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Autor Thema: Die Landesmedienanstalten als Wahrheitsministerien  (Gelesen 291 mal)

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multipolar, 02.11.2023
Die Landesmedienanstalten als Wahrheitsministerien
Der neue Medienstaatsvertrag ist vor knapp drei Jahren in Kraft getreten. Er macht die Landesmedienanstalten quasi zu Zensurbehörden, die meinen, die „Wahrheit“ vertreten zu dürfen. Im Sommer hat die Medienanstalt Berlin-Brandenburg unter ihrer Direktorin Eva Flecken dem Internet-Portal Apolut die Verbreitung von fünf Beiträgen untersagt. Der Vorwurf: Journalistische Standards seien nicht eingehalten worden. Eine Recherche zum aktuellen Fall und der allgemeinen Praxis der Landesmedienanstalten.
https://multipolar-magazin.de/artikel/landesmedienanstalten
Zitat von: multipolar, 02.11.2023, Die Landesmedienanstalten als Wahrheitsministerien
[...] Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) sieht das mit dem Grundrecht wie folgt: „Das verfassungsrechtliche Zensurverbot umfasst allein die Vorzensur, d.h. das Eingreifen von Maßnahmen vor der Veröffentlichung eines Beitrages. Die nachträgliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit fällt hingegen unter den Schrankvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG.“ Vorzensur dürfe nicht sein, Nachzensur schon, so kann man diese Sätze der Medienanstalt übersetzen. Sie verweist auf allgemeine Gesetze, die die Grundrechte in gewisse Schranken weisen können. [...]

Der Medienstaatsvertrag und die Medienanstalten
[...]

Ausweg Presserat

Die Medienanstalten prüfen also nun die verschiedenen Online-Angebote – zuständig ist jeweils die Anstalt, in deren Bundesland das Medium seinen Sitz hat – oder reagieren auf Hinweise von verschiedenen Seiten. Zuständig sind sie allerdings laut Medienstaatsvertrag nur dann, wenn das Medium sich keiner Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle angeschlossen hat. Hierfür kommt derzeit allein der Deutsche Presserat infrage.

[...]

Das Zensurverfahren

[...] Ausgerechnet der Blogger, der als erstes in die Datenbank der Aufsichtsfälle der ZAK geriet, hat vor einigen Jahren ausführlich eine Falschberichterstattung des Sterns moniert. Der Presserat wies die Beschwerde ab, stattdessen wurde der Blogger vom Stern verklagt.

800 Euro pro Artikel

[...]

Was nun störte die Landesmedienanstalt in den fünf Artikeln? Drei Mal ging es um Corona und zwei Mal um die Ukraine. In einem Fall gar nur um eine Jahreszahl. Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer hatten in einem Artikel zum ukrainischen Präsidenten behauptet, dessen Beliebtheit sei von Anfang 2021 an stark gesunken. Richtig wäre 2020 gewesen. Die MABB verwies auf die Sorgfaltspflicht und die besondere Bedeutung von Umfragen, ignorierte aber, dass der Artikel an vielen anderen Orten im Internet weiterhin mit genau dem Wortlaut steht, der Apolut verboten wurde. Im zweiten Ukraine-Artikel behauptet der Autor, Selenskyi habe jegliche Opposition verbieten lassen. Die MABB findet dafür einige gegenteilige Quellen – unter anderem bei Wikipedia.

[...]

Verfassungswidrig?
[...] Der Medienrechtler Wolfgang Lent zweifelt daran, dass der betreffende Paragraf 19 des Medienstaatsvertrags verfassungsgemäß ist. Die Regelungen des Medienstaatsvertrags träfen ausschließlich Online-Medien, was Indiz für eine Sonderrechtsregelung sein kann. Zudem sei gar nicht genau definiert, wer unter das Gesetz falle. Außerdem würde die Kontrollfunktion gegenüber dem Staat ausgehebelt, wenn die Journalisten bei ihrer Recherche Rücksicht auf Staatsbelange nehmen müssten. [...]


Über den Autor: Helge Buttkereit, Jahrgang 1976, hat sein Studium der Geschichte, Politikwissenschaft und Journalistik mit einer Arbeit zu „Zensur und Öffentlichkeit in Leipzig 1806-1813“ abgeschlossen. Nach journalistischen Tätigkeiten bei verschiedenen Medien und Buchveröffentlichungen über die Neue Linke in Lateinamerika arbeitet er aktuell in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.


Unterschriftenaktion: https://online-boykott.de/unterschriftenaktion
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  • IP logged  »Letzte Änderung: 16. Februar 2024, 16:37 von Bürger«

 
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