@Shuzi
Danke, dass Du das ansprichst. Steigen wir etwas tiefer in das Urteil ein. Sein Text ist prosaisch, etwas antisozial in der Gesamtnote, doch Teil der Rechtsordnung.
Die Schlüsselstellen:
- durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen
- die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen
Es handelt sich hier um objektive Kriterien. Informationen sind nachprüfbar. Wer die Inszenierung (mit-)aufführt, anstatt über das Theaterspiel (als solches) zu berichten, liegt außerhalb des Aufgabenspektrums.
Wenn ich gelobe,
durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen, kann jede weitere zusätzliche Teilaufgabe, diese
erste und wichtigste Aufgabe nicht wieder aufheben. Es reicht also, allein diese Aufgabe zu geloben, da dies unserem Anspruch an Journalismus entspricht.
Framing ändert die Darstellung der Wirklichkeit. In meinen Augen reicht der Nachweis aus, dass die Wirklichkeit in einem Maße verzerrt dargestellt wurde, dass der
Nutzer den Eindruck gewinnen kann, es handelt sich um wiederkehrendes Verhalten. (Eine Absicht spielt dafür keine Rolle, Unvermögen reicht.)
- Der einzelne Nutzer muss die Verarbeitung und die massenmediale Bewertung übernehmen
Der
Nutzer muss also, weil das Gericht ihm das vorschreibt?
Nein, das Gericht sieht den
Nutzer überfordert und möchte ihm Hilfe an die Hand geben. Es skizziert eine unerwünschte Entwicklung, der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll zur Rettung schreiten.
Das Gericht beschreibt die
Aufgabe und nennt sie später in Randnummer 81
Funktion. Die Funktion liefert uns das Gericht in Rundnummer 80: die obliegende Aufgabe. Die einleitende, moralische Begründung (
Rettung für überforderte Nutzer) dient als Herleitung für die Notwendigkeit der Aufgabe/Funktion.
Bestehen bleibt in Rn. 81:
Der die Erhebung des Rundfunkbeitrags rechtfertigende individuelle Vorteil liegt in der Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seiner Funktion zu nutzen.
Könnte nicht auch jemand anderes dem
Nutzer zu Hilfe schreiten? Wie wäre es mit den
mit Selbstbestimmungrecht ausgestatteten Religionen? Sie bieten ebenfalls eine erklärende Weltsicht an. Die Religionsgemeinschaften genießen eine größere Freiheit als der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Sie dürfen ihre Fakten frei erfinden, sie stecken nicht viel Geld in Recherche, und die Finanzämter regeln sozialgerecht die Erhebung der "pauschalen Nutzungsentgelte". (Die Regelung geht zurück auf das Reichskonkordat vom 20. Juli 1933, Artikel 13 und Schlussprotokoll). Bisher hat diese Form der Abgabenerhebung (Kirchensteuer) die Unabhängigkeit der Religionsgemeinschaften nicht in Frage stellt.
Die Rundfunkanstalten bestimmen zwar mehrheitlich selbst unter anderem die Kommentierung zum Rundfunkrecht. Man kann aber nicht darauf schließen, dass es sich bei Rundfunkgemeinschaften um Religionsgemeinschaften handelt (
unzulässige Induktion).
Betrachtet man jedoch die berüchtigte Rn. 80 des BVerfG v. 18.7.2018 etwas umfassender, so wird möglicher Weise das sog. "Framing" darin bereits berücksichtigt, indem von einem sog. Filter professioneller Selektionen die Rede ist?
Das Gericht leitet die Begründung für die Aufgabe/Funktion lang her und stellt mit dem Satz
Der einzelne Nutzer muss die Verarbeitung und die massenmediale Bewertung übernehmen, die herkömmlich durch den Filter professioneller Selektionen und durch verantwortliches journalistisches Handeln erfolgt.
lediglich noch fest, dass der
Nutzer herkömmlich
(überkommen, alt) die Verarbeitung und massenmediale Bewertung durch den
Filter professioneller Selektionen und durch
verantwortliches journalistisches Handeln abgenommen bekam. Heute müsse der
Nutzer selbst ran. Das Gericht vermutet stillschweigend und großflächig Unfähigkeit und verschreibt Hilfe. Ja klar, wer das nutzt, der braucht Hilfe.
In meinen Augen ist die Haltung des Gerichtes etwas
herablassend. Aber es möchte eben auch
wegen des erheblichen Konzentrationsdrucks im privatwirtschaftlichen Rundfunk und der damit verbundenen Risiken einer einseitigen Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung Vorkehrungen zum Schutz der publizistischen Vielfalt treffen - das
Gegengewicht zu
Framing, Fake-News und Beeinflussung durch Rundfunkoligarchen. Es will uns schützen und uns einen wachsamen Helfer an die Seite verpflichten.
Stellt der
Nutzer fest, dass in gewisser Regelmäßigkeit oder - weil er sich da schon auskennt - bei bestimmten Themen wiederkehrend, die Wirklichkeit verzerrt dargestellt wird oder wurde, löst das Unbehagen, auch ein gewisses Mißtrauen aus.
Wenn dieses Thema hier verzerrt dargestellt wird, wie ist es mit jenem Thema?Der
Nutzer ist nun mit einem Aufwand konfroniert, den er nicht hätte, könnte er der Quelle vertrauen, dass die Information tatsächlich authentisch ist. Er muss nun
zusätzlich recherchieren, ob es stimmt, was berichtet wurde. Ganz klar ein
negativer Nutzen. Da kann er sich ja gleich besserer Quellen bedienen.
Aufgrund des Vertrauensverlustes wird objektiv - aber jeweils individuell (pro
Nutzer) - unmöglich, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk
in seiner Funktion zu nutzen.
Der
Nutzer entfernt physisch/technisch die fragwürdige Quelle aus dem Kreis der ihm zur Verfügung stehenden potentiellen Quellen. Das ist ja eine einfache, ökonomische Entscheidung. Es besteht auch keine Beziehung zu dieser fragwürdigen Quelle, kein Abhängigkeitsverhältnis, auch kein Stockholmsyndrom.
Nur, weil eine Informationsquelle mit der Möglichkeit ausgestattet ist, über den Staat
Zwang auf das Individuum auszuüben, heißt das ja nicht, dass man diese Informationsquelle lieben muss wie den Großen Führer.
Die physische bzw. technische Unmöglichkeit der Nutzung der deselektierten Quelle bedeutet Freiheit von dieser Quelle.
Schließt man gleich - aus Gründen - den ganzen Rundfunk als Quelle aus, dann ist man frei von Rundfunk:
rundfunk-frei.
Für die Rundfunkanstalten entfaltet das Urteil Gesetzeskraft und die Intendantinnen und Intendanten sind selbstverständlich verpflichtet, für die Einhaltung Sorge zu tragen.
Alles, was nicht der Funktion entspricht, zählt demzufolge nicht zum die Erhebung des Rundfunkbeitrags rechtfertigenden individuellen Vorteil und kann nicht per Beitrag finanziert werden.Die Anstalten müssen auch den Finanzbedarf
getrennt nach diesem oberen, ersten Kriterium an die KEF melden: eignet sich
dieses Format, die Wirklichkeit unverzerrt darzustellen?
[JA/NEIN]Da sie der Transparenzpflicht unterliegen, ist jeweils eine ausführliche Begründung notwendig. Und es ist selbstverständlich, dass wir nicht erst Informationsfreiheitsanfragen stellen müssen, das hat - nach meiner Kenntnis -
sofort, unverzüglich zu erfolgen.
Randnummer 80 liefert die arbeitstechnische Grundlage, mit der die Entgelt-Spreu vom Beitragsweizen getrennt werden kann. Vielleicht gibt es
gar keinen Weizen? Vielleicht stammelt man darum 15 Minuten auf der re:publica ins Anstaltsmikro und möchte fast flehend "aufs Glaubwürdigkeitskonto einzahlen"?
Sollten die jeweiligen Gutachten, die die Einstufung eines Formats begründen,
Framing aufweisen, könnte es sein, dass wir nun Handwerkszeug besitzen, um feststellen zu können, was Sache ist.
Ja, der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist unter Rechtfertigungsdruck. Er hatte aber ausreichend Zeit (und Geld), diese Situation zu vermeiden. Statt dessen hat er lieber - aus Verlustangst und dunkler Befürchtung - die Kirchhofbrüder aktiviert.