I.
Die kommunale Vollstreckungsstelle hat in NRW zwingend das Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW und die zugehörigen Verwaltungsvorschriften und Ausführungsverordnungen zu beachten.
Die Vollstreckung von Forderungen aus Rundfunkgebühren ist eine privatrechtliche Forderung, da eine Rundfunkanstalt zwar eine öffentlich-rechtliche Institution, aber eben nach materiellem Recht keine Behörde ist. Daher ist hier die Ausführungsverordnung zum VwVG (VO VwVG NRW) anzuwenden. Dort sind in §4 die Gläubiger abschließend und vollzählig genannt, für die privatrechtliche Forderungen im Verwaltungsvollstreckungsverfahren durch die ersuchten Behörden vollstreckt werden dürfen. Hier ist zwar der Westdeutsche Rundfunk genannt, nicht jedoch der ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice.
Eine kommunale Vollstreckungsbehörde darf also auf ein vom Beitragsservice vorgelegtes Vollstreckungsersuchen hin nicht tätig werden, da sie andernfalls gegen zwingende Rechtsvorschriften verstößt.
II.
Zu den Voraussetzungen, damit eine Vollstreckung im Verwaltungswege überhaupt begonnen werden darf, gehört es, dass dem Land NRW, den Gemeinden, den Gemeindeverbänden, den sonstigen unter Landesaufsicht stehenden Körperschaften sowie Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts eine Geldforderung gegenüber jemandem zusteht. Es muss also einen Gläubiger geben, der rechtsfähig ist. Das Land, die Gemeinden, die Gemeindeverbände sowie die sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts unter Landesaufsicht sind rechtsfähig - aber eben auch nur diese. Andere „Gebilde“ wie die nichtrechtsfähige Verwaltungsgemeinschaft „Beitragsservice“ gehören nicht hierzu. Deshalb können solche „Gebilde“ mangels Rechtsfähigkeit nicht Gläubiger einer Geldforderung gegenüber jemandem sein.
Der ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice handelt nicht als Teil der Rundfunkanstalt, sondern lediglich als Dienstleister. Im Geschäftsbericht 2014 des Beitragsservice wird auf Seite 22 ausgeführt:
Die Dienstleistung „Erlangung rückständiger Forderungen“ des Beitragsservice von ARD, ZDF und
Deutschlandradio gegen säumige Zahlerinnen und Zahler umfasst Zahlungserinnerungen, Gebühren- / Beitragsbescheide, Mahnungen und Vollstreckungsersuchen.
In §10 Abs. 5 RBStV ist bestimmt:
Rückständige Rundfunkbeiträge werden durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt.
Die Landesrundfunkanstalt ist aber eben nicht identisch mit dem Beitragsservice. Der Beitragsservice ist zudem, wie bereits dargelegt, eine nicht rechtsfähige öffentlich-rechtliche Verwaltungsgemeinschaft. Damit ist der Beitragsservice nicht befugt, Vollstreckungsmaßnahmen zu betreiben, denn diese sind als Maßnahmen der Rechtsverfolgung anzusehen, für die dem Beitragsservice sowohl die Aktiv- als auch die Passivlegitimation fehlt.
Die Vollstreckung säumiger Rundfunkbeiträge darf ausschließlich durch die Organschaft des Intendanten des WDR betrieben werden, wie das Gesetz über den Westdeutschen Rundfunk (WDR-Gesetz) in §25 Abs. 2 bestimmt. Im vorliegenden Fall jedoch ist der Urheber des Vollstreckungsersuchens eben gerade nicht die Organschaft des Intendanten des WDR, sondern der nicht rechtsfähige Beitragsservice. Der Beitragsservice kann auch nicht im Auftrag des Organs des Intendanten tätig werden, denn die Übertragung hoheitlicher Aufgaben ist nur durch gesetzliche Ermächtigung möglich. Eine solche Ermächtigung liegt in Bezug auf den Beitragsservice aber eben gerade nicht vor.
Der Beitragsservice handelt auch nicht als Teil der Rundfunkanstalt. Denn um als Teil der Rundfunkanstalt nach außen auftreten zu können, bedarf es der Unterstellung des Beitragsservice oder jedenfalls der als Teil der Rundfunkanstalt handelnden Mitarbeiter unter die ausschließliche Weisungshoheit des Intendanten des WDR. Die Mitarbeiter des Beitragsservice sind jedoch nicht dem Intendanten des WDR unterstellt, sondern sind dem Direktionsrecht des Geschäftsführers des ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice unterworfen. Der Geschäftsführer wiederum untersteht den Weisungen des Aufsichtsgremiums der Intendanten der ARD-Rundfunkanstalten, des ZDF und des Deutschlandradio, nicht jedoch dem Intendanten des WDR allein.
Der Beitragsservice ist mangels entsprechender Legitimation gar nicht befugt, die Rechtsverfolgung säumiger Schuldner zu betreiben. Ein Vollstreckungsersuchen des ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice ist unzulässig und unwirksam. Auf der Grundlage eines Vollstreckungsersuchens des ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice darf die Vollstreckungsbehörde nicht tätig werden, die Vollstreckung ist unzulässig.
Betreibt die Vollstreckungsbehörde dennoch die Vollstreckung, wird hierdurch möglicherweise eine strafbare Handlung begangen.
III.
In §6 Abs. 3 VwVG NRW ist bestimmt:
„Vor Beginn der Vollstreckung soll der Schuldner nach § 19 gemahnt werden.“
Und in Abschnitt 1.2.2.4 VV VwVG NRW ist bestimmt:
„Der Durchführung der Vollstreckung muss eine Zahlungsaufforderung an den Vollstreckungsschuldner vorausgehen.“
Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat die Vollstreckung im Auftrag des MDR untersagt, weil der Zugang einer Mahnung vor der Vollstreckungsmaßnahme nicht nachgewiesen war (Beschluß vom 12. Januar 2016, Az. 3 B 273/15). Das Gericht führt in dem Beschluß aus:
Die Mahnung ist keine Vollstreckungsmaßnahme. Sie ist jedoch eine zwingend zu beachtende Vollstreckungsvoraussetzung (BVerwG, Urt. v. 12. September 1992 - 1 C 3.89 -, juris Rn. 22). Die Vollstreckung eines Leistungsgebots ist folglich nur zulässig, wenn der Schuldner zuvor wirksam gemahnt wurde. Dies setzt voraus, dass ihm die Mahnung zugegangen ist (BGH, Urt. v. 27. Mai 1957 - II ZR 132/56 -, juris). Wird die Mahnung auf dem Postweg übermittelt, bestimmt sich ihr Zugang nach den entsprechend anzuwendenden Vorschriften über die Bekanntgabe schriftlicher Verwaltungsakte (Sadler a. a. O. § 3 VwVG Rn. 67 m. w. N.; Engelhardt/App/Schlatmann a. a. O. § 3 VwVG Rn. . Da sie mit verschlossenem Schreiben und somit schriftlich vorzunehmen ist, entspricht sie ihrer Form nach dem schriftlichen Verwaltungsakt. Da sie Vollstreckungsvoraussetzung ist, setzt ihre Wirksamkeit voraus, dass sie dem Betroffenen tatsächlich zugegangen ist. Der Zugang ist somit wie beim schriftlichen Verwaltungsakt Voraussetzung für die Wirksamkeit.
und weiter:
Regelmäßig wird mit dem durch den zuständigen Behördenmitarbeiter zu dokumentierenden Zeitpunkt der Aufgabe zur Post ein typischer Geschehensablauf dahingehend in Gang gesetzt, dass im Inland eine Postbeförderung innerhalb von drei Tagen an den Bestimmungsort erwartet werden kann. Diese Dokumentation erfolgt gewöhnlich durch ein Postausgangsbuch. Durch den Eintrag im Postausgangsbuch wird bestätigt, dass der schriftliche Verwaltungsakt tatsächlich einem Postdienstleister übergegeben wurde und nicht auf dem Weg vom Sachbearbeiter zur Poststelle verloren gegangen oder aus anderen Gründen nicht zur Versendung gelangt ist. Insbesondere in Massenverfahren kann dieser Nachweis jedoch auch auf andere Weise erfolgen, soweit daraus hervorgeht, dass sich der schriftliche Verwaltungsakt nicht nur bei den Akten befindet, sondern tatsächlich zum Postausgang gelangt ist.
...
Hier kann offen bleiben, ob nach diesen Grundsätzen von einem Zugang der Gebühren- und Beitragsbescheide ausgegangen werden kann oder ob die vom Antragsteller aufgezeigten Umstände geeignet sind, berechtigte Zweifel an ihrem Zugang zu begründen. Jedenfalls ist die Vollstreckung der Gebühren- und Beitragsbescheide schon deswegen vorläufig einzustellen, weil der Antragsgegner die Aufgabe der diese Forderungen betreffenden, aktenkundigen schriftlichen Mahnungen vom 1. Oktober, 1. November 2014 sowie vom 2. Februar und 2. März 2015 zur Post weder durch entsprechende Vermerke in einem Postausgangsbuch noch in sonst geeigneter Weise do-
6 kumentiert hat. Liegen die für die Fiktion des Zugangs der Mahnungen entsprechend anzuwendenden Voraussetzungen des § 1 SächsVwVfZG i. V. m. § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG somit nicht vor, reicht es aus, wenn der Antragsteller - wie geschehen - deren Zugang schlicht bestreitet.
IV.
Ebenso ist in Abschnitt 1.2.2.4 VV VwVG NRW bestimmt:
„Vor Beginn der Vollstreckung ist der Vollstreckungsschuldner schriftlich oder mündlich über sein Recht zu belehren, Einwendungen gegen die Forderung zu erheben und hierdurch die Einstellung der Vollstreckung im Verwaltungswege herbeizuführen. Die Belehrung sollte auch einen Hinweis auf die Zulässigkeit der Vollstreckung der fälligen Forderung nach dem VwVG NRW enthalten.“
Die Vollstreckungsankündigung ist aber bereits als Teil der Vollstreckungshandlung anzusehen. Daher hat die nach VV VwVG NRW vorgeschriebene Belehrung über die Rechte des Schuldners zwingend schriftlich bereits mit der Vollstreckungsankündigung zu erfolgen. Eine mündliche Belehrung durch den Vollstreckungsbeamten unmittelbar vor dem Beginn der Vollstreckungshandlung erfüllt die gesetzlichen Vorgaben nicht, da dem Schuldner Gelegenheit gegeben werden muß, sich mit einer rechtskundigen Person seines Vertrauens oder seinem Prozeßvertreter über die Wahrnehmung seiner Rechte zu beraten.
V.
Weiterhin ist in dem in Abschnitt 1.2.2.4 VV VwVG NRW wiedergegebenen Mustertext für eine Belehrung über die Rechte des Schuldners ausgeführt:
„Die öffentlich-rechtliche Beitreibung dieser Forderung nach dem VwVG NRW unterbleibt oder ist einzustellen, wenn Sie bei der Vollstreckungsbehörde (– Anschrift der Vollstreckungsbehörde -)schriftlich oder zu Protokoll Einwendungen gegen die Forderung geltend machen. Die Forderung wird in diesem Fall im Zivilprozessweg geltend gemacht.“
Allerdings ist hierbei unbedingt §7 Abs. 1 und 2 VwVG NRW zu beachten:
§ 7
(1) Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des den Anspruch vollziehenden
Leistungsbescheids sind, auch wenn diese nach Eintritt der Bestandskraft entstanden sind,außerhalb des Zwangsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen.
(2) Einwendungen gegen den der Vollstreckung zugrunde liegenden Anspruch, die nicht bereits nach § 6a zu beachten sind und eine Beschränkung oder die Einstellung der Vollstreckbarkeit des Leistungsbescheides oder eines nach § 1 Abs. 3 sofort vollstreckbaren öffentlich-rechtlichen Vertrages oder einer entsprechenden Erklärung zum Gegenstand haben, sind bei der Behörde geltend zu machen, die den Verwaltungsakt erlassen oder den Vertrag geschlossen hat oder vor der die Erklärung abgegeben wurde; in Fällen der Vollstreckungshilfe für Behörden außerhalb des Landes entscheidet die Vollstreckungsbehörde. Gegen einen durch Leistungsbescheid vollstreckten Anspruch sind nur die Einwendungen zulässig, die nicht im Wege der Anfechtung gegen den Leistungsbescheid geltend gemacht werden konnten. Die Behörde prüft im Rahmen ihrer Entscheidung über die Beschränkung oder Einstellung der Vollstreckung, ob vorläufige Maßnahmen anzuordnen sind; sie kann die Aufhebung bereits getroffener Vollstreckungsmaßnahmen verfügen.
Nach Absatz 1.2.2.2 VV VwVG NRW steht der Vollstreckungsbehörde keine Befugnis zu, die Berechtigung von Einwendungen, die sich gegen die Forderung richten, zu prüfen.
Nach den Bestimmungen des Absatzes 1.2.2.6 VV VwVG NRW hat nach der wirksamen Erhebung von Einwendungen eine noch nicht begonnene Vollstreckung zu unterbleiben, eine bereits eingeleitete Vollstreckung ist einzustellen.
1.2.2.2
Die Einwendungen des Vollstreckungsschuldners gegen die Forderung hat dieser schriftlich oder zur Niederschrift bei der Vollstreckungsbehörde einzulegen. Der Vollstreckungsbehörde steht keine Befugnis zu, die Berechtigung von Einwendungen, die sich gegen die Forderung richten, zu prüfen. Die pauschale Erklärung des Vollstreckungsschuldners, mit der Vollstreckung nicht einverstanden zu sein, führt nicht zur Einstellung des Verfahrens. Gleiches gilt für Einwände gegen die Voraussetzungen der Vollstreckung oder das Vorbringen nachträglicher Vollstreckungshindernisse, die sich nicht auf die Forderung beziehen, oder Einwände gegen die Art und Weise der Vollstreckungsdurchführung. Derartige Einwände sind als Widerspruch gegen die Vollstreckung auszulegen, dem gemäß § 8 AG VwGO NRW keine aufschiebende Wirkung zukommt. Über diesen Rechtsbehelf ist im Widerspruchsverfahren zu entscheiden.
1.2.2.6
Nach der wirksamen Erhebung von Einwendungen unterbleibt eine noch nicht begonnene Vollstreckung, eine bereits eingeleitete Vollstreckung wird eingestellt. Bereits durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen bleiben bestehen. Nach Abschluss der Vollstreckung erfolgt keine Einstellung mehr. Erworbene Pfandrechte bleiben wirksam und sind gegenüber späteren Pfändungen anderer Gläubiger rangwahrend. Die Verwertung erworbener Pfandrechte wird bis zur Erlangung des Vollstreckungstitels im Zivilrechtsweg ausgesetzt. Der Gläubiger entscheidet nach Information durch die Vollstreckungsbehörde, ob er innerhalb eines Monates nach der Erhebung der Einwendungen (Fristberechnung nach § 31 Abs. 1-5 VwVfG NRW i. V. m. §§ 187-193 BGB, der Tag des Zugangs oder der zur Protokollerhebung zählt beim Fristbeginn nicht mit) einen Mahnbescheid beantragt oder Klage bei einem Zivilgericht einreicht.
Mit der umfassenden, aber gewissenhaften Anwendung der oben zitierten Rechtsvorschriften kann man die als Vollstreckungsbehörden tätigen Verwaltungsbehörden in NRW (in anderen Bundesländern dürfte es vergleichbare Vorschriften geben) sicher gehörig ins Schwitzen bringen und der Vollstreckung von Zwangsbeglückungsbeiträgen schwergewichtige Argumente entgegensetzen.
Alle zitierten Rechtsvorschriften sind in den einschlägigen Portalen im Internet bzw. auf den Seiten des Landesjustizministeriums NRW zu finden.