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Autor Thema: Verfassungsbeschwerden: Strategie. Ohne Anhörungsrüge möglich?  (Gelesen 388 mal)

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A1. Wann / wogegen ist Verfassungsbeschwerde ohne Anhörungsrüge möglich?
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Im Prinzip ja.

A1.a)  Sonderfall: Beschwerde innerhalb von 12 Monaten nach Inkrafttreten eines Gesetzes.
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Das ist die optimale Form, dies insbesondere bei Landesrecht wegen der Bearbeitungspflicht der meisten Landesverfassungsgerichte.
Diese Frist wird von fast allen durch das Gesetz Belasteten verpasst. Fast alle reagieren auf Unrecht erst, wenn es sie trifft. Dann sind diese 12 Monate meistens bereits verstrichen.
Dann muss erst der Weg über alle Fachgerichte gemacht werden. Das kann gern einmal 4 Jahre oder gar noch länger dauern, bis man dann die obersten Richter adressieren kann. Dies ist meistens relativ uninteressant als Gesamtstrategie.


A1.b) Anhörungsrüge ist nur erforderlich, sofern man die spätere Verfassungsbeschwerde auf fehlendes rechtliches Gehör stützen möchte.
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Die Anhörungsrüge bei Verwaltungsgerichten ist an sich ziemlich sinnlos, da aus dem Kreis der in den Kammern kooperierenden Richter zu bearbeiten. Es wird zuweilen sogar gewagt, dass der Einzelrichter selber die Rüge ablehnt.
Man muss diesen Weg aber gehen, wenn man, vereinfacht gesprochen, durch die Beschwerde gegen richterliche Falschbearbeitung vorgehen muss.

A1.c) Gibt es überhaupt andere Beschwerde-Anliegen nach Entscheiden der Fachgerichte?
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Trotz Nachdenken gelingt es mir schwer, wesentliche Fallkategorien zu erkennen.
Wer da mehr Klarblick hat: Es wäre für wichtige Streitstrategien sehr bedeutsam, weitere Ideen zu erfahren.

Faustregel ist, dass Verfassungsrichter bei Beschwerden 2 Punkte prüfen:
(1) Ist der Bürger überhaupt in seinen bechwerde-geeigneten Rechten (in erster Linie "Grundrechte") belastet, also legitimiert?
(2) Wenn im Anschluss an ein fachgerichtliches Verfahren: Erfolgte die Anhörungsrüge?

Wer Beschwerde ohne Anhörungsrüge macht, sollte also sogleich zu Beginn unübersehbar klarstellen, aus welchem sonstigen Grund er gegen einen Gerichtsentscheid hier vorgeht. Aber welche Gründe könnte es da geben? Wer kann solche uns allen hier im Thread mal soufflieren?

Hier schreibt ein Anwalt unter "1.", es ginge auch ohne, aber erläutert nicht näher, welche es sein könnten:
RA Hummel, 24.08.2022
Zehn Irrtümer zu Verfassungsbeschwerden
https://www.anwalt.de/rechtstipps/zehn-irrtuemer-zu-verfassungsbeschwerden-203648.html


A1.d) In Betracht kämen Entscheide, gegen die kein Rechtsmittel möglich ist.
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Was für welche wären in Sachen Rundfunkabgabe in diesem Sinn denkbar?
Oder bei anhangsweisen Vorgängen im Rahmen von Gerichtsverfahren?


A2. Allgemeine Information über Verfassungsbeschwerden:
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A2.a) Neben dem vorstehenden Link ist ebenfalls hilfreich:
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RA Hummel, 04.07.2021
Warum übernimmt nicht jeder Anwalt Verfassungsbeschwerden?
https://www.anwalt.de/rechtstipps/warum-uebernimmt-nicht-jeder-anwalt-verfassungsbeschwerden_160373.html

Da wird Wichtiges klargestellt: In der Anwaltsausbildung kommt dies kaum vor - schließlich finanziert und organisiert der Staat diese Ausbildung.  :police:
Die meisten Anwälte kennen sich da einfach nicht genügend aus.

@pjotre meint sogar, dass die aktiven Mitwirkenden dieses Forums darüber möglicherweise mehr wissen als der "Anwalt um die Ecke".
Erst recht dürfte das bei Beschwerden gemäß Menschenrechtskonvention und für EuG-/ EuGH-Verfahren gelten.

Wer Verfassungsbesdchwerden selber macht, das ist also in Ordnung.
Man findet durchaus brauchbare Anleitungen in den Merkblättern der Gerichte. Der größte Fehler der meisten Bürgerbeschwerden sei angemerkt: Auf diversen Fließsatz-Prosatexten das Leid zu klagen und Meinungen gegen Unrecht zu formulieren.
Kurz und strukturiert und mit Überschriften in Fettschrift und Abschnitts.Nummerierung muss man arbeiten, wenn man will, dass da überhaupt jemand ernsthaft Einblick nimmt.


A2.b) Fast alle Landesverfassungsgerichte haben Zwang der Bearbeitung.
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Wohl nur ausgerechnet das alleroberste Gericht hat das im Prinzip verfassungswidrige Recht, Bürgereingaben ohne die geringste Form von Argument zur Sache abzuweisen.
Allerding kann das wohl auch in Hessen praktiziert werden.

Landesverfassungsgerichte für in aller Regel kostenfreie Bürgerbeschwerden fehlen noch in NI, SH, HH, HB.
Auszuscheiden ist ferner SL : Wegen Anwaltspflicht nicht "kostenfrei".

Das Bundesverfassungsgericht hätte gern, dass bei Landesrecht bei diesen Gerichten vorab Beschwerde erfolgt und das ist auch für den Bürger vorteilhaft - wegen des Begründungszwangs der meisten Landesverfassungsgerichte auch im Falle der Ablehnung/ Abweisung.


A3. Zurück zur Kernfrage für diesen Thread: Gegen welche Entscheide kann ohne Anhörungsrüge sofortige Beschwerde bei Verfassungsgerichten erfolgen?
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Der weitergehende erläuternde Text in diesem Startbeitrag diente eher dazu, die Bedeutung der Verfassungsbeschwerden-Strategie zu erläutern und diese praktikabel zu machen.
Insbesondere ist bei Journalisten und vermutlich auch bei den meisten Anwälten kaum oder gar nicht voll bewusst, dass der Weg zu den Landesverfassungsgerichten überhaupt existiert.

Ohne es abgezählt zu haben, schätze ich, dass auf 5 bis 10 Beschwerden BVerfG nur 1 bei einem der etwa 12 LVerfGe erfolgt - und das vermutlich selbst bei Landesrecht.


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Zur Eingangsfrage...
A1. Wann / wogegen ist Verfassungsbeschwerde ohne Anhörungsrüge möglich?
A3. Zurück zur Kernfrage für diesen Thread: Gegen welche Entscheide kann ohne Anhörungsrüge sofortige Beschwerde bei Verfassungsgerichten erfolgen?
...vielleicht am treffendsten zunächst dieser Artikel vom gleichen Autor zumindest zur ersten Orientierung...?

RA Hummel, 14.01.2023
Die Verfassungsbeschwerde gegen ein „falsches“ Urteil
https://www.anwalt.de/rechtstipps/die-verfassungsbeschwerde-gegen-ein-falsches-urteil_159060.html

...jedoch unter Berücksichtigung von

RA Hummel, 26.12.2020
Die Einlegung der Anhörungsrüge
https://www.anwalt.de/rechtstipps/die-einlegung-der-anhoerungsruege_183242.html


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Die entscheidende Aussage aus dem Text des Anwalts:
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Beschwerde gegen Gerichtsfehler ist nur zulässig,
(1) sofern beschwerdegeeigneter Verstoß - in der Regel gegen Grundrechte.
(2) und sofern Rechtsfindung bedeutsam ist.

Und es sei ergänzt: Sofern der Verstoß bereits im bisherigen Vorverfahren ausreichend erkennbar angefochten wurde.


"Unsere" Gerichtsverfahren betreffen meistens Grundrechtverstöße:
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a) Geringverdiener - Details lasse ich weg.

b) Nichtzuschauer - da geht es um die komplexe Problematik, dass der Entscheid vom18. Juli 2018 des Bundesverfassungsgerichts aus verschiedenen Gründen nicht mehr gelten darf.
Da ist die Begründung nichts für Laien. Allerdings sind geeignete Musterverfahren anhängig.


Das Interessante an b) ist, dass die Landesverfassungsgerichte
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im Prinzip den Entscheid gegenstandslos machen können. Das werden sie nicht mögen. Da wird es dann strategisch komplex, wie man das Mögen fördern kann.


Zuück zum Kernanliegen: Wogegen kann Beschwerde erfolgen,
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- wenn die 12-Monatsfrist der Normenkontrollbeschwerde verstrichen ist
- und es sich nicht um eine Anhörungsrüge handelt.

Diese Frage ist von generellem Interesse. Vor allen Dingen würden wir aber gerne Möglichkeiten erfahren in Bezug auf die Rundfunkabgabe und das Medienrecht.


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