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Ausnahmezustand/Epidemie: Wahrung der Öffentlichkeit bei mdl. Verhandlung?

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Bürger:
Angesichts der aktuellen "Corona"-Lage und im Gegensatz zu mglw. verzichtbaren diesbezüglichen Satire-Diskussionen hier die Bitte um konstruktive, praxis- und zielorientierte Diskussion der aktuellen Frage:

Ausnahmezustand/Epidemie:
Wahrung der Öffentlichkeit bei mdl. Verhandlung?

Nach VwGO ist in verwaltungsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich ersteinmal mündliche Verhandlung vorgesehen, es sei denn, es würde von allen Parteien ausdrücklich Verzicht auf mündliche Verhandlung erklärt.

Die Verhandlung kann in Abwesenheit der Parteien durchgeführt werden, wenn ordnungsgemäß geladen wurde und kein begründeter und belegter Abwesenheits-/ Terminverschiebungsgrund vorliegt (letzteres wäre z.B. begründete Terminsverhinderung bzw. Termins-/Verhandlungsunfähigkeit einer der Parteien).

Die mündliche Verhandlung ist i.d.R. - bis auf Ausnahmefälle mit "sensiblen" Verhandlungsinhalten - öffentlich, d.h. die Öffentlichkeit ist zu gewähren, anderenfalls würde ein Verfahrensmangel vorliegen.

§ 101 VwGO - Grundsatz der mündlichen Verhandlung
https://www.gesetze-im-internet.de/vwgo/__101.html

--- Zitat ---(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
--- Ende Zitat ---

§ 138 VwGO - Absolute Revisionsgründe
https://www.gesetze-im-internet.de/vwgo/__138.html

--- Zitat ---Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn
1. das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.
--- Ende Zitat ---

Öffentlichkeitsgrundsatz (wikipedia)
https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96ffentlichkeitsgrundsatz

--- Zitat ---Der Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverfahren ist eine Prozessmaxime, die mit dem Unmittelbarkeitsprinzip und dem Mündlichkeitsgrundsatz zusammenhängt.
--- Ende Zitat ---

Öffentlichkeitsgrundsatz - Rechtsgrundlagen (wikipedia)
https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96ffentlichkeitsgrundsatz#Rechtsgrundlagen

--- Zitat ---Der Öffentlichkeitsgrundsatz ist zwar kein Verfassungsgrundsatz.[1] Er wird aber als grundlegende Einrichtung des Rechtsstaats gesehen.[2] Der Öffentlichkeitsgrundsatz folgt zudem aus Art. 6 Abs. 1 EMRK[3] und Art. 14 Abs. 1 S. 2 UN-Zivilpakt, die beide in Deutschland unmittelbar anwendbares Recht darstellen und im Rang über den einfachen Gesetzen stehen.[4][5] Art. 6 Abs. 1 EMRK gebietet zudem, dass in jedem Gerichtsverfahren zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Beginn und Rechtskraft eine öffentliche Verhandlung stattfinden muss.[6][7][8]
--- Ende Zitat ---

Öffentlichkeitsgrundsatz - Inhalt des Öffentlichkeitsgrundsatzes (wikipedia)
https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96ffentlichkeitsgrundsatz#Inhalt_des_%C3%96ffentlichkeitsgrundsatzes

--- Zitat ---Eine Gerichtsverhandlung ist nur dann öffentlich, wenn beliebige Zuhörer, sei es auch nur in sehr begrenzter Zahl, die Möglichkeit des Zutritts haben.[9] Dazu gehört die Information über Zeit und Ort der Verhandlung, regelmäßig durch Aushang im Gericht. Zudem muss der tatsächliche Zutritt zum Verhandlungsraum möglich sein. Das Gericht muss bei zu erwartendem Zuschauerandrang keinen größeren Saal für die Verhandlung wählen, darf aber nicht bewusst enge Räumlichkeiten auswählen, um Zuschauer fernzuhalten.[10] Der Zugang kann im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts begrenzt oder ausgeschlossen werden aus Sicherheitserwägungen (z. B.: Außentermin an einem gefährlichen Ort), oder um eine ungestörte Durchführung des Verfahrens zu ermöglichen.[11] Mit Urteil vom 1. Oktober 2014 hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass der Anspruch der Presse wegen der Zusendung von Urteilsabschriften in Strafverfahren auch einschließt, dass die Namen von Richtern, Schöffen, Staatsanwälten und Verteidigern nicht geschwärzt werden dürfen.[12]
--- Ende Zitat ---

Öffentlichkeitsgrundsatz - § 169 GVG (wikipedia)

--- Zitat ---Eine explizite rechtliche Regelung des Öffentlichkeitsgrundsatzes findet sich in § 169 GVG. [...]
--- Ende Zitat ---

Öffentlichkeitsgrundsatz - Rechtsfolgen (wikipedia)
https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96ffentlichkeitsgrundsatz#Rechtsfolgen

--- Zitat ---Wird die Öffentlichkeit zu Unrecht ausgeschlossen, so ist dies ein absoluter Revisionsgrund [...] im Verwaltungsprozess gem. § 138 Nr. 5 VwGO.
--- Ende Zitat ---

[weitere Rechtsgrundlagen etc. folgen ggf. noch]


Mögliche diesbezügliche Frage/n, die hier bitte konstruktiv, praxis- und zielorientiert diskutiert werden sollen:

> Können aktuelle mündliche Verhandlungen den Anspruch der "Öffentlichkeit" wahren, wenn aus Epidemiegründen die Zuschauerzahl beschränkt ist oder aufgrund der aktuellen allgemeinen Ausnahmelage nicht mit der Öffentlichkeit gerechnet werden kann, welche unter "Normal"-Zuständen anwesend sein würde?

> Wie/ mit welcher Formulierung könnten richterliche Hinweise zu dieser aktuellen Lage erbeten werden?

> Wie/ mit welcher Formulierung könnten aufgrund der derzeitigen Lage aktuelle Verhandlungstermine ggf. aufgeschoben bzw. die Verhandlung/ das Verfahren ausgesetzt werden?

> Ab welcher Eskalationsstufe ("Ausgangssperre" o.ä.) müssten aktuelle Verhandlungstermine "von Amts wegen" aufgeschoben bzw. die Verhandlung/ das Verfahren "von Amts wegen" ausgesetzt werden?


Siehe auch unter
Ausnahmezustand/Epidemie: Gerichte > eingeschränkte Tätigkeit [Übersicht]
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=33505.0
sowie auch weitere Frage unter
Ausnahmezustand/Epidemie: Termin/Vermögensauskunft bei Vollstreckungsstelle?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=33491.0

PersonX:
Von Amts wegen, wenn öffentliche Einrichtungen geschlossen werden.
Von Amts wegen, wenn eine öffentliche Ausgangssperre beschlossen ist.
Von Amts wegen, wenn der Kläger selbst unter Verdacht steht, aber selbst etwas sagen will.

Unter Verdacht zu stehen bedeutet aktuell, dass es reicht, in den letzten 14 Tagen in einem Risikogebiet gewesen zu sein, denn diese Personen wurden aufgefordert in Selbstisolierung zu gehen, also auch ohne Symptome.

Unter Verdacht stehen könnten damit ebenfalls Personen, welche bereits Kontakt mit einer Person hatten, welche kürzlich im Urlaub oder auf Geschäftsreise war und deshalb bereits angesteckt sein könnte. Die Ansteckung ist ja bereits möglich, ohne dass die ansteckende Person Symptome hat oder bekommt.

Die 14 Tage basieren lediglich auf der Vermutung, dass die maximale Inkubationszeit so sei, jedoch müsste wahrscheinlich zur Sicherheit dieser Wert deutlich größer sein. Ein Rückkehrer der vor 21 Tagen zurückgekommen ist, konnte vor einer Woche z.B. noch X Personen anstecken, ohne selbst Symptome zu haben. Die Angesteckten könnten selbst Symptome entwickeln, aber auch das könnte von Ansteckung bis Sichtbarkeit 14 Tage dauern. Deshalb müsste die Dauer bereits größer als 2x 14 Tage sein. Die meisten Länder fahren das öffentliche Leben zur Zeit runter für minimal 5 Wochen oder zunächst 30 Tage.

Es wäre somit wahrscheinlich sinnvoll, um ältere Richter zu schützen, Verhandlungen in den nächsten 5 Wochen nicht abzuhalten.

ope23:
Also, man kann (derzeit) das Ganze gut mit sog. Meldekarten händeln - siehe u.a. unter
VERHANDLUNG BVerwG, Mi 25.03.20, 11:30
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,33435.msg204398.html#msg204398

Spruchwillige Richter (mit Mundschutz ausgerüstet) könnten durchaus auf eine zeitnahe mündliche Verhandlung bestehen, wenn der Kläger nicht grundsätzlich darauf verzichtet hat. Der Beklagte schickt sowieso keinen Vertreter.

Bürger:
Danke für die Hinweise.

Den Seiten des Verwaltungsgerichts Dresden lässt sich aktuell folgendes exemplarisch entnehmen:

(Hervorhebungen tlw. nicht im Original)

--- Zitat ---Aktuelle Information zur Coronaviruslage

Im Hinblick auf das sich verbreitende Coronavirus in Deutschland wird den Ladungen des Gerichts für Verfahrensbeteiligte, Zeugen, Sachverständige und Dolmetscher gegenwärtig der folgende Hinweis beigefügt:


--- Zitat ---"Sie werden gebeten, dem Gericht Folgendes mitzuteilen:

Eine bei Ihnen oder einer Kontaktperson von Ihnen festgestellte Coronainfektion. Dies gilt auch, wenn noch nicht geklärt ist, ob Sie sich mit dem Virus infiziert haben, jedoch der Verdacht auf eine Virusinfektion besteht.

Einen Aufenthalt in einem der von dem Robert-Koch-Institut veröffentlichten Risikogebiete innerhalb von 14 Tagen vor dem Termin. Dies gilt auch, wenn ein mit Ihnen in ihrem Haushalt lebender Familienangehöriger, Partner sich in einem Risikogebiet aufgehalten hat und bei diesem ein Ansteckungsverdacht nicht ausgeschlossen ist. Eine Übersicht der Risikogebiete finden Sie unter folgendem Link:

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete.html

Die Seite wird täglich aktualisiert!"
--- Ende Zitat ---

Ob eine Verhandlung letztlich stattfindet, entscheidet die jeweilige Kammer. Auch kurzfristige Absagen dürften aufgrund der dynamischen Lage derzeit nicht ausgeschlossen sein. Bitte wenden Sie sich ggf. telefonisch an die Geschäftsstelle der jeweiligen Kammer.
Es ist damit zu rechnen, dass in den nächsten Wochen keine Verhandlungen neu terminiert werden (Stand: 16. März 2020).***
Bitte wenden Sie sich ggf. telefonisch an die Geschäftsstelle der jeweiligen Kammer (Stand: 17. März 2020).***

Es wird darauf hingewiesen, dass auch von Besuchern die o. a. Auskünfte beim Betreten des Gebäudes eingeholt werden und ihnen ggf. der Zutritt zum Gerichtsgebäude verwehrt werden kann.

Weitere Hinweise finden Sie auf der Seite des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts:***
Link zur Internetseite des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts

--- Ende Zitat ---
Quelle: https://www.justiz.sachsen.de/vgdd/
***Aktualisierung/ Ergänzung 16.03.2020, 15.30h
***Aktualisierung/ Ergänzung 17.03.2020, 13.30h

Insbesondere letzteres, d.h. der Ausschluss von etwaigen "Risiko"-Besuchern von der Verhandlung könnte wieder die Eingangsfrage aufwerfen, ob damit dann noch der Öffentlichkeitsgrundsatz gewahrt ist.

Weitere Fragen werfen sich auf, wenn man mit o.a. Ausschlusskriterien erfüllendem Beistand und/oder mit Beisitzer, d.h. "Unterstützung aus dem persönlichen Umfeld" erscheinen möchte, wenn man nicht anwaltlich vertreten ist. Dies könnte insbesondere auch ältere Kläger betreffen, welche sich allein nicht vertreten können - und auch noch selbst der "Risikogruppe" zuzuordnen sind.

Schließlich geht es nicht nur darum, dass der Kläger vielleicht jemanden anstecken könnte, sondern dass der Kläger vielleicht schlicht sein eigenes Ansteckungsrisiko minimieren möchte und angesichts der öffentlichen Empfehlungen, auf persönliche Kontakte ebenso zu verzichten wie auf Menschenansammlungen einschl. jene im öffentlichen Personennahverkehr oder auch in Gerichtsgebäuden/ Verhandlungssälen, eine Terminsverlegung/ Aussetzung des Verfahrens o.ä. beantragen wollen würde.

Mglw. benötigt es hier eines öffentlichen Aussetzungs-Beschlusses seitens der zuständigen Justizministerien. Es geht ja - insbesondere beim sog. "Rundfunkbeitrag" - nun nicht gerade um unaufschiebliche Verfahren... ::)


Edit "Bürger": Aktualisierung/ Ergänzung 16.03.2020, 15.30h
Edit "Bürger": Aktualisierung/ Ergänzung 17.03.2020, 13.30h

Frei:
Gerade bei Google gefunden:


--- Zitat ---Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki hat die Bundesländer angesichts der Corona-Epidemie aufgefordert, nicht unbedingt nötige Gerichtsverhandlungen vorerst auszusetzen. Dies solle für einen Zeitraum von zunächst einem Monat geschehen, sagte er.
"Es macht keinen Sinn, den Menschen zu empfehlen, auf soziale Kontakte weitestgehend zu verzichten, um sie andererseits dann in kleinen Sitzungssälen für eine längere Zeitspanne zusammenzubringen."
--- Ende Zitat ---
Quelle: dpa, u.a. krankenkassen.de, 15.03.2020
https://www.krankenkassen.de/dpa/294846.html


--- Zitat ---Angesichts der Ausbreitung des Coronavirus hat der Niedersächsische Beamtenbund (NBB) die Landesregierung aufgefordert, aufschiebbare Behördenarbeiten einzustellen. ... All die Aufgaben, die aktuell nicht unbedingt zu erledigen sind, müssen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden", sagte der NBB-Landesvorsitzende Alexander Zimbehl am Sonntag. ...  In der Justiz und an den Gerichten sollte ähnlich verfahren werden, so Zimbehl - auch auf die Gefahr hin, dass beispielsweise Bußgeldsachen verjährten.
--- Ende Zitat ---
Quelle: dpa, u.a. Cellesche Zeitung, 15.03.2020
https://www.cellesche-zeitung.de/Der-Norden/Beamtenbund-fordert-Herunterfahren-von-Behoerden

Montag wird das eventuell offiziell und konkret.

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