Nach unten Skip to main content

Autor Thema: Synopse zwischen Einkommensteuerpflicht und Rundfunkbeitragspflicht  (Gelesen 10831 mal)

B

Beitragender

Die Argumentation zu den vom BVerfG in st. Rspr. formulierten "drei grundlegenden Prinzipien der Finanzverfassung, welche die Auferlegung nichtsteuerlicher Abgaben begrenzen", sollte weiter ausgebaut werden. Dazu schlage ich folgende Vorgehensweise vor:

1. Die Entscheidungen des BVerfG zu diesen drei grundlegenden Prinzipien sind auf Passagen hin zu untersuchen, die gegen den Rundfunkbeitrag verwendet werden können.

2. Die höchstrichterlichen Entscheidungen zum Rundfunkbeitrag sind auf diese drei grundlegenden Prinzipien hin zu untersuchen; insb. BayVGH, Urteil vom 15.05.2014 - Vf. 8-VII-12 und RhPfVGH, Urteil vom 13.05.2014 - VGH B 35/12.


1. Entscheidungen des BVerfG
Da wir nicht wissen, wann das BVerfG erstmalig die "drei grundlegenden Prinzipien der Finanzverfassung, welche die Auferlegung nichtsteuerlicher Abgaben begrenzen" formuliert hat, folgen wir einfach den Rspr.-Verweisen des BVerfG.


1.1. BVerfGE 91, 186 = BVerfG, Beschluss vom 11.10.1994 - 2 BvR 633/86
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv091186.html
In diesem Thread von Knax wurde maßgeblich auf den sog. Kohlepfennig-Beschluss des BVerfG abgestellt. In diesem Beschluss findet sich folgende Passage, deren Rspr.-Verweise wir einfach zurückverfolgen (BVerfGE 91, 186 [203]):
"Das Bundesverfassungsgericht hat in nunmehr gefestigter Rechtsprechung die Grenzen benannt, in denen Sonderabgaben allein zulässig sind (vgl. BVerfGE 55, 274 [298 ff.]; 67, 256 [275 ff.]; 82, 159 [179 ff.]). Hierauf wird verwiesen (s. zuletzt BVerfGE 82, 159 [179 ff.])".

[Anm. Moderator: siehe u.a. auch unter
Parallelen: Rundfunkbeitrag und Kohlepfennig
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,4557.0.html ]



1.1. BVerfGE 55, 274 = BVerfG, Urteil vom 10.12.1980 - 2 BvF 3/77
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv055274.html
Spannend wird es ab S. 304 (BVerfGE 55, 274 [304 ff.]):
"In Fortentwicklung seiner bisherigen Rechtsprechung sieht das Bundesverfassungsgericht die Erhebung von Sonderabgaben unter folgenden Voraussetzungen als verfassungsrechtlich zulässig an".

Eine interessante Voraussetzung findet sich dann auf den S. 305 f. (BVerfGE 55, 274 [305 ff.]):
"dd) Eine gesellschaftliche Gruppe kann nur dann mit einer Sonderabgabe in Anspruch genommen werden, wenn sie durch eine gemeinsame, in der Rechtsordnung oder in der gesellschaftlichen Wirklichkeit vorgegebene Interessenlage oder durch besondere gemeinsame Gegebenheiten von der Allgemeinheit und anderen Gruppen abgrenzbar ist, wenn es sich also um eine in diesem Sinne homogene Gruppe handelt (vgl. BVerfGE 23, 12 [23 f.]; 37, 1 [16] [Weiterverfolgen!]; Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, 1973, S. 18; Friauf in: Festschrift für Jahrreiß, 1974, S. 45 [55 f.]). Es ist dem Gesetzgeber verwehrt, für eine beabsichtigte Abgabenerhebung beliebig Gruppen nach Gesichtspunkten, die nicht in der Rechts- und Sozialordnung materiell vorgegeben sind, normativ zu bilden.
ee) Die Erhebung einer Sonderabgabe setzt eine spezifische Beziehung zwischen dem Kreis der Abgabepflichtigen und dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck voraus (vgl. BVerfGE 11, 105 [116]; 18, 315 [328]; 37, 1 [16]; Friauf in: Festschrift für Jahrreiß, 1974, S. 45 [53 ff.]; ders., Verfassungsrechtliche Probleme einer Reform des Systems zur Finanzierung der beruflichen Bildung, 1974, S. 37 ff.; ders., in: Festschrift für Haubrichs, 1976, S. 103 [116 ff.]). Die mit der Abgabe belastete Gruppe muß dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck evident näherstehen als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler; andernfalls wäre die Sonderbelastung der durch die Abgabe in Anspruch genommenen Gruppe schon mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nicht zu vereinbaren. Aus dieser zu fordernden Sachnähe der Abgabepflichtigen zum Abgabezweck muß eine besondere Gruppenverantwortung für die Erfüllung der mit der außersteuerlichen Abgabe zu finanzierenden Aufgabe entspringen. Die Aufgabe, die mit Hilfe des Abgabeaufkommens erfüllt werden soll, muß demnach ganz überwiegend in die Sachverantwortung der belasteten Gruppe, nicht in die der staatlichen Gesamtverantwortung fallen. Andernfalls würde es sich bei der Verfolgung des Zwecks um eine öffentliche Angelegenheit handeln, deren Lasten nur die Allgemeinheit treffen dürfen und die deshalb nur mit von der Allgemeinheit zu erbringenden Mitteln, das heißt im wesentlichen mit Steuermitteln finanziert werden darf (so Friauf in: Festschrift für Haubrichs, 1976, S. 103 [118]; vgl. BVerfGE 23, 12 [23])
[Weiterverfolgen!]".


1.2. BVerfGE 67, 256 = BVerfG, Urteil vom 6.11.1984 - 2 BvL 19, 20/83, 2 BvR 363, 491/83
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv067256.html
Spannend wird es ab S. 275 (BVerfGE 67, 256 [275 ff.]:
"Dementsprechend hat des Bundesverfassungsgericht Kriterien entwickelt, nach denen sich zulässige außersteuerliche Abgaben von Steuern unterscheiden lassen. Diese Kriterien dienen dazu, die bundesstaatliche Finanzverfassung vor Störungen zu schützen und den Erfordernissen des Individualschutzes der Abgabepflichtigen Rechnung zu tragen. Der Gesetzgeber hat bei der Einführung von Sonderabgaben Kompetenzschranken zu beachten, die seinen Gestaltungsspielraum im Verhältnis zur übrigen Regelungsbefugnis in der jeweiligen Sachmaterie deutlich verengen; es ist ihm verfassungsrechtlich versagt, eine öffentliche Aufgabe nach seiner Wahl im Wege der Besteuerung oder durch Erhebung einer "parafiskalischen" Sonderabgabe zu finanzieren (BVerfGE 55, 274 [299 ff.] [Siehe oben!]). Demgemäß ist die Erhebung von Sonderabgaben nur unter engen Voraussetzungen verfassungsrechtlich zulässig".

Eine interessante Voraussetzung findet sich, in Anknüpfung an BVerfGE 55, 274, dann auf den S. 276 f. (BVerfGE 67, 256 [276 f.]:
"Eine gesellschaftliche Gruppe kann nur dann mit einer Sonderabgabe in Anspruch genommen werden, wenn sie durch eine gemeinsame, in der Rechtsordnung oder in der gesellschaftlichen Wirklichkeit vorgegebene Interessenlage oder durch besondere gemeinsame Gegebenheiten von der Allgemeinheit und anderen Gruppen abgrenzbar ist, wenn es sich also um eine in diesem Sinne homogene Gruppe handelt. Es ist dem Gesetzgeber verwehrt, für eine beabsichtigte Abgabenerhebung beliebig Gruppen nach Gesichtspunkten, die nicht in der Rechts- oder Sozialordnung materiell vorgegeben sind, normativ zu bilden.
(2) Weiter setzt die Erhebung einer Sonderabgabe eine spezifische Beziehung zwischen dem Kreis der Abgabepflichtigen und dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck voraus. Die mit der Abgabe belastete Gruppe muß dem mit der Erhebung verfolgten Zweck evident näherstehen als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler. Aus dieser Sachnähe der Abgabepflichtigen zum Erhebungszweck muß eine besondere Gruppenverantwortung für die Erfüllung der mit der außersteuerlichen Abgabe zu finanzierenden Aufgabe entspringen. Dabei ist der Begriff der "Sachnähe" nach materiell-inhaltlichen Kriterien zu bestimmen, die sich einer gezielten Normierung des Gesetzgebers aus Anlaß der Einführung der Abgabe entziehen
".

Es folg die Subsumtion des konkret zu entscheidenden Falles unter diese Voraussetzungen auf den S. 279 f. (BVerfGE 67, 256 [279 f.]:
"Die Investitionshilfeabgabe erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Verfassungsmäßigkeit einer Sonderabgabe mit Finanzierungszweck. Abgabepflichtig sind einkommensteuerpflichtige Personen von einem bestimmten Einkommen an und körperschaftsteuerpflichtige Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen (§§ 2, 3 InvHG). Sie bilden keine Gruppe unter Gesichtspunkten, die in der Rechts- und Sozialordnung materiell vorgegeben wären; verbunden sind sie nur durch ihre Körperschaftsteuerpflicht bzw. durch ein bestimmtes Einkommen und die daran anknüpfende Einkommensteuerpflicht. Es besteht auch keine spezifische Beziehung zwischen dem Kreis der Abgabepflichtigen und dem Zweck der Förderung des Wohnungsbaus. Sie stehen diesem Zweck nicht näher als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler. Die Verwendung des Abgabeaufkommens zur Förderung des Wohnungsbaus liegt auch weder im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen noch nützt sie ihnen. Wenn der Wohnungsbau gefördert wird, erwächst ihnen daraus kein besonderer Vorteil".


1.3. BVerfGE 82, 159 = BVerfG, Beschluss vom 31.05.1990 - 2 BvL 12, 13/88, 2 BvR 1436/87
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv082159.html
Spannend wird es ab S. 179 (BVerfGE 82, 159 [179 ff.]:
"Das Bundesverfassungsgericht hat auch im Blick darauf die Grenzen benannt, in denen Sonderabgaben zulässig sind (vgl. BVerfGE 55, 274 [298]; 67, 256 [275] [siehe oben!]). Die dabei entwickelten Kriterien dienen dazu, die bundesstaatliche Finanzverfassung vor Störungen zu schützen und den Erfordernissen des Individualschutzes des Abgabepflichtigen Rechnung zu tragen (vgl. im einzelnen BVerfGE 67, 256 [276 ff.][siehe oben!])".

Eine interessante Voraussetzung findet sich, in Anknüpfung an oben, dann auf den S. 180 f. (BVerfGE 82, 159 [180 f.]:
"b) Die einen Sachbereich gestaltende Sonderabgabe darf nur eine vorgefundene homogene Gruppe in Finanzverantwortung nehmen; diese Gruppe muß durch eine vorgegebene Interessenlage oder durch besondere gemeinsame Gegebenheiten von der Allgemeinheit und anderen Gruppen abgrenzbar sein. Es ist dem Gesetzgeber verwehrt, für eine beabsichtigte Abgabenerhebung beliebig Gruppen nach Gesichtspunkten zu bilden, die nicht in der Rechts- oder Sozialordnung materiell vorgegeben sind.
Dabei rechtfertigt die Homogenität einer Gruppe eine Sonderabgabe nur, wenn sie sich aus einer spezifischen Sachnähe der Abgabepflichtigen zu der zu finanzierenden Aufgabe ergibt. Die mit der Abgabe belastete Gruppe muß dem mit der Erhebung verfolgten Zweck evident näherstehen als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler. Aus dieser Sachnähe der Abgabepflichtigen zum Erhebungszweck muß eine besondere Gruppenverantwortung für die Erfüllung der mit der außersteuerlichen Abgabe zu finanzierenden Aufgabe entspringen. Bei einer nicht in die besondere Verantwortung der belasteten Gruppe fallenden Aufgabe handelt es sich um eine öffentliche Angelegenheit, deren Lasten nur die Allgemeinheit treffen dürfen und die deshalb nur mit von der Allgemeinheit zu erbringenden Mitteln, d.h. im wesentlichen mit Steuermitteln finanziert werden darf.
c) Die nichtsteuerliche Belastung von Angehörigen einer Gruppe setzt voraus, daß zwischen den von der Sonderabgabe bewirkten Belastungen und den mit ihr finanzierten Begünstigungen eine sachgerechte Verknüpfung besteht. Diese Verknüpfung wird hergestellt, wenn das Abgabenaufkommen im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen, also gruppennützig, verwendet wird. "Fremdnützige" Sonderabgaben sind - unerachtet möglicher Bedenken aus den Grundrechten - unzulässig, es sei denn, daß die Natur der Sache eine finanzielle Inanspruchnahme der Abgabepflichtigen zugunsten fremder Begünstigter aus triftigen Gründen eindeutig rechtfertigt. Gruppennützige Verwendung besagt allerdings nicht, daß das Aufkommen im spezifischen Interesse jedes einzelnen AbBVerfGE 82, 159 gabepflichtigen zu verwenden ist; es genügt, wenn es überwiegend im Interesse der Gesamtgruppe verwendet wird
".


2. BayVGH, Urteil vom 15.05.2014 - Vf. 8-VII-12
Interessant ist eine -- in diesem Forum schon mehrmals zitierte -- Feststellung in Rn. 75:
"Der Rundfunkbeitrag mag aufgrund der dem Abgabentatbestand zugrunde liegenden Typisierungen und unwiderleglichen Vermutungen nahezu jeden im Inland Wohnenden und Arbeitenden unausweichlich erfassen und sich so einer Gemeinlast annähern".

Eine Auseinandersetzung mit den drei Prinzipien des BVerfG scheint im Urteil des BayVGH im Wesentlichen in den Rn. 79 bis 86 stattzufinden.


Unterschriftenaktion: https://online-boykott.de/unterschriftenaktion
Rechtlicher Hinweis: Beiträge stellen keine Rechtsberatung in irgendeiner Form dar. Sie spiegeln ausschließlich die persönliche Meinung des Verfassers wider. Weitere Infos: Regeln

  • IP logged  »Letzte Änderung: 24. Juli 2016, 03:07 von Bürger«

  • Beiträge: 7.332
2. BayVGH, Urteil vom 15.05.2014 - Vf. 8-VII-12
Interessant ist eine -- in diesem Forum schon mehrmals zitierte -- Feststellung in Rn. 75:
"Der Rundfunkbeitrag mag aufgrund der dem Abgabentatbestand zugrunde liegenden Typisierungen und unwiderleglichen Vermutungen nahezu jeden im Inland Wohnenden und Arbeitenden unausweichlich erfassen und sich so einer Gemeinlast annähern".
Wäre das nicht schon Grund gewesen, das dem BVerfG vorzulegen?


Unterschriftenaktion: https://online-boykott.de/unterschriftenaktion
Rechtlicher Hinweis: Beiträge stellen keine Rechtsberatung in irgendeiner Form dar. Sie spiegeln ausschließlich die persönliche Meinung des Verfassers wider. Weitere Infos: Regeln

  • IP logged  »Letzte Änderung: 26. Mai 2015, 01:35 von Bürger«
Bei Verarbeitung pers.-bez.-Daten ist das Unionsgrundrecht unmittelbar bindend; (BVerfG 1 BvR 276/17 & BVerfG 1 BvR 16/13)

Keine Unterstützung für
- Amtsträger, die sich über europäische wie nationale Grundrechte hinwegsetzen oder dieses in ihrem Verantwortungsbereich bei ihren Mitarbeitern, (m/w/d), dulden;

- Parteien, der Mitglieder sich als Amtsträger über Grundrechte hinwegsetzen und wo die Partei dieses duldet;

- Gegner des Landes Brandenburg wie auch gesamt Europas;

 
Nach oben