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Autor Thema: Befreiung bei geringem Einkommen bis 31.03.2005  (Gelesen 9517 mal)

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mb1

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Eine Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, die sich kostenlos nicht(!) online findet. Die Begründungen in den Rn. 20 - 24 sind besonders interessant. Daher hier komplett zitiert:
Zitat
Bayeri­scher Verfas­sungs­ge­richtshof, Entscheidung vom 12. Dezember 2005 – Vf. 7-VII-04

Leitsatz
1. § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 7 Buchst d der Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 21. Juli 1992 (GVBl S. 254, BayRS 2251-?3-1-?1-S) verstößt – soweit er zur Umschreibung des Tatbestands einer Befreiung von der Rundfunkgebühr neben anderen Voraussetzungen auch auf die Kosten der Unterkunft abstellt – nicht gegen die Bayerische Verfassung.

Orientierungssatz
1a. Außer Kraft getretene Rechtsvorschriften unterliegen der verfassungsgerichtlichen Kontrolle nur dann, wenn noch ein objektives Interesse an der Feststellung besteht, ob sie mit der Verf BY vereinbar waren.
   
1b. Die Vorschrift des RdFunkGebBefrV BY 1992 § 1 Abs 1 S 7 Buchst d ist zwar gem RdFunkGebStVtr BY § 10 Abs 2 außer Kraft, jedoch besteht ein objektives Interesse an einer Sachentscheidung des VerfGH München, da noch vereinzelt Rundfunkbefreiungsverfahren nach RdFunkGebBefrV BY 1992 § 1 Abs 1 S 7 Buchst d bei den Verwaltungsgerichten anhängig sind.
   
2. Zu Ls:
a. Zweck der Regelung des RdFunkGebBefrV BY 1992 § 1 Abs 1 S 7 Buchst d ist es, auch denjenigen Rundfunkteilnehmern Gebührenbefreiung zu gewähren, die zwar nach ihrem Einkommen grundsätzlich Sozialhilfe beziehen könnten, die Hilfe aber nicht in Anspruch nehmen wollen oder, wie insbesondere Studierende, regelmäßig nicht in Anspruch nehmen können.
   
b. Mit Hilfe der Gebührenbefreiung gewährleistet die Gebührenverordnung, dass einkommensschwache Personenkreise im Sinn des Sozialstaatsprinzips (Verf BY Art 3 Abs 1 S 1) und des Grundrechts auf Informationsfreiheit (Verf BY Art 112 Abs 2) Zugang zu dem Medium Rundfunk haben (vgl BVerfG, 1994-?02-?22, 1 BvL 30/88, BVerfGE 90, 60 <103f>).

c. Wie die Parallele zum Recht der Sozialhilfe bei der Hilfe zum Lebensunterhalt knüpft der Gebührenbefreiungstatbestand des RdFunkGebBefrV BY 1992 § 1 Abs 1 S 7 Buchst d an das sozialhilferechtlich Angemessene bei den tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft an und dient damit dem Ziel, tatsächlich Bedürftige zu schonen.
   
d. Die Sachgerechtigkeit der Norm erweist sich überdies auch dadurch, dass sie sich möglichst eng an das System der Sozialhilfe und damit an den Befreiungstatbestand des BefrVO § 1 Abs 1 S 1 Nr 6 anlehnt.

Gründe
I.
   
1    Gegenstand der Popularklage ist die Frage, ob § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. d der Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (BefrVO) vom 21. Juli 1992 (GVBl S. 254, BayRS 2251-?3-1-?1-S) gegen die Bayerische Verfassung verstößt. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BefrVO lautet:
   
   "§ 1
   
2    Gebührenbefreiung aus sozialen Gründen
   
3    (1) Von der Rundfunkgebührenpflicht werden befreit:
   
4    1. …
   
5    7. Personen, deren monatliches Einkommen zusammen mit dem Einkommen der Haushaltsangehörigen eine Einkommensgrenze nicht übersteigt, die sich ergibt aus
6    a) dem Eineinhalbfachen des Regelsatzes der Sozialhilfe (§ 22 BSHG) für den Haushaltsvorstand,
   
7    b) dem Regelsatz der Sozialhilfe für sonstige Haushaltsangehörige und
   
8    c) einem Zuschlag von 30 v. H. des Regelsatzes der Sozialhilfe für jeden Haushaltsangehörigen, der das 65. Lebensjahr vollendet hat oder erwerbsunfähig im Sinn der gesetzlichen Rentenversicherung ist,
   
9    d) den Kosten für die Unterkunft."
   
10    Die Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht ist infolge der Neufassung des § 10 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags (RGebStV) durch Art. 5 Nr. 10 des Achten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 9. Februar 2005 (GVBl S. 27, 245) außer Kraft getreten (§ 10 Abs. 2 RGebStV).
   
II.
   
11    Die Antragsteller beantragen festzustellen, dass § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. d BefrVO nicht mit der Bayerischen Verfassung vereinbar war. Sie rügen einen Verstoß gegen Art. 118 Abs. 1 BV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV (Sozialstaatsgrundsatz), Art. 123 Abs. 1 BV und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Kosten der Unterkunft stünden im Gegensatz zu den Beträgen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. a - c BefrVO nicht von vornherein fest. Finanziell leistungsfähigere Personen könnten für eine etwas höhere Miete eine qualitativ höherwertige Wohnung bewohnen und würden gleichsam zur Belohnung von der Rundfunkgebührenpflicht befreit; auf diese Weise würden sie faktisch selbst über die Befreiung von der Rundfunkgebühr entscheiden. Bei finanziell leistungsschwachen Rundfunkteilnehmern sei die Rundfunkgebühr ein wesentlicher Faktor. So komme es zu dem sinnwidrigen Ergebnis, dass derjenige, der sich eine vergleichsweise teure Wohnung leisten könne, von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werde, wohingegen derjenige, der aufgrund seiner finanziellen Leistungsschwäche ohnehin in ärmlichen Verhältnissen wohnen müsse, Rundfunkgebühren entrichten müsse. Das sei willkürlich und verfehle zudem das Ziel des Sozialstaatsgrundsatzes, ein vernünftiges Maß an Gleichheit zu gewährleisten. Auch das Gebot der Lastengleichheit werde nicht befolgt. Demgegenüber könne sich der Verordnungsgeber etwa an den schematischen Höchstbeträgen für die Bemessung des Wohngelds nach § 8 WoGG orientieren. Kürzungen des Aufwands wegen unangemessen teurer Wohnungen kämen in der Praxis nur in besonders krassen Ausnahmefällen vor. Im Übrigen sei § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. d BefrVO auch unverhältnismäßig. Die Norm sei nicht geeignet, die tatsächliche finanzielle Leistungsfähigkeit eines Rundfunkteilnehmers festzustellen, weil die tatsächliche Höhe der monatlichen Kaltmiete dazu nichts aussage. Zudem sei die Norm nicht erforderlich; es sei durchaus möglich, an nicht beeinflussbare Kriterien anzuknüpfen.
   
III.
   
12    1. Der Bayerische Landtag hat sich nicht am Verfahren beteiligt.
   
13    2. Die Bayerische Staatsregierung hält die Popularklage für unbegründet. Die Anknüpfung an die tatsächlich geleisteten Kosten für die Unterkunft gewährleiste, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit des Gebührenschuldners berücksichtigt werde. Der Begriff "Kosten für die Unterkunft" sei in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. d BefrVO nicht anders zu verstehen als der entsprechende Begriff im Sozialhilferecht. Danach komme es im Grundsatz auf die tatsächlichen Kosten an. Bei einer Überversorgung könnten nur angemessene Kosten berücksichtigt werden. Ziel des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BefrVO sei es auch, den Sozialhilfeempfänger, der durch § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BefrVO von der Rundfunkgebührenpflicht befreit sei, nicht besser zu stellen als denjenigen, der, ohne Sozialhilfe zu beziehen, ebenfalls nicht über die zur Auferlegung der Rundfunkgebührenpflicht als ausreichend erachtete finanzielle Leistungsfähigkeit verfüge.
   
14    3. Der Bayerische Rundfunk hält die Popularklage für unbegründet. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BefrVO solle einen Personenkreis erfassen, der finanziell noch nicht auf Sozialhilfe angewiesen, aber dennoch so einkommensschwach sei, dass ihm die Rundfunkgebühr nicht zugemutet werden solle. Der Begriff der "Unterkunft" in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. d BefrVO sei mit dem sozialhilferechtlichen Unterkunftsbegriff nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG identisch. Seien im Einzelfall die Kosten der Unterkunft unangemessen hoch, könnten nur angemessene Kosten berücksichtigt werden. Davon werde in der Praxis wegen § 3 Abs. 3 RegelsatzVO (seit 1.1.2005: § 29 Abs. 1 Satz 5 SGB XII) regelmäßig Gebrauch gemacht. Die Anträge auf Gebührenbefreiung nähmen die Wohnsitzgemeinden entgegen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 BefrVO), weil sie direkten Zugang zu den Angemessenheitskriterien hätten. Das Einkommen werde individuell berechnet. Bei Studenten, die außerhalb des Elternhauses am Studienort wohnten, werde nach Maßgabe der "Düsseldorfer Tabelle" ein Einkommen von 600 Euro zugrunde gelegt.
   
15    § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. d BefrVO verstoße nicht gegen die Bayerische Verfassung. Die Vorschrift beruhe auf der Ermächtigung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 RGebStV in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Dezember 1991 (GVBl S. 451; im Folgenden: RGebStV 1991). Die Vorstellung, bei der Wahl einer Wohnung sei die angestrebte Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht ein wesentlicher Faktor, entspreche nicht der Realität. Eine monatliche Rundfunkgebühr von 16,15 Euro sei bei den Kriterien für eine Wohnungswahl völlig nebensächlich. Sofern die Antragsteller beanstandeten, die vom Verordnungsgeber gewählte Lösung entspreche nicht dem Ideal der Gerechtigkeit, so könne die angegriffene Regelung daran nicht gemessen werden. Die Praktikabilität erfordere auch eine Generalisierung. In Bayern seien am 30. September 2004 insgesamt 100.590 Rundfunkteilnehmer nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BefrVO von der Rundfunkgebührenpflicht befreit gewesen. Eine allgemeine Pauschalierung entsprechend den Höchstbeträgen nach § 8 WoGG würde dazu führen, dass einerseits Rundfunkteilnehmer nicht von der Gebührenpflicht befreit würden, obwohl sie finanziell nicht hinreichend leistungsfähig sind, andrerseits aber hinreichend leistungsfähige Rundfunkteilnehmer eine Befreiung beanspruchen könnten. Eine solche allgemeine Pauschalierung sei auch sozialhilferechtlich unzulässig. Die angegriffene Norm halte sich daher innerhalb des weiten Spielraums, den Art. 118 Abs. 1 BV dem Verordnungsgeber lasse, um den allgemeinen Gedanken der Angemessenheit, Billigkeit und Zweckmäßigkeit Rechnung zu tragen.
   
IV.
   
16    Die Popularklage ist zulässig.
   
17    Bei der Prüfung, ob eine Rechtsvorschrift verfassungswidrig ist, hat der Verfassungsgerichtshof seiner Beurteilung grundsätzlich den Rechtszustand im Zeitpunkt der Entscheidung zugrunde zu legen. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. d BefrVO ist außer Kraft (§ 10 Abs. 2 RGebStV in der Fassung gemäß Art. 5 Nr. 10 des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom Oktober 2004 (GVBl 2005, 27, 245). § 6 RGebStV enthält keine der angegriffenen Norm entsprechende Regelung. Außer Kraft getretene Rechtsvorschriften unterliegen der verfassungsgerichtlichen Kontrolle nur dann, wenn noch ein objektives Interesse an der Feststellung besteht, ob sie mit der Bayerischen Verfassung vereinbar waren (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 27.5.1998 = VerfGH 51, 74/81). Der Bayerische Rundfunk hat mitgeteilt, bei den Verwaltungsgerichten seien noch ganz vereinzelt Befreiungsverfahren nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BefrVO anhängig. Zwar steht nicht fest, ob die mit der Popularklage geltend gemachte Nichtigkeit der Norm in diesen Verfahren entscheidungserheblich wäre. Andrerseits ist nicht unwahrscheinlich, dass es dort auf die Frage ankommen wird, ob § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. d BefrVO gegen die Bayerische Verfassung verstößt. Das reicht aus, um ein objektives Interesse an einer Sachentscheidung des Verfassungsgerichtshofs zu begründen.
   
V.
   
18    Die Popularklage ist unbegründet.
   
19    Art. 118 Abs. 1 BV ist nicht verletzt.
   
20    1. Die Rundfunkgebühr ist eine öffentlich-?rechtliche Abgabe (VerfGH vom 8.11.2002 = VerfGH 55, 143/154). Sie besteht aus der Grundgebühr und der Fernsehgebühr (§ 2 Abs. 1 RGebStV). Jeder Rundfunkteilnehmer hat für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Rundfunkempfangsgerät eine Grundgebühr und für das Bereithalten jedes Fernsehgeräts jeweils zusätzlich eine Fernsehgebühr zu entrichten (§ 2 Abs. 2 RGebStV). § 6 Abs. 1 Nr. 1 RGebStV 1991 ermächtigt die Landesregierungen, durch Rechtsverordnung die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht aus sozialen Gründen für Rundfunkempfangsgeräte von natürlichen Personen im ausschließlich privaten Bereich zu bestimmen. Die einkommensabhängige Gebührenbefreiung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BefrVO geht auf diese Ermächtigung zurück. Maßstab für die Gebührenbefreiung ist ein fiktiver Bedarf für den notwendigen Lebensunterhalt. Er setzt sich aus einem am Regelsatz der Sozialhilfe (§ 22 BSHG, § 28 SGB XII) orientierten Betrag und den Kosten der Unterkunft zusammen. Zweck dieser Regelung ist es, auch denjenigen Rundfunkteilnehmern Gebührenbefreiung zu gewähren, die zwar nach ihrem Einkommen grundsätzlich Sozialhilfe (oder auch Leistungen für Arbeitssuchende) beziehen könnten, die Hilfe aber nicht in Anspruch nehmen wollen oder, wie insbesondere Studierende, regelmäßig nicht in Anspruch nehmen können (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 1 BSHG, § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII; § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II; auch § 41 Abs. 3 Satz 1 WoGG), oder, wie insbesondere Berechtigte nach dem Grundsicherungsgesetz (BGBl I 2001, 1310/1335) und §§ 41 ff. SGB XII, vergleichbare Leistungen erhalten können.
   
21    2. Der Gleichheitssatz des Art. 118 Abs. 1 BV untersagt dem Normgeber, gleich liegende Sachverhalte, die aus der Natur der Sache und unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit eine gleichartige Regelung erfordern, ungleich zu behandeln. Dagegen ist wesentlich Ungleiches nach seiner Eigenart verschieden zu regeln. Der Gleichheitssatz verbietet Willkür (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 11.4.2002 = BayVBl 2002, 492/494). Es kann dahingestellt bleiben, ob Art. 118 Abs. 1 BV im Zusammenhang mit einer abgaberechtlichen Befreiungsregelung weitergehende Anforderungen stellt und voraussetzt, dass für eine vorgesehene Differenzierung oder Nicht-?Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen bzw. gleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl. BVerfG vom 30.5.1990 = BVerfGE 82, 126/146; BVerfG vom 26.1.1993 = BVerfGE 88, 87/96 f.; Umbach/Clemens, Grundgesetz, RdNrn. 61 ff. zu Art. 3 Abs. 1; Hesse, AöR 109, 174/188). Denn § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. d BefrVO genügt auch diesen Anforderungen.
   
22    Die Gebührenbefreiung für die von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BefrVO erfassten Rundfunkteilnehmer ist durch einen gewichtigen Grund gerechtfertigt. Mit Hilfe der Gebührenbefreiung stellt die Befreiungsverordnung sicher, dass einkommensschwache Bevölkerungskreise Zugang zu dem Medium Rundfunk haben. Damit gewährleistet die Norm im Sinn des Sozialstaatsprinzips (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) auch positiv das Grundrecht auf Informationsfreiheit (Art. 112 Abs. 2 BV; vgl. auch BVerfG vom 22.2.1994 = BVerfGE 90, 60/103 f.).
   
23    Begünstigt sind Rundfunkteilnehmer, deren Einkommenssituation im Wesentlichen derjenigen eines Empfängers von – ggf. nur ergänzender – Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 11 ff. BSHG, § 19 Abs. 1, §§ 27 ff. SGB XII) entspricht. Anstelle der vom sozialhilferechtlichen Regelsatz nach § 22 BSHG nicht erfassten einmaligen Leistungen (vgl. § 21 Abs. 1, § 22 Abs. 1 BSHG, § 1 RegelsatzV) sieht die Befreiungsverordnung in Anlehnung an eine schon in § 21 Abs. 1 b BSHG enthaltene Regelung einen pauschalen Zuschlag zum Regelsatz vor (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. a). Wie das Recht der Sozialhilfe bei der Hilfe zum Lebensunterhalt knüpft auch § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. d BefrVO ferner an die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft an (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 RegelsatzV; § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Die Begrenzung berücksichtigungsfähiger tatsächlicher Aufwendungen für die Unterkunft auf das sozialhilferechtlich Angemessene ist in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. d BefrVO zwar im Gegensatz zu den angeführten Bestimmungen des Sozialhilferechts nicht ausdrücklich geregelt; sie entspricht aber im Hinblick auf die sonstigen Parallelen zur Sozialhilfe der hierzu einmütig vertretenen Auffassung in Verwaltung, Rechtsprechung und Literatur (vgl. die Stellungnahme des Bayerischen Rundfunks vom 26.7.2004, S. 7; OVG NW vom 29.10.1993 = KStZ 1994, 196; OVG RhPf vom 8.1.2002 = FEVS 53, 555; Siekmann in Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 2003, RdNr. 23 zu § 6 RGebStV).
   
24    Diese tatbestandliche Anknüpfung an die tatsächlichen und angemessenen Kosten der Unterkunft führt nicht zu sachfremden Differenzierungen. Sie wird im Gegenteil der Zielsetzung der angegriffenen Norm, tatsächlich Bedürftige zu schonen, in ganz besonderer Weise gerecht. Die Sachgerechtigkeit der Norm erweist sich im Übrigen auch dadurch, dass sie sich möglichst eng an das System der sozialhilferechtlichen Hilfe zum Lebensunterhalt und damit an den Befreiungstatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BefrVO anlehnt. Damit stellt § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. d BefrVO auch sicher, dass die vorausgesetzte Bedürftigkeit nicht nach jeweils verschiedenen inhaltlichen Prämissen ermittelt wird.
   
25    Ohne sachliches Gewicht ist deshalb der Einwand der Antragsteller, es sei in sachfremder Weise möglich, eine etwas teurere Wohnung anzumieten und gerade dadurch in den Genuss der Befreiung zu kommen. Diese Annahme ändert nichts daran, dass der angenommene Begünstigte tatsächlich bedürftig sein muss und die Befreiung dann auch zu Recht erhält. Umgekehrt ist, wer ganz besonders günstig wohnt, bei gleichem Einkommen auf die Befreiung ggf. auch nicht angewiesen. Der von den Antragstellern beschriebene Effekt ist bereits im System der Sozialhilfe angelegt. Auch dort ist es so, dass derjenige Hilfe zum Lebensunterhalt beanspruchen kann, dessen finanzielle Verhältnisse nicht mehr ausreichen, auch die Aufwendungen für seine das sozialhilferechtlich angemessene Kostenniveau etwa ausschöpfende Wohnung zu bestreiten; demgegenüber erhält keine Hilfe zum Lebensunterhalt, wer bei gleichen finanziellen Verhältnissen eine noch preiswertere Wohnung bewohnt und deshalb diese noch bezahlen kann (§ 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG; § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Dieser Regelung liegt zugrunde, dass am Wohnungsmarkt regelmäßig keine ausreichende Zahl gleich großer Wohnungen zu einem gleichermaßen niedrigen wie einheitlichen Preisniveau angeboten wird. Wenn auch der Verordnungsgeber daran anknüpft, handelt er sowohl systemgerecht als auch sachgerecht. Weder aus Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV (Sozialstaatsgebot) noch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch – unabhängig von der Frage seiner Anwendbarkeit auf die Rundfunkgebühr – aus Art. 123 Abs. 1 BV ergeben sich Gesichtspunkte, die das in Frage stellen würden.
   
VI.
   
26    Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).

Die Frage stellt sich unweigerlich, ob nicht die Abschaffung dieser Befreiungsregelung für sozial Schwache verfassungswidrig sein könnte. Dass auch diese Entscheidung "ein wenig verschwunden ist", wirft erneut die Frage nach der 'verschwundenen BVerfGE', die auf einen eventuellen Bedarf einer angepassten zukünftigen Zusatzregelung hingewiesen hat, auf.




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Klage 2 eingereicht (03/2017)
Rundfunkbeitrag Zahlung: 01/2013 - heute: 339,64 €
Klage 1 rechtskräftig abgewiesen (01/2016)

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mb1

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Hier übrigens mal ein für mich interessanter Begründungsansatz, warum mit Einführung von Hartz IV die Befreiungsregelungen restriktiver abgeändert wurden (wenngleich in anderem Zusammenhang geäußert):

Zitat
Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, warum der Gesetzgeber sich für diese Regelungen entschieden hat, zumal sie auch von juristischer Seite kritisch gesehen werden. Es drängt sich der Verdacht auf, dass der Gesetzgeber aus Gründen, die in der Theorie der Neuen   Politischen   Ökonomie   (Public-Choice-Theorie)   zu suchen sind, bewusst auf eine Anerkennung des Rundfunkbeitrags  als  mindestsicherungsrechtlicher  Bedarf verzichtet und die Nachteile der bisherigen Befreiungsregeln billigend in Kauf nimmt. Dem Ansatz der Neuen Politischen  Ökonomie  zufolge  versuchen  Politiker,  ihre Wählerstimmen zum Zwecke des Machterhalts und der damit verbundenen Vorteile zu maximieren (Vgl. z.B. M. Erlei, M. Leschke, D. Sauerland: Neue Institutionenökonomik, Stuttgart 1999, S. 326 ff.).  Alles, was aus Wählersicht als Misserfolg der Regierung gewertet werden könnte, ist demnach zu unterbinden. Da davon auszugehen ist, dass die Wählerschaft hohe Zahlen und Anteile Bedürftiger – auch aus Angst vor eigener Armut und  der  damit  einhergehenden  Stigmatisierung (Zur stigmatisierenden Wirkung von „Hartz IV“ vgl. K. Dörre et al.: Bewährungsproben  für  die  Unterschicht?,  Frankfurt,  New  York  2013, S. 235 ff.)   –  zuvorderst  der  Regierung  als  Misserfolg  anlastet,  ist  es nachvollziehbar,  warum  eine  auf  Wiederwahl  bedachte Regierung  möglichst  geringe  Empfängerzahlen  staatlicher Mindestsicherungsleistungen anstrebt. Eine Anerkennung des Rundfunkbeitrags als Mindestsicherungsbedarf würde die Zahl der Berechtigten und folglich der Empfänger von Mindestsicherungsleistungen verglichen mit dem Status quo der Beitragsbefreiung allerdings er- höhen. Insofern dienen dieser Argumentation zufolge die Regelungen  zur  Rundfunkbeitragsbefreiung  vornehmlich dazu, die wahren Berechtigten- und Empfängerzahlen zu verschleiern.

Das mutmaßliche Bestreben staatlicher Entscheidungsträger, das Abrutschen Hilfebedürftiger in die eigentlich zuständigen,   aber   vermeintlich   stigmatisierten   Mindestsicherungssysteme  durch  das  Vorschalten  anderer  Transfersysteme  zu  verhindern  und  so  den  wahren Umfang  der  Hilfebedürftigkeit  in  Deutschland  zu  verschleiern,  äußert  sich  nicht  nur  in  den  Regelungen  zur Rundfunkbeitragsbefreiung.
Vielmehr gibt es eine Reihe weiterer  Beispiele. Besonders  erwähnenswert  ist  der Kinderzuschlag  nach  §  6a  BKGG,  der  unter  bestimmten Voraussetzungen Eltern mit Kindern vor einer Inanspruchnahme  von  SGB-II-Leistungen  bewahren  soll.
Ein  weiteres  Beispiel  sind  Zuschüsse  zu  den  Kranken- und  P?egeversicherungsbeiträgen  nach  §  26  SGB  II für Personen, die dem Grunde nach Ansprüche auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende haben und die allein durch das Entrichten von Beiträgen für eine private bzw. freiwillige Kranken- und P?egeversicherung hilfebedürftig würden.

Die mutmaßlich mit dem Ziel einer Minimierung der Mindestsicherungsempfängerzahlen    ergriffenen  gesetzgeberischen  Maßnahmen  zur  Verhinderung  einer  Versorgung  Bedürftiger  durch  die  eigentlich  zuständigen Mindestsicherungssysteme  sind  auch  insofern  prekär, als der Gesetzgeber dadurch die gesellschaftliche Stigmatisierung der Mindestsicherungssysteme und der von ihnen versorgten Personen nicht nur billigt, sondern sogar vorantreibt.  Das Vorhandensein existenzsichernder Transfersysteme ist jedoch kein Makel des Sozialstaats, sondern ganz im Gegenteil eine sozialpolitische Errungenschaft.  Dem  Gesetzgeber  stünde  es  daher  gut  zu Gesicht,  diese  Errungenschaft  zu  verteidigen  und  den Mindestsicherungssystemen in Bezug auf ihre Kernaufgabe  uneingeschränkt  zu  vertrauen,  nämlich  Hilfebedürftigen  ein  im  Einklang  mit  dem  Grundgesetz  menschenwürdiges Existenzminimum zu garantieren.

Quelle:
Cischinsky, Holger; Kirchner, Joachim (2014) :
Rundfunkbeitragsbefreiung: Ineffizient, anreizfeindlich und ungerecht
, Wirtschaftsdienst, ISSN 1613-978X, Springer, Heidelberg, Vol. 94, Iss. 11, pp. 829-835
http://hdl.handle.net/10419/155721


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Aus einer Antwort der Bayerischen Staatskanzlei 2010:

Zitat
Abgeordneter Alexander Muthmann (FW):
Ich  frage  die  Staatsregierung,  warum  sind  Rentner,  die  eine  Grundsicherung  im  Alter 
erhalten  gemäß  §  6  Abs.  1  Nr.  2  Rundfunkgebührenstaatsvertrag  (RGebStV)  von  der 
Rundfunkgebührenpflicht  befreit,  Rentner,  die  ein  nicht  über  der  Grundsicherung  im 
Alter  liegendes  Einkommen  beziehen,  jedoch  nicht,  welche  Initiativen  gedenkt  die 
Staatsregierung  gegen  diese  Ungleichbehandlung  zu  ergreifen,  und  kann  gegebenen-
falls  auf  Initiative  der  Staatsregierung  im  Rundfunkgebührenstaatsvertrag  eine  Ein-
kommensgrenze für die Rundfunkgebührenpflicht vorgesehen werden?

Zitat
Antwort der Staatskanzlei

Der  §  6  Rundfunkgebührenstaatsvertrag  (RGebStV)  soll  gewährleisten,  dass  möglichst  jedermann  am  Empfang  von  Rundfunk  teilnehmen  kann.  Mit  Blick  auf  das  Grundrecht  der  Informationsfreiheit  (Art.  5  Abs.  1  Satz  1  GG)  und  das  Sozialstaatgebot  (Art.  20  GG)  soll  insbesondere  einkommensschwachen  Bevölkerungskreisen  mit  einem  Einkommen  unterhalb  der  sozialhilferechtlichen  Bedarfsgrenzen  und  ohne  verwertbares  Vermögen der Zugang zu Medien und Rundfunk eröffnet werden. 
Alle  Ausnahmen  von  der  Gebührenpflicht  bedürfen  einer  sachlichen  Rechtfertigung.  Weder  darf  gegen  den  Grundsatz der Gleichheit der Belastung aller Rundfunkteilnehmer noch gegen die Finanzierungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verstoßen werden. Daraus ergibt sich für den Normgeber ein enger Gestaltungsspielraum. Zu beachten ist dabei auch, dass es sich bei der Rundfunkgebührenbefreiung um ein Geschäft der Massenverwaltung handelt, die auf generalisierende, typisierende und pauschalisierende Regelungen setzen soll. Verschiedene  Gerichte  haben  dazu  festgestellt,  dass  Einzelfallgerechtigkeit  nicht  hergestellt  werden  könne. 
Gemäß § 6 Abs. 3 kann die Rundfunkanstalt bei Vorliegen eines besonderen Härtefalls gleichwohl befreien.

Nach  der  Gesetzesbegründung  soll  dies  insbesondere  für  die  Fälle  ermöglicht  werden,  in  denen  die  Voraussetzungen aus § 6 Abs. 1 Satz 1 (RGebStV) nicht vorliegen, aber eine vergleichbare Bedürftigkeit nachgewiesen werden kann (Drs. 15/1921, Seite 21). Die Gerichte interpretieren § 6 Abs. 3 RGebStV übereinstimmend nicht  als  allgemeinen Aufwandtatbestand (Anm. gemeint: Auffangtatbestand),  der  stets  greift,  wenn  die  Voraussetzung  für  eine  Befreiung  nach  § 6 Abs. 1 RGebStV nicht vorliegen (vergleiche BayVGH, Urteil vom 16. Mai 2007 – AZ: 7B06.2642). Darüber hinaus soll jede Befreiung ausgeschlossen sein, wenn der Antragsteller zum Personenkreis eines der Tatbestände in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 11 gehört. 

Die frühere Befreiung wegen geringen Einkommens wurde mit der Gesetzesneuregelung im Hinblick auf die umfassenden  sozialen  Sicherungssysteme  fallen  gelassen.  Der  Gesetzgeber  ging  davon  aus,  dass  etwa  ein  Rentner, der ein so geringes Einkommen bezieht, seinen Anspruch auf Grundsicherung oder eine andere Sozialleistung geltend macht, die zur Gebührenbefreiung nach § 6 Abs. 1 führen. Die früher in § 1 Abs. 1 Nr. 7 und  8  Befreiungsordnung  geregelte  Gebührenbefreiung  wegen  geringen  Einkommens  hatte  die  Grenze  beim  (damaligen)  eineinhalbfachen  Sozialhilfesatz  gezogen.  Im  Zuge  der  Neuregelung  des  Sozialhilferechtes  und  der Veränderung der Sätze musste diese Bestimmung geändert werden. Zugleich entfiel mit der Neuregelung die  Notwendigkeit  einer  genauen  Berechnung  der  Bedürftigkeit  durch  die  zuständigen  Gemeinden  und Sozialämter.

Nach der Gesetzesneuregelung wird der Nachweis gemäß § 6 Abs. 2 RGebStV durch die Vorlage eines Bewilligungsbescheides der Sozialbehörde erbracht. Befreit wird aus finanziellen oder sozialen Gründen. Für die früher  regelmäßig  wegen  geringen  Einkommens  befreiten  Rentner  wurde  der  Kreis  der  Grundsicherungsberechtigten  im  Alter  und  bei  Erwerbsminderung  aufgenommen.  Es  wurde  als  zumutbar  angesehen,  dass  eine  Rundfunkgebührenbefreiung erst nach der Beantragung und Gewährung der ergänzenden Grundsicherung erteilt wird (bestätigt durch VG Ansbach, Urteil vom 19. Januar 2006 – AN 5K 05.02873). 

Wie auch in anderen Bereichen der Hilfe zum Lebensunterhalt oder anderer Sozialleistungen ist nicht ausgeschlossen, dass Personen mit geringem Einkommen nicht wesentlich oder überhaupt nicht über den finanziellen  Mitteln  liegen,  die  ein  Sozialleistungsberechtigter  erhält.  Der  Gesetzgeber  hat  mit  den  Befreiungstatbeständen in § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 RGebStV die Fälle einer unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage unter dem Aspekt angestrebter Gleichbehandlung geregelt, in denen er davon ausgeht, dass die Zahlung von Rundfunkgebühren für den erfassten und als sozialbedürftig anerkannten (Drs. 15/1921, Seite 21) Personenkreis finanziell unzumutbar ist. Dieser Kreis der Personen und der Tatbestände wurde deutlich erweitert, um den Wegfall  der  Befreiung  wegen  geringen  Einkommens  zu  kompensieren.  In  den  Verfahren  wird  die  konkrete  Bedürftigkeit von einer staatlichen Behörde geprüft und durch den entsprechenden Bewilligungsbescheid bestätigt, der damit taugliche Grundlage für die folgende Gebührenbefreiung ist. 

Der  Landtag  hat  sich  im  Zusammenhang  mit  Petitionen  wiederholt  mit  der  Situation  einkommensschwacher  Gebührenzahler  beschäftigt  und  eine  großzügigere  Handhabung  angemahnt.  In  den  Verhandlungen  zur  Reform  des  Rundfunkgebührenrechts  hat  der  bayerische  Vertreter  das  Anliegen  vor  Monaten  eingebracht,  die  gegenwärtige Regelung zu überprüfen. Insbesondere die restriktive Auslegung der Härtefallklausel durch die Landesrundfunkanstalten und die Bestätigung durch die Gerichte bieten dafür Anlass.

Das  Ziel,  Bedürftige  mit  einem  Einkommen  identisch  mit  der  Sozialleistungsgrenze  oder  unterhalb  liegend  von den Rundfunkgebühren zu befreien, kann auf unterschiedlichem Wege erreicht werden. Die Bestimmung einer  dynamischen  Bezugsgröße  aus  dem  Sozialrechtssystem  ist  flexibler  als  die  Festlegung  einer  Einkommensgrenze im Gesetz selbst. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Prüfung des zur Verfügung stehenden Einkommens aufwändig und damit kostenintensiv ist. Sämtliche aus dem Steuerrecht bekannten Einkommensarten  (abhängige  Arbeit,  Selbständigkeit,  Vermögen,  Alterssicherung,  sonstige  Unterhaltsansprüche)  müssen  einbezogen  werden.  Eine  entsprechende  Mehrbelastung  der  prüfenden  Stelle  (Sozialbehörden,  Rundfunkanstalten oder andere) ist dann unvermeidbar. Hierbei sind in einer künftigen Beschlussfassung die Vorteile einer typisierenden Prüfung im Massenverfahren gegen die Einzelfallgerechtigkeit abzuwägen.

Mit  einer  Entscheidung  ist  frühestens  im  2.  Quartal  2010  im  Zusammenhang  mit  dem  Reformpaket  „Rundfunkfinanzierung“ zu rechnen. Denn jede Ausweitung der Befreiungstatbestände führt zu einer Mehrbelastung der verbliebenen Zahlungspflichtigen.

Quelle:
https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP16/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000002000/0000002377.pdf
Seite 5-7

Passiert ist natürlich nichts!



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Und noch ein
Bericht des Petitionsausschusses Berlin
gemäß § 12 des Petitionsgesetzes
für die Zeit vom 14. November 2006 bis 13. November 2007


Zitat
3.5 Ein Ärgernis für viele: Rundfunkgebühren

Schon  in  seinem  letzten  Bericht  hat  der  Petitionsausschuss  die  zum  1.  April  2005  in  Kraft 
getretenen Rechtsänderungen im Rundfunkgebührenrecht erläutert, die zu einem regelrechten
Boom im Arbeitsgebiet „Regierender Bürgermeister“ geführt hatten.

3.5.1 Keine Gebührenbefreiung ohne Bescheid über Sozialleistungen

Der Ausschuss erhält weiterhin viele Eingaben, in denen Bürgerinnen und Bürger sich beklagen, trotz ihres geringen Einkommens keine Gebührenbefreiung mehr zu erhalten. Ungerecht behandelt fühlen sich insbesondere Rentner, deren Einkommen nur geringfügig den Grundsicherungssatz  überschreitet,  und  Studierende  ohne  BAföG-Bezug,  die  ihren  Lebensunterhalt  durch Jobs, Unterhaltszahlungen oder andere private Unterstützung finanzieren. 

Hier kann der Petitionsausschuss leider nicht helfen, da die Rundfunkgebührenbefreiung jetzt davon  abhängig  ist,  ob  die  Bedürftigkeit  der  Antragsteller  durch  die  Gewährung  staatlicher  Sozialleistungen  nachgewiesen  ist.  Eine  eigene  Bedürftigkeitsprüfung  nimmt  die  Gebühreneinzugszentrale  (GEZ)  nicht  vor.  Ist  einer  Zuschrift  zu  entnehmen,  dass  der  Petent  beziehungsweise  die  Petentin  bisher  versucht  haben,  trotz  geringer  Einkünfte  ein  von  staatlichen  Leistungen unabhängiges Leben zu führen, empfiehlt der Ausschuss nachdrücklich, vom zuständigen Grundsicherungsamt nunmehr doch eine Überprüfung vornehmen zu lassen, ob ein
gesetzlicher  Anspruch  auf  Leistungen  der  Grundsicherung  im  Alter  oder  bei Erwerbsminderung  besteht.  Auch  wenn  nur  ein  kleiner  Unterstützungsbetrag  gewährt  werden  kann,  ist  der  entsprechende Sozialleistungsbescheid Grundlage für eine Rundfunkgebührenbefreiung. 
Eine von den Petenten erhoffte Rechtsänderung konnte der Ausschuss nicht in Aussicht stellen.  Aufgrund  zahlreicher  Eingaben  hat  er  sich  bereits  im  Jahr  2006  beim  Regierenden  Bürgermeister  von  Berlin,  Senatskanzlei,  für  eine  Initiative  zur  Änderung  des  Rundfunkgebührenbefreiungsrechts mit dem Ziel eingesetzt, entsprechend dem vor dem 1. April 2005 geltenden  Recht  Personen  mit  geringem  Einkommen  von  der  Gebührenpflicht  zu  befreien. 
Leider  war  der  Vorstoß  ohne  Erfolg.  Wie  der  Regierende  Bürgermeister  von  Berlin,  Senatskanzlei,  mitteilte, ist das Thema „Gebührenbefreiung für Personen mit geringem Einkommen“ im Dezember 2006 im Länderkreis erörtert worden mit dem Ergebnis, dass von der überwiegenden Mehrheit  der  Länder  keine  Möglichkeit  gesehen  worden  ist,  aktuell  zur  alten  Rechtslage  zurückzukehren. 

Da  die  Ministerpräsidenten  gleichzeitig  ihre  Rundfunkkommission  beauftragt  haben,  alternative  Lösungen  zur  Finanzierung  des  öffentlich-rechtlichen  Rundfunks  zu  erarbeiten, bleibt nunmehr abzuwarten, ob im Rahmen der noch andauernden Prüfungen gegebenenfalls eine Änderung des Gesamtsystems erwogen wird.

Quelle:
https://www.parlament-berlin.de/C1257B55002AD428/vwContentbyKey/32117CAEE719DE52C1257F8B002D3AD0/$FILE/Berlicht%20des%20Petitionsausschusses%20d16-1150.pdf
ab Seite 13

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Zitat
Denn jede Ausweitung der Befreiungstatbestände führt zu einer Mehrbelastung der verbliebenen Zahlungspflichtigen.
Bemerkenswert ist diese Aussage.
Das war noch vor der Umstellung auf Beitrag.

Die Frage ist ob, bereits vor dieser Umstellung auf einen Beitrag, die Belastung in den Bereich der Sozialfürsorge des Staats hätte fallen müssen.


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Dazu gibt es eine Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages:
https://www.bundestag.de/blob/414908/03bcc9365d1193e0b5645e25143ac3d8/wd-10-029-08-pdf-data.pdf

Ist sehr interessant zu lesen.


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Im Landtag Rheinland-Pfalz gab es eine Legislativeingabe (LE 22/17, Vorlage 17/1795) bzgl.
Zitat
Änderung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages § 4 Abs. 6 (Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für einkommensschwache Haushalte)
Eingabe betreffend der Befreiung einkommensschwacher Haushalte von der Rundfunkbeitragspflicht
die vom Petitionsausschuss in der "10. Sitzung am Dienstag, dem 12. September 2017, 10.00 Uhr,
in Mainz, Abgeordnetengebäude, Kaiser-Friedrich-Straße 3, Saal 401" nicht-öffentlich behandelt wurde. (Tagesordnungspunkt 6g)

https://www.parlamentsspiegel.de/home/suchergebnisseparlamentsspiegel.html?db=psakt&view=einzel&id=RPF_V-235999_0000

Leider sind hierzu keine weiteren Infos aufzutreiben.


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