"Beitragsservice" (vormals GEZ) > Alternativen zum ÖR-Rundfunk und dessen Finanzierung

Warum ist die Höhe des Rundfunkbeitrages nicht einkommensabhängig?

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pinguin:
Die Frage im Titel wurde sicherlich im Forum so oder so ähnlich schon mal gestellt?

Das neue eigenständige Thema basiert auf der nachstehenden Entscheidung des BVerfG, aus der nur der Leitsatz zitiert werden soll.

BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 10. März 1998
- 1 BvR 178/97 -, Rn. 1-60,
https://www.bverfg.de/e/rs19980310_1bvr017897.html

--- Zitat von: BVerfG, Beschluss vom 10.03.1998, 1 BvR 178/97 ---Leitsatz:

Kindergartengebühren können grundsätzlich nach dem Familieneinkommen gestaffelt werden.

--- Ende Zitat ---

Dann sollte das doch bei der Höhe des Rundfunkbeitrages ebenfalls möglich sein?

pinguin:
Mal doch noch einige Zitate aus der Entscheidung des BVerfG.

BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 10. März 1998
- 1 BvR 178/97 -, Rn. 1-60,
https://www.bverfg.de/e/rs19980310_1bvr017897.html


--- Zitat ---33
a) Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet die allgemeine Handlungsfreiheit in einem umfassenden Sinne (vgl. BVerfGE 6, 32 <36>; 80, 137 <152>; stRspr). Geschützt ist insbesondere auch der Anspruch, durch die Staatsgewalt nicht mit einem finanziellen Nachteil belastet zu werden, der nicht in der verfassungsmäßigen Ordnung begründet ist (vgl. etwa BVerfGE 19, 206 <215 f.>; stRspr). Die angegriffene kommunale Gebührensatzung belastete die Beschwerdeführer, die einen städtischen Kindergarten für eines ihrer Kinder in Anspruch nahmen, mit einer Gebührenforderung und beeinträchtigte sie damit in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit.
--- Ende Zitat ---
Ist die einheitliche, vom individuellen Einkommen unabhängige Höhe des Rundfunkbeitrages "in der verfassungsgemäßen Ordnung begründet"?


--- Zitat ---36
Der Begriff der öffentlichen Fürsorge ist nicht eng auszulegen (vgl. BVerfGE 88, 203 <329 f.>). [...]
--- Ende Zitat ---


--- Zitat ---39
bb) Die angegriffenen landesrechtlichen Regelungen verletzen auch nicht, wie die Beschwerdeführer meinen, die Kompetenz des Bundes zum Erlaß einkommensteuerrechtlicher Gesetze (Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 3 GG). Die Kindergartengebühr ist nicht wegen ihrer Staffelung nach Einkommen als Steuer anzusehen. Sie bleibt an die individuelle Inanspruchnahme einer staatlichen Infrastruktureinrichtung geknüpft und ist insoweit nicht, wie eine Steuer, voraussetzungslos geschuldet (vgl. BVerfGE 50, 217 <226>). Da sie sich nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs hinsichtlich der Höhe eindeutig in den vom allgemeinen Gebührenrecht gesetzten Grenzen hält, besteht auch kein Anlaß, der Frage nachzugehen, ob sie im Hinblick auf einen überschießenden Betrag als verdeckte Einkommensbesteuerung angesehen werden könnte.
--- Ende Zitat ---
Läßt sich dieses sinngemäß auf den Rundfunkbeitrag und seine Höhe übertragen, zudem das BVerfG ja die klare Aussage tätigt, daß der Rundfunkbeitrag keine Steuer ist? ***


--- Zitat ---42
2. Die angegriffenen Normen stehen mit dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) im Einklang. Für die vom Bundes- und Landesgesetzgeber zugelassene und von der Stadt Idstein vorgenommene Staffelung der Kindergartengebühren nach Kinderzahl und Familieneinkommen gibt es sachliche Gründe, die die Benachteiligung der Benutzer mit höherem Einkommen rechtfertigen.

43
a) Der allgemeine Gleichheitssatz verlangt, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen ist Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, wenn eine Gruppe anders behandelt wird als andere, obwohl zwischen ihnen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (stRspr; zuletzt BVerfGE 82, 126 <146>; 88, 87 <96 f.>; 91, 389 <401>; 92, 26 <51 f.>).

44
b) Als Unterschied, der eine Ungleichbehandlung rechtfertigen kann, kommen auch unterschiedliche Einkommensverhältnisse in Betracht. Das ist in vielen Bereichen anerkannt. Der Steuersatz richtet sich nach der Höhe des Einkommens. Sozialleistungen werden einkommens- oder vermögensabhängig gewährt. Aus Art. 3 Abs. 1 GG läßt sich nicht ableiten, daß die Gebühren für die Inanspruchnahme staatlicher Leistungen ausnahmslos einkommensunabhängig ausgestaltet sein müssen. Unter Gleichheitsgesichtspunkten kann die Frage nur sein, ob die vom Gesetzgeber gewählte Staffelung sachgerecht erscheint oder nicht. Diese Frage kann aber nur mit Blick auf das Gesamtsystem staatlicher Abgaben und Leistungen beantwortet werden, weil sich erst daraus das jeweils rechtfertigungsbedürftige Ausmaß der Ungleichbehandlung ableiten läßt.

45
Eine einkommensbezogene Ungleichbehandlung von Gebührenschuldnern ist nicht schon durch allgemeine verfassungsrechtliche Grundsätze des Gebührenrechts ausgeschlossen. Einen eigenständigen Gebührenbegriff, aus dem sich unmittelbar Kriterien für die Verfassungsmäßigkeit von Gebührenmaßstäben, Gebührensätzen oder Gebührenhöhen ableiten ließen, enthält das Grundgesetz nicht. Gebühren sind öffentlichrechtliche Geldleistungen, die aus Anlaß individuell zurechenbarer öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlichrechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahmen auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken. Ihre besondere Zweckbestimmung, Einnahmen zu erzielen, um die Kosten der individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung ganz oder teilweise zu decken, unterscheidet sie von der Steuer. Aus dieser Zweckbestimmung folgt, daß Gebühren für staatliche Leistungen nicht völlig unabhängig von den tatsächlichen Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden dürfen; die Verknüpfung zwischen Kosten und Gebührenhöhe muß sachgerecht sein (vgl. BVerfGE 50, 217 <225 ff.>; 85, 337 <346>).
--- Ende Zitat ---

Das Bundesverfassungsgericht sagt also, daß es zulässig ist, daß auch eine nichtsteuerliche Landesabgabe einkommensabhängig gestaltet werden darf.

Wurde das in Belangen des Rundfunkbeitrag seitens der Landesgesetzgeber je in Erwägung gezogen?

Es ist gut möglich, daß einige Landesgesetzgeber einer weiteren einkommensunabhängigen Gestaltung der Höhe des Rundfunkbeitrages nicht mehr zustimmen werden.

***
BVerfG 1 BvR 1675/16 - Rundfunkbeitrag ist eine Sonderabgabe (2018-07-18)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=33318.0
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,33318.msg203678.html#msg203678

Spark:
Hier stellt sich natürlich auch die Frage der Durchführbarkeit.
Eine Staffelung der Abgabenhöhe nach Einkommen erfordert natürlich auch eine vorherige Erfassung der Einkommen und auch der ständigen Aktualitätskontrolle, da sich Einkommen oft schneller und auch häufiger ändern, als Wohnverhältnisse. Das würde wohl den Verwaltungsaufwand beim Beitragsservice erheblich erhöhen.

Dagegen würde sich bei einer Rundfunkgebühr der Verwaltungsaufwand wohl drastisch verringern. Ein Melderegister würde damit praktisch entfallen. Gründe für eine ermäßigte Rundfunkgebühr könnten durch entsprechende Einkommensnachweise belegt werden. Ansonsten wären nur noch die Zahlungseingänge zu verwalten.
Im Falle von Nichtzahlung gibt es eben keinen Zugang zu den Angeboten des ÖRR.

Aber bevor es jetzt wieder "blaue" hagelt, der Verweis auf eine Aussage von Herrn Buhrow aus 2021:

Tom Buhrow: "Lieber Reformen selbst voran bringen als reformiert zu werden"
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,35069.msg212616.html#msg212616

Meine leicht abgewandelte Version von Herrn Buhrows Aussage dort bringt es eigentlich schon auf den Punkt. Der ÖRR muß sich an die geänderten Rahmenbedingungen und auch den technischen Fortschritt anpassen.

Aber vielleicht ist es sogar dafür schon zu spät. Zuviel ist bereits passiert.
2013 wurde die Büchse der Pandora geöffnet und jetzt kriegen se den Deckel nicht mehr drauf.

pinguin:

--- Zitat von: Spark am 14. April 2024, 15:58 ---Aber vielleicht ist es sogar dafür schon zu spät. Zuviel ist bereits passiert.
--- Ende Zitat ---
Das kann gut sein?

BGH I ZR 193/99 - Marktteiln. auf Basis amtl. erlangter Daten ist unlauter
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,37880.msg225670.html#msg225670

passer:
Das würde auch die Akzeptanz des verfassungsrechtlich vergebenen Rundfunks erhöhen.

Kein starre Grenze mehr; XX Beitrag über der Sozialgrenze, gleich schlägt der Beitrag mit voller Wucht zu.

Rundfunkgebühr nach Einkommen gestaffelt, Wer kein Einkommen oder nur Sozialhilfe zahlt nichts.
Dann aufsteigend mit zu einer Obergrenze.

Eine unabhängige Rundfunk Kommission einrichten, die dafür Sorge trägt, das die Politik die Steuern nicht bspw. zu Lasten des Rundfunks senkt, weil deren Inhalte der aktuellen Regierung widerstreben; inklusive Sicherstellung unabhängiger Inhalte das jedes demokratische Spektrum abdeckt.

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