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Autor Thema: epd: Der Wert der Öffentlichkeit - Für eine Reform von GG Artikel 5 (04.07.2014)  (Gelesen 2676 mal)

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    • Protest + Widerstand gegen ARD, ZDF, GEZ, KEF, ÖRR, Rundfunkgebühren, Rundfunkbeitrag, Rundfunkstaatsvertrag:
Aufmerksam gemacht durch einen Beitrag unter...
Widerspruchsgrund "kein individueller oder struktureller Vorteil vorhanden"
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,10250.msg95146.html#msg95146

...sei hiermit dem dort erwähnten (danke @Greyhound für den Fund), schon etwas älteren Artikel ein
eigener Thread gewidmet und dieser Artikel trotz dessen, dass dieser nun schon ein gutes Jahr alt ist,
hiermit zur allgemeinen Diskussion gestellt:

epd Evangelischer Pressedienst, 04. Juli 2014
Der Wert der Öffentlichkeit
Für eine Reform von Artikel 5

http://www.epd.de/fachdienst/fachdienst-medien/schwerpunktartikel/der-wert-der-%C3%B6ffentlichkeit

Der Autor Dr. Wolfgang Hagen ist aktuell Professor für Medienwissenschaft an der Leuphana Universität Lüneburg, er war langjährig beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk tätig und dort zuletzt Leiter der Abteilungen Kultur und Musik beim DeutschlandRadio.
Quelle: http://www.whagen.de/ADRESSE.HTM

Zitat
Die Öffentlichkeit gibt es nicht mehr. Die Massenmedien verlieren an Verbreitung und Resonanz, und im Internet bilden sich zahlreiche neue Öffentlichkeiten heraus, die jedoch nicht mehr die Funktion erfüllen, die große Zeitungen oder das Fernsehen früher erfüllten ... Angesichts des Medienwandels durch die Digitalisierung müsse der öffentlich-rechliche Auftrag neu formuliert werden

Zitat
Je klarer die Finanzierung von ARD, ZDF und Deutschlandradio durch einen fast schon unheimlich breiten Konsens politisch abgesichert erscheint, umso weniger haben die Öffentlich-Rechtlichen Antworten gefunden auf die vier Grundfragen ihrer gegenwärtigen Existenz:

Erstens der "Generationenabriss": Alle großen TV-Programme von ARD & ZDF sind überaltert.

Zweitens die heraufziehende "Mehrheitskrise": Erhebliche Teile der Bevölkerung sind inzwischen nur noch durch private Medien sozialisiert und bilden eine wachsende Wählerkohorte, die für das öffentlich-rechtliche System im Zweifel nicht einstehen wird.

Drittens der Netz-Attentismus: ARD, ZDF und Deutschlandradio finden keinen erfolgreichen Weg in das, was sie die digitale Online-Welt nennen, also in das mediale Netzwerk aus Netzwerken, das dabei ist, eine völlig neue Medienwelt zu schaffen.

Und viertens (und hier kommt Hanfeld selbst ins Spiel) die "Pressekrise": Tageszeitungen haben kaum noch jüngere Leser, verlieren an Reichweite und noch mehr im Anzeigenmarkt; im Ergebnis werden Presse-Redaktionen fusioniert, ausgedünnt oder ganz aufgelöst. Damit entfallen auch Kompetenzen und Diskursräume, die Voraussetzung für eine Debatte über die Entwicklung des Rundfunksystems im digitalen Zeitalter sind.

Zitat
Diese neue Sozialstruktur hat völlig andere Facetten. Sie überlagert und unterläuft die schwächer werdende klassische Öffentlichkeit, ohne sie in wesentlichen Punkten ersetzen zu können (oder zu wollen). Sie hat keine raumzeitlich einheitlichen Oberflächen mehr (wie die "Geräte" und gedruckten Blätter es waren); und sie hat auch keine einheitlichen Themen mehr, wie sie beispielsweise die Massenmedien qua "Aktualität" durch ihre Nachrichten und ihre Programme setzen. [...] Schon dieser kurze Aufriss zeigt, dass es an der gegebenen Sachlage völlig vorbeigeht, dieses neue digitale Geschehen im Netz, wie es Exverfassungsrichter Hans Jürgen Papier immer wieder tut, "Rundfunk" oder auch nur "rundfunkähnlich" zu nennen. Das Internet, so paradox es klingt, ist kein Massenmedium. Es erreicht zwar weltweit riesige Menschenmassen wie kein Medium zuvor, aber es hat keine "Publizität" im klassischen Sinn, weil die Zugänglichkeit der Inhalte entweder auf Vorkenntnis, auf Links aus einer "losen" Gemeinschaft von "Freunden" (anderen NutzerInnen), auf "Adds" oder auf ausgetüftelten Algorithmen einer Suchmaschine basiert. [...] Das massenmediale Gedächtnis der Zeitungen und der klassischen elektronischen Medien hält mit den kommunikativen Ausdifferenzierungen, Beschleunigungen und Informationszuwächsen in der globalisierten Welt nicht mehr Schritt. Dieser Trend ist mit Zahlen belegbar: Nutzte noch 2007 nur jeder Zehnte hierzulande das Internet als seine Informationsquelle für das aktuelle Geschehen, so war es 2012 schon jeder Fünfte. Lasen 1974 noch zwei Drittel aller Bundesbürger täglich eine Zeitung, war es 2010 nicht einmal mehr die Hälfte. [...] Bezieht man diese Phänomene nun auf die Intentionen der Pressefreiheitsregelung in Artikel 5 GG, so kommt man um wichtige Folgerungen nicht herum. Die bisherige Rechtsprechung versteht diesen Artikel so, dass mit ihm der Rundfunk "gewährleistet" wird und der Presse als Institution Abwehrrechte gegenüber Staatseingriffen zustehen. Wenn nun aber erkennbar ist, dass die gedruckte Presse dramatisch verliert und mit ihr ein Teil der Pressefreiheit schrumpft; und dass auch Radio- und auch Fernsehmärkte an Bedeutung verlieren; und dass dies nicht konjunkturellen Schwankungen geschuldet ist, sondern auf eine fundamentale Krise deutet, die in einem tiefen medialen Umbruch der Gesellschaft liegt, so führt aus meiner Sicht kein Weg daran vorbei, Artikel 5 des Grundgesetzes auf diese neuen Gegebenheiten anzupassen, die 1949 niemand vorhersehen konnte. [...] Artikel 5 des Grundgesetzes regelt die Meinungsfreiheit aktiv. Objektiv gesehen ist diese staatlich gewährleistete Pressefreiheit gewiss ein hoher "Public Value". Medienfreiheit ist von unverzichtbarem Wert, wenn man an einem europäischen Modell von Gesellschaft festhalten will. Obsolet geworden allerdings ist die Beschränkung dieses Wertes auf eine objektivrechtliche Gewährleistung von Rundfunk in behördenähnlicher Form. In dieser Gestalt wird der "Public Value" einer neuen Medienfreiheit keine Akzeptanz finden, ohne die er aber keine Zukunft hat.

Zitat
Wie eine "Public Value" Konzession für Unternehmungen aussehen könnte, die einer neu definierten Medienfreiheit dienen, darüber muss ein zivilgesellschaftlicher und politischer Diskurs entscheiden. Das alles, würde es angepackt, wäre eine große Aufgabe, gewiss. Aber wäre sie größer als es die Aufbauphase der öffentlich-rechtlichen Anstalten war, die nach 1949 entstanden sind? Bleibt jedoch alles beim Alten, so wird auf mittlere Sicht ein chaotischer Kollaps der Rundfunkanstalten und damit der Untergang jeglicher öffentlich gesicherter Medienfreiheit die Folge sein.


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