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Zunächst bitte Link bzgl. den Informationen des Bundesamts für Justiz als Diskussionsgrundlage ergänzen.
Das gehört bitte immer mit dazu, sonst wird hier im Nebel diskutiert.
Sodann sämtliche weiteren Rechtsgrundlagen zusammentragen.
Das ist die Basis aller effektiven und zielgerichteten Diskussionen und Handlungen.


Eine etwaige Anordnung zur Eintragung im Schuldnerverzeichnis gilt nach aller bisherigen Kenntnis in der Tat
a) sie dürfte nur bei Nicht-Abgabe der Vermögensauskunft erfolgen - mglw. aber auch, wenn sich aus der abgegebenen Vermögensauskunft ergibt, dass "nichts zu holen" ist? > prüfen > insbes. § 882c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO
b) sie müsste dem Betroffenen "bekanntgegeben" werden, da dagegen z.B. das Rechtsmittel des Widerspruchs gg. die Eintragungsanordnung nach § 882d ZPO mit Antrag auf Aussetzung der Eintragung besteht? > Bekanntgabe prüfen > insbes. etwaige mündl. Bekanntgabe zum Termin + Protokollvermerk § 882c Abs. 2 Satz 2 zweiter Teilsatz ZPO

Da aus dem Einstiegsbeitrag nicht zu entnehmen ist, dass eine Anordung zur Eintragung ins Schuldnerverzeichnis der Person A bekanntgegeben wurde (mglw. ja aber mündlich im Termin, so quasi "nebenher" - siehe § 882c ZPO?), wäre daher zunächst zu prüfen, ob überhaupt eine solche Anordnung bzw. ein solcher Eintrag im Schuldnerverzeichnis der Länder erfolgt ist.

§ 882c ZPO - Eintragungsanordnung
https://www.gesetze-im-internet.de/zpo/__882c.html
Zitat von: § 882c ZPO - Eintragungsanordnung
(1) Der zuständige Gerichtsvollzieher ordnet von Amts wegen die Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis an, wenn
1. der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachgekommen ist;
2. eine Vollstreckung nach dem Inhalt des Vermögensverzeichnisses offensichtlich nicht geeignet wäre, zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers zu führen, auf dessen Antrag die Vermögensauskunft erteilt oder dem die erteilte Auskunft zugeleitet wurde, oder
3. der Schuldner dem Gerichtsvollzieher nicht innerhalb eines Monats nach Abgabe der Vermögensauskunft oder Bekanntgabe der Zuleitung nach § 802d Abs. 1 Satz 2 die vollständige Befriedigung des Gläubigers nachweist, auf dessen Antrag die Vermögensauskunft erteilt oder dem die erteilte Auskunft zugeleitet wurde. Dies gilt nicht, solange ein Zahlungsplan nach § 802b festgesetzt und nicht hinfällig ist.
Die Anordnung der Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis ist Teil des Vollstreckungsverfahrens.
(2) Die Eintragungsanordnung soll kurz begründet werden. Der Gerichtsvollzieher stellt sie dem Schuldner von Amts wegen zu, soweit sie ihm nicht mündlich bekannt gegeben und in das Protokoll aufgenommen wird (§ 763 Absatz 1). Über die Bewilligung der öffentlichen Zustellung entscheidet abweichend von § 186 Absatz 1 Satz 1 der Gerichtsvollzieher.
(3) Die Eintragungsanordnung hat die in § 882b Abs. 2 und 3 genannten Daten zu enthalten. Sind dem Gerichtsvollzieher die nach § 882b Abs. 2 Nr. 1 bis 3 im Schuldnerverzeichnis anzugebenden Daten nicht bekannt, holt er Auskünfte bei den in § 755 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 genannten Stellen ein, um die erforderlichen Daten zu beschaffen. Hat der Gerichtsvollzieher Anhaltspunkte dafür, dass zugunsten des Schuldners eine Auskunftssperre gemäß § 51 des Bundesmeldegesetzes eingetragen oder ein bedingter Sperrvermerk gemäß § 52 des Bundesmeldegesetzes eingerichtet wurde, hat der Gerichtsvollzieher den Schuldner auf die Möglichkeit eines Vorgehens nach § 882f Absatz 2 hinzuweisen.

§ 882d ZPO - Vollziehung der Eintragungsanordnung
https://www.gesetze-im-internet.de/zpo/__882d.html
Zitat von: § 882d ZPO - Vollziehung der Eintragungsanordnung
(1) Gegen die Eintragungsanordnung nach § 882c kann der Schuldner binnen zwei Wochen seit Bekanntgabe Widerspruch beim zuständigen Vollstreckungsgericht einlegen. Der Widerspruch hemmt nicht die Vollziehung. Nach Ablauf der Frist des Satzes 1 übermittelt der Gerichtsvollzieher die Anordnung unverzüglich elektronisch dem zentralen Vollstreckungsgericht nach § 882h Abs. 1. Dieses veranlasst die Eintragung des Schuldners. Wird dem Gerichtsvollzieher vor der Übermittlung der Anordnung nach Satz 3 bekannt, dass die Voraussetzungen für die Eintragung nicht oder nicht mehr vorliegen, hebt er die Anordnung auf und unterrichtet den Schuldner hierüber.
(2) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht anordnen, dass die Eintragung einstweilen ausgesetzt wird. Das zentrale Vollstreckungsgericht nach § 882h Abs. 1 hat von einer Eintragung abzusehen, wenn ihm die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die Eintragungsanordnung einstweilen ausgesetzt ist.
(3) Über die Rechtsbehelfe nach den Absätzen 1 und 2 ist der Schuldner mit der Bekanntgabe der Eintragungsanordnung zu belehren. Das Gericht, das über die Rechtsbehelfe entschieden hat, übermittelt seine Entscheidung dem zentralen Vollstreckungsgericht nach § 882h Abs. 1 elektronisch.

Falls keine Eintragung im Schuldnerverzeichnis vorliegen sollte, dann würde sich die Frage stellen, auf welcher Rechtsgrundlage die SCHUFA welche Daten durch wen erhalten hat. Normalerweise müsste ohnehin ein Schreiben der SCHUFA die Gründe für den Eintrag bei der SCHUFA an Person A mitteilen. Mglw. geht dies noch zeitversetzt zu - oder Person A fordert dies aktiv an. Dann sollte Person A zumindest etwas mehr wissen.

Eine fiktive Person B würde mglw. parallel
- Akteneinsicht beim GV vornehmen + alles(!!!) lückenlos(!!!) ablichten - insbes. sämtliche Protokollvermerke, etc.
- mit dem Anliegen bei der Rechtsantragsstelle des zuständigen Amtsgerichts vorstellig werden
- beim Schuldnerregister der Länder nachfragen
- ...

Es bestehen also derzeit noch zu viele Unklarheiten, um wirklich zielgerichtet diskutieren zu können.
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Möglicherweise könnte eine Datenauskunft und ein Widerspruch möglich sein, siehe auch:

Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO (Sammelthread)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=34005.0

Vollstreckung im Auftrag des SWR und Gegenwehr
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,37466.msg224452.html#msg224452
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Zitat von: Eschweiler, Sitzungsvorlage (03/2022), Forderungsmanagement im Bereich der Zahlungsabwicklung
[...] Der Wegfall der Vollstreckung für den WDR bedeutet für die Stadt Eschweiler als Vollstreckungsbehörde eine durchaus willkommene Entlastung, da der pauschale Kostenbeitrag je Vollstreckungsersuchen in Höhe von derzeit 37,00 Euro den tatsächlichen Kosten- und Arbeitsaufwand nicht abdeckt. [...]

§ 8 VO VwVG NRW – Gebührenarten
https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_detail?sg=0&menu=0&bes_id=13284&anw_nr=2&aufgehoben=N&det_id=592667

Nachdem die Stadtkassen in NRW einen pauschale Kostenbeitrag je Vollstreckungsersuchen in Höhe von 37,00 Euro erhalten haben (was den tatsächlichen Kosten- und Arbeitsaufwand nicht abdeckt hat) und mögliche Gebühren dem Schuldner in Rechnung gestellt haben, könnte sich der geneigte Leser nun die Frage stellen, wie hoch sind die Vollstreckungskosten in NRW, wenn der Gerichtsvollzieher das Vollstreckungsersuchen des WDR bearbeiten muss?

Gesetz über Kosten der Gerichtsvollzieher (Gerichtsvollzieherkostengesetz - GvKostG)
https://www.gesetze-im-internet.de/gvkostg/
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Der Beitragsservice erhält, über die Auskunft durch den Gerichtsvollzieher neue Daten (Name, Adresse, Gerburtsdatum und Bankdaten) von Personen, die NICHTS mit der Vollstreckung oder dem Rundfunkbeitrag zu tun haben.

Folgenden möglichen Hinweis könnte ein fiktiver Gerichtsvollzieher an den Beitragsservice geschrieben haben:
Zitat
"Sie haben mich beauftragt, eine Drittauskunft nach § 802 l ZPO beim Bundeszentralamt für Steuern und bei der Deutschen Rentenversicherung einzuholen. Das Ergebnis teile ich Ihnen unter Übersendung einer Kopie der entsprechenden Stellen mit.

Ich weise Sie ausdrücklich darauf hin, dass die erlangten Daten nur zu Vollstreckungszwecken genutzt werden dürfen und nach Zweckerreichung in dieser Sache zu löschen sind (§§ 802 l Abs. 3, 802 d Abs. 1 ZPO). Die Weiterleitung dieser Daten an Dritte ist unzulässig.

Nach Zweckerreichung sind erlangte Schuldnerdaten zu löschen."
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Zur Rechtssache hat es inzwischen den Schlußantrag. Der Generalanwalt stützt sich darin maßgeblich auf die aktuellen Schufa-Entscheidungen und kommt zu folgendem Ergebnis.

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
PRIIT PIKAMÄE
vom 11. April 2024(1)
Rechtssache C-768/21

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=284655&pageIndex=0&doclang=de&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=3334530

Zitat
VI.    Ergebnis

83.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefrage des Verwaltungsgerichts Wiesbaden (Deutschland) wie folgt zu beantworten:

Art. 57 Abs. 1 Buchst. a und f sowie Art. 58 Abs. 2 Buchst. a bis j in Verbindung mit Art. 77 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung)

sind dahin auszulegen, dass

die Aufsichtsbehörde, wenn sie eine Datenverarbeitung feststellt, die in die Rechte der betroffenen Person eingreift, verpflichtet ist, gemäß Art. 58 Abs. 2 der Verordnung 2016/679 einzuschreiten, soweit dies erforderlich ist, um die vollständige Beachtung dieser Verordnung zu gewährleisten.
In diesem Zusammenhang hat sie unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls das geeignete, erforderliche und verhältnismäßige Mittel auszuwählen, um insbesondere den Rechtsverstoß zu beheben und die Rechte der betroffenen Person durchzusetzen.

Folgt der EuGH dem Ergebnis des Generalanwaltes, ist die Datenschutzbehörde von Amts wegen verpflichtet, eine ihr bekannt gewordene Datenschutzverletzung wirksam abzustellen, bzw., "zu heilen".

Die in den Rundfunkstaatsverträgen enthaltenen "Meldedatenabgleiche" sollten dann Historie sein, mindestens? Weil

EuGH C-439/19 - DSGVO - Datenübertragung an Wirtschaftsteilnehmer unzulässig
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35594.0

Bliebe die Frage, ob das seitens des/der Bundesdatenschutzbeauftragten oder seitens eines/einer Landesdatenschutzbeauftragten abzustellen wäre, wobei ein/e Landesdatenschutzbeauftragte kaum befugt ist, für, bzw., im Namen anderer Bundesländer zu handeln?
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Person A hatte Mitte März 2024 einen Termin beim Gerichtsvollzieher, den er wahrgenommen hat und hat dem Gerichtsvollzieher seine Vermögensauskunft mitgeteilt.

Nun erhielt Person A mehrere Schreiben von seinen Banken, dass die Banken durch die Schufa Holding AG einen negativen Eintrag erhalten haben, obwohl er zur Vermögensauskunft erschienen ist und alle Anfragen und Angaben dem Gerichtsvollzieher mitgeteilt hat.

Laut Bundesamt für Justiz soll ein negativer Eintrag bei der Schufa AG nur stattfinden, wenn der Schuldner oder die Schuldnerin einem angekündigten Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft und dem Vollstreckungsersuchen unentschuldigt fernbleibt
Edit "Bürger": Link bitte ergänzen! Weitere Voraussetzungen nach ZPO prüfen!

Person A hat den zuständigen Gerichtsvollzieher angerufen und ihm dies mitgeteilt.
Der Gerichtsvollzieher hat das Gespräch mit Person A sofort beendet und aufgelegt.

Was kann Person A diesbezüglich unternehmen, um den negativen Eintrag bei der Schufa Holding AG zu löschen?

Dankeschön.


Edit "Bürger": Aufgrund der eigenständigen Thematik ausgegliedert aus
Bitte an SWR um Klärg. d. Zwangsvollstr. (Geringverdiener+Unterhaltsverpfl.)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=37341.0
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Dies und Das! / Re: [EU-Recht] Vorschlag f. "Europäisches Medienfreiheitsgesetz"
« Letzter Beitrag von Roggi am 17. April 2024, 19:03 »
Verordnung (EU) 2024/1083 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. April 2024 zur Schaffung eines gemeinsamen Rahmens für Mediendienste im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU (Europäisches Medienfreiheitsgesetz)Text von Bedeutung für den EWR.
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=OJ:L_202401083
Zitat
Artikel 5
Schutzvorkehrungen für die unabhängige Funktionsweise öffentlich-rechtlicher Mediendiensteanbieter

[...]
(3) [...] Diese Finanzmittel müssen so beschaffen sein, dass die redaktionelle Unabhängigkeit öffentlich-rechtlicher Mediendiensteanbieter gewahrt wird. [...]
Offensichtlich sind die Finanzmittel für örR so beschaffen, dass die redaktionelle Unabhängigkeit öffentlich-rechtlicher Mediendiensteanbieter nicht gewahrt wird, denn durch zuviel der Finanzen lässt man den Geldgeber mal besser nicht schlecht aussehen, sondern man berichtet positiv und wohlwollend über ihn, so oft und so laut es nur geht. Gleichzeitig macht man den Gegner der Geldgeber so schlecht, dass fast jeder nach allen Regeln der Kunst dahingehend manipuliert wird, diesen Gegner der Geldgeber abzulehnen.
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Nachtrag:

BVerfG 1 BvR 2290/23 - Rechtswegerschöpfung nicht immer erforderlich (2024-04-11)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=37899.0
ergänzt 2024-04-17

BVerfG 2 BvR 184/22 - Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs je Instanz neu (2024-03-04)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=37900.0
ergänzt 2024-04-17

Edit "Bürger": Erledigt.
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BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 04. März 2024
- 2 BvR 184/22 -, Rn. 1-56,

https://www.bverfg.de/e/rk20240304_2bvr018422.html

Zitat
28
a) Art. 103 Abs. 1 GG gibt dem Verfahrensbeteiligten das Recht, vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort zu kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (vgl. BVerfGE 84, 188 <190> m.w.N.; 86, 133 <144>). Da dies nicht nur durch tatsächliches Vorbringen, sondern auch durch Rechtsausführungen geschehen kann, gewährleistet Art. 103 Abs. 1 GG dem Verfahrensbeteiligten, sich nicht nur zum Sachverhalt, sondern auch zur Rechtslage zu äußern (vgl. BVerfGE 60, 175 <210>; 83, 24 <35>; 86, 133 <144>; 98, 218 <263>). Grundsätzlich verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG das Gericht jedoch weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung (vgl. BVerfGE 31, 364 <370>; 84, 188 <190>; 86, 133 <145>; 98, 218 <263>). Auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, muss daher ein Verfahrensbeteiligter grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen (BVerfGE 86, 133 <145>; 98, 218 <263>).

Zitat
29
Lediglich in besonderen Fällen ist es von Verfassungs wegen geboten, den Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht der Entscheidung zugrunde legen will (vgl. BVerfGE 86, 133 <144>; 98, 218 <263>). Es kann im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Verfahrensbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfGE 86, 133 <144 f.>; 98, 218 <263>; 108, 341 <345 f.>). Art. 103 Abs. 1 GG enthält damit ein auf die Rechtslage bezogenes Verbot von Überraschungsentscheidungen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410>).

Zitat
30
Aus diesem Grund dürfen die Parteien des Berufungsverfahrens grundsätzlich darauf vertrauen, dass ihnen das Berufungsgericht, wenn es in einem entscheidungserheblichen rechtlichen Gesichtspunkt von der Rechtsauffassung des vorinstanzlich mit der Sache befassten Gerichts abweicht, einen Hinweis gemäß § 139 ZPO erteilt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Oktober 2016 - 2 BvR 1313/16 -, Rn. 11). Der Umfang des Äußerungsanspruchs im Berufungsverfahren entspricht in diesem Fall dem eines vom Gericht noch nicht angehörten Beteiligten in erster Instanz und hängt nicht davon ab, ob neue Tatsachen oder Beweisergebnisse vorliegen (vgl. BVerfGE 65, 227 <234>). Das Äußerungsrecht im Rechtsmittelverfahren ist insbesondere deshalb erforderlich, weil sich in weiteren Instanzen aufgrund neuer tatsächlicher Gegebenheiten oder anderer rechtlicher Auffassungen der nun entscheidenden Richter neue oder veränderte relevante Gesichtspunkte ergeben können. Deshalb müssen die Parteien ihren Sachvortrag danach ausrichten können. Wird ihnen dies verwehrt, ist die Garantie rechtlichen Gehörs verletzt (vgl. BVerfGE 107, 395 <410>).

Zitat
40
(1) Grundsätzlich kann ein Verstoß gegen den verfassungsmäßigen Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG durch das Anhörungsrügeverfahren geheilt werden (vgl. BVerfGE 5, 22 <24>; BVerfGK 15, 116 <119>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Mai 2021 - 2 BvR 1719/16 -, Rn. 16). Unterbleibt dies, so ist der Zurückweisungsbeschluss des Anhörungsrügeverfahrens jedoch nur dann selbstständig mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar, wenn er eine eigenständige Beschwer enthält und nicht lediglich eine bereits eingetretene Verletzung rechtlichen Gehörs fortbestehen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 29. März 2007 - 2 BvR 547/07 -, juris, Rn. 8 ).

Zitat
41
(2) Nach diesen Maßstäben wurde der ursprüngliche Gehörsverstoß durch die Entscheidung im Anhörungsrügeverfahren nicht geheilt (a). Zudem ist diese Entscheidung selbstständig mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar, weil sie darüber hinaus eine eigenständige Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör enthält (b).

Zitat
42
(a) Der Zurückweisungsbeschluss ist nicht dazu geeignet, den Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG im Anhörungsrügeverfahren zu heilen. Das Oberlandesgericht setzt sich nämlich nicht hinreichend mit den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwänden hinsichtlich der von ihr gerügten Gehörsverletzung auseinander. Soweit das Oberlandesgericht ausführt, es könne nicht feststellen, ob der von der Beschwerdeführerin nach einem gerichtlichen Hinweis nachgeholte Vortrag „für die Entscheidung des Senats (möglicherweise) erheblich gewesen“ wäre, überspannt es die Beruhensanforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG, weil danach lediglich erforderlich ist, dass die Erheblichkeit für den Verfahrensausgang nicht ausgeschlossen werden kann (im Einzelnen vgl. nachfolgend Rn. 47 ff.).

In jeder Instanz entsteht der Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art 103 Abs 1 GG also in vollem Umfang für alle Beteiligten neu? Und ein Gericht, das von der Entscheidung der Vorinstanz abweichen will, hat dieses ausführlich zu begründen?
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Vorabhinweis:
Diese Aussage im Titel stammt in ihrem Inhalt vom Bundesverfassungsgericht selber und berührt Medienbelange.

Es steht die Frage, inwieweit die in Rot hervorgehobenen Aussagen nicht nur von Journalisten angewandt werden können, sondern auch von anderen Personen?

BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 11. April 2024
- 1 BvR 2290/23 -, Rn. 1-41,

https://www.bverfg.de/e/rk20240411_1bvr229023.html

Zitat
24
a) Insbesondere steht ihr nicht der Grundsatz der materiellen Subsidiarität entgegen. Zwar gebietet dieser regelmäßig die Erschöpfung des Rechtswegs auch in der Hauptsache, wenn im einstweiligen Rechtsschutz Grundrechtsverletzungen gerügt werden, die sich – wie hier – ebenso auf die Hauptsache beziehen (vgl. BVerfGE 77, 381 <401>; 79, 275 <278 f.>; 86, 15 <22>; 104, 65 <70 f.>; stRspr). Auf den fachgerichtlichen Rechtsweg in der Hauptsache dürfen Beschwerdeführer aber dann nicht verwiesen werden, wenn die Durchführung des Hauptsacheverfahrens unzumutbar ist. Das ist hier der Fall. Denn das dem Beschwerdeführer in der Hauptsache verbleibende Aufhebungsverfahren (durch Antrag auf Fristsetzung zur Klageerhebung nach § 926 Abs. 1 ZPO beziehungsweise, bei obsiegender negativer Feststellungsklage, nach § 927 ZPO, jeweils in Verbindung mit § 936 ZPO) erscheint angesichts der nicht nur summarischen Prüfung des Kammergerichts aussichtslos. Für die Entscheidung bedarf es zudem auch keiner weiteren Tatsachenfeststellungen, womit die tatsächliche beziehungsweise fachrechtliche Lage zur verfassungsrechtlichen Beurteilung ausreichend geklärt ist und auch im Übrigen die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung abgesehen werden kann (vgl. BVerfGE 77, 381 <401 f.>; 79, 275 <278 f.>).

Zitat
25
b) Ob der Beschwerdeführer, wie die Verfügungsklägerin annimmt, gehalten war, zur Erschöpfung des Rechtswegs nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG beziehungsweise zur Wahrung des in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommenden Subsidiaritätsgrundsatzes gemäß § 936 ZPO in Verbindung mit § 924 ZPO Widerspruch einzulegen, obwohl die einstweilige Verfügung erstmals in der Beschwerdeinstanz erlassen wurde, kann offenbleiben. Denn selbst wenn dies für die mündliche Verhandlung über den Widerspruch nach § 936 ZPO in Verbindung mit § 924 Abs. 2 Satz 2 ZPO, wie die Verfügungsklägerin vorbringt, zur erneuten Zuständigkeit des Landgerichts führte, wäre für den Fall einer abändernden Entscheidung des Landgerichts nicht ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer in einer für die Verfügungsklägerin dann gemäß § 936 ZPO in Verbindung mit § 925 Abs. 1, § 511 Abs. 1 ZPO eröffneten Berufungsinstanz mit einem für ihn günstigeren Ausgang vor dem Kammergericht hätte rechnen können. Von einem vornherein aussichtslosen Rechtsbehelf muss aber nicht Gebrauch gemacht werden (vgl. BVerfGE 70, 180 <186 f.>; 79, 275 <278 f.>).

Weitere interessante Aussagen:
Zitat
30
bb) Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Äußerungen ist, dass ihr Sinn zutreffend erfasst worden ist (vgl. BVerfGE 93, 266 <295>; 114, 339 <348>; 124, 300 <345>; stRspr). Fachgerichtliche Entscheidungen, die den Sinn der angegriffenen Äußerung erkennbar verfehlen und darauf ihre rechtliche Würdigung stützen, verstoßen gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit (vgl. BVerfGE 93, 266 <295 f.>; 124, 300 <345>). Da unter diesen Umständen schon auf der Deutungsebene Vorentscheidungen über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Äußerungen fallen, ergeben sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur Anforderungen an die Auslegung und Anwendung grundrechtsbeschränkender Gesetze, sondern auch an die Deutung umstrittener Äußerungen (vgl. BVerfGE 93, 266 <295>; 114, 339 <348>; 124, 300 <345>).

Zitat
33
[...] Da die fallübergreifende Wirkung der Verfassungsrechtsprechung gerade im Bereich der Kommunikationsgrundrechte wegen der Öffentlichkeitsbezogenheit der geschützten Handlungen erhebliche Bedeutung hat und schon einzelne Fehler bei der Auslegung des einfachen Rechts und der Deutung der Äußerung zu einer Fehlgewichtung des Grundrechts führen können, muss allerdings eine gegenüber anderen subjektiven Verfassungsrechten gesteigerte Prüfungsintensität Platz greifen, soll die Freiheit dieser Lebensäußerungen nicht in ihrer Substanz getroffen werden (vgl. BVerfGE 81, 278 <289 f.>). Auch dann ist es jedoch regelmäßig nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts, den Zivilgerichten vorzugeben, wie sie im Ergebnis zu entscheiden haben (vgl. BVerfGE 129, 78 <102>; 152, 152 <185 f. Rn. 78>).
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