02/2007 6 Ob 266/06w
ECLI-Identifikator: ECLI:AT:OGH0002:2007:RS0121818

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:82007AT0215(01)&qid=1591006038370&from=DE

Zitat
3.8. Die Medienfreiheit kann nach Art 10 Abs 2 MRK bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer unentbehrlich sind, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten. Jeder Eingriff in das verfassungsrechtliche Recht auf freie Meinungsäußerung muss somit gesetzlich vorgesehen sein.

Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag müsste es ausdrücklich und explizit bestimmen, daß die rundfunkferne Person, die nie freiwillig Rundfunk finanzieren würde, zur Rundfunkfinanzierung gezwungen werden darf, denn Europa bestimmte im Art 10 EMRK "without interference by public authority"; da dieses aber auch Bundesrecht ist, bräuchte es ein förmliches Gesetz des Bundes, das die Länder befugt, derartiges vom Bund abweichend zu bestimmen, was allerdings wiederum an der europäischen Bestimmung nichts ändert, die von den Ländern auch dann nicht ausgehebelt werden kann, wenn der Bund das national zulassen würde. Hierbei dann noch völlig unberücksichtigt, daß die EMRK innerhalb der EU den Normenrang der EU-Verträge innehat und bei keiner Maßnahme der Mitgliedstaaten der EU mißachtet werden darf.

Der Bund hätte hier gar keine Möglichkeit, die EMRK rechtswirksam einzuschränken, würde er damit gleichzeitig gegen die EU-Verträge verstoßen.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 02. Juni 2020, 19:28
@drboe: Vielen Dank für den Link zum 8. RÄStV

Zur einführenden Lektüre in die Geschichte des Internet möchte ich an dieser Stelle mal auf die Seiten 179-201 (insbesondere S. 200-201) der bpb-Publikation von Volker Grassmuck verweisen:
Freie Software - Zwischen Privat- und Gemeineigentum
https://freie-software.bpb.de/
Direktlink zum PDF:
https://freie-software.bpb.de/Grassmuck.pdf

Der Art. 10 EMRK kann natürlich auch mit dem Artikel 14 EMRK (Diskriminierung) verbunden werden, in dessen Zusammenhang man die Diskriminierung der Nutzer der neuen Medien durch die Befürworter der Nutzung der alten Medien darlegen und belegen müsste.
Im Bereich des UN-Zivilpaktes würde es sich dann um die Verbindung von Art. 19 AEMR mit den Artikel 2 und 7 AEMR handeln. In diesem Kontext finde ich es interessant, dass es im UN-Zivilpakt (siehe obiges Zitat von Bernhard Schäfer) im Art. 20 AEMR ein allgemeines Verbot der Kriegspropaganda gibt. Wenn ich das richtig sehe, wirft Olaf Kretschmann den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten genau diese Propaganda in indirekter Weise vor, wenn er in seiner immer noch anhängigen Verfassungsbeschwerde feststellt, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Bevölkerung im Interesse der erwähnten Militärbündnisse manipulieren würden. Dass ein Pazifist bei so etwas in einen Gewissenskonflikt gerät, kann ich dann auch sehr gut nachvollziehen.  Siehe hierzu weiter:
Olaf Kretschmann: Verfassungsbeschwerde – AZ: 1 BvR 652/19
https://rundfunkbeitrag.blogspot.com/2019/03/verfassungsbeschwerde-gegen-den.html
La lucha contra la injusticia sigue continuando en Alemania
http://disenoweb-jorge.blogspot.com/2020/04/la-lucha-contra-la-injusticia-sigue.html
Deutsches Institut für Menschenrechte in Berlin
https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/ueber-uns/auftrag/
https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/32831
Menschenrechtszentrum der Universität Potsdam
https://www.uni-potsdam.de/de/mrz/ueber-mrz/institut
https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/32831
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 09. Juni 2020, 17:47
Da der Verstoß gegen die Informationsfreiheit im 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag nicht direkt ersichtlich ist, möchte ich die zu beanstandende Stelle hier noch einmal erwähnen:
Zitat
Für neuartige Rundfunkempfangsgeräte (insbesondere Rechner, die Rundfunkprogramme ausschließlich über Angebote aus dem Internet wiedergeben können) im nicht ausschließlich privaten Bereich ist keine Rundfunkgebühr zu entrichten, wenn ...

Unabhängig davon, dass das ganze Gesetz sehr unklar und sehr missverständlich formuliert wurde, geht aus dieser Textstelle eindeutig hervor, dass es sich bei dieser Gebühr für neuartige Rundfunkempfangsgeräte insbesondere, wenn nicht sogar ausschließlich, um eine Internet-Gebühr handelt. Da das Internet jedoch nicht der Bundesrepublik Deutschland und auch nicht seinen Landesregierungen gehört, ist eine solche grundlegende Gebühr auf die Möglichkeit der Wiedergabe von Rundfunkprogrammen im Internet rechtlich sehr fragwürdig. Es ist in diesem Zusammenhang schon alleine aus allgemein rechtlichen Überlegungen heraus die Vorgehensweise sehr fragwürdig, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten offensichtlich erst einmal Inhalte gratis ins Netz gestellt haben, um dann eine angebliche Möglichkeit der Nutzung gebührenpflichtig abzurechnen.

Damit sind wir aber bei der zu klärenden Frage, wem das Internet eigentlich gehört. In Anlehnung an die oben erwähnte Studie von Volker Grassmuck, die auch als Gutachten bezeichnet werden kann, können wir hierzu bereits zwei Punkte festhalten:
Ich hoffe mal, dass ich die Sache mit dem Internet jetzt nicht zu einfach erklärt habe; wenngleich es mir mehr darum geht, den rechtlichen Verstoß gegen die Informationsfreiheit darzulegen, den ich in der Einführung der Internet-Gebühr sehe, welche wiederum impliziter Bestandteil des Rundfunkbeitrages ist.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Spark am 10. Juni 2020, 01:42
Die einzige Gebühr, die jemand für das Internet zu entrichten hat, ist die Zugangsgebühr. Und zwar an einen Provider eigener Wahl, welcher einem dann einen Zugang zum Internet zur Verfügung stellt.
Aus reinen Inhalten des Internets können keine rechtlichen Verbindlichkeiten ohne Zutun eines Internetnutzers entstehen. Wäre dem nicht so, gäbe es das Internet schon lange nicht mehr.
Und dieses Märchen, dass man Rundfunkprogramme über das Internet empfangen könnte, gehört endlich ein für alle mal aus der Welt geschafft. Wer soetwas behauptet, ist schlicht ein Vollidiot. (Man möge mir diese direkte Bezeichnung verzeihen, aber mir fällt keine mildere ein.)
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: drboe am 10. Juni 2020, 10:57
@art18GG: die Frage wem das Internet gehört, ist so einfach sicher nicht zu beantworten. Das im Internet für den Transport der Daten genutze Protokoll TCP/IP geht zurück auf  Entwicklungen unter Führung des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums. Niemand behauptet, dass das Internet deswegen dem Verteidigungsministerium der USA gehört. Auch wenn ein Produkt auf der Basis von Lizenzen gefertigt wird, so gehört es dadurch sicher nicht den (diversen) Lizenzgebern. In jedem Mobilfunkgerät, jedem Kommunikationssystem stecken Komponenten, die deren Hersteller nur nach Erwerb von Lizenzen einsetzen darf. Dies Produkt wird, so man es verkauft, zum Eigentum des Erwerbers. Dieser erwirbt damit auch Nutzungsrechte ohne selbst für die lizensierungspflichtigen Komponenten des Geräts seinerseits Lizenzen zahlen zu müssen. So gehört der Router, über den mein LAN mit dem Internet verbunden ist, mir, der Betrieb wird von mir finanziert. Dies Gerät steht zudem ausschließlich unter meiner Kontrolle - ich bin relativ gut darin den Versuch in mein Netz einzubrechen zu verhindern. Der Router ist damit auch nicht Teil einer wie auch immer definierten Allmende "Internet". Er gleicht mehr einer Grundstückszufahrt oder einem Privatweg, der zur allgemeinen Strasse führt.

Die GPL ist ein Lizensierungssystem für "Freie Software". Die GPL regelt die Weitergabe und Nutzung von Software, deren Entwickler diese entgeltfrei anderen überlassen. Die Regeln, nach denen man Netze und Dienste betreiben kann und welche Software dabei eingesetzt werden darf, regelt die GPL aber nicht. Die GPL definiert auch keine Standards, nach denen technische Komponenten oder Protokolle für Kommunikation im Internet genutzt werden. Das übernehmen Standardisierungsgremien wie ECMA, ETSI, IEEE usw.

Das Internet, ein Verbund von vielen Kommunikationsnetzen, besteht zunächst einmal aus Hardware, Kupfer- und Glasfaserkabel, Sendeanlagen, Switches, Router, Gateways, Server usw. Diese Komponenten zusammen bilden Netze, die wiederum miteinander verbunden und im Besitz recht unterschiedlicher Unternehmen sind. Verträge der jeweiligen Netzbetreiber untereinander regeln den Datenaustausch. Auf diesen Netzen werden Dienste angeboten, die mit Software realisiert sind. Viele dieser Dienste wurden im Rahmen von RFC definiert und entwickelt. Nur ein Teil der entwickelten Software und im Internet betriebenen Systeme basiert allerdings auf der GPL. Unabhängig davon, wie groß der Anteil GPL lizensierter Software ist, beträgt er mit Sicherheit nicht 100 Prozent. Und wie erwähnt würde, selbst wenn für 100% aller Dienste im Internet GPL-lizensierte Software eingesetzt würden, das Internet und seine Komponenten damit nicht zum Eigentum der Softwareentwickler, die ihre Programme unter der GPL anbieten.

Sicher ist eigentlich nur, dass das, was als "Internet" bekannt ist, nicht den Regierungen gehört. Zumal die Regeln, nach denen deren Betrieb gestattet ist, von Parlamenten erstellt werden, denen das Internet allerdings ebenso wenig gehört wie die Kraftfahrzeuge, deren Betrieb auf anderen Regeln der gleichen Parlamente basiert.

M. Boettcher
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Roggi am 10. Juni 2020, 12:17
Das Internet gehört zur Infrastruktur. Der Rundfunkempfang kann dadurch ebenfalls möglich sein. Laut einer neuesten Studie erreichen die örR aber dadurch kaum neue Nutzer, sondern es wird von Rundfunkteilnehmern als zusätzliche Möglichkeit des Empfangs genutzt. Das Problem ist also eher, dass örR behauptet, jeder nutzt Rundfunk, weil immer verfügbar. Das ist Wunschdenken vom örR und durch nichts bewiesen. Es stellt sich also die Frage, ob man etwas finanzieren muss, wass angeblich jedem zur Verfügung steht, auch wenn man es nicht nutzt.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 10. Juni 2020, 16:01
@drboe: Diese ist soweit ich das Überblicke ersteinmal richtig, jedoch geht meine Argumentation nicht in die Richtung, dass das Internet jemanden gehört, sondern als Allmende all denjenigen gehört, die es geschaffen haben (also so etwas wie ein Gemeingut ist). Hinsichtlich der „freien Software“, deren Freiheit durch die GPL geschützt ist, weise ich nur darauf hin, dass das GNU/LINUX Betriebssystem und der APACHE Webserver beispielsweise zwei Softwarepakete sind, die in ihrer ursprünglichen Form über die GPL geschützt sind und zwei wesentliche Komponenten waren, die zur Entwicklung des Internets beigetragen haben. Die Studie von Volker Grassmuck bestätigt, die von mir vertretenen Argumente eigentlich sehr gut. Es wäre in jedem Fall sehr interessant zu erfahren, was die öffentlich-rechtlich Rundfunkanstalten und die Verwaltungsgerichte zu den von mir vorgetragenen Vorwürfen der Illegalität ihrer Handlungen antworten würden. 

Es sollte bei aller Schwierigkeit das Internet zu definieren, jedoch nicht vergessene werden, dass es das Ziel ist, darzulegen, dass die deutsche Internet-Gebühr ein Verstoß gegen die Informationsfreiheit ist, was sich dann wie ein Virus auch auf den Rundfunkbeitrag übertragen würde.   
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 12. Juni 2020, 19:04
Abschließend zur obigen Diskussion möchte ich darauf hinweisen, dass das Internet nicht nur aus Hardware und Software besteht, sondern auch aus Inhalten (Informationen). Auch hier gilt das Allmende-Prinzip, wozu ich beispielsweise auf die freie Enzyklopädie Wikipedia verweise, deren Inhalte anlog zur GPL durch den Creative Commons geschützt sind (frei bedeutet in diesem Kontext übrigens nicht gratis, da es auch Verpflichtungen gibt, die darin bestehen, die Freiheit zu schützen).

Ausgehend von diesem Allmende-Prinzip wäre es beispielsweise nicht erlaubt, wenn ich jedem der meine Beiträge in diesem Forum gelesen hat, anschließend eine Lesegebühr berechnen würde. Selbst wenn ich jetzt eine nette Regierung kennen würde, die mir ein passendes Gesetz dazu machen würde, würde ich nicht einmal auf die Idee kommen, so etwas zu tun. Genau das hat der öffentlich-rechtlich Rundfunk jedoch gemacht, als er seine Rundfunkfunkprogramme ins Internet gestellt hat. Er hat wahrscheinlich sogar selbst irgendwelche Software produziert, die z. B. das damalige analoge Signal in ein digitales Signal umgewandelt hat, um den Empfang seiner Radio-Programme über das Internet erst möglich zu machen. Die notwendige Software wird er wohl selbst gratis zur Verfügung gestellt haben, um damit ein Rechtsproblem hinsichtlich der Gebührenpflicht zu provozieren.

Durch die Einführung der Internet-Gebühr wurde damit den Menschen der Zugang zum Internet verwehrt, die den Konsum von Rundfunk und Fernsehen grundsätzlich ablehnen und sich deshalb lieber über das Internet informieren. Darin besteht letztendlich die Einschränkung der Informationsfreiheit, dass die Internet-Gebühr dazu geführt hat, dass Menschen, die die Information aus dem Internet bevorzugen, dazu gezwungen werden, Informationen aus Rundfunk und Fernsehen zu fördern, obwohl diese Menschen die gebührenpflichtigen Informationen aus den Altmedien als nicht förderungswürdig erachten.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: ope23 am 12. Juni 2020, 21:00
Naja, jetzt wird's schon sehr spekulativ.

Wikipedia ist z.B. nicht "frei", sondern wird von einer gemeinnützigen Stiftung getragen. Jeder, der in einem Artikel etwas verändert (als Autor oder anonym) muss lizenzrechtlichen Anforderungen entsprechen. Hier mal ein typischer Hinweis:
Zitat
Mit dem Klick auf „Änderungen veröffentlichen“ versicherst Du, dass Du den Beitrag selbst verfasst hast bzw. dass er keine fremden Rechte verletzt, und willigst ein, ihn unter der Creative Commons Attribution/Share-Alike Lizenz 3.0 und der GNU-Lizenz für freie Dokumentation zu veröffentlichen. Falls Du den Text nicht selbst verfasst hast, muss er unter den Nutzungsbedingungen verfügbar sein und Du stimmst zu, notwendigen Lizenzanforderungen zu folgen.
Quelle: Hinweis der deutschen Wikipedia für Autoren (schwer, einen Link dafür anzugeben, da es sich um einen Text in einem Bearbeitungsfenster handelt)

Das "Internet" ist auch nicht frei und auch keine Allmende. Das Internet ist eher mit dem guten alten weltweiten Telefonnetz vergleichbar.

Und wenn jemand in einem Forum Beiträge veröffentlicht, dann hat er in der Regel schon gewisse Rechte an die Forumseigentümer abgetreten. Wenn nicht explizit bei der Anmeldung (wie bei kommerziellen Foren), dann qua "Verkehrssitte". Was ist nämlich z.B., wenn dieses wundervolle Forum plötzlich eine Broschüre herausgeben würde, welcher die diversen Erfahrungen aus mehr als zehn Jahren wiedergibt? Im Normalfall gibt's keine Tantiemen. Ein solches typisches Problem hat man in Essen-und-Trinken-Foren, wenn private Kochrezepte plötzlich in einem neuen Kochbuch erscheinen.


Ich schließe hier mal auch etwas ab: Am ehesten kommt drboe mit seinem längeren technischen Posting (10. Juni) an das heran, was "Internet" ist.

Wir sollten uns lieber drauf kaprizieren, dass der deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunk mutmaßlich ohne öffentlichen Auftrag und mutmaßich unter Einsatz von Rundfunkbeiträgen Inhalte ins Internet bringt, das Framing verbreitet, Internet sei auch Rundfunk und am Ende eine Art Internetgebühr kassieren möchte und damit die Informationsfreiheit erheblich behindert, womit wir beim Threadthema sind.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 13. Juni 2020, 08:22
Bitte mal nicht zu weit vom Thema entfernen.

Relevant zu klären ist nämlich, wie "without interference by public authority" zu leisten ist, weil ja der Wesensgehalt des Grundrechts, (hier des europäischen Grundrechts), nicht angetastet werden darf.

Weiterführend dazu auch:

Bedeutung der engl. Begriffe "interfere"/"interference" und ihre dt. Deutung
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,29988.msg187725.html#msg187725

und

Grundsätze der Effektivität und Äquivalenz -> EU-Recht
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,29762.msg186475.html#msg186475

mit der wichtigen Aussage:

Zitat
Rn. 37 - EuGH C-234/17
[...] dass mit den Grundrechten unvereinbare Maßnahmen in der Union nicht zulässig sind [...]
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 16. Juni 2020, 18:15
Auf die Diskussion über Beispiele möchte ich nicht eingehen, da es bei dem Thema um grundsätzlichere Fragen geht wie die, ob das Internet als Empfangsmöglichkeit für Rundfunk und Fernsehen gesehen werden kann. Das, dem nicht so ist, müsste in einer ausführlicheren Untersuchung genau betrachtet und dargelegt werden. Zur Differenzierung von den Altmedien sehe ich beispielsweise in den Formaten „Blog“ und „Forum“ (Newsgroups) zwei eigenständige Mittel der Verbreitung von Information, die man dem Medium Internet in seiner Werkzeugfunktion des WWW unabhängig von anderen Medien zuordnen kann. Hinsichtlich der Frage der Allmende (Commons) müsste man vielleicht mal die Free Software Foundation (Richard Stallman) oder die Creative Commons Organisation (Lawrence Lessig) um Rat fragen, was sie von meinen beiden Thesen halten.

Es scheint mir in diesem Kontext auch nicht unerheblich zu sein, zu klären, ob die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bei der Einführung der Internet-Gebühr möglicherweise nach dem Trojana-Prinzip vorgegangen sind, indem sie zuerst die notwendige Software zum Empfang von Rundfunk und Fernsehen produziert haben und dann gratis verbreitete haben, um damit eine Gebührenpflicht für den Internet-Empfang zu provozieren. Da man mittlerweile auf allen neuen Mobilfunkgeräten eine Radiofunktion fest installiert vorfinden kann, kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen, dass die Hersteller dieser Geräte irgendwelche Lizenzgebühren für die Installierung dieser Software gezahlt haben. Vor einigen Jahre hat mir ein Freund, der im Ausland lebt, in diesem Zusammenhang mal erzählt, dass er eine Software von der Webseite des WDR gratis heruntergeladen hat, mit der er mehre 100 deutsche Radiosender im Ausland über das Internet hören konnte. Damit ist mein Verdacht jedenfalls nicht unbegründet, wobei ich nicht weiß, wie man diese Vorgehensweise rechtlich beurteilen kann. Sollte sich diese Vorgehensweise als wahr herausstellen, wäre dies jedoch ein weiteres Argument dafür, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk den Bürger sehr wohl seine Programme (Informationen) aufdrängt.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Spark am 16. Juni 2020, 21:41
Lassen wir die Frage, ob Rundfunk über Internet empfangbar ist oder nicht einmal beiseite.
Die schon zuvor gestellte Frage halte ich in Verbindung mit Artikel 10 EMRK aber für wichtig:
Können reine Internetinhalte eine rechtliche Verbindlichkeit auslösen ohne das geringste Zutun eines Internetnutzers, oder gar für Personen, welche über gar keinen Internetzugang verfügen?
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 19. Juni 2020, 16:48
Bei der Frage der Informationsfreiheit geht es nicht darum, dass irgendjemand Rundfunk und Fernsehen über das Internet hören oder sehen will, sondern darum, dass die neuen Medien eine andere Form der „Informationskultur“ (ein Terminus, den der Prof. Dr. Paul Kirchhof in seinem Gutachten verwendet, vgl. ebda. S. 61) darstellen, als die alten Medien. Ich formuliere meine erste These hierzu vielleicht mal anders, damit dies deutlicher wird.

1) Die geistige Freiheit der Internet-Kultur, d. h. seine Informationsfreiheit, wird lizenzrechtlich durch die General Public License (GPL) und durch die Lizenzen des Creative Commons (CC) geschützt.

Diese Formulierung berücksichtigt mehr, dass das Urheberrecht auch im Internet der default ist, wenn bei einer Publikation nichts angegeben wird; was bedeuten soll, dass das Urheberrecht die Voreinstellung ist und eben nicht die Freiheit, wie es eigentlich sein sollte. Nach meinen Kenntnissen des Urheberrechtes (! keine Rechtsberatung) ist es so, dass nach deutschem Recht das Urheberrecht bei Publikationen in einem Blog auch dann gilt, wenn der Autor des Blogs keine Angaben zum Urheberrecht macht. Es ist also nicht notwendig, darauf hinzuweisen, dass man auf sein Urheberrecht besteht. Der Hinweis mit dem C-Zeichen, um anzudeuten, dass auf ein Copyright bestanden wird, wird in dieser Hinsicht in der deutschen Rechtsprechung übrigens nur als Verweis auf das deutsche Urheberrecht verstanden. Eine Einführung des amerikanischen Urheberrechts in die deutsche Gerichtsbarkeit ist damit nicht möglich.

Daher war es notwendig, Lizenzen zu entwickeln, die sicherstellen, dass jemand, der (nach der Zahlung der Internet-Gebühr) die frei zugänglichen Informationen von Wikipedia beispielsweise benutzt, nicht im Nachhinein wegen Urheberrechtsverletzungen verklagt wird. Die CC-Lizenzen der Creative Commons Organisation regeln genau diesen Sachverhalt, da in ihnen festgelegt wird, auf welche Aspekte des Urheberrechts verzichtet wird und auf welche eben nicht. Die CC-Lizenz, zu der sich alle Autoren auf Wikipedia verpflichten, wenn sie dort etwas veröffentlichen, ist übrigens die folgende Lizenz:

Weitergabe unter gleichen Bedingungen (share alike)
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 20. Juni 2020, 13:01
@art18GG

Wir schreiben um den heißen Brei herum, wenn ignoriert wird, daß es sowohl bei diesem Art. 10 EMRK, als auch bei Art. 11 GrCh allzeit darum geht, jedenfalls nach Intention der jeweiligen Normgeber, daß sich der Staat und seine Handelnden vollständig aus der Meinungsbildung der Bürger herauszuhalten haben; -> "without interference by public authority"; -> für Europa wie für den Teil davon namens EU gesetztes Grundrecht.

Die Rundfunkfreiheit der Länder der Bundesrepublik Deutschland steht hier nicht darüber, sondern darunter, und der Bund müsste einschreiten, weil auf beide Regelwerke, (EMRK wie GrCh), verpflichtet, wenn sich Regionen seines Hoheitsbereiches entgegen Art. 31 GG nicht daran halten wollen.

Daneben sei an das EUZBLG erinnert, dem

Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union
https://www.gesetze-im-internet.de/euzblg/BJNR031300993.html

mit der Aussage
Zitat
Anlage (zu § 9)
(Fundstelle: BGBl. I 2009, 3032 - 3035)

V)
    Umsetzung von Recht der Europäischen Union

    1.
        Die Bundesregierung nimmt im Interesse einer rechtzeitigen Ergreifung der erforderlichen Verfahrensschritte für Rechtsakte der Europäischen Union, für deren Umsetzung ausschließlich die Länder zuständig sind, sowie für Rechtsakte der Europäischen Union, die von Bund und Ländern durch jeweils eigene Umsetzungsmaßnahmen gemeinsam umzusetzen sind, frühzeitig Kontakt mit den Ländern auf. Die Bundesregierung lässt die Listen mit dem aktuellen Stand der umzusetzenden Rechtsakte, die sie dem Bundestag übermittelt, dem Bundesrat gleichzeitig zukommen.
    2.
        Die Bundesregierung unterrichtet den Bundesrat über die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren nach den Artikeln 258, 260 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union durch Übermittlung von Mahnschreiben und mit Gründen versehenen Stellungnahmen, soweit diese Verfahren die Nichtumsetzung von Richtlinien durch ein Land oder mehrere Länder betreffen. In diesen Fällen fertigt die Bundesregierung ihre Stellungnahmen in Abstimmung mit den betroffenen Ländern.

Im obigen Zitat ist der Begriff "gemeinsam" in Form der Unterstreichung hervorgehoben; man könnte doch mal Fragen, worauf sich diese gemeinsamen Umsetzungsmaßnahmen beziehen?

Die EMRK ist kraft Beitritt der EU Recht der EU, die GrCh ja eh, und beide Regelwerke sind bei Umsetzung der Richtlinie über audio-visuelle Mediendienste verpflichtend einzuhalten.

Ergibt sich nicht aus diesem EUZBLG die Pflicht des Bundes, die Länder selbst im Bereich der alleinigen Gesetzgebungsbefugnis der Länder nicht gänzlich alleine dastehen zu lassen, wenn eben Belange der EU betroffen sind? Und mit der Einhaltepflicht eben dieser Art. 10 EMRK und Art. 11 GrCh sind Belange der EU betroffen.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: frank6+6 am 20. Juni 2020, 23:29
Wir schreiben um den heißen Brei herum, wenn ignoriert wird, daß es sowohl bei diesem Art. 10 EMRK, als auch bei Art. 11 GrCh allzeit darum geht, jedenfalls nach Intention der jeweiligen Normgeber, daß sich der Staat und seine Handelnden vollständig aus der Meinungsbildung der Bürger herauszuhalten haben; -> "without interference by public authority"; -> für Europa wie für den Teil davon namens EU gesetztes Grundrecht.
@pinguin,

Es ließ mir keine Ruhe und ich habe nachgesehen, wie das dein vorgesetzter Rundfunk sieht.
Vorsicht!, Auf eigene Gefahr!
h--ps://w-w.ard.de/home/die-ard/organisation/Was_bietet_die_ARD_/327220/index.html

Zitat
Teihabe an freier, demokratischer Meinungsbildung

Mit ihren Programmen ermöglicht die ARD jeder Bürgerin und jedem Bürger die Teilhabe an der freien demokratischen Meinungsbildung. Alle Angebote der ARD sind frei und unverschlüsselt empfangbar. Das Gesamtangebot richtet sich an alle Bevölkerungs- und Altersgruppen.
Sarkasmus on.
Das heißt doch, dass du lediglich durch ARD und Co dir eine freie demokratische Meinung bilden kannst. Wenn du die nicht empfängst, kannst du doch an einer freien demokratischen Meinungsbildung gar nicht teilhaben. ARD und Co ermöglichen es dir. Oder betrachte ich das falsch?
Also jeder, der ARD und Co schaut, darf sich auch der Meinung von ARD und Co mal anschließen. Das ist freie Meinungsbildung.
Ohne ARD und Co geht keine freie Meinungsbildung.
Sarkasmus off.

Wenn ich das auf der ARD-Seite lese,, (Sind die überhaupt rechtsfähig?) dann mache ich mir schon meine Gedanken darüber, wie das gemeint sein soll. Ob die das ernst meinen?
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: drboe am 21. Juni 2020, 11:09
M. E. scheitert die "Teilhabe an der freien demokratischen Meinungsbildung" grundsätzlich daran, dass Rundfunk einerseits ein unidirektionales Prinzip ist, was der "Teilhabe" recht enge Grenzen setzt, indem die "Teilhaber" außer als Finanziers lediglich als Konsumenten auftreten können. Zum anderen aber auch dadurch, dass im Rundfunk - sowohl im öffentlich-rechtlichen als auch im privaten - gerade nicht alle Meinungen gesendet werden. Es werden nicht einmal alle Tatsachen gesendet, die den Rezipienten in die Lage versetzen sich eine eigene Meinung zu bilden. Der ÖRR arbeitet nämlich als Filter, wie jeder, der auch andere Informationsquellen nutzt, sicher bestätigen kann. Diese Filterfunktion ist politisch gewollt, vom BVerfG abgesegnet und dient der Stabilisierung und dem Erhalt des Systems. Man muss kein Umstürzler sein um zu erkennen, dass die Bandbreite dessen, was im ÖRR an Information und Meinung als wünschenswert und zulässig erachtet wird, über die Jahre abgenommen hat. Weit über 90 Prozent der politischen Nachrichten sind reiner Verlautbarungsjournalismus, echte Diskussionen strittiger Themen finden, der Fülle der "Talkshows" zum Trotz, im Grunde nicht statt. Einen Diskurs lässt der fein austarierte Proporz der fast durchgängig neoliberalen Parteienvertreter innerhalb und außerhalb der Anstalten gar nicht zu. Tritt doch einmal einer mit alternativen Sichtweisen an, wird er diffamiert, niedergemacht, und kommt kaum zu Wort, da er sich einer Übermacht meinungskonformer Lautsprecher gegenüber sieht.

Der ÖRR ist nicht frei von politischem Einfluß, auch wenn das mittelbar stets behauptet wird. Man betont daher stets die "Staatsfreiheit" und selbst die gibt es nicht, schon weil man Teil des staatlichen Apparats ist und von Entscheidungen der Staatsführung abhängig. Es hat mehr als 50 Jahre gedauert, bis selbst das BVerfG feststellte, dass der politische Einfluß zu hoch ist. Leider hat es den lediglich formal begrenzt und nicht völlig untersagt. Dass die Limitierung direkter politischer Einflußnahme via Gremien unterlaufen wird, sei hier nur am Rande festgestellt. Die Freiheit, die Rundfunkmacher immer wieder betonen, ist letztlich ein Placebo. Der ÖRR ist daher nicht weniger staatlich als Sender in anderen Ländern, auch denen, über die Journalisten des ÖRR gern die Nase rümpfen (z. B. Russland, China).

Nebenbei: Wäre das Programm der ARD wirklich "frei empfangbar", man würde nicht gezwungen es zu finanzieren, wenn man es nicht nutzen will. Ob der Transport der Sendungen verschlüsselt wird oder nicht, ist sicher nicht der Maßstab für Freiheit. Millionen von Webseiten werden verschlüsselt übertragen, sind aber dennoch frei nutzbar.

M. Boettcher
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: NichtzahlerKa am 21. Juni 2020, 18:50
Das Argument mit den Webseiten gefällt mir drboe. Es sind aktuell über 200 Millionen die im freien Internet verschlüsselt werden. Im Übrigen: Wenn mein Haus ungünstig steht (großes Gebäude im Süden verdeckt Astra) und mir die Telekom nur ein Glasfaseranschluss ins Haus legt, wie kann ich die Öffis dann unverschlüsselt empfangen? Die Telekom verschlüsselt das Signal auf der Glasfaser und ich muss 5-10€ für einen Receiver+Vertrag im Monat lönen um das Signal zu entschlüsseln. Im Gegensatz zu den Ausführungen des BverfG bekäme ich für den Rundfunkbeitrag also noch nichteinmal die Möglichkeit die Öffis in meinem Haus zu empfangen.


Edit "Bürger" @alle:
Bitte Rückbesinnung auf das eigentliche Kern-Thema dieses Threads, welches da lautet
Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Danke für allerseitiges Verständnis und die Berücksichtigung.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 22. Juni 2020, 07:30
Wenn ich das auf der ARD-Seite lese,, (Sind die überhaupt rechtsfähig?)
Die ARD? Nein, weder partei-, prozess-, noch rechtsfähig; ist aber kein Diskussionsstoff für dieses Thema hier.

Es geht hier um die europäischen Grundrechte, die sich aus Art. 10 EMRK ableiten lassen und im Wesensgehalt nicht angetastet werden dürfen, werden sie doch einmal eingeschränkt, welches wiederum nur nach den von der EMRK selbst vorgesehenen Vorgaben zulässig ist.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 24. Juni 2020, 15:29
@art18GG

Wir schreiben um den heißen Brei herum, wenn ignoriert wird, daß es sowohl bei diesem Art. 10 EMRK, als auch bei Art. 11 GrCh allzeit darum geht, jedenfalls nach Intention der jeweiligen Normgeber, daß sich der Staat und seine Handelnden vollständig aus der Meinungsbildung der Bürger herauszuhalten haben; -> "without interference by public authority"; -> für Europa wie für den Teil davon namens EU gesetztes Grundrecht.

Dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unter der Kontrolle der jeweiligen Landesregierung stehen halte ich für evident, weshalb wir dies mit wenige Aufwand vor internationalen (europäischen) Gerichtsinstanzen nachweisen können. Der EU-Gerichtshof in Luxemburg hat in diesem Zusammenhang bereits mehrfach festgestellt, dass sowohl die Rundfunkgebühr als auch der Rundfunkbeitrag eine staatliche Beihilfe sind.
Dies wurde noch einmal im Vorlageverfahren des LG Tübingen (Rechtssache C-492/17) bestätigt. Es wurde jedoch nicht über Vorlagefrage 4 des Verfahrens verhandelt, weil das LG Tübingen nicht dargelegt hatte, inwieweit die dortigen Kläger von der offensichtlichen Einflussnahme des Staates auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten selbst betroffen sind. Um diese Selbstbetroffenheit geht es übrigens in dem von mir begonnen Argumentationsstrang, falls dies nicht aufgefallen sein sollte. Eine solche Selbstbetroffenheit müsste man auch in Rahmen einer Individualbeschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg, der die direkte Verfahrensinstanz für den Art. 10 EMRK ist, darlegen.

Historischer Hintergrund der Informationsfreiheit in den Erklärungen der Menschenrechte ist und bleibt die einseitige Propaganda der Nazis im dritten Reich, wo es auf Grund der fehlenden Trennung von Medien und Staat eben keine Informationsfreiheit gab. Zudem gab es eine massive Hetze gegen jüdische Bürger in den Medien, die eben auf die damals vorherrschende Regierungspolitik zurückging. In abgeschwächter Form meine ich dies auch heute zu beobachten, wenn Blogger (und wahrscheinlich auch Betreiber von Foren) grundsätzlich als Lügner beschimpft werden und Nicht-Konsumenten von Rundfunk und Fernsehen grundsätzlich als Betrüger dargestellt werden. Die Informationskultur der neuen Medien ist halt eine andere, als die Informationskultur der alten Medien, was jemand, der sich Pinguin nennt, eigentlich verstehen sollte. Nach meiner Ansicht wird durch die Auseinandersetzungen zum Rundfunkbeitrag dieser Konflikt der unterschiedlichen Weltanschauungen zur Frage dessen, was freie Information ist, offengelegt. Es gibt hier einfach unterschiedliche Formen der Informationskultur, die nicht dadurch vereint werden, dass der alte Staatsfunk mit viel Geld ausgestattet wird, um das Internet zu erobern.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 24. Juni 2020, 17:04
Die Informationskultur der neuen Medien ist halt eine andere, als die Informationskultur der alten Medien,  [...]
Ist für die Gültigkeit der Art. 10 EMRK und Art. 11 GrCh irrelevant.

Gemäß beiden Regelwerken ist es unabdingbar, daß Einschränkungen nur im Rahmen der Vorgaben dieser jeweiligen Regelwerke erfolgen dürfen.

Die für EuGH und EGMR notwendig darlegbare Selbstbetroffenheit wird jedem Zwangsbebeitragten gelingen, der die Zwangsbebeitragung schlicht dadurch realisiert, daß er es auf vom Staat vorgenommene Zwangsvollstreckungen ankommen läßt.

Ausübung von Zwang auf einen Verbraucher ist unzulässig; (siehe Thema im Forum), und "Verbraucher" ist jede natürliche Person, die ... (siehe Thema im Forum).

Jetzt wende das auf die von Art. 10 EMRK und Art. 11 GrCh geregelten Bereiche an, nimm' die von EU und Bund vorgegebene Unternehmensgleichbehandlung noch dazu, und fertig ist die staatliche Einflußnahme auf Dein Medienverhalten, bewirkt durch Deine lokale Behörde, die für den Rundfunk Büttel spielt, anstatt diesen auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen, der für alle Unternehmen kraft EU und Bund der vorgegebene Rechtsweg ist, wenn Forderungen gegenüber Verbrauchern geltend zu machen sind.

Bitte berücksichtige, daß sich der Landesnormgeber mit der Formulierung der "Schickschuld" weder über den europäischen Normgeber, noch über den des Bundes hinweggesetzt hat; die Mißachtung der europäischen und bundesrechtlichen Normen bewirkt erst der lokale Büttel, der nicht begriffen hat, daß er die Pflicht hat, sich der europäischen wie bundesrechtlichen Norm vor der Norm des Landes zu unterwerfen, denn das Höhere bricht das Niedere, belegt durch Art. 31 GG.

Und das höhere Recht bestimmt halt, daß die staatliche Einmischung/Störung/Einflußnahme in allen Belangen der Information und Meinung nicht zu dulden ist.

Europa wird die Mißachtung von Europa in keinem Falle hinnehmen!
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 24. Juni 2020, 20:22
Ist für die Gültigkeit der Art. 10 EMRK und Art. 11 GrCh irrelevant.

Gemäß beiden Regelwerken ist es unabdingbar, daß Einschränkungen nur im Rahmen der Vorgaben dieser jeweiligen Regelwerke erfolgen dürfen.

Die für EuGH und EGMR notwendig darlegbare Selbstbetroffenheit wird jedem Zwangsbebeitragten gelingen, der die Zwangsbebeitragung schlicht dadurch realisiert, daß er es auf vom Staat vorgenommene Zwangsvollstreckungen ankommen läßt.

Dies sehe ich halt anders, weil dies nur auf die Frage hinausläuft, ob der Staat zwang ausüben darf, um eine Abgabe einzuziehen. Daher bedarf es schon der Erörterung, dass die Informationskultur der neuen Medien ein andere ist, als die der alten Medien. Hierzu verweise ich mal auf den Fall Faccio gegen Italien, den wir in einem anderen Thema besprochen haben:

Artikel 10 EMRK: Bruno Antonio Faccio gegen Italien, Beschwerde 33/04
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=32853.0

Es scheint mir daher schon wichtig, zu klären, dass es hinsichtlich der Frage der freien Information unterschiedlich Vorstellungen gibt, zwischen dem, was der Staatsfunk unter Freiheit versteht, und dem, was darunter in den neuen Medien verstanden wird, wobei natürlich das Problem bekannt ist, dass die Freiheit in den neuen Medien häufig als Gratis-Kultur missverstanden wird. Richard Stallman pflegte an dieser Stelle hinsichtlich der „Free Software“ dann zu sagen, dass Freiheit nicht Freibier bedeutet. Damit wollte er zum Ausdruck bringen, dass die Verpflichtung auf die erwähnten Lizenzen dazu führt, dass man auch Pflichten hat. Dabei ging es ihm vor allem darum, den Quellcode einer Software, der einmal offen (frei) zugänglich war, davor zu schützen, dass er geschlossen wird. Die Freiheit des Internet lebt von einer vergleichbaren Offenheit und sie darf nur dort eingeschränkt werden, wo dies aus vor allem strafrechtlichen Gründen notwendig ist. Die deutsche Internet-Gebühr erschwert daher nicht nur den Zugang zum offenen Medium „Internet“, sondern führt auch zu dem Zwang, dass ein Internet-Benutzer ein anderes Medium, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, finanziell fördern soll, obwohl er dieses Medium ablehnt. Eine Internet-Gebühr ist in diesem Sinne dann gleichbedeutend mit der Schließung des Internet-Zugangs.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 25. Juni 2020, 11:04
@art18GG

Im Fall "Faccio" ging es um eine förmliche Steuer, mit der der ÖRR finanziert wurde, und nur deswegen wurde dieser Sachverhalt nicht vom EGMR in Sachen Art. 10 EMRK behandelt, weil er sich nicht daran beteiligt, daß man sich um Steuern drückt.

Der dt. Rundfunkbeitrag ist aber nach nationaler Definition keine Steuer, weil er die nicht sein darf, denn den Ländern fehlt hierfür die Gesetzgebungskompetenz.

Das ist ja das Problem, das gerade so kaum einer kapieren will; die ÖRR-Büttelmanie der niederen dt. staatlichen Mitarbeiter/innen realisieren die Verfassungsfeindlichkeit des dt. Rundfunkbeitrages, der von Europa nur deswegen als Steuer behandelt wird, weil die reale Handhabung um die Leistung des dt. Rundfunkbeitrages auf Europa so wirkt, als wäre es eine Steuer.

Wenn die Kläger in der jetzigen Bargeldverhandlung clever sind, wird die Aussage der EU-Kommission, (Zwangsbeitrag = Steuer) - siehe u.a. unter***
N. Häring: Highlights von der mündlichen Verhandlung beim EuGH (Bargeld)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=33821.0
in Schlußantrag und Urteil aufgenommen, weil so belastbar und national ob des Vorrangrechts der EU verwertbar. Dann könnte der Bund ob dieses EuGH-Entscheids, in dem der EuGH sinnvollerweise gleich klärt, was aus europarechtlicher Sicht eine Steuer ist und was nicht, eine Normenkontrollklage realisieren und die reale dt. Rundfunkfinanzierung daraufhin vom BVerfG kippen lassen. Steuerrecht ist alleinig Bundesrecht, die Länder sind nicht befugt, allgemeine Steuern einzuführen; denen hat der Bund nur das Recht der Erhebung von Verbrauchssteuern gelassen, also von denen, die nutzen.

In Punkto Art. 10 EMRK nochmals zur Erinnerung: -> EuGH C-260/89, Rn. 41; "es ist keine Maßnahme rechtens, die sich über die Gewährleistungen der EMRK hinwegsetzt".

Und, freilich, ist doch das mit den neuen Medien auf europäischer Ebene auch bekannt, werden diese neuen Medien doch von dort ebenfalls genutzt? Es ändert aber nichts daran, daß die EU nicht nur der EMRK beitrat, die EMRK also auch EU-Recht ist, sondern auch mit der Grundrechtecharta ein moderneres Regelwerk geschaffen hat, das die Bestimmungen der EMRk teils noch verschärfte.

Der nationale Gesetzgeber hat keine Befugnisse, an der ihn bindenden Gültigkeit der europäischen Grundrechtsregelwerke etwas zu ändern, außer über den Weg des Europarates, des Europäischen Rates, bzw. des EU-Parlamentes.

Da Wirtschaftsrecht innerhalb der EU aber EU-Recht ist, wird sich an der von Europa vorgegebenen Gleichbehandlung der Unternehmen und Verbraucher nichts ändern; wo der Staat selber als Unternehmer auftritt, ist auch der Staat dem gleichen Unternehmensrecht unterworfen.

Und, weil eingangs "Faccio" erwähnt war, sei auch auf "ÖRR Austria" hingewiesen, wonach der "ÖRR" eine "nicht-staatliche Organisation" darstellt.


***Edit "Bürger": Querverweis/ Quelle für die Behauptung ergänzt.
Bitte solche Aussagen mit Querverweis belegen, damit sich (zwischenzeitlich entfernte) Nachfragen erübrigen. Danke.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 28. August 2020, 17:02
An dieser Stelle möchte ich mal kritisieren, dass es bisher keine substanziierte Auseinandersetzung mit dem Thema gib, dass die neuen Medien eine andere Form der Informationskultur repräsentieren, als die alten Medien. Denn der Förderungszwang der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist in diesem Sinne letztendlich nichts anderes als eine Bevorzugung der Nutzer der alten Medien zulasten der Nutzer der neuen Medien. Da die Bevorzugung einer bestimmten Gruppe der Gesellschaft (Nutzer der alten Medien) ein Kriterium zur Feststellung des Aktes der Diskriminierung im Sinne von Art. 3. Abs. 3 GG ist, ist der Art. 10 EMRK (Art. 5 Abs. 1) auch verbindbar mit dem Art. 14 EMRK. Einen Ansatz für eine Begründung einer Klage in diese Richtung kann in dem folgenden Thema gefunden werden:

Verfassungsbeschwerde Zwangsmitgliedschaft/Diskriminierung (ÖRR-)Nichtnutzer
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,34071.msg207083.html#msg207083
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: drboe am 29. August 2020, 18:09
Im Fall "Faccio" ging es um eine förmliche Steuer, mit der der ÖRR finanziert wurde, und nur deswegen wurde dieser Sachverhalt nicht vom EGMR in Sachen Art. 10 EMRK behandelt, weil er sich nicht daran beteiligt, daß man sich um Steuern drückt.

Der dt. Rundfunkbeitrag ist aber nach nationaler Definition keine Steuer, weil er die nicht sein darf, denn den Ländern fehlt hierfür die Gesetzgebungskompetenz.

Das ist ja das Problem, das gerade so kaum einer kapieren will; die ÖRR-Büttelmanie der niederen dt. staatlichen Mitarbeiter/innen realisieren die Verfassungsfeindlichkeit des dt. Rundfunkbeitrages, der von Europa nur deswegen als Steuer behandelt wird, weil die reale Handhabung um die Leistung des dt. Rundfunkbeitrages auf Europa so wirkt, als wäre es eine Steuer.

Hm! Die Richter des höchsten deutschen Gerichts, des BVerfG, haben entschieden, dass der sogn. Rundfunkbeitrag keine Steuer sondern ein "Beitrag" ist. Sie stellen dies entgegen den Tatsachen und ihrer eigenen Kriterien fest, weil eben nicht sein kann, was nicht sein darf. Dass nun diese Richter innerhalb des Staates niedere staatliche Mitarbeiter / Büttel sind, dürfte weder zum Selbstverständnis der Richter noch deren realer Position und Bedeutung innerhalb des Deutschen Bundesstaates passen. Was die regelmäßig behaupteten Verständnisschwierigkeiten angeht, dürfte es eher so sein, dass bei einigen Bürgern Brandenburgs ein übermäßiger entwickelter Glaube an die Durchsetzung von Recht und Gesetz vorherrscht, die angeblich nur daran scheitert, weil niedere Chargen die "weisen" Ratschläge aus Karlsruhe und Luxemburg nicht richtig umsetzen. De facto ist es aber das BVerfG, das die falschen Behauptungen der deutschen Politik zu Tatsachen werden lässt.

M. Boettcher


Edit "Bürger" @alle:
Bitte nicht weiter abschweifen, sondern beim eigentlichen Kern-Thema dieses Threads bleiben, welches da lautet
Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Danke für allerseitiges Verständnis und die Berücksichtigung.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 29. August 2020, 21:08
De facto ist es aber das BVerfG, das die falschen Behauptungen der deutschen Politik zu Tatsachen werden lässt.
Das ist falsch; die Entscheidungen des BVerfG sind für Leute ohne Scheuklappen verständlich formuliert. "Ohne Scheuklappen" meint hier auch, daß das BVerfG alleine grundrechtliche Entscheidungen trifft, also gerade keine fachgerichtlichen und dieser feine, aber wichtige Unterschied offenbar nur mäßig verstanden wird.

Die Entscheidung des BGH, daß die ÖRR "Unternehmen im Sinne des Kartellrechts" sind, wurde vom BVerfG nie in Frage gestellt oder gar einkassiert; und als "Unternehmen im Sinne des Kartellrechts" haben die ÖRR dem Bürger gegenüber keinerlei Befugnisse, die über jene hinausgehen, die alle Unternehmen haben.

Allen Unternehmen ist zu eigen, daß sie nur von ihren Nutzern/Nutzerinnen finanziert werden.

Und, freilich, hat User Bürger Recht damit, daß es hier um den Art. 10 der Konvention geht, wo es ganz klar heißt:

Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms as amended by Protocols No. 11 and No. 14 *
Rome, 4.XI.1950

https://www.coe.int/de/web/conventions/full-list/-/conventions/rms/0900001680063765

mit der Aussage

Zitat
Article 10 – Freedom of expression

1 Everyone has the right to freedom of expression. This right shall include freedom to hold opinions and to receive and impart information and ideas without interference by public authority and regardless of frontiers. This article shall not prevent States from requiring the licensing of broadcasting, television or cinema enterprises.

2 The exercise of these freedoms, since it carries with it duties and responsibilities, may be subject to such formalities, conditions, restrictions or penalties as are prescribed by law and are necessary in a democratic society, in the interests of national security, territorial integrity or public safety, for the prevention of disorder or crime, for the protection of health or morals, for the protection of the reputation or rights of others, for preventing the disclosure of information received in confidence, or for maintaining the authority and impartiality of the judiciary.

Und da sind Leute ohne Scheuklappen dann an jener Stelle, zu erkennen, daß der Staat keine Befugnis hat, Nichtnutzer/Nichtnutzerinnen des ÖRR zur Finanzierung des ÖRR heranzuziehen, weil dieses eine Einflußnahme in das Medienverhalten all dieser wäre, die sich, wenn natürliche Personen oder nicht-staatliche Organisationen, in eigener Sache auf die EMRK stützen dürfen und vom Staat die Einhaltung der in der EMRK, also auch dem Art. 10 EMRK, verankerten Grundrechte schlicht erwarten wie einfordern dürfen.

Europa wird seine bereits vorhandenen Bestimmungen betreffs "digitaler Inhalte" auf alle "Unternehmen im Sinne des Kartellrechts" ausweiten, um klarzustellen, daß keine natürliche Person X je verpflichtet werden kann, ein "Unternehmen im Sinne des Kartellrechts" zu finanzieren, dessen Dienstleistungen nicht explizit von dieser natürlichen Person X selbst zur Leistungserbingung an diese natürliche Person X bestellt worden sind.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Spark am 30. August 2020, 00:43
Ob nun mit oder ohne Scheuklappen dürfte unschwer zu erkennen sein, dass das Bundesverfassungsgericht sich eben gerade nicht um Artikel 10 der EMRK schert, genausowenig wie um Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes, welcher ja im Prinzip nichts anderes aussagt.
Wie sonst ließe sich der Leitsatz 3 des Urteils vom 18. Juli 2018 erklären? Wenn das Bundesverfassungsgericht Artikel 10 der EMRK wirklich eine Bedeutung beimessen würde, dann hätte es den Nutzungswillen nicht einfach ausgeklammert.

Zur Erinnerung nochmals der entsprechende Satz aus Leitsatz 3:
BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018
- 1 BvR 1675/16 -, Rn. 1-157,

http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.html
Zitat
Auf das Vorhandensein von Empfangsgeräten oder einen Nutzungswillen kommt es nicht an.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 30. August 2020, 05:08
@Spark

Es kommt letztlich aber auf den Nutzungswillen an, der hier, weil Abgabeart "Beitrag", "Interesse an der mit dem Beitrag finanzierten Dienstleistung" heißt; Nichtnutzer/innen haben dieses Interesse nicht.

Und übrigens haben sich ja wohl BVerfG wie auch EuGH deutlich genug zur Einhaltepflicht der Konvention geäußert, denn einerseits ist sie ein völkerrechtlicher Vertrag des Bundes, dessen Einhaltepflicht bereits mit der Rn. 169 der 1. Rundfunkentscheidung belegt wird und andererseits ist nichts rechtens, was sich über den Art. 10 EMRK hinwegsetzt; siehe die entsprechende Rundfunkenscheidung des EuGH.

Beide Entscheidungen speziell zum Rundfunk hier nochmals als Link:

BVerfGE 12, 205 - 1. Rundfunkentscheidung - Begriff "Rundfunk"
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,31178.msg193852.html#msg193852

RECHTSSACHE C-260/89
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1497812690879&uri=CELEX:61989CJ0260

Diese EuGH-Entscheidung ist hier im Thema sogar thematisiert; ->

Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22126.msg149245.html#msg149245

Zudem gehört es zur Bindung an Recht und Gesetz, die EMRK einzuhalten, befand bereits das BVerfG mit 2 BvR 1481/04 in Leitsatz 1 in einer ebenfalls in diesem Thema zu Beginn des Themas eingebrachten Entscheidung; ->

Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22126.msg141434.html#msg141434

Länder und ihre Gemeinden handeln schlicht verfassungswidrig, wenn sie sich über die Gewährleistungen der EMRK hinwegsetzen; gleiches gilt für die Gerichte, die vom Kläger entsprechend vorgebrachte Belange ignorieren.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: drboe am 30. August 2020, 14:43
@pinguin: Du bist erkennbar der Ansicht, man könne sich die Aussagen des BVerfG aussuchen, die letztlich relevant sind. Mit vergleichbarer Selektion betrachtest du nahezu jedes Gesetz, jedes Urteil, das dir unter die Finger kommt. So geht das nicht!

BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018
- 1 BvR 1675/16 -, Rn. 1-157,

http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.html
Zitat
Auf das Vorhandensein von Empfangsgeräten oder einen Nutzungswillen kommt es nicht an.

Es kommt letztlich aber auf den Nutzungswillen an, der hier, weil Abgabeart "Beitrag", "Interesse an der mit dem Beitrag finanzierten Dienstleistung" heißt; Nichtnutzer/innen haben dieses Interesse nicht.

Und übrigens haben sich ja wohl BVerfG wie auch EuGH deutlich genug zur Einhaltepflicht der Konvention geäußert, denn einerseits ist sie ein völkerrechtlicher Vertrag des Bundes, dessen Einhaltepflicht bereits mit der Rn. 169 der 1. Rundfunkentscheidung belegt wird ...

@spark hat zum Nutzungswillen das BVerfG korrekt zitiert. Die darin enthaltene Aussage des BVerfG wird weder durch deine Behauptung widerlegt noch durch den Hinweis auf das erste Rundfunkurteil des Gerichts. Denn jüngere Feststellungen des BVerfG sind vorrangig zu berücksichtigen, jedenfalls soweit sie älteren widersprechen.
Fakt ist nun einmal, dass das BVerfG festgestellt hat, dass es für die Zahlungsverpflichtung sogn. Rundfunkbeiträge auf den Nutzungswillen des Bürgers nicht ankommt und Beiträge auch dann solche sein sollen, wenn diese die Gesamtbevölkerung belasten. D. h., auch Nicht-Nutzer ohne Interesse am Rundfunk sind nach dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Zahlung sogn. Rundfunkbeiträge verpflichtet. Ich empfinde das durchaus als frech und unverschämt und betrachte die Entscheidung als politisch motiviert. Aber sie existiert, völlig unabhängig davon, von wem und wie oft das Gegenteil dessen behauptet wird, was das BVerfG aussagt. Es nützt niemandem die Realität zu ignorieren. Wer das tut, kann keine Veränderung erreichen.

Länder und ihre Gemeinden handeln schlicht verfassungswidrig, wenn sie sich über die Gewährleistungen der EMRK hinwegsetzen; gleiches gilt für die Gerichte, die vom Kläger entsprechend vorgebrachte Belange ignorieren.

Da bin ich ganz bei dir. Nur fehlt in deiner Aufzählung das Bundesverfassungsgericht, das leider auch politisch motivierte Urteile spricht, bei denen es durchaus auf die Verfassungsgebote, eigene Entscheidungen und Grundsätze keine Rücksicht nimmt. Faktisch richten sich Behörden und Gerichte in Rundfunkfinanzierungsfragen nun nach den Entscheidungen des BVerfG. Täten sie es nicht, würden sie sicher deutlich mehr unter Druck geraten als es durch "Querulanten", zu denen wir gezählt werden, je passieren könnte.

Weder der EUGH noch die Menschenrechtskonvention oder irgendein anderes Gesetz hilft uns aus dem Dilemma, dass die höchsten Gerichte des Landes, einschließlich des BVerG, die derzeitige Rundfunkfinanzierung nicht korrigieren wollen.

M. Boettcher
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 24. Oktober 2020, 00:42
@drboe

Wieso setzt Du die Begriffe "Nutzen" und "Interesse" gleich?

Wer "nutzt", hat "Interesse" und ist folglich beitragspflichtig, weil ja auch das BVerfG sagt, daß das "Interesse" bebeitragt werden darf.

Wer kein "Interesse" hat, ist nicht beitragspflichtig.

BVerfGE 7, 244 - Badische Weinabgabe; Grundlageklärung, ob Steuer oder nicht
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,29947.0.html

Ein "Beitrag" darf nicht von allen erhoben werden:

Zitat
Rn. 15 - BVerfGE 7, 244 - Badische Weinabgabe
"Steuern sind einmalige oder laufende Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem Öffentlich- rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Zölle fallen darunter; nicht darunter fallen Gebühren für besondere Inanspruchnahme der Verwaltung und Beiträge (Vorzugslasten)."

Zitat
Rn. 16 - BVerfGE 7, 244 - Badische Weinabgabe
Erfüllt eine öffentliche Abgabe die Begriffsmerkmale dieser Definition, so ist sie eine Steuer im Sinne des Grundgesetzes. [...] Es steht nicht in der Macht des Bundes- oder Landesgesetzgebers, einer Abgabe, die unter diesen Begriff der Steuer fällt, durch ausdrückliche gegenteilige Bestimmung, also durch ausdrückliche Verneinung der Steuereigenschaft oder durch ausdrückliche Einreihung in eine andere Abgabenkategorie, diese rechtliche Qualifikation zu nehmen und dadurch seine Zuständigkeit zu begründen.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 13. November 2020, 22:50
Eine weitere grundlegende Überlegung:

Konsolidierte Fassungen des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Vertrag über die Europäische Union (konsolidierte Fassung) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (konsolidierte Fassung) Protokolle Anhänge des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Erklärungen zur Schlussakte der Regierungskonferenz, die den am 13. Dezember 2007 unterzeichneten Vertrag von Lissabon angenommen hat Übereinstimmungstabellen
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=uriserv:OJ.C_.2016.202.01.0001.01.DEU&toc=OJ:C:2016:202:TOC

Zitat
Artikel 6
(ex-Artikel 6 EUV)

[...]
(3)   Die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, sind als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts.

Die EMRK ist kraft Art. 6 EUV Teil des Unionsrechts; die Mißachtung der EMRK kommt folglich einer Mißachtung des Unionsrechts gleich.

Die Verfassungen der Mitgliedstaaten sind gemäß diesem Artikel ebenfalls Teil des Unionsrechts? Dann wäre die bloße Mißachtung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland durch das Mitgliedsland Bundesrepublik Deutschland ebenfalls eine Mißachtung des Unionsrechts?

Wenn sich Länder wie Behörden, Körperschaften, etc. über die Bestimmungen der EMRK als auch des Grundgesetzes hinwegsetzen oder falsch umsetzen, setzen sie sich damit über Bestimmungen des Unionsrechtes hinweg?

Die Tragweite könnte größer nicht sein, denn das Mitgliedsland der EU könnte sich auch dann ein EU-Vertragsverletzungsverfahren einhandeln, wenn es zuläßt, daß sich die ihm unterstellten Behörden, Regionen, etc. über das eigene Grundrecht hinwegsetzen?
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: drboe am 14. November 2020, 11:27
Wieso setzt Du die Begriffe "Nutzen" und "Interesse" gleich?

Wer "nutzt", hat "Interesse" und ist folglich beitragspflichtig, weil ja auch das BVerfG sagt, daß das "Interesse" bebeitragt werden darf.

Wer kein "Interesse" hat, ist nicht beitragspflichtig.

BVerfGE 7, 244 - Badische Weinabgabe; Grundlageklärung, ob Steuer oder nicht
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,29947.0.html

Ein "Beitrag" darf nicht von allen erhoben werden:
Realitätsverweigerung und das Fabulieren über angebliche Ausschlusskriterien für die Beitragserhebung helfen wirklich nicht weiter.
Es ist eine Tatsache, dass der sogn. Rundfunkbeitrag alle Bürger völlig unabhängig davon belastet, ob sie an Rundfunk „interessiert“ sind oder nicht. Das BVerfG hat in seinem Beschluss von 2018 zu dieser Finanzierung festgestellt, dass der Staat  „Beiträge“ auch von allen Bürgern verlangen kann, es, anders als gemäß bisheriger Rechtsprechung, keine Gruppe geben muss, die, weil sie den behaupteten Vorteil nicht besitzt, nicht mit Beiträgen belastet werden darf. Bis zu diesem Urteil war ein „Beitrag“, mit dem alle belastet werden, eine Steuer. Mit dieser neuen Interpretation hat das BVerfG festgestellt, dass der sogn. Rundfunkbeitrag verfassungsgemäß ist und folglich erhoben werden darf. Die winzige Einschränkung bezüglich der Zweitwohnungen ändert nichts daran, dass das BVerfG es für zulässig erklärt Beiträge völlig unabhängig von einem „Interesse“ zu verlangen. Selbst eine Korrelation zwischen der zu finanzierenden Aufgabe und dem Erhebungskriterium wird als unnötig festgestellt. Andere Behauptungen sind schlicht dummes Geschwätz.

M. Boettcher
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pjotre am 14. November 2020, 13:00
Der (wieder einmal) Hinweis auf die "Badische Weinabgabe" führte zur folgenden Erweiterung im Kontext eines aktuellen Schriftsatzpaketes:
- mit Dank an @pinguin -
Zitat
MEB2.   Was ist Beitrag, was ist Steuer?
Siehe auch Abschnitte FNC. FNE. : Die Befreiungsrechte der Nichtzuschauer.

a) Bundesverfassungsgericht Badische Weinabgabe; Grundlageklärung, ob Steuer oder nicht.

Man kann es als Rechtslücke ansehen, dass der Gesetzgeber diese Begriffe häufig verwendet, jedoch ohne ausreichende Verankerung in Form eine Legaldefinition. Diese "Halb-Lücke" ist durch das Bundesverfassungsgericht geschlossen worden. Man beachte in Rn. 16 die ausdrückliche Bezeichnung als "Definition" und als "maßgeblich".

BVerfGE 7, 244 - betrifft die "Badische Weinabgabe" - . 15 "Steuern sind einmalige oder laufende Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem Öffentlich- rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Zölle fallen darunter; nicht darunter fallen Gebühren für besondere Inanspruchnahme der Verwaltung und Beiträge (Vorzugslasten)."

Rn. 16 "Erfüllt eine öffentliche Abgabe die Begriffsmerkmale dieser Definition, so ist sie eine Steuer im Sinne des Grundgesetzes. [...] Es steht nicht in der Macht des Bundes- oder Landesgesetzgebers, einer Abgabe, die unter diesen Begriff der Steuer fällt, durch ausdrückliche gegenteilige Bestimmung, also durch ausdrückliche Verneinung der Steuereigenschaft oder durch ausdrückliche Einreihung in eine andere Abgabenkategorie, diese rechtliche Qualifikation zu nehmen und dadurch seine Zuständigkeit zu begründen."

b) Die Definition differiert im eigenen autonomen Rechtssystem der EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention).

Das ist praktisch bedeutsam. Denn Beschwerden in Sachen "Steuern" haben Null Annahmeaussicht zum Entscheid beim EGMR (Gerichtshof). Das ist ein Ausschlusskriterium. Wenn also jemand im Vorverfahren in Deutschland darauf pochte, de Rundfunkabgabe sei eine Steuer, so hat er keine besonders guten Karten, wenn er beim EGMR gegen deutsche Rechtsprechung eine Beschwerde einlegt.

Rechtsanwälte, die sich nun einmal überwiegend in Sachen EMRK nicht auskennen, könnten den Fundamentalfehler machen, beim EGMR Beschwerde einzulegen mit dem Ziel der Rechtsprechung, dass der Rundfunkbeitrag eine "Steuer" sei.
Klug gedacht (Landesrecht also nichtig), aber verkehrt gedacht (EMRK-Recht nicht über Steuern, Beschwerde also "nichtig").

c) Die Definition differiert im EU-Recht.

Der Rundfunk-"Beitrag" dürfte nach EU-Recht als "tax", also als "Steuer" einzustufen sein. Eine gescheiterte Richtervorlage 2017...2018 betraf dies nicht, weil der Richter für seine Richtervorlage insoweit nicht Aktiv-Legitimation besaß: Das Vorverfahren betraf diesen Aspekt nicht. Der EuGH hat also keineswegs entschieden, dass in Sachen Rundfunkbeitrag "alles" in Ordnung ist. Er konnte nur entscheiden, was der vorlegende Richter gemäß Vorverfahren beantragen durfte.

c) Auf deutscher Bundesebene ist die Einstufung eher mit Tendenz: ²Steuer".

So der Beirat des Bundesfinanzministerium (und weitere Quellen). So die Einstufung beim Statistischen Bundesamt. Das ist aber einstweilen ziemlich unerheblich ("einstweilen").

Differierend nämlich das "Bundes"-Verfassungsgericht am 18. Juli 2018 - in einem Kontext von Landesrecht.

d) Sämtliche Klarheit restlos beseitigt?
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 11. Januar 2021, 20:43
Der EuGH führt in seiner Entscheidung C-345/17 aus, daß die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Grundrechtecharta der EU definiert sind, die gleiche Bedeutung und Tragweite haben und auch die Entscheidungen des EGMR deshalb zu sichten sind.

Im Sachverhalt geht es darum, daß ein Bürger seine Aussagen in einer Polizeidienststelle aufgenommen und anschließend bei Youtube veröffentlicht hat.

Rechtssache C-345/17
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=kamera&docid=210766&pageIndex=0&doclang=de&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=22272947#ctx1

Daraus nachstehend zitierte Aussagen:

Rn. 30
Zitat
Der Begriff „personenbezogene Daten“ im Sinne dieser Bestimmung bezieht sich nach der Definition in Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 auf „alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person“. Als bestimmbar wird eine Person angesehen, „die direkt oder indirekt identifiziert werden kann, insbesondere durch Zuordnung zu … einem oder mehreren spezifischen Elementen, die Ausdruck ihrer physischen Identität sind“.

Rn. 31
Zitat
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs fällt das von einer Kamera aufgezeichnete Bild einer Person unter den Begriff „personenbezogene Daten“ im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46, sofern es die Identifikation der betroffenen Person ermöglicht. (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2014, Ryneš, C-212/13, EU:C:2014:2428, Rn. 22).

Rn. 39
Zitat
Somit stellt die Veröffentlichung einer Videoaufzeichnung – wie das in Rede stehende Video –, die personenbezogene Daten enthält, auf einer Video-Website, auf der die Nutzer Videos versenden, anschauen und teilen können, eine ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung dieser Daten im Sinne von Art. 2 Buchst. b und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 95/46 dar.

Rn. 40
Zitat
Gemäß Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 95/46 findet diese Richtlinie im Übrigen auf zwei Arten der Verarbeitung personenbezogener Daten keine Anwendung. Dabei handelt es sich zum einen um Verarbeitungen, die für die Ausübung von Tätigkeiten erfolgen, die nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, beispielsweise Tätigkeiten gemäß den Titeln V und VI des Vertrags über die Europäische Union in seiner vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon geltenden Fassung, und in jedem Fall Verarbeitungen betreffend die öffentliche Sicherheit, die Landesverteidigung, die Sicherheit des Staates und die Tätigkeiten des Staates im strafrechtlichen Bereich. Zum anderen schließt diese Bestimmung Verarbeitungen personenbezogener Daten aus, die von einer natürlichen Person zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen werden.

Rn. 42
Zitat
[...] Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Tätigkeiten, die in der genannten Vorschrift beispielhaft aufgeführt werden, allesamt spezifische Tätigkeiten des Staates oder staatlicher Stellen sind, die mit den Tätigkeitsbereichen von Privatpersonen nichts zu tun haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 2017, Puškár, C-73/16, EU:C:2017:725, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Rn. 46
Zitat
Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht ferner hervor, dass Informationen nicht deshalb nicht als „personenbezogene Daten“ einzustufen sind, weil sie im Kontext einer beruflichen Tätigkeit stehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2015, ClientEarth und PAN Europe/EFSA, C-615/13 P, EU:C:2015:489, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Personenbezogene Daten bleiben auch dann personenbezogen Daten, wenn deren Verwendung in einem beruflichen Umfeld stattfindet. Hier könnte man bspw. an das Einwohnermeldeamt denken und deren u. U. allzufreigiebigem, nicht authorisiertem Umgang mit Daten zugunsten von Rundfunk und Co.

Rn. 53
Zitat
[...] Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, ist der Träger, mit dem die verarbeiteten Daten übermittelt werden – ob es sich um einen klassischen Träger wie Papier oder Radiowellen oder aber um einen elektronischen Träger wie das Internet handelt –, nicht ausschlaggebend für die Beurteilung, ob es sich um eine Tätigkeit „allein zu journalistischen Zwecken“ handelt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2008, Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia, C-73/07, EU:C:2008:727, Rn. 60).

Rn. 63
Zitat
Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die in Art. 9 der Richtlinie 95/46 vorgesehenen Befreiungen und Ausnahmen nur in dem Umfang angewandt werden dürfen, in dem sie sich als notwendig erweisen, um zwei Grundrechte, nämlich das Recht auf Schutz der Privatsphäre und das Recht auf freie Meinungsäußerung, miteinander in Einklang zu bringen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2008, Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia, C-73/07, EU:C:2008:727, Rn. 55).

Rn. 65
Zitat
Es ist darauf hinzuweisen, dass Art. 7 der Charta, der das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens betrifft, Rechte enthält, die den in Art. 8 Abs. 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) gewährleisteten Rechten entsprechen, und dass diesem Art. 7 gemäß Art. 52 Abs. 3 der Charta somit die gleiche Bedeutung und Tragweite beizumessen ist wie Art. 8 Abs. 1 EMRK in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urteil vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses, C-19/14, EU:C:2015:832, Rn. 70). Gleiches gilt für Art. 11 der Charta und Art. 10 EMRK (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Mai 2016, Philip Morris Brands u. a., C-547/14, EU:C:2016:325, Rn. 147).

Rn. 66
Zitat
Insoweit geht aus dieser Rechtsprechung hervor, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für die Zwecke der Abwägung zwischen dem Recht auf Achtung des Privatlebens und dem Recht auf freie Meinungsäußerung eine Reihe relevanter Kriterien entwickelt hat, die zu berücksichtigen sind, darunter der Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse, der Bekanntheitsgrad der betroffenen Person, der Gegenstand der Berichterstattung, das vorangegangene Verhalten der betroffenen Person, Inhalt, Form und Auswirkungen der Veröffentlichung, die Art und Weise sowie die Umstände, unter denen die Informationen erlangt worden sind, und deren Richtigkeit (vgl. in diesem Sinne EGMR, 27. Juni 2017, Satakunnan Markkinapörssi Oy und Satamedia Oy/Finnland, CE:ECHR:2017:0627JUD000093113, § 165). Ebenso muss die Möglichkeit berücksichtigt werden, dass der für die Verarbeitung Verantwortliche Maßnahmen ergreift, die es ermöglichen, das Ausmaß des Eingriffs in das Recht auf Privatsphäre zu verringern.

Rn. 67
Zitat
Im vorliegenden Fall geht aus der dem Gerichtshof vorgelegten Akte hervor, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Aufzeichnung und die Veröffentlichung des in Rede stehenden Videos, die erfolgt sind, ohne dass die betroffenen Personen über diese Aufzeichnung und deren Zwecke informiert wurden, einen Eingriff in das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens dieser Personen, d. h. der in diesem Video zu sehenden Polizeibeamten, darstellt.

Aus dieser Entscheidung folgt, daß sich natürliche Personen nicht nur auf das Grundrecht auf Informationsfreiheit berufen können, sondern auch auf das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens, in das der Staat eingreift, wenn er dadurch in das Grundrecht auf Informationsfreiheit eingreift, daß er Rundfunknichtinteressenten zur Finanzierung des Rundfunks heranzieht.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 24. Februar 2021, 22:22
Zur Thematik hat es eine Entschließung des EU-Parlamentes

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 3. Mai 2018 zu der Freiheit und Pluralismus der Medien in der Europäischen Union (2017/2209(INI))
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A52018IP0204&qid=1614201049041

Zitat
5. fordert die Kommission als Hüterin der Verträge auf, Versuche der Regierungen der Mitgliedstaaten, der Freiheit und dem Pluralismus der Medien zu schaden, als die schwerwiegenden und systematischen Machtmissbräuche und Verstöße gegen die in Artikel 2 EUV verankerten Grundwerte der Europäischen Union zu behandeln, die sie sind, da die Rechte auf Freiheit der Meinungsäußerung und Meinungsfreiheit grundlegende Menschenrechte sind und Freiheit, Pluralismus und Unabhängigkeit der Medien in einer demokratischen Gesellschaft eine wesentliche Rolle spielen, unter anderem als Kontrolle der Regierung und der staatlichen Gewalt;

6. fordert die Mitgliedstaaten auf, eine unabhängige Überprüfung ihrer einschlägigen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten durchzuführen, um die Freiheit der Meinungsäußerung und die Freiheit und den Pluralismus der Medien zu schützen;

16. verurteilt Versuche der Regierungen, kritische Medien zum Schweigen zu bringen und Freiheit und Pluralismus der Medien abzubauen, auch mittels ausgeklügelterer Verfahren, durch die normalerweise keine Warnung auf der Plattform des Europarats zum Schutz des Journalismus und zur Sicherheit von Journalisten ausgelöst wird, beispielsweise dadurch, dass Regierungsmitglieder und ihre Gefolgsleute kommerzielle Medienunternehmen aufkaufen und öffentlich-rechtliche Medien übernehmen, damit sie Partikularinteressen dienen;

18.  hebt hervor, dass die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten der Medienbranche bezüglich ihrer Verträge, Gehälter und sozialen Absicherung häufig prekär sind, was sie an der angemessenen Ausübung ihrer Tätigkeit hindert und folglich die Medienfreiheit beeinträchtigt;

25. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, für vollständige Transparenz vonseiten privater Unternehmen und der Regierungen bei der Nutzung von Algorithmen, künstlicher Intelligenz und automatisierter Entscheidungsfindung zu sorgen, die nicht auf eine Art und Weise, die dazu führt, oder mit dem Ziel umgesetzt und entwickelt werden sollten, dass Internetinhalte willkürlich gesperrt, gefiltert oder gelöscht werden, und zu garantieren, dass jegliche Unionspolitik und -strategie für den digitalen Bereich anhand eines auf Menschenrechten basierenden Ansatzes entwickelt wird, der angemessene Rechtsmittel und Sicherungen vorsieht, und unter vollständiger Achtung der einschlägigen Bestimmungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der EMRK;

[...]
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 05. März 2021, 16:03
Zur Auseinandersetzung mit der Informationsfreiheit nach Art. 10 EMRK gehört auch weiterhin, die rechtlich ungeklärte Frage, ob es vor der Einführung des Rundfunkbeitrages wirklich notwendig gewesen wäre, einen Herzschrittmacher als Rundfunkgerät anzumelden, wenn dieser zum Empfang von Radiosendungen geeignet wäre. Dies wurde zumindest von der WDR-Intendantin Monika Piel im Rahmen einer öffentlichen Sitzung des Haupt- und Medienausschuss des Landtages in Nordrhein-Westfallen vom 7. April 2011 angedeutet, weshalb ich den folgenden Auszug aus dem Protokoll 15/177 dieser Sitzung zitieren möchte (ebenda S. 8 ):
Zitat

Monika Piel (WDR): Ich gehe auf die Frage von Herrn Michalowsky ein, der die Notwendigkeit der Beitragsumstellung und die Voraussetzungen ansprach, die im Gutachten von Herrn Prof. Kirchhof genannt sind. Das sind allerdings keine Voraussetzungen, sondern persönliche Anmerkungen von Herrn Prof. Kirchhof. Wenn der Vorsitzende es erlaubt, kann Herr Eicher, Justiziar, sehr gerne noch etwas dazu sagen.
Für uns ist der neue Rundfunkbeitrag transparent und einfach. Das liegt daran, weil jetzt die Frage entfällt, was eigentlich ein Rundfunkempfangsgerät ist. Die bisherige Gebühr ist ja an ein konkretes Rundfunkempfangsgerät gebunden. Das war auch sehr viele Jahre sinnvoll. Es ist aber nicht mehr sinnvoll, seitdem es so viel Gerätekonvergenz gibt. Sie alle wissen: Über Handy können Sie fernsehen, über Smartphones Radio hören. Wir sind zum Kabarettthema geworden. Ich habe es letzte Woche selbst noch im Kabarett gehört. Dort wurde gesagt: Mein Schwager hört heimlich über seinen Herzschrittmacher WDR 4. – Heute gibt es Geräte, die viele Funktionen miteinander verbinden. Das ist also kein richtiger Anknüpfungspunkt mehr, um den Beitrag festzustellen. Zuletzt hat das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zur PC-Gebühr noch einmal die ganze Problematik der Geräteabhängigkeit deutlich gemacht.
 
Aus: Haupt- und Medienausschuss, 13. Sitzung (öffentlich) vom 7. April 2011, Landtag NRW
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMA15-177.pdf

Generell blieb damit ungeklärt, ob es nicht eigentlich die Pflicht des Herstellers eines solchen Herzschrittmachers gewesen wäre, darauf aufmerksam zu machen, dass der Kauf eines solchen Herzschrittmachers zur Anmeldung als Rundfunkgerät verpflichten würde. Ein Herzschrittmacher hat schließlich eine andere Funktion als die, damit Radio zu hören. Dasselbe gilt letztendlich auch für das erwähnte Handy und das erwähnte Smartphone. Denn die voranginge Funktion dieser Geräte ist es, damit zu telefonieren. Eine Gesetzgebung gab es zu diesem Thema übrigens nie, weshalb dieser Bereich zur Selbstgesetzgebung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gehört, sowie wir sie von der „Direktanmeldung“ und den „vollständig automatisierten Festsetzungsbescheiden“ kennen. Auch der PC mit Internet-Anschluss wird bis heute nur von sehr wenigen Menschen zum Konsum von Radio oder Fernsehen verwendet, weshalb die Kongruenz zur Rundfunkgebühr bis heute unklar ist. Die Formulierungen im 8. RÄStV aus dem Jahre 2007, auf die sich die WDR-Intendantin scheinbar bezieht, sind letztendlich derart unscharf, dass sie nicht wirklich von einer Gerätekonvergenz hätte sprechen dürfen.

Eine weitergehende rechtliche Auseinandersetzung zur Verteidigung der Informationsfreiheit in Deutschland setzt natürlich voraus, dass man sich mit den Grundsatzurteilen des Bundesverfassungsgerichts zum Rundfunkbeitrag vom 18. Juli 2018 auseinandersetzt. Es muss sich beispielsweise mit dem folgenden Abschnitt beschäftigt werden (ebenda Rn. 51):             
Zitat
Anders als für Steuern, deren Kompetenzgrundlagen in den Art. 105 ff. GG geregelt sind, wird die Kompetenz für die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben von derjenigen für die jeweilige Sachmaterie umfasst (vgl. BVerfGE 137, 1 <19 Rn. 45>; stRspr). Die Gesetzgebungskompetenz für die Sachmaterie des Rundfunkrechts liegt gemäß Art. 70 Abs. 1 GG bei den Ländern; die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG für das Postwesen und die Telekommunikation umfasst nur den hier nicht einschlägigen sendetechnischen Bereich des Rundfunks unter Ausschluss der sogenannten Studiotechnik (vgl. BVerfGE 12, 205 <225 ff.>).
BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u. a. -
http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.html

Da man Handys, Smartphones und PCs mit Internet voranging dazu verwendet, um damit zu telefonieren und Mails (elektronische Post) zu versenden, ist es schon sehr fraglich, ob das Bundesverfassungsgericht an dieser Stelle die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Postwesen und die Telekommunikation tatsächlich derart lapidar mit einem Verweis auf ein Urteil aus dem Jahre 1961 als nicht einschlägig relevant hätte zurückweisen dürfen. Die Situation von Postwesen und Telekommunikation aus diesem Jahre war doch gar nicht auf die gegenständliche Situation im Verfahren übertragbar, wo es auch um Geräte aus diesem Bereich als so genannte Multifunktionsgeräte ging. Diese Geräte gehören schließlich primär zum Postwesen und zur Telekommunikation, weshalb hier auch weiterhin Klärungsbedarf besteht.       

Da man diese Gleichsetzung des Postwesen und der Telekommunikation von heute mit einer Situation aus den 50er Jahren des letzten Jahrhundert durchaus als absurd bezeichnen kann, verweise ich mal auf die Lektüre des 1. Rundfunkurteils von 1961:
BVerfGE 12, 205ff = BVerfG, 28.02.1961 - 2 BvG 1/60 und 2 BvG 2/60
https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv012205.html
https://opinioiuris.de/entscheidung/1112

Damals hieß die Post übrigens noch Bundespost und war eine Behörde. Mittlerweile ist die Post privatisiert worden, weshalb es Zeit wird, dass auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk privatisiert wird. Siehe hierzu weiter:
Volksbegehren in Nordrhein-Westfalen zum Demokratieförderungsgesetz (Kein RBStV)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,30210.msg203314.html#msg203314
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 05. März 2021, 18:43
@art18GG
Was "Rundfunk" ist, ist definiert als "lineare" Übertragung; kein "Rundfunk" ist folglich, was "non-linear" übertragen wird.

Für "non-lineare" Übertragung haben die Länder keine Gesetzgebungsbefugnis.

Und, freilich, ist die Technik, also das konkrete Gerät, separat vom Bund geregelt, denn auch darin haben die Länder keine Gesetzgebungsbefugnis.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pjotre am 05. März 2021, 19:25
1. Die Gesetzgebungsbefugnis der Länder betrifft "Kultur, Bildung, Schule, Studium".
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Die haben sie also, egal, welche Technik. Sie sollen und dürfen finanzieren - aber nicht einzelne Akteure privilegieren.


2. Der Haken liegt woanders: Laut Grundgesetz ist Informations-Freiheit.
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Also darf der Staat Medien nicht betreiben. Nun hatten die Siegermächte europaweit den Staatsfunk eingeführt: Umkehr-Schulung der Gehirne - aka Gehirnwäsche - aber "für das Gute".
Als dann später das Bundesverfassungsgericht kam und Macht bekam, konnte es diesen VEB-Sozialismus nicht als illegal erklären.


3. Also in seiner Not improvisierte es die "Staatsferne".
-----------------------------------------------------------
Damit hatte das Gericht aber ein anderes Dilemma sich geschaffen: Zugleich soll der Staat ja den Subvenionsbedarf von "Bildung" gewährleisten. Also rettete das Gericht sich in das Schaffen eines "Richter-Rechts" der Finanzierungs-"Garantie".
Nach Jahrzehnten der Quengelei wurde dafür die sozilaistische planwirtschftliche Aufsichtsorganisation KEF geschaffen, um die totale Fiktion der "privaten Staatsferne" zu retten. Ein Kind mit eingebautem ewig wucherndem Krebsgeschwulst ward geboren.
Was so mal schon Juristen machen, wenn sie Wirtschaft machen: Regulierung, also Sozialismus. Was sonst kann man von Juristen erwarten.


4. Dies alles war nur, als die Frequenzenknappheit für lineares Radio und Fernsehen
----------------------------------------------------------------------
ein "natürliches" Monpol erzeugte - so nennt sich das. Diese Garantie ist also nur für "lineares Radio und Fernsehen". Das ist Richterrecht und es war nie ein Richterrecht für Finanzierung der Fortsetzung im Internet. Damit fehlt der entsprechenden Autorisierung des Medienstaatsvertrages 2020 die Rechtsgrundlage.
Denn zum Zeitpunkt dieses neuen Richterrechts gab es das Internet noch nicht, konnte also nicht als einbezogen gemeint sein.


5. Die Verfassungsbeschwerden beginnen ab März 2021,
--------------------------------------------------------------------
diese Eigenmacht des Wechsels ins Internet durch ausdrückliches Richterrecht zu annullieren - und übrigens auch bezüglich Medienstaatsvertrag 2020 ist da der Verstoß gegen das Zensurverbot und die Störung der Medienfreiheit durch Internet-Lizenzen und Bußgeldrecht.

Bitte schon Startlöcher buddeln: Da kann dann bald jeder mit unterzeichnen.
 
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 05. März 2021, 19:41
@pinguin
Meine Kommentar wurde von Ihnen nicht richtig verstanden, wenngleich das Argumente vielleicht auch nicht so einfach zu verstehen ist. Handys, Smartphones und PCs mit Internet wurden über die Multifunktionsgeräte in der statistischen Bewertung des Bundesverfassungsgerichtes und vor allem in den verwaltungsrechtlichen Verfahren als Rundfunkgeräte betrachtet, was zu Recht sehr umstritten ist. Diese Geräte gehören jedoch zweifellos auch zum Bereich des Postwesen und der Telekommunikation, weshalb das Bundesverfassungsgericht sich die Sache an der zitierten Stelle nicht so einfach machen hätte können, wie der Inhalt des Textes es nahelegt. Man kann Handys, Smartphones und internetfähigen PC nicht in Rn. 51 ausschließen, um sie später dann doch in die Entscheidung in nicht unerheblichen Maße mit einzuschließen. Dies ist widersprüchlich. 


Edit "Bürger" @alle: Bitte nicht weiter vertiefen, sondern bitte beim eigentlichen Kern-Thema bleiben, welches hier lautet
Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Danke für allerseitiges Verständnis, entsprechende Selbstdisziplin und Berücksichtigung.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 05. März 2021, 23:36
@art18GG
Smartphon, PC, Handy und Co. sind, wie Fernsehgeräte auch, Geräte, also händisch faßbare technische Produkte.

Geräte würden von der Thematik dieses Themas nur dann erfasst, wenn der Staat hier Vorgaben in Punkto Geräteauswahl machen würde, was aber bekanntermaßen nicht der Fall ist.

Zur Erinnerung noch einmal EuGH C-260/89, Rn. 41 in Kurzfassung: "es ist nichts rechtens, was sich über den Art. 10 EMRK hinwegsetzt".

Elementare Aussage dieses Art. 10 EMRK ist "without interference by public authority".
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 16. März 2021, 14:09
Geräte würden von der Thematik dieses Themas nur dann erfasst, wenn der Staat hier Vorgaben in Punkto Geräteauswahl machen würde, was aber bekanntermaßen nicht der Fall ist.
Genau das ist aber doch gemacht worden. Nur ist dies auf informellen Wege passiert, weshalb ich auf das Zitat der Intendantin Piel verwiesen habe. Es gibt in der Tat keine rechtlichen Bestimmung, die Herzschrittmacher und Smartphones als Rundfunkgeräte betrachten. Dennoch wird dies von den Gerichten entweder indirekt oder direkt, in Prüfungen vor Gericht, so gesehen. Auch hier haben wir wiedereinmal, wie bei der Direktanmeldung, das Problem, dass es ohne gesetzliche Bestimmung keinen Rechtsweg gibt. Wir können hier nur den informellen Weg angreifen. 

@pinguin
Im Übrigen müssen wir nicht wieder in die Diskussion abdriften, dass ich die Welt nicht so technisch sehe wie Sie sehen. Es geht jedoch immer noch um das Thema, ob Computer mit Internet wirklich als gebührenpflichtige Rundfunkgeräte angesehenen werden dürfen, womit ich an meine vorherigen Kommentare zum Art. 10 EMRK anknüpfe.
Diese Argumentation habe ich dann von einer anderen Seite noch einmal betrachtet, wobei mir ein Formfehler im Urteil des Bundesverfassungsgericht aufgefallen ist, der uns unter Umständen nützlich sein könnte, wenn wir ein Verfahren im Sinne der Informationsfreiheit einleiten. Es geht also immer noch um die Frage, ob jemand, der den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ablehnt, tatsächlich auf seinen Herzschrittmacher (PC mit Internet) verzichten muss, wenn damit zufälliger Weise neben seiner eigentlichen Funktion auch Radio gehört werden kann. Dies kann nicht wirklich verlangt werden. Auch wenn ich selbst kein Smartphone habe (und offensichtlich als Nichtzahler des Rundfunkbeitrages auch nicht haben darf), habe ich zudem schon den Eindruck, dass viele Menschen diese Geräte nicht nur zum Telefonieren, sondern auch zur Beschaffung und Verwaltung von Informationen verwenden, die nicht mit den Informationen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten identisch sind. => „interference by public authority". 
 
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 16. März 2021, 19:50
@art18GG
Es muß erst einmal verstanden werden, daß Europa im Medienbereich 3 Bereiche regulatorisch trennt, die alle einzeln einzuhalten sind:

- Inhalt einer Information; (Regulierung der Dienstleistung mit Bezug zum Urheberrecht);
- Übertragung der Information, (Regulierung der Dienstleistung);
- Technik zur Übertragung der Information, (Regulierung der Hardware);

Der Staat darf einem Verbraucher in keinem dieser 3 Bereiche Vorgaben machen; der Verbraucher entscheidet, welche Informationen er zur Kenntnis nimmt, wie er sie sich übertragen läßt und welche Technik er dafür verwendet, oder eben jeweils auch nicht. Alleine der Urheber eines Werkes entscheidet darüberhinaus aber, wie und ob er sein Werk der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt, oder auch nicht.

Und dieses alles alleine aus Art 10 EMRK heraus, denn nur den Unternehmen selbst darf der Staat Vorgaben machen.

Herzschrittmacher sind keine Rundfunkempfangsgeräte und Computer auch nicht, ersteres kann keine audio-visuellen Produkte darstellen und letzteres kann nur "non-linear" Daten übertragen; Rundfunk ist eine "linear" Übertragungstechnik.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Grit am 19. April 2021, 13:33
Ich habe eine Verständigungsfrage zu Art. 10 EMRK:  "Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt … die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne  behördliche Eingriffe  und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Hörfunk- , Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben..."
Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=022126.0

Was ist nun aber mit  behördlichen Eingriffen  gemeint?

In § 26 MStV (2) heißt es u.a.:  "Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen."

Das das Neutralitätsgebot im ÖRR ja nun nicht mehr eingehalten wird, dürfte ja kein Geheimnis  sein und darf man hier hoffentlich schreiben. Der ÖRR ist unstreitig staatstragend und ein Repräsentant der Politik. 

Welcher Zusammenhang besteht da nun mit Art. 10 EMRK? Sind mit  behördlichen Eingriffen  im Allgemeinen gemeint, dass jede Person das Recht auf eine "objektive und unparteiliche Berichterstattung" hat, die frei von meinungserzeugenden und beeinflussenden Faktoren zu sein hat? Oder wird in Art. 10 EMRK lediglich ein Verbot ausgesprochen, dass eine länderübergreifende und ungehinderte Information nicht durch  behördliche Eingriffe  eingeschränkt werden darf?

Letzteres liest sich für mich aus Art. 10 EMRK wahrscheinlicher und noch gibt es ja kein Verbot,  sich der gesamten Medienvielfalt zu bedienen. Was also wäre im Art. 10 EMRK i.V.mit dem ÖRR und den  behördlichen Eingriffen   denn nun entscheidungserheblich?
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Kurt am 19. April 2021, 14:24
Grit: damit ist gemeint, dass es keine Restriktionen geben darf wie z. B.:
- nur Bürger mit lila-gelb getupftem Parteibuch dürfen Rundfunk empfangen
- bestimmte Sendefrequenzen werden geblockt und sind nur für x+y zu empfangen; für z jedoch nicht
...

Damit ist nicht gemeint, dass keine Beiträge/Gebühren erhoben werden dürfen.

Denn wenn man dieser Argumentation folgen wollte, würde das bedeuten, dass dann auch alle anderen Länder die Beiträge/Gebühren für ihren Rundfunk erheben, gegen die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verstoßen würden.

Man mag sich schwerlich vorstellen, dass dies jahrzehntelang niemandem - außer user "pinguin" - aufgefallen wäre.

Gruß
Kurt
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Grit am 19. April 2021, 23:23
Vielen Dank liebe Admins für die Weiterleitung meiner Frage in diesen  höchst interessanten Thread  :)

Habe schon angefangen, mich hier einzulesen, allerdings scheine ich wohl grad nen Brett vorm Kopf zu haben, was die "behördlichen Eingriffe" anbelangen.

Kurt, vielen Dank auch dir für deine Erklärung;  allerdings muss ich gestehen, damit wenig anfangen zu können. Es liegt dabei nicht an dir,  Kurt, es liegt an mir.

Ich versuch es noch einmal: 
Grit: damit ist gemeint, dass es keine Restriktionen geben darf wie z. B.:
- nur Bürger mit lila-gelb getupftem Parteibuch dürfen Rundfunk empfangen

Okay, hier wird ja dann ein ganz klares Verbot bzw. eine Ausgrenzung deutlich. Dass diese Ausgrenzung keine Beiträge von den Ausgegrenzten rechtfertigen darf, leuchtet zweifellos ein.

Frage: Gibt es denn solche Länder? Oder anders: Sie muss es geben. Und diese Länder dürfen - lt. Art. 10 EMRK - dann keine Beiträge einfordern. Sonst würde es ja nicht heißen: 

Man mag sich schwerlich vorstellen, dass dies jahrzehntelang niemandem - außer user "pinguin" - aufgefallen wäre.

Nun spielt doch aber auch Art. 10 EMRK rundfunkbeitragsrechtlich in Deutschland eine Rolle, wenn ich das richtig nachverfolge? Welche Rolle spielt der Art. aber, wenn in Deutschland jeder den Rundfunk empfangen kann und es keinerlei Ausschlusskriterien gibt? Bitte nicht lachen, aber ich hab mich wohl grad irgendwie in die "behördlichen Eingriffe" verbissen und will das jetzt eigentlich nur noch verstehen.  ::)
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 20. April 2021, 00:47
Nun spielt doch aber auch Art. 10 EMRK rundfunkbeitragsrechtlich in Deutschland eine Rolle, wenn ich das richtig nachverfolge?
Dieser Art 10 EMRK spielt im Zusammenhang mit der gesamten EMRK als Bundes- und Unionsrecht eine Basisrolle für das gesamte Recht; die EMRK ist Teil des unionsweiten, rechtsverbindlichen Grundrechteregelwerkes, zu dem auch die Grundrechte-Charta der EU gehört.

Diese Informations- und Meinungsfreiheit ist in D von 4 Grundrechten geschützt; 1x Art 10 EMRK, 1x Art 11 GrCh, 1x Art 5 GG und 1x der jeweilige Artikel der jeweiligen Landesverfassung; sie alle sind mit ihren speziellen Besonderheiten der normsetzenden Ebene gleichzeitig einzuhalten, wobei die jeweils niedere Normebene ihre Norm und alle darüber einzuhalten hat.

Besonderheiten hat die EMRK wiederum darin, daß sie nur in den Sprachen Englisch und Französisch rechtsverbindliche Wirkung erzielt, auch in D.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 20. April 2021, 07:19
Besonderheiten hat die EMRK wiederum darin, daß sie nur in den Sprachen Englisch und Französisch rechtsverbindliche Wirkung erzielt, auch in D.
Irgendwo wurde die letzte Veröffentlichung der EMRK im Bundesgesetzblatt auch hier verlinkt; jau, hier im gleichen Thema:

Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22126.msg184668.html#msg184668

Titel: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Roggi am 20. April 2021, 09:10
Der behördliche Eingriff besteht darin, dass man gezwungen wird, genau diesen einen örR zu finanzieren, auch wenn man erkennt, dass von dort erhebliche Rechtsbrüche zu verantworten sind. Wer andere Medien bevorzugt und örR nicht braucht, muss ihn trotzdem finanzieren. Der örR hat diese unselige, derzeitige Finanzierung forciert und tut nichts, um die Finanzierung der aktuellen Rechtslage anzupassen. Auch wenn inzwischen eine Unzahl an Rechtsbrüchen bekannt ist, wird das vom örR und den Gerichten ignoriert und Leute werden eingesperrt, weil sie sich nicht damit auseinandersetzen, aber sich auch nicht erpressen lassen. Wenn das mal kein behördlicher Eingriff ist. Aber die Durchsetzung von Recht ist dem Bürger verwehrt, es haben sich Strukturen gebildet, die man aus Sizilien kennt. Die ehrenwerte Gesellschaft hat 8 Milliarden Euro jährlich zum verprassen, da werden gerne Gesetze ignoriert. Näheres findet sich im Link in meiner Signatur.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Grit am 20. April 2021, 10:10
Der behördliche Eingriff besteht darin, dass man gezwungen wird, genau diesen einen örR zu finanzieren, auch wenn man erkennt, dass von dort erhebliche Rechtsbrüche zu verantworten sind.
HIer komme ich mit. 
Nur wer ist jetzt dafür verantwortlich, eine Informationsgewinnung im ÖRR i.S. von § 10 EMRK "ohne behördliche Eingriffe" ungehindert empfangen zu können?
Klar ist doch, dass der ÖRR einer verantwortungslosen Verschleppung seiner verfassungsgemäßen und rundfunkbeitragsrechtlichen Kernaufgaben, Grundsätze, Sorfaltspflichten usw., usw. , usw. usw.,  unterliegt. Da stimmt ja nichts mehr. Geht man nur mal den MStV durch, wird man schon dort in nahezu allen §§ fündig, was im ÖRR in Schieflage geraten ist.

Sind diese Rechtsbrüche denn mit "behördlichen Eingriffen" gleichzusetzen?  Das klingt mir irgendwie nicht logisch.

Der örR hat diese unselige, derzeitige Finanzierung forciert und tut nichts, um die Finanzierung der aktuellen Rechtslage anzupassen.
Eben.
Also heißt es doch, dass nicht nur das BVerfG den ÖRR auf seine journalistischen Grundsätze zurückgeleiten und sämtliche Mängel im ÖRR abstellen muss. Denn nur, wenn solche und ähnliche Rechtswege nicht mehr nötig sind, können "Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht… empfangen" werden.

Oder interpretiere ich das falsch?
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: letus am 20. April 2021, 13:09
Zu diesem Thema könnte der aktuell  ergangene Bescheid eines VG aus Bayern passen.
 
Da soll ein Beitragszahler in seiner Klagebegründung vorgetragen haben, dass laut Urteil des BVerfG v. 18.07.2018 die Erfüllung des gesetzlichen Auftrags Legitimationskriterium für die Beitragserhebung ist.
Sich darauf berufend hätte der Kläger angemahnt, dass der Gesetzgeber dafür sorgen müsse, dass die Auftragserfüllung rechtsverbindlich einzufordern sei.
Er hätte also beantragt, diesen Umstand dem BVerfG und EuGH zur Klärung vorzulegen und bis zur Entscheidung die Beitragserhebung inkl. aller Beitreibungsmaßnahmen auszusetzen.

Dieses Ansinnen soll das Gericht mit dem Hinweis auf die Programmautonomie als unvereinbar mit dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit abgelehnt haben.
Zuständig seien die Kontrollgremien "Programmkommission" und Rundfunkrat. Falls die untätig blieben, könne Programmbeschwerde erhoben werden.

Der Vortrag, dass die KEF laut eigenem Bericht aus 2020 den gesetzlich vorgegebenen Prüfpflichten nicht nachkommt, soll ebenso unbeachtet geblieben sein wie die Tazsache, dass der Rundfunkbeitrag zur Finanzierung der Landesmedienanstalten dient, die im § 19 MStV zu kleinen Zensurbehörden aufgewertet wurden.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Grit am 20. April 2021, 15:11
Dieses Ansinnen soll das Gericht mit dem Hinweis auf die Programmautonomie als unvereinbar mit dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit abgelehnt haben.
Zuständig seien die Kontrollgremien "Programmkommission" und Rundfunkrat. Falls die untätig blieben, könne Programmbeschwerde erhoben werden.
Wenn man sich anschaut,  wer da in den Gremien sitzt,  weiß man, dass diese Kontrollinstanzen nicht unabhängig sind. Und eine Programmbeschwerde wird auch die Verletzungen der verfassungsgemäßen Grundrechte nicht wiederherstellen,  wie das Verwaltungsgericht sich bislang ebenso als untauglich erwiesen hat, diese überhaupt festzustellen.

Da wird sich eben weiterhin in Ausflüchte verrannt,  um nur nicht einzugestehen, dass der ÖRR ganz klar seinen Auftrag nicht erfüllt,  der aber Voraussetzung für die Beitragshoheit ist. Da gibt es unzählige Urteile vom BVerfG; schon 1994 hieß es
BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 22. Februar 1994
- 1 BvL 30/88 -, Rn. 1-196,

http://www.bverfg.de/e/ls19940222_1bvl003088.html
Zitat von: BVerfG, Urteil vom 22.02.1994,1 BvL 30/88
Leitsätze
[...]
3. [...] Die Gebühr darf nicht zu Zwecken der Programmlenkung oder der Medienpolitik eingesetzt werden.
[...]

Rn. 102
[...] Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verlange eine positive Regelung des Rundfunkwesens, die sichere, daß die Ziele des Grundrechts erreicht würden. Dazu gehöre auch die Festsetzung der Rundfunkgebühr durch den Staat. Sie sei so lange zulässig, wie sie nicht zu Eingriffen in die Programmgestaltung oder den Programminhalt genutzt werde.

Rn. 159
[...] Für die Gebührenfestsetzung gelten vielmehr die Grundsätze der Programmneutralität und der Programmakzessorietät. [...]
           
Und so ist das noch heute (nur anstelle der Gebühr eben jetzt der "Beitrag").
Auch 2018 hat es das BVerfG in seinem Urteil herausgestellt und den Legitimationszusammenhang deutlich gemacht.

Vielleicht sollte man das BVerfG mit seinen Urteilen (und analog der Verletzungen seiner Grundrechte) konfrontieren, anstatt die Verwaltungsgerichte, die nicht willens sein wollen, die Abkehr des ÖRR eingestehen zu wollen.

Gehe ich nun zu § 10 EMRK zurück, frage ich mich tatsächlich immer noch, wie hier bei uns der Bogen zu den "behördlichen Eingriffen" zu spannen ist. Denn empfangen können wir den ÖRR ja alle und der "individuelle Vorteil" zu diesem Empfang - einschließlich dem Nutzen, dem der ÖRR jedem Einzelnen bieten soll - wurde vom BVerfG auch letztmalig am 18.Juli 2018 deutlich hervorgehoben.

Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 20. April 2021, 16:41
eine Informationsgewinnung im ÖRR i.S. von § 10 EMRK "ohne behördliche Eingriffe" ungehindert empfangen zu können?
Es geht nicht um den bloßen Empfang; die Informations- und Meinungsfreiheit umfasst alles, was damit zu tun hat, auch bspw. Beschaffung und Vertrieb des Inhalts, (BVerfG 1 BvQ 2/99 zur vollständigen Einbeziehung des Vertriebes von Tageszeitungen in den durch Art 5 GG besonders geschützten Bereich), ist der Vertrieb einer Information in den Schutz einbezogen, muß auch dessen Finanzierung inbegriffen sein; alles andere wiederum wird von den unterschiedlichen Normen des Wirtschafts-, Datenschutz-, Verbraucherschutzrechtes etc. geregelt, wobei der Staat aufgrund der Unionsvorgaben die Kriterien der Unternehmensgleichbehandlung zu berücksichtigen hat*** und sich nicht über weiterführendes Unionsgrundrecht hinwegsetzen darf***.

*** ->
EuG T-133/07 -> Gleichbehandlung ; Unschuldsvermutung; Verhältnismäßigkeit
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,31845.msg196316.html#msg196316

*** ->
EuGH C-516/17 - Nat. Behörde muß EU-Grundrecht einhalten
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,34911.msg211458.html#msg211458
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Grit am 22. April 2021, 22:18
Es geht nicht um den bloßen Empfang; die Informations- und Meinungsfreiheit umfasst alles, was damit zu tun hat, auch bspw. Beschaffung und Vertrieb des Inhalts, (BVerfG 1 BvQ 2/99 zur vollständigen Einbeziehung des Vertriebes von Tageszeitungen in den durch Art 5 GG besonders geschützten Bereich), ist der Vertrieb einer Information in den Schutz einbezogen, muß auch dessen Finanzierung inbegriffen sein
Vielen Dank für die Erklärung. Ja, Informations- und Meinungsfreiheit ist breit gefasst, da gehört noch mehr dazu, da hast du natürlich recht. Ist unter Beschaffung denn auch zu verstehen, woher und durch wen derjenige (hier am Beispiel des ÖRR) seine Informationen gewinnt, die er veröffentlicht? Also damit sich der Konsument eine unbeeinflusste Meinungs- und damit Urteilsbildung machen kann, muss der ÖRR frei und unabhängig sein. Ist er das nicht, wäre z.B. der meinungsbildende Prozess beeinträchtigt usw. … also da käme in der Summe schon so einiges zusammen. Die Frage ist jetzt nur, ob das unter den "behördlichen Eingriffen" zu verstehen ist, die § 10 EMRK meint?
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 23. April 2021, 00:32
Ist unter Beschaffung denn auch zu verstehen, woher und durch wen derjenige (hier am Beispiel des ÖRR) seine Informationen gewinnt, die er veröffentlicht?
Derartiges konnte in älteren Entscheidungen des BVerfG bereits gelesen werden; diese müssten neu gesichtet werden.

Zitat
Die Frage ist jetzt nur, ob das unter den "behördlichen Eingriffen" zu verstehen ist, die § 10 EMRK meint?

Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten
in der Fassung der Protokolle Nr. 11 und 14 *

https://www.coe.int/de/web/conventions/search-on-treaties/-/conventions/rms/0900001680063764

Zitat
Artikel 17 – Verbot des Missbrauchs der Rechte

Diese Konvention ist nicht so auszulegen, als begründe sie für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person das Recht, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung vorzunehmen, die darauf abzielt, die in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten abzuschaffen oder sie stärker einzuschränken, als es in der Konvention vorgesehen ist.

Artikel 18 – Begrenzung der Rechtseinschränkungen

Die nach dieser Konvention zulässigen Einschränkungen der genannten Rechte und Freiheiten dürfen nur zu den vorgesehenen Zwecken erfolgen.

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Artikel 10 – Freiheit der Meinungsäußerung

1  Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Hörfunk-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.

2  Die Ausübung dieser Freiheiten ist mit Pflichten und Verantwortung verbunden; sie kann daher Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit oder die öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen oder zur Wahrung der Autorität und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung.
Was also gemäß Art 18 EMRK nicht als zulässig einschränkbar genannt wurde, darf nicht erfolgen.

Wie weit also etwas zulässig oder nicht nicht zulässig ist, richtet sich nach den Vorgaben des Regelwerkes selber.

Bei der GrCh ist es ebenso bestimmt:

Charta der Grundrechte der Europäischen Union
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:12016P/TXT

Zitat
Artikel 53
Schutzniveau


Keine Bestimmung dieser Charta ist als eine Einschränkung oder Verletzung der Menschenrechte und Grundfreiheiten auszulegen, die in dem jeweiligen Anwendungsbereich durch das Recht der Union und das Völkerrecht sowie durch die internationalen Übereinkünfte, bei denen die Union oder alle Mitgliedstaaten Vertragsparteien sind, darunter insbesondere die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, sowie durch die Verfassungen der Mitgliedstaaten anerkannt werden.

Artikel 54
Verbot des Missbrauchs der Rechte


Keine Bestimmung dieser Charta ist so auszulegen, als begründe sie das Recht, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung vorzunehmen, die darauf abzielt, die in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten abzuschaffen oder sie stärker einzuschränken, als dies in der Charta vorgesehen ist.

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Artikel 11
Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit


(1)   Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben.

(2)   Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: Winston Smith am 23. April 2021, 10:05
Ich finde ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben etwas interessant. Ein deutschsprachiger Franzose im Elsass darf deutsche öffentlich rechtliche Sendung als "Recht" frei und kostenlos empfangen, aber in dem Moment, dass er nach Deutschland umzieht, wird er plötzlich zum "Schuldner" gemacht, weil man Rücksicht auf die Staatsgrenze genommen hat, wo deutsche Behörden eingreifen können. Ist das vielleicht etwas anzufechten? :-\
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 25. April 2021, 02:01
Ich finde ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben etwas interessant. Ein deutschsprachiger Franzose im Elsass darf deutsche öffentlich rechtliche Sendung als "Recht" frei und kostenlos empfangen, aber in dem Moment, dass er nach Deutschland umzieht, wird er plötzlich zum "Schuldner" gemacht, weil man Rücksicht auf die Staatsgrenze genommen hat, wo deutsche Behörden eingreifen können. Ist das vielleicht etwas anzufechten? :-\
Die Gleichbehandlung der Unionsbürger wie auch der Unternehmen einer Branche gilt wohl jeweils nur innerhalb des Mitgliedslandes und nicht grenzüberschreitend unionsweit?
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 30. August 2021, 17:47
Da die Gerichte in Deutschland sich seit 2007 geweigert haben, sich ernsthaft mit dem Thema der Informationsfreiheit auseinanderzusetzen, bleibt in den Auseinandersetzung zum Rundfunkbeitrag nur der chronologische Weg um die Verletzung des Artikel 10 EMRK aufzuzeigen. Ausgangspunkt dieser Verletzung ist ein lapidares und sehr undeutliches Gesetz im 8.RÄStV, in dem irgendetwas mit Internet zum neuartigen Empfangsgerät erklärt wurde. Siehe hierzu obigen Kommentar:
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22126.msg205842.html#msg205842
PDF zum 8. RÄStV: Kurzlink: https://kurzelinks.de/nsr2
https://www.urheberrecht.org/law/normen/rstv/RStV-08/materialien/

Obwohl dieses Gesetz bereits aus dem Jahre 2004 ist, wurde es von der GEZ erst im Jahre 2007 umgesetzt. Im Geschäftsbericht der GEZ zum Jahresabschluss 2007 findet man dazu die folgenden Hinweise (ebenda S. 5):
Zitat
Das Jahr 2007 zeigt aber auch, dass die Anzahl der freiwillig neu angemeldeten Rundfunkgeräte weiterhin geringer ist als die Zahl der Abmeldungen. Diesen Trend, der langfristig zu einer Erosion des Gebührenaufkommens führt, konnte auch die zum 1. Januar eingeführte Gebührenpflicht für neuartige Rundfunkgeräte nur bedingt stoppen. Trotzdem war die Einführung einer Rundfunkgebühr für neuartige Rundfunkgeräte ein wichtiger und richtiger Schritt, um die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sichern. Schließlich führt die immer stärkere Verbreitung von Rundfunkdarbietungen im Internet weg vom klassischen Radio und Fernsehen. Der bevorstehende Start beispielsweise des Handy-TVs zeigt, dass in dieser Hinsicht noch viele Neuerungen zu erwarten sind.
GEZ Geschäftsbericht 2007: PDF-Kurzink: https://kurzelinks.de/fks4
https://web.archive.org/web/20111017014544/http://www.gez.de/e160/e161/e1037/gb2007.pdf
 
Einige Passagen wurden von mir hervorgehoben, weil sie mir wichtig erschienen. Was ein Handy-TV sein soll, wird nicht erläutert, wobei zu vermuten ist, dass damit Smartphones gemeint sein können. Da weder das Internet noch die Telefonnetze dazu konstruiert wurden, um damit Radio oder Fernsehen zu empfangen, ist es verfassungsrechtlich immer noch nicht geklärt, ob neben der Verletzung der Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG (Art. 10 EMRK) nicht auch eine Verletzung des Art. 10 Abs. 1 GG vorliegt. Denn die Funktion von Internet und Telefonnetzen liegt primär darin, damit Mitteilungen (Mails usw.) zu versenden und zu empfangen, weshalb in der Kombination mit Art. 5 Abs. 1 GG zu prüfen ist, ob der RBStV einen schweren Eingriff in den Schutzbereich dieser beiden Grundrechte darstellt, weil er den Zugang zu Internet und Telefonnetzen für Gegner des Konsumenten von Rundfunk und Fernsehen erheblich einschränkt wenn nicht sogar verhindert. Darauf bin ich weiter oben schon einmal eingegangen:
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22126.msg211953.html#msg211953

Mit Bezug auf eine internationale Rechtsprechung, die beim Art. 10 EMRK und auch beim Art. 11 der EU-Charta relevant ist, sei an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in anderen Ländern klargestellt wurde, dass PCs mit Internet und Smartphones keine Rundfunkempfangsgeräte sind. Dazu kann man beispielsweise auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes in Österreich verweisen (BVwG vom 18.09.2014  - AZ: W157 2008826-1, Abschnitt 3.5.3):
Zitat
Zieht man die Begründung des Initiativantrags zur Auslegung von § 1 Abs. 1 leg.cit heran, so wird klar, dass Computer mit (lediglich) einem Webbrowser auch deswegen nicht unter § 1 Abs. 1 RGG zu subsumieren sind, da sie - im Unterschied zu herkömmlichen TV- und Radiogeräten und anderen Geräten mit einem Rundfunk-Empfangsmodul - von ihren Nutzern regelmäßig vorrangig für (vielfältigste) andere Zwecke (der Information und Kommunikation), sei es beruflicher oder privater Natur, verwendet werden, und nicht in erster Linie, um damit gestreamte Programme wie bspw. Webradio abzurufen. Sie sind schlichtweg nicht für die unmittelbare Wahrnehmbarmachung von Rundfunk "bestimmt", sondern ist die Wahrnehmbarmachung gestreamter Programme eine ihrer mannigfaltigen Funktionen, die im Laufe der Zeit aufgrund der technischen Entwicklung möglich wurde.
Österreich: Bundesverwaltungsgericht (BVwG), 18.09.2014
European Case Law Identifier (ECLI): ECLI:AT:BVWG:2014:W157.2008826.1.00
http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Bvwg&Dokumentnummer=BVWGT_20140918_W157_2008826_1_00
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 30. August 2021, 18:39
@art18GG

Man braucht nicht auf die Rechtsprechung in anderen Unionsländern hinzuweisen, hat es doch eine auch im Forum thematisierte bundesfachgerichtliche Entscheidung des BFH, welche jedenfalls im Abgabebereich nicht unerheblich ist, da der Bundefinanzhof das höchste abgabe- und steuerrechtliche Fachgericht im Bunde ist.

BFH VII R 40/18 - Internet kein Rundfunk - Streaming kein Rundfunk
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,35156.msg213025.html#msg213025

Und wenn die Art der Übertragung kein Rundfunk ist, kann auch das Gerät, das die übertragenen Daten verarbeitet und wiedergibt, kein Rundfunkempfangsgerät sein.

Bundesfachgerichtlich wäre das insofern ausdiskutiert, denn will ein Bundesgericht von den Entscheidungen eines anderen Bundesgerichtes wesentlich abweichen, bedarf es dazu der vorherigen Anrufung des Gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes, der im Forum auch schon einmal thematisiert worden ist; bspw. hier

Hätte BVerwG den gemeinsamen Senat der Bundesgerichte bereits anrufen müssen?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,26835.msg168533.html#msg168533

In einer weiteren Entscheidung des Bundesfinanzhofes stützt sich dieser deswegen nämlich auch auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes

BFH I R 32/17 - Unwirksames Urteil
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,35623.msg215537.html#msg215537

Das Fachspezifische soll hier aber nicht ausgeweitet werden.
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 01. September 2021, 13:39
@pinguin
Damit geht es jedoch mehr um den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 des Grundgesetzes als um den Art. 10 EMRK, womit wir bei einem neuen Thema wären. Vielleicht habe Sie etwas Zeit, dieses Thema in einem eigenen Thread auszulagern. Der Art. 10 Abs. 1 GG lautet übrigens:
Zitat
Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.
https://dejure.org/gesetze/GG/10.html
Unter Schutzbereich ist dabei zu verstehen, dass der Art. 10 Abs. 1 GG den ganzen Bereiche des Postwesens und der Telekommunikation betrifft und nicht nur einen einzelnen Aspekt.

Das Bundesverfassungsgericht verweist beispielsweise in seiner Rechtsprechung zum Rundfunkbeitrag auch immer wieder auf den Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, obwohl dort nichts davon steht, dass die „Finanzierung des Rundfunks“ verfassungsrechtlich geschützt sei. Dort steht lediglich, dass „die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film“ gewährleistet wäre. Dieses Prinzip des angeblich notwendigen Schutzes der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch das Grundgesetz bezeichne ich übrigens als:
Die Doktrin der staatlichen Pressefreiheit in der deutschen Rechtsprechung
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=28411.0

Genausowenig geht es also bei der Auslegung des Art. 10 Abs. 1 GG nur um das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, da ein Eingriff in diesen Schutzbereich schon dann vorliegt, wenn bestimmten Personengruppen wie den Gegnern des Konsums von Rundfunk und Fernsehen der Zugang zum Internet und dem Telefonnetzen derart erschwert wird, dass die Nutzung von elektronischer Post und Fernmeldegeräten gar nicht möglich ist. Ein Geheimnis kann es dort letztendlich auch nicht geben, wo es bereits verboten ist, Briefe zu versenden oder zu telefonieren. Dabei ist es unerheblich, ob dieses Verbot auf direkten oder indirekten Weg erfolgt.

Im Übrigen beobachte ich, dass Smartphones nicht nur zum telefonieren und versenden von elektronischen Nachrichten verwendet werden, sondern auch als Instrument um sich zu informieren (=> Art. 10 EMRK). Irgendwie habe ich bei diesen Beobachtung jedoch noch niemanden kennengelernt, der ein solches Smartphone als TV-Geräte verwendet hätte, womit die zitierte Feststellung der GEZ höchst fragwürdig bleibt. Die Rede von einem Handy-TV kann in dieser Hinsicht durchaus als falsch und irreführend bezeichnt werden.   
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 01. September 2021, 16:58
Damit geht es jedoch mehr um den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 des Grundgesetzes als um den Art. 10 EMRK, womit wir bei einem neuen Thema wären.
Nö; es ist miteinander verknüpft.

Art 5 GG, Art 10 EMRK wie auch Art 11 GrCh gelten grundsätzlich unabhängig des Übertragungsmediums; sie gelten für alle Informationen und Meinungen, egal, worüber, bzw., womit sie übertragen werden, denn der Übertragungsweg selber ist in den Schutz einbezogen.

Was für die Printmedien gilt

BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 29. April 2003
- 1 BvR 62/99 -, Rn. 1-18,

http://www.bverfg.de/e/rk20030429_1bvr006299.html

Rn. 11
Zitat
b) Das Grundrecht der Pressefreiheit gewährleistet die Freiheit publizistischer Betätigung. Der Schutz reicht von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung (vgl. BVerfGE 10, 118 <121>). Umfasst ist das Recht, die inhaltliche Tendenz einer Zeitung festzulegen, beizubehalten, zu ändern und diese Tendenz zu verwirklichen (vgl. BVerfGE 52, 283 <297>). Der Grundrechtsschutz beschränkt sich nicht auf die Erstellung des Inhalts, sondern bezieht auch inhaltsbezogene Hilfsfunktionen von Presseunternehmen ein (vgl. BVerfGE 64, 108 <114 f.>; 77, 346 <354>). Insofern fällt auch der Vertrieb von Presseprodukten, etwa die Botenzustellung von Zeitungen, in den Gewährleistungsbereich (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, NJW 1999, S. 2107).

muß in voller Konsequenz letztlich auch für den Rundfunk gelten.

Wenn die Übertragungstechnik aber per definitionem des höheren Rechts, (hier eine BFH-Aussage auf Basis von EU-Recht in Auslegung durch den EuGH), kein Rundfunk darstellt, kann es auch kein Rundfunk sein, was übertragen wird.

Wird jetzt aber national trotzdem versucht, dort Rundfunk hineinzudeuten, wo technisch keiner ist, um in Folge auf diese Weise finanzielle Mittel der Bürger*innen gegen den Willen der Bürger*innen, (die unionsrechtlich allesamt als natürliche Personen Verbraucher*innenstatus haben), abzuzocken, ist der Bereich des Art 10 EMRK berührt.

Es könnte aber spannend werden, denn das Grundgesetz gibt dem Bund keine Gesetzgebungsbefugnis, die Bereiche Online wie Digital zu regeln.

Es besteht also derzeit die noch nicht bei allen angekommene Regelung des Bundes, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dürfen, was die privaten Rundfunkunternehmen und die Printmedien dürfen, bspw. also, sich auch online auszubreiten, daß sie aus Gründen der Unternehmensgleichbehandlung aber nicht dürfen, was ihre privaten Wettbewerber ebenfalls nicht dürfen, denn das Recht der Wirtschaftsgesetzgebung obliegt dem Bund, bspw. jene Verbraucher*innen abzuzocken, die sich nicht für sie interessieren.

Die Kompetenzen sind nicht verhandelbar, wie das BVerfG ja erst bestätigte

BVerfG 2 BvF 1/20 - Neben einem Bundesgesetz ist für ein Landesgesetz kein Raum
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,35136.0.html

Rn. 82
Zitat
b) Nach der Systematik der grundgesetzlichen Kompetenzordnung wird der Kompetenzbereich der Länder daher grundsätzlich durch die Reichweite der Bundeskompetenzen bestimmt, nicht umgekehrt (vgl. BVerfGE 135, 155 <196 Rn. 103>). [...]
Titel: Re: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: pinguin am 02. September 2021, 08:20
Es könnte aber spannend werden, denn das Grundgesetz gibt dem Bund keine Gesetzgebungsbefugnis, die Bereiche Online wie Digital zu regeln.
Die Aussage ist so pauschal freilich nicht ganz richtig, hat der Bund doch lt. Art 73 Abs 1 Ziffer 7 GG die alleinige Gesetzgebungsbefugnis im Bereich Telekommunikation. Da wird es auch auf Europa ankommen, was alles als Telekommunikation definiert wird.
Titel: Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Beitrag von: art18GG am 04. Oktober 2022, 17:44
Zur Klärung der Frage nach der Verletzung der Informationsfreiheit aus Art. 10 EMRK durch den Rundfunkbeitrag muss sich auch mit der PC-Gebühr beschäftigt werden, da der Ursprung dieser Grundrechtsverletzung in der Rechtsprechung zu diesem Thema liegt.

Eine Zusammenfassung dieser Rechtsprechung habe ich daher in dem folgenden Thema vorgenommen und zur Diskussion gestellt:

Rechtslage: PC-Gebühr und Informationsfreiheit
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=36546.0