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Rundfunk würde plötzlich wieder denen gehören, die dafür bezahlen müssen

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drboe:
Nachdenkseiten 26.12.2020
Interview mit Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen
Und der Rundfunk würde plötzlich wieder denen gehören, die dafür bezahlen müssen


--- Zitat ---Die Debatte um die Erhöhung der Rundfunkgebühren hat hohe Wellen geschlagen. Nun soll das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Der Münchner Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen, der an einem Projekt forscht, wie ein alternatives Mediensystem aussehen könnte, beobachtet die Diskussion genau. Im NachDenkSeiten-Interview legt Meyen dar, wie eine von Bürgern bestimmte Rundfunkaufsicht aussehen könnte, und er zeigt auf, wie viel bei den Öffentlich-Rechtlichen doch im Argen liegt. Ein Interview über eine Gebührenerhöhung von 86 Cent, hinter der mehr steckt, als man es annimmt, und über Redaktionen, die sich so verhalten, als hätten sie „Angst vor ihrem Publikum“.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Herr Meyen, in den vergangenen Tagen gab es einen ziemlichen Streit über die Erhöhung der Rundfunkgebühren. Wie haben Sie die Diskussion wahrgenommen?

Als sehr aufgeregt. Es gibt ganz neue Koalitionen. Plötzlich trommeln Zeitungen und Zeitschriften für eine Beitragssteigerung, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sonst verlässlich bekämpfen, egal ob es um Online-Aktivitäten geht, um einzelne Sendungen, um Rechte oder um Personalien. Auch die Politik jenseits von Sachsen-Anhalt spricht diesmal fast mit einer Stimme, obwohl gerade das Thema Rundfunkbeitrag früher oft genug für Profilierungsversuche herhalten musste. [...]
--- Ende Zitat ---

Weiterlesen/ -hören auf
https://www.nachdenkseiten.de/?p=68236

M. Boettcher

Kitas_statt_Fernsehen:
Er plädiert für Diskussion und andere Modelle, aber der "öffentlich-rechtliche Rundfunk" existiert da weiter als Worthülse.

Mal ganz einfach:

Keine Technik kann garantieren, dass Inhalte "richtig" und "relevant" sind.
Technologie gewährleistet keine Unabhängigkeit.

Hinterfragen verringert die Gefahr, Falschmeldungen und unvollständigen, irreführenden Informationen aufzusitzen.
Transparenz ist das Mittel für Unabhängigkeit.

Die Techniken Rundfunk wie auch Film und Presse dienen der Übermittlung von Sendungen.
Diese Medien eignen sich für die Verbreitung von Propaganda und wurden oft dafür eingesetzt.

Nicht die Technik darf sein, was festgelegt und damit bezahlt wird.
Die Inhalte sind das, was für die Gesellschaft wichtig ist.
Der "Auftrag" ist das, was vom Gesetz - vom Grundgesetz geschützt werden sollte.

RUNDFUNKANSTALTEN statt dem AUFTRAG zu schützen führt zu dem Ergebnis, welches wir haben:
eine von den "Empfängern" entkoppelte Maschine, die vor allem für sich selbst wirkt, darüber hinaus für weitere Interessen.

Nicht die Abgabe "Rundfunkbeitrag" ist das Kernproblem, sondern die hinter dem Framing "öffentlich-rechtlicher Rundfunk" versteckten Anstalten und deren Nutznießer. Diese Anstalten braucht niemand, um einen zeitgemäßen Auftrag umzusetzen.

Ein Detail zum Verständnis: wenn der Auftrag klar definiert ist, dann kann jeder Marktteilnehmer diesen Auftrag umsetzen - es gibt Null Notwendigkeit, dass ein Auftragnehmer den gesamten Auftrag umsetzt. Ab dann können kompetente Auftragnehmer passende Teile des Auftrags umsetzen - z.B. Plattformen erstellen, auf denen tatsächlich öffentlich und rechtlich (gesichert) Diskussion und Austausch möglich ist. Die Rundfunkanstalten, die sich bei youtube & co einkaufen, können das mit Sicherheit nicht, sie haben das Jahrzehnte bewiesen.

Was meint "Verkleinerung" des "öffentlich-rechtlichen Rundfunks"? Die meisten Leute wollen, dass sich diese "öffentlichen" Medien auf das Wesentliche konzentrieren. Und wer soll entscheiden, was das Wesentliche ist, wenn nicht die Bevölkerung, für die die Medien bestimmt sind? Rundfunkanstalten können das nicht, auch das stellen sie täglich unter Beweis.

Zum Teil wird das im Interview aufgegriffen, aber die Konsequenz daraus zu ziehen, dass das Problem nicht mit einer Reform der Rundfunkanstalten gelöst werden kann, diese Konsequenz fehlt, wie in den meisten diesbezüglichen Diskussionen. Ein Schelm, wer dahinter Lenkung und Interessen vermutet.

Wenn wir nicht das Problem grundsätzlich lösen, dann bleibt es ein Problem.

Änderung Artikel 5 Grundgesetz: Techniken aus dem Grundgesetz.

ope23:
Und um den Zwangsbeitrag für alle Wohnungsinnehaber wird beharrlich herumgeredet.

Was den Informationsgehalt angeht: der Rundfunk wird maßlos überschätzt; er kann das gar nicht leisten. Wer eine gute Tageszeitung hat und dazu noch ein Magazin liest, ist auch heute noch um Längen besser bedient als mit Rundfunk und auch mit den üblichen WWW-Inhalten.

pinguin:

--- Zitat von: Kitas_statt_Fernsehen am 27. Dezember 2020, 16:08 ---Wenn wir nicht das Problem grundsätzlich lösen, dann bleibt es ein Problem.
--- Ende Zitat ---
Das Hauptproblem ist die nationale Koppelung zwischen Technik und Inhalt;

Das Kulturgut "Rundfunk" meint nämlich die "Technik" und nicht den "Inhalt"; die "Technik" ist aber Bundesrecht. Landesrecht ist nur der "Inhalt", der via Technik "Rundfunk" verbreitet wird.

Europa hat das in seinen Rahmenbestimmungen ja bereits in 3 Bereiche aufgedröselt; Technik = Hardware; Datenübertragung und Inhalt der Daten. Alle 3 Bereiche unterfallen national dem Bundesrecht mit Ausnahme jenes Bereiches "Inhalt der Daten", wo "Rundfunk" betroffen ist. Und auch hier haben die Länder nicht viel zu bestimmen, denn der europäische Rahmen ist weit, siehe Tabakwerbeverbot und Jugendschutz.

Bund und Länder kommen gar nicht umhin, den Rundfunk neu zu gestalten; einerseits wegen der Einhaltepflicht des europäischen Verbraucherschutzes und Grundrechts, andererseits wegen des Nettoprinzips bei allen staatlichen Unternehmensbeihilfen.

Da die Länder nur die Befugnis haben, den Inhalt zu beauftragen, darf der Rundfunkbeitrag, der ja lt. EuGH C-492/17 als staatliche Beihilfe bestätigt ist, nur für die Finanzierung des Inhalts aufgewendet werden, wobei hier via Filmförderung auch der Bund mitmischen darf.

Da stellt sich dann in Folge die Frage, wieviele Eurocent je Rundfunkbeitrag für den Rundfunkinhalt aufgewendet werden und wieviel nicht.

Das Nettokostenprinzip wurde vom EuGH nicht nur bereits bestätigt, sondern von der EU-Kommission für den ÖRR bestätigt, siehe:

Nettoprinzip der staatlichen Beihilfe -> EU-Recht
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,32815.msg201168.html#msg201168

Herüberzitiert aus der ÖRR-Mitteilung der EU-Kommission:


--- Zitat ---70. [...] stellt eine Überkompensierung grundsätzlich eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe dar, [...]
--- Ende Zitat ---

drboe:
@Kitas_statt_Fernsehen: Medieninhalte werden noch immer von Menschen erstellt und individuell bewertet. Ausnahmen bei der Produktion sind technisch inzwischen möglich, stehen hier aber nicht zur Debatte. Es geht auch zu keiner Zeit darum, dass Technik Unabhängigkeit sicherstellt oder zwischen richtig und falsch unterscheidet. Zumal das zwischen Menschen und abhängig vom Thema strittig sein kann und noch dazu vom Zeitalter abhängt. So war es früher z. B. Konsens, dass die Erde der Mittelpunkt der Welt ist.  :)

@ope23: ich bezweifle, dass der Konsum von Tageszeitungen und Magazinen heute noch einen (qualitativen) Gewinn an Information und Erkenntnis gegenüber elektronischen Medien darstellt. Die meisten Tageszeitungen gehören wenigen Verlegerfamilien in Deutschland und sind Produkte zur Mehrung deren Reichtums, mehr nicht. Viele Tageszeitungen werden von Zentralredaktionen des Verlags bedient und unterscheiden sich nur noch bezüglich lokaler Berichterstattung. Vieles speist sich wörtlich aus Tickern. Ein typischer Ticker wie der von dpa liefert pro Tag 2.000 - 3.000 Meldungen, von denen nur ein Bruchteil gedruckt wird, wobei das, was erscheint, praktisch das gleiche Weltbild liefert, was in Hörfunk und TV präsentiert wird. Mitarbeiter größerer „Leitmedien“ sitzen schon lange mit Politikern in den gleichen Einflußverbänden wie die aus dem TV. Hintergründiges, Analyse, Differenzierung und fachkundiger Kommentar sind überwiegend Fehlanzeige. Ich habe daher die Abos der meisten Zeitungen und Zeitschriften längst eingestellt. Sich zu informieren und eine leidlich fundierte Meinung zu bilden war nie einfach; heute erscheint es mir stärker als Sisyphos-Aufgabe als früher, vielleicht war ich da aber auch nur naiver.  :)

@pinguin: ich vermute, dass die Technik zur Verbreitung von Rundfunk vom Begriff „Kulturgut“ nicht richtig erfasst wird. Natürlich kann man technische Lösungen gern der Kultur zuordnen; wobei Steinschleudern bis hin zu Atombomben dann wohl auch „Kultur“ sind. „Technik“ ist übrigens nicht identisch mit dem Recht irgendeiner staatlichen Ebene. Der Bund, die Länder und andere Ebenen mögen sich gern die rechtliche Regelung des Einsatzes von Techniken, Verfahren und des Rahmens der zu liefernden Inhalte auf die Fahnen schreiben. Damit wird aber eine x-beliebige Technik aber nicht zu Recht, weder des Bundes noch der Länder; ebensowenig wie der Inhalt.

Ich glaube übrigens nicht daran, dass Rundfunk jemals den Bürgern gehört hat. Die allerdings zahlen für diese Veranstaltung.

M. Boettcher

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