Archiv > Pressemeldungen August 2019
Rundfunkbeitrag: WG-Frieden für 8,75 Euro
GesamtSchuldner:
So ganz klar wird aus dem Artikel nicht, wessen Eltern hier für die 8,75 aufkommen sollen. Wenn man davon ausgeht, dass auch der beitragspflichtige Student sich noch in einem Ausbildungsabschnitt befindet, der dem Grunde nach BAFöG-förderungswürdig ist (also keine Überschreitung der Regelstudienzeit, kein Zweitstudium etc.), dann kann man aus seiner fehlenden BAFöG-Berechtigung schließen, dass seine Eltern ihm gegenüber voll unterhaltspflichtig sind. Zum Unterhalt gehören dann aber auch die Rundfunkbeiträge.
Vor wenigen Wochen ist übrigens in Köln ein Student mit einer Klage gescheitert, in einer entsprechenden Situation (WG mit BAföG-Empfänger) von der Hälfte der Rundfunkbeiträge befreit zu werden:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_koeln/j2019/17_K_7152_17_Urteil_20190617.html
VG Köln 17 K 7152/17 Urteil vom 17.06.2019 (rechtskräftig)
Immerhin war das Verfahren gerichtsgebührenfrei.
--- Zitat ---Dass der Kläger im Außenverhältnis voll beitragspflichtig ist, aber im Innenverhältnis nicht ausgleichsberechtigt, ist die Folge aus der Regelungskonzeption des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages, wonach die Beitragspflicht auch bei dem Zusammenleben mehrerer volljähriger Personen an das Innehaben der Wohnung anknüpft, während die Befreiungstatbestände personenbezogen ausgestaltet sind.
--- Ende Zitat ---
Auch dass VG geht also davon aus, dass der BAföG-Empfänger im Verhältnis zu seinem Mitbewohner nicht beitragspflichtig ist.
Seit einigen Jahren kann man ja Befreiungen auch rückwirkend beantragen. Das eröffnet dann Missbrauchsmöglichkeiten:
- der BaföG-Empfänger meldet sich beim Beitragsservice an und entrichtet (z.B. mit geliehenem Geld) die Beiträge
- der andere Bewohner meldet sich ab. Da das Beitragskonto ausgeglichen ist, wird es gelöscht
- der BaföG-Empfänger lässt sich rückwirkend befreien und erhält seine Beiträge zurück
- nach RBStV müsste er jetzt den Namen seines Mitbewohners an den Beitragsservice melden. Aber passiert etwas, wenn er es nicht tut?
seppl:
Zitat aus dem Urteil:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_koeln/j2019/17_K_7152_17_Urteil_20190617.html
--- Zitat ---Ob der Herangezogene den Rundfunkbeitrag allein zu tragen hat oder im Innenverhältnis eines bestehenden Gesamtschuldverhältnisses Ausgleich beanspruchen kann, richtet sich nach privatrechtlichen Grundsätzen und spielt als Ermessenserwägung im Außenverhältnis gegenüber der Rundfunkanstalt keine Rolle.
--- Ende Zitat ---
Der Satz stammt aus dem Beckschen Kommentar zum Rundfunkrecht, ist also Parteienvortrag und bietet nur eine Halbwahrheit:
Nach Tilgung der Gesamtschuld geht die Forderung des Gläubigers an die übrigen beteiligten Gesamtschuldnern auf den Zahler über, der nun in einem Vertragsverhältnis von dem / den anderen beteiligten Mitbewohnern ihre Anteile fordern kann.
- Es stimmt, dass hier ein privatrechtliches Verhältnis entsteht. Es mag auch stimmen, dass das den Gläubiger nicht zu interessieren hat.
- Jedoch wurde dieses privatrechtliche Verhältnis nicht durch freiwilligen Vertrag geschlossen, sondern durch Gesetzesvorgabe. Das ist ein wichtiger Punkt, denn gerade die Vertragsfreiheit (als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt) bezieht sich darauf, dass man nicht von der Staatsgewalt gezwungen werden darf, Vertragsverhältnisse mit Anderen einzugehen. Das Zusammenwohnen ist kein konkludentes Verhalten oder ein freiwilliges Einverständnis dafür, dass man den Rundfunkbeitrag gemeinschaftlich tragen will. Es gibt auch kein Bundesgesetz, das diese gesamtschuldnerische Verbindung Zusammenwohnender durch Ausnahmeregelung erlauben würde. Im Gegenteil: Mit diesem Innen-Vertragsverhältnis dringt der Gesetzgeber unerlaubt in den gesetzlich vor Zugriff durch den Staat geschützten Raum ein - und zwar nach einer Definition, die genau diese gesetzlich geschützte "Wohnung" bebeitragt.
Das Innenverhältnis der Gesamtschuldnerschaft ist nicht, wie von den LRAen uns weisgemacht wird, ein "wünsch Dir was" Spiel. Es ist - zumindest juristisch - ein stinknormales Vertragsverhältnis, in dem jeder wissen muss, was er zu zahlen hat. Und da dieses Vertragsverhältnis vom Gesetzgeber erdacht wurde, hat er auch die Regelungen dazu zu verantworten. Das den Bewohnern überlassen wird, wer wieviel zahlt ist keine Regelung nach BGB Gesamtschuldnerschaft. Das ist dann Kollektivhaftung, die es im deutschen Recht nicht gibt.
Diese Diskussion, ob irgendeiner aus der Wohnung auch zahlen muss, wäre völlig überflüssig. Ein Bafög Student muss seinen Anteil nicht zahlen. Punkt. Muss aber der Mitbewohner seinen Anteil mit übernehmen? Hat er irgend eine Beteiligung daran, dass der andere Student Bafög erhält, so dass man ihm die Zusatzlast auferlegen kann? Das muss im Gesetz festgehalten werden und zwar einheitlich.
Ein Gesamtschuldverhältnis ist ein Vertragsverhältnis zwischen mehreren autonomen Personen. In diesem Vertragsverhältnis muss jeder Gesamtschuldner dem Gläubiger eine bestimmte Summe schulden. Davon ungeachtet kann dieser die volle Summe von einem oder Teile davon von mehreren Gesamtschuldnern nach Belieben fordern. Das heisst nicht, dass dann die Schulden weg sind. Sie sind - bis auf den Anteil des Zahlers, der von ihm selbst getilgt wurde - nur woanders! Und zwar im vom Gesetzgeber bestimmten Privatbereich. Bei den selben Personen. In gleicher Höhe.
Nevrion:
--- Zitat von: seppl am 25. August 2019, 03:20 ---Diese Diskussion, ob irgendeiner aus der Wohnung auch zahlen muss, wäre völlig überflüssig. Ein Bafög Student muss seinen Anteil nicht zahlen. Punkt. Muss aber der Mitbewohner seinen Anteil mit übernehmen?
--- Ende Zitat ---
Das ist ja das Perfide am System. Es gibt keinen Anteil. (es sei denn, es wäre vertraglich geregelt) Und selbst wenn in dem Haushalt 6 Personen leben würden, wäre trotzdem nur einer zahlungspflichtig und zwar der, derjenige, der als eingetragener Mieter hinterlegt ist.
Anm. Mod seppl: Bei 6 Bewohnern ist die Verteilung im einfachen Fall, dass keine Befreiungs- oder Ermäßigungstatbestände vorliegen, durch das Gesamtschuldnerkonstrukt geregelt: Jeder schuldet 1/6. Das wird vom Zahlungspflichtigen für alle Mitbewohner "vorgestreckt" und dann kann er sich die Anteile von jedem einzelnen Mitschuldner wiederholen. Überhaupt kein Zauberwerk. Das nennt sich eben Gesamtschuld. Die Schuld ist erstmal nur für den Gläubiger und den Zahlungsverpflichteten getilgt. Die anderen schulden weiterhin ihre definierten Anteile, nun aber dem der die ganze Musik bezahlt hat.
PersonX:
--- Zitat von: Nevrion am 25. August 2019, 11:32 ---Und selbst wenn in dem Haushalt 6 Personen leben würden, wäre trotzdem nur einer zahlungspflichtig und zwar der, derjenige, der als eingetragener Mieter hinterlegt ist.
--- Ende Zitat ---
Diese Aussage ist falsch. Richtig ist, der Beitrag fällt für die Wohnung an. Pflichtig sind alle, die selbst wohnen, zusammen. Einzelne können befreit werden. Es könnten auch alle einen Teil zahlen, Hauptsache die Summe stimmt. Die Rundfunkanstalten wollen, das einer das macht. Der Gesetzgeber spricht von jedem, der selbst wohnt. Richtig sei, dass wenn bereits eine Anzeige vorliegt, diese für alle weiteren gelten soll.
Nevrion:
Hat sich was geändert, denn sonst müsste ich sagen, dass deine Aussage falsch ist, denn es wird immer pro Wohnung, nicht pro Person bezahlt.
Jemand, der im selben Haushalt lebt, wie derjenige, der bereits den Beitrag bezahlt, ist nicht zahlungspflichtig, da wie du bereits selbst sagtest, der Beitrag für die Wohnung anfällt.
Richtig ist allenfalls, dass alle im Haushalt lebenden angeschrieben werden, aber entsprechend der Formularien kann man das ja angeben, dass der Beitrag durch einen Mitbewohner entrichtet wird.
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